Entscheidungsdatum
02.07.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W279 2260621-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN über die Beschwerde des mj. XXXX , geboren am XXXX 2007, Staatsangehörigkeit Syrien, gesetzlich vertreten durch BH Graz-Umgebung Kinder- und Jugendhilfe, vertreten durch Caritas Diözese Graz-Seckau, Mariengasse 24, 8020 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.09.2022, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.01.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN über die Beschwerde des mj. römisch 40 , geboren am römisch 40 2007, Staatsangehörigkeit Syrien, gesetzlich vertreten durch BH Graz-Umgebung Kinder- und Jugendhilfe, vertreten durch Caritas Diözese Graz-Seckau, Mariengasse 24, 8020 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.09.2022, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.01.2024, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der minderjährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 18.09.2021 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 18.09.2021 wurde der minderjährige Beschwerdeführer von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers seiner Muttersprache erstbefragt. Hier gab er im Wesentlichen an, dass er der Volksgruppe der Araber angehöre, Religionszugehörigkeit Islam sei. Und am XXXX 2007, in XXXX , Syrien geboren, ledig und minderjährig sei. Sein Vater sei verstorben. Seine Mutter, seine zwei Brüder und seine zwei Schwestern würden sich in Syrien aufhalten. Er habe 3 Jahre die Grundschule besucht und sei zuletzt Schüler gewesen.2. Am 18.09.2021 wurde der minderjährige Beschwerdeführer von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers seiner Muttersprache erstbefragt. Hier gab er im Wesentlichen an, dass er der Volksgruppe der Araber angehöre, Religionszugehörigkeit Islam sei. Und am römisch 40 2007, in römisch 40 , Syrien geboren, ledig und minderjährig sei. Sein Vater sei verstorben. Seine Mutter, seine zwei Brüder und seine zwei Schwestern würden sich in Syrien aufhalten. Er habe 3 Jahre die Grundschule besucht und sei zuletzt Schüler gewesen.
Als Fluchtgrund gab er an, dass er seine Heimat verlassen habe, weil sein Vater von IS Kämpfern umgebracht worden sei. Er sei vor dem Krieg geflohen und er müsse seine Familie nachholen, da sie dort nicht in Sicherheit seien. Er wolle nicht zurück, weil dort Kinder entführt werden und er habe Angst um seine Geschwister.
3. Am 02.08.2022 wurde der minderjährige Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) in Anwesenheit eines Dolmetschers seiner Muttersprache sowie seiner bevollmächtigten Vertretung niederschriftlich einvernommen. Hier gab er im Wesentlichen an, dass er der Volksgruppe der Araber angehöre, minderjährig sei und er sei im Dorf XXXX , Bezirk XXXX , Gouvernement XXXX , Syrien geboren. Sein Vater sei verstorben. Seine Mutter, seine zwei Brüder und eine Schwester würden sich in einem Flüchtlingslager im Gouvernement XXXX aufhalten sowie eine verheiratete Schwester sich im Gouvernement XXXX in Syrien aufhalten. Er habe 3 Jahre die Grundschule besucht und habe diese mit 9 Jahren abgebrochen. Anschließend habe er Wasser verkauft. Der minderjährige Beschwerdeführer habe Syrien im Jahr 2021 verlassen. Er habe aus Angst vor dem IS Syrien verlassen, weil er von diesem mit dem Umbringen bedroht worden wäre. Er sei 12 Jahre alt gewesen und sein Vater sei von IS Kämpfern umgebracht worden, aber er wisse nicht genau warum. Seine Mutter habe Angst um ihn, daher habe sie mit einem seiner Onkel entschieden, dass er bei seinen Onkeln übernachten solle sowie Syrien verlassen solle. Seine Mutter hätte Zetteln vom IS erhalten, dass die ganze Familie nicht mehr in ihrem Haus leben dürften. Daher sei die Familie nach XXXX gezogen. Er habe sich zweieinhalb Jahre bei seinen Onkeln aufgehalten bis zu seiner Ausreise. Bei einer Rückkehr habe er Angst, dass er vom IS umgebracht werde. Außerdem habe er Angst, dass er zum Militär eingezogen werden würde. Er wolle keine Waffe tragen und wolle nicht mitkämpfen müssen. 3. Am 02.08.2022 wurde der minderjährige Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) in Anwesenheit eines Dolmetschers seiner Muttersprache sowie seiner bevollmächtigten Vertretung niederschriftlich einvernommen. Hier gab er im Wesentlichen an, dass er der Volksgruppe der Araber angehöre, minderjährig sei und er sei im Dorf römisch 40 , Bezirk römisch 40 , Gouvernement römisch 40 , Syrien geboren. Sein Vater sei verstorben. Seine Mutter, seine zwei Brüder und eine Schwester würden sich in einem Flüchtlingslager im Gouvernement römisch 40 aufhalten sowie eine verheiratete Schwester sich im Gouvernement römisch 40 in Syrien aufhalten. Er habe 3 Jahre die Grundschule besucht und habe diese mit 9 Jahren abgebrochen. Anschließend habe er Wasser verkauft. Der minderjährige Beschwerdeführer habe Syrien im Jahr 2021 verlassen. Er habe aus Angst vor dem IS Syrien verlassen, weil er von diesem mit dem Umbringen bedroht worden wäre. Er sei 12 Jahre alt gewesen und sein Vater sei von IS Kämpfern umgebracht worden, aber er wisse nicht genau warum. Seine Mutter habe Angst um ihn, daher habe sie mit einem seiner Onkel entschieden, dass er bei seinen Onkeln übernachten solle sowie Syrien verlassen solle. Seine Mutter hätte Zetteln vom IS erhalten, dass die ganze Familie nicht mehr in ihrem Haus leben dürften. Daher sei die Familie nach römisch 40 gezogen. Er habe sich zweieinhalb Jahre bei seinen Onkeln aufgehalten bis zu seiner Ausreise. Bei einer Rückkehr habe er Angst, dass er vom IS umgebracht werde. Außerdem habe er Angst, dass er zum Militär eingezogen werden würde. Er wolle keine Waffe tragen und wolle nicht mitkämpfen müssen.
4. Am 19.08.2022 nahm der vertretene minderjährige Beschwerdeführer in seiner Asylsache hinsichtlich der Einvernahme vor der belangten Behörde Stellung. Zusammenfassend wurde in dieser ausgeführt, dass der Beschwerdeführer minderjährig sei, in XXXX , im Bezirk XXXX , im Gouvernement XXXX geboren worden sei und bis zu seiner Ausreise dort gelebt habe. Er habe 3 Jahre die Grundschule besucht. Aufgrund der finanziellen schlechten Lage habe er mit 9 Jahren die Schule abgebrochen und habe zum Familieneinkommen beigetragen, indem er Wasser verkaufte. Sein Vater wäre 2014 vom IS umgebracht worden. Seine Mutter, eine Schwester und zwei Brüder würden in einem Flüchtlingslager in dem Gouvernement XXXX leben sowie eine verheiratete Schwester lebe im Dorf XXXX , im Gouvernement XXXX . Der Beschwerdeführer habe Syrien aufgrund einer Bedrohung seitens des IS, welche ihn mit dem Tod bedrohen würde, verlassen. Weiters fürchte er im Falle einer Rückkehr zur Armee zu müssen und mitzukämpfen. Es bestehe die Gefahr einer Verfolgung seitens des IS, welche ihn direkt mit dem Umbringen bedroht habe und aufgrund von Drohungen habe seine Familie ihren Wohnsitz im Gouvernement XXXX aufgeben müssen. Darüber hinaus bestehe seitens des syrischen Regimes die Gefahr einer Rekrutierung und das syrische Regime würde ihn aufgrund seiner illegalen Ausreise sowie Asylantragstellung in Europa als Verräter ansehen sowie ihm daher eine politische Gesinnung unterstellen. Es drohe dem Beschwerdeführer auch im Falle einer Rückkehr eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit einer sozialen Gruppe, der Familie, da einem seiner Angehörigen in Österreich bereits Asyl zugesprochen worden sei.4. Am 19.08.2022 nahm der vertretene minderjährige Beschwerdeführer in seiner Asylsache hinsichtlich der Einvernahme vor der belangten Behörde Stellung. Zusammenfassend wurde in dieser ausgeführt, dass der Beschwerdeführer minderjährig sei, in römisch 40 , im Bezirk römisch 40 , im Gouvernement römisch 40 geboren worden sei und bis zu seiner Ausreise dort gelebt habe. Er habe 3 Jahre die Grundschule besucht. Aufgrund der finanziellen schlechten Lage habe er mit 9 Jahren die Schule abgebrochen und habe zum Familieneinkommen beigetragen, indem er Wasser verkaufte. Sein Vater wäre 2014 vom IS umgebracht worden. Seine Mutter, eine Schwester und zwei Brüder würden in einem Flüchtlingslager in dem Gouvernement römisch 40 leben sowie eine verheiratete Schwester lebe im Dorf römisch 40 , im Gouvernement römisch 40 . Der Beschwerdeführer habe Syrien aufgrund einer Bedrohung seitens des IS, welche ihn mit dem Tod bedrohen würde, verlassen. Weiters fürchte er im Falle einer Rückkehr zur Armee zu müssen und mitzukämpfen. Es bestehe die Gefahr einer Verfolgung seitens des IS, welche ihn direkt mit dem Umbringen bedroht habe und aufgrund von Drohungen habe seine Familie ihren Wohnsitz im Gouvernement römisch 40 aufgeben müssen. Darüber hinaus bestehe seitens des syrischen Regimes die Gefahr einer Rekrutierung und das syrische Regime würde ihn aufgrund seiner illegalen Ausreise sowie Asylantragstellung in Europa als Verräter ansehen sowie ihm daher eine politische Gesinnung unterstellen. Es drohe dem Beschwerdeführer auch im Falle einer Rückkehr eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit einer sozialen Gruppe, der Familie, da einem seiner Angehörigen in Österreich bereits Asyl zugesprochen worden sei.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß § 8 Abs 1 AsylG der Status als subsidiär Schutzberechtigter zuerkannt (Spruchpunkt II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde für die Dauer von einem Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass nicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehe, dass der Beschwerdeführer von der syrischen Armee oder einer regierungstreuen Miliz zwangsrekrutiert werde. Es hätten sich im Verfahren keine Hinweise ergeben, dass er den Wehrdienst verweigert hätte, da er noch nicht im wehrfähigen Alter sei, er sich nicht oppositionell betätigt hätte oder aus anderen Gründen ins Blickfeld der syrischen Behörden geraten wäre. 5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG der Status als subsidiär Schutzberechtigter zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde für die Dauer von einem Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass nicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehe, dass der Beschwerdeführer von der syrischen Armee oder einer regierungstreuen Miliz zwangsrekrutiert werde. Es hätten sich im Verfahren keine Hinweise ergeben, dass er den Wehrdienst verweigert hätte, da er noch nicht im wehrfähigen Alter sei, er sich nicht oppositionell betätigt hätte oder aus anderen Gründen ins Blickfeld der syrischen Behörden geraten wäre.
6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die BH Graz-Umgebung Kinder- und Jugendhilfe und diese vertreten durch die Caritas Diözese Graz-Seckau, fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. Im Wesentlichen brachte der Beschwerdeführer vor, dass die Identität des Beschwerdeführers durch den vorgelegten Reisepass im Original feststehe. Aufgrund der Minderjährigkeit sei eine geringere Schwelle der Eingriffsintensität hinsichtlich der Asylrelevanz erforderlich. Seitens der belangten Behörde sei nur selektiv auf die Gefahr einer drohenden Zwangsrekrutierung eingegangen worden. Der Beschwerdeführer gehöre der sozialen Gruppe der Familie des Vaters an und daher drohe ihm eine Verfolgung durch Zwangsrekrutierungsversuchen sowie drohe ihm im Falle einer Weigerung zu kämpfen einer Verfolgung durch die diversen Bürgerkriegsakteure. Dem minderjährigen Beschwerdeführer drohe aufgrund seines Alters und Geschlechts bei einer Rückkehr eine Zwangsrekrutierung durch verschiedene Organisationen, vor allem im Zusammenhang mit der Herkunftsregion XXXX , welche teilweise vom syrischen Regime, teileweise von den Kurden kontrolliert werde und dieses Gebiet als Kerngebiet der IS-Aktivität in Syrien gelte.6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die BH Graz-Umgebung Kinder- und Jugendhilfe und diese vertreten durch die Caritas Diözese Graz-Seckau, fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. Im Wesentlichen brachte der Beschwerdeführer vor, dass die Identität des Beschwerdeführers durch den vorgelegten Reisepass im Original feststehe. Aufgrund der Minderjährigkeit sei eine geringere Schwelle der Eingriffsintensität hinsichtlich der Asylrelevanz erforderlich. Seitens der belangten Behörde sei nur selektiv auf die Gefahr einer drohenden Zwangsrekrutierung eingegangen worden. Der Beschwerdeführer gehöre der sozialen Gruppe der Familie des Vaters an und daher drohe ihm eine Verfolgung durch Zwangsrekrutierungsversuchen sowie drohe ihm im Falle einer Weigerung zu kämpfen einer Verfolgung durch die diversen Bürgerkriegsakteure. Dem minderjährigen Beschwerdeführer drohe aufgrund seines Alters und Geschlechts bei einer Rückkehr eine Zwangsrekrutierung durch verschiedene Organisationen, vor allem im Zusammenhang mit der Herkunftsregion römisch 40 , welche teilweise vom syrischen Regime, teileweise von den Kurden kontrolliert werde und dieses Gebiet als Kerngebiet der IS-Aktivität in Syrien gelte.
7. Am 23.01.2024 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der Verhandlung und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
8. Mit Email vom 29.01.2024 reichte der vertretene Beschwerdeführer die angeforderte Besuchsbestätigung nach.
9. Am 08.02.2024 nahm der vertretene minderjährige Beschwerdeführer Stellung zur mündlichen Verhandlung. In dieser wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer aus dem Dorf XXXX , Gouvernement XXXX stamme, welches derzeit unter der Kontrolle der Kurden stehe. Allerdings befinde sich nicht unweit von diesem Ort entfernt das Kontrollgebiet des syrischen Regimes. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers würde sich derzeit in XXXX , welches unter der Kontrolle des syrischen Regimes stehe, aufhalten. Die Heimatregion des Beschwerdeführers könne nicht so eng geografisch eingegrenzt werden, dass darunter eine bestimmte Stadt oder ein bestimmtes Dorf zu verstehen wäre. Es sei somit davon auszugehen, dass das syrische Regime im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimatregion Zugriff auf ihn habe. Eine sichere und legale Einreise in seine Herkunftsregion sei nicht möglich. Der Beschwerdeführer stehe kurz vor Vollendung seines 18. Lebensjahres, weshalb eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliege. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien ergebe es sich für den Beschwerdeführer, dass er die für seine Einziehung notwendigen Vorbereitungen bereits zu treffen hätte, ehe er mit 18 Jahren zum Wehrdienst eingezogen werden würde. Aufgrund der faktischen Wehrdienstverweigerung bzw. Entziehung durch seine Flucht drohe dem Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung. Die Möglichkeit eines Freikaufs sei für den Beschwerdeführer aufgrund keiner finanzieller Mittel nicht möglich, zumal es nicht gesichert sei, dass er sich aufgrund dessen tatsächlich vom Wehrdienst befreien könne. Darüber hinaus sei seine Wehrdienstverweigerung als Ausdruck seiner oppositionellen Gesinnung zu betrachten. Auch seitens der kurdischen Streitkräfte würde die Verweigerung des Militärdienstes dem Beschwerdeführer als oppositionelle Gesinnung ausgelegt werden. Ebenso drohe dem Beschwerdeführer eine Zwangsrekrutierung als Minderjährigen.9. Am 08.02.2024 nahm der vertretene minderjährige Beschwerdeführer Stellung zur mündlichen Verhandlung. In dieser wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer aus dem Dorf römisch 40 , Gouvernement römisch 40 stamme, welches derzeit unter der Kontrolle der Kurden stehe. Allerdings befinde sich nicht unweit von diesem Ort entfernt das Kontrollgebiet des syrischen Regimes. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers würde sich derzeit in römisch 40 , welches unter der Kontrolle des syrischen Regimes stehe, aufhalten. Die Heimatregion des Beschwerdeführers könne nicht so eng geografisch eingegrenzt werden, dass darunter eine bestimmte Stadt oder ein bestimmtes Dorf zu verstehen wäre. Es sei somit davon auszugehen, dass das syrische Regime im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimatregion Zugriff auf ihn habe. Eine sichere und legale Einreise in seine Herkunftsregion sei nicht möglich. Der Beschwerdeführer stehe kurz vor Vollendung seines 18. Lebensjahres, weshalb eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliege. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien ergebe es sich für den Beschwerdeführer, dass er die für seine Einziehung notwendigen Vorbereitungen bereits zu treffen hätte, ehe er mit 18 Jahren zum Wehrdienst eingezogen werden würde. Aufgrund der faktischen Wehrdienstverweigerung bzw. Entziehung durch seine Flucht drohe dem Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung. Die Möglichkeit eines Freikaufs sei für den Beschwerdeführer aufgrund keiner finanzieller Mittel nicht möglich, zumal es nicht gesichert sei, dass er sich aufgrund dessen tatsächlich vom Wehrdienst befreien könne. Darüber hinaus sei seine Wehrdienstverweigerung als Ausdruck seiner oppositionellen Gesinnung zu betrachten. Auch seitens der kurdischen Streitkräfte würde die Verweigerung des Militärdienstes dem Beschwerdeführer als oppositionelle Gesinnung ausgelegt werden. Ebenso drohe dem Beschwerdeführer eine Zwangsrekrutierung als Minderjährigen.
10. Am 15.03.2024 erging mit Parteiengehör die Version 10 vom 14.03.2024 der COI CMS Länderinformationen Syrien an die Parteien.
11. Am 28.03.2024 erging mit Parteiengehör die Version 11 vom 27.03.2024 der COI CMS Länderinformationen Syrien an die Parteien.
12. Am 19.04.2024 erging mit Parteiengehör die EUAA Country Guidance Syria von April 2024 an die Parteien.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den zugrundeliegenden Verwaltungsakt, insbesondere durch Einsicht in die im Verfahren vorgelegten Dokumente, Unterlagen und Befragungsprotokolle, Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Einsicht in die ins Verfahren eingebrachten Länderberichte, in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und bei der Auskunftserteilung an Justiz- und Verwaltungsbehörden WEB-Anwendung.
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der minderjährige Beschwerdeführer trägt den Namen XXXX und führt das Geburtsdatum XXXX 2007. Die Identität steht fest. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Arabischen Republik Syrien, Volksgruppenangehöriger der Araber, ledig, kinderlos und bekennt sich zur Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Arabisch. Er hat in Syrien drei Jahre lang die Schule besucht und mit neuen Jahren hat er die Schule beendet. In Syrien hat er Wasser verkauft und in der Türkei hat er in einer Plastikfabrik gearbeitet und Hilfsarbeiten für einen Tischler gemacht.Der minderjährige Beschwerdeführer trägt den Namen römisch 40 und führt das Geburtsdatum römisch 40 2007. Die Identität steht fest. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Arabischen Republik Syrien, Volksgruppenangehöriger der Araber, ledig, kinderlos und bekennt sich zur Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Arabisch. Er hat in Syrien drei Jahre lang die Schule besucht und mit neuen Jahren hat er die Schule beendet. In Syrien hat er Wasser verkauft und in der Türkei hat er in einer Plastikfabrik gearbeitet und Hilfsarbeiten für einen Tischler gemacht.
Der Vater ist verstorben. Die Mutter des Beschwerdeführers, zwei Brüder und zwei Schwestern leben in XXXX . Der Vater ist verstorben. Die Mutter des Beschwerdeführers, zwei Brüder und zwei Schwestern leben in römisch 40 .
Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist der Ort XXXX , im Gouvernement XXXX . Dieses steht unter kurdischer Kontrolle, wobei weder das syrische Regime noch der IS dort Zugriffsmöglichkeiten hat. Der Beschwerdeführer hat Syrien im Jahr 2021 in die Türkei verlassen. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist der Ort römisch 40 , im Gouvernement römisch 40 . Dieses steht unter kurdischer Kontrolle, wobei weder das syrische Regime noch der IS dort Zugriffsmöglichkeiten hat. Der Beschwerdeführer hat Syrien im Jahr 2021 in die Türkei verlassen.
Das Gouvernement XXXX ist grob in zwei Kontrollbereiche unterteilt. Der westliche Teil des Gouvernements - d.h. vor allem die Gebiete westlich des Euphrat - wird von der syrischen Regierung und ihren iranischen und russischen Verbündeten kontrolliert. Dieses Gebiet umfasst die wichtigsten Städte (Deir Ez-Zor, Mayadin und Al-Bukamal) und die logistische Route, die die von der Regierung kontrollierten Gebiete mit der syrisch-irakischen Grenze verbindet. Der östliche Teil des Gouvernements - die meisten Gebiete östlich des Euphrat - wird von den kurdisch dominierten SDF und ihren Verbündeten in der US-geführten Koalition kontrolliert. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers befindet sich im Einflussgebiet der Kurden.Das Gouvernement römisch 40 ist grob in zwei Kontrollbereiche unterteilt. Der westliche Teil des Gouvernements - d.h. vor allem die Gebiete westlich des Euphrat - wird von der syrischen Regierung und ihren iranischen und russischen Verbündeten kontrolliert. Dieses Gebiet umfasst die wichtigsten Städte (Deir Ez-Zor, Mayadin und Al-Bukamal) und die logistische Route, die die von der Regierung kontrollierten Gebiete mit der syrisch-irakischen Grenze verbindet. Der östliche Teil des Gouvernements - die meisten Gebiete östlich des Euphrat - wird von den kurdisch dominierten SDF und ihren Verbündeten in der US-geführten Koalition kontrolliert. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers befindet sich im Einflussgebiet der Kurden.
Die Reise nach Österreich erfolgte schlepperunterstützt und kostete ca. € 7.500,-. Diese wurde durch Verkauf eines Grundstücks sowie einer Kuh finanziert.
Die Heimatregion ist über den Grenzübergang Semalka/Fishkhabur ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichbar.
Der Beschwerdeführer hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer verließ Syrien im Jahr 2021 im Alter von 14 Jahren. Er ist mit seinen 17 Jahren bald im wehrfähigen Alter und ist als minderjähriger noch keiner Musterung unterzogen worden bzw. hat keinen Einberufungsbefehl erhalten sowie er noch keinen Wehrdienst bei den syrischen Streitkräften abgeleistet hat. Einen Wehrdienst bei den kurdischen Streitkräften hat der minderjähre Beschwerdeführer auch nicht abgeleistet.
Der Beschwerdeführer war in Syrien politisch nicht tätig und hat keine oppositionelle Handlung gesetzt sowie auch sonst nicht in das Blickfeld des syrischen Regimes geraten.
Weder das syrische Regime noch die Kurden unterstellen dem minderjährigen Beschwerdeführer wegen der mit seiner Flucht verbundenen künftigen Wehrdienstverweigerung nicht mit maßgebender Wahrscheinlichkeit eine politische oder oppositionelle Gesinnung.
Der Beschwerdeführer war weder von Zwangs- oder Kinderrekrutierung betroffen, noch besteht ein reales Risiko, vom syrischen Regime, der Kurden oder anderen operierenden Gruppierungen zwangsrekrutiert zu werden.
Eine reale individuelle Gefahr droht dem Beschwerdeführer seitens des IS nicht.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem minderjährigen Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung aufgrund einer Familienzugehörigkeit droht.
Dem Beschwerdeführer droht keine Verfolgung seitens einer anderen Gruppierung. Auch sonst ist der Beschwerdeführer nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
Dem Beschwerdeführer droht wegen der illegalen Ausreise oder der Asylantragstellung in Österreich keine Gefahr, bei einer Rückkehr mit der Anwendung physischer und/oder psychischer Gewalt aufgrund der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung bedroht zu werden.
1.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren im Wesentlichen auf nachstehenden Quellen:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Syrien, Version 11, Stand: 27.03.2024
EUAA: Country Guidance Syria, April 2024;
EUAA: Syria: Targeting of Individuals, September 2022;
EUAA: Syria: Security Situation, Oktober 2023;
UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Fassung
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Syrien: Fragen des BVwG zu Rückkehrern nach Syrien, Oktober 2022;
Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, März 2023
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Syrien: Fragen des BVwG zur Wehrpflicht in Gebieten außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung (ergänzende AFB), Oktober 2022;
Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zu Syrien: Rekrutierungspraxis YPG; Rekrutierung von Arabern, März 2023.
Anfragebeantwortungen zu Syrien: Detailfragen zum Vorgehen der syrischen Grenzbehörden bei der Einreise eines registrierten Reservisten nach mehrjährigem Auslandsaufenthalt, Juni 2023;
Anfragebeantwortungen zu Syrien: Einberufung von Reservisten der syrischen Armee: Bedarf, Bedingungen, Alter, Dauer, Einsatzbereich, Möglichkeit des Freikaufens, Juni 2023;
Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188], 6. September 2023;
Staatendokumentation, Thematic report on the border situation between Syria and Turkey & Iraq, Oktober 2023; Research Papers: Syria: The border situation between Turkey, Syria and Iraq, Version 1;
EUAA: Syria Country Focus, Oktober 2023;
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11 vom 27.03.2024:
„Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba‘ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay‘at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 2024-03-08 11:06
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba‘athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba‘ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba‘ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren ‚zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel‘. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).
Institutionen und Wahlen
Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba‘ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn „absolute Notwendigkeit“ dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba‘ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn „absolute Notwendigkeit“ dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).
Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein „ehrenrühriges“ Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten