Entscheidungsdatum
02.07.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W299 2270663-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. NEUHOLD als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX .1997, StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.03.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. NEUHOLD als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 .1997, StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.03.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 25.04.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am selben Tag fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die Erstbefragung des Beschwerdeführers vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei brachte der Beschwerdeführer vor, dass er den Entschluss zur Ausreise vor einem Monat und 15 Tagen gefasst habe, sein Zielland sei Österreich gewesen. Zu den Fluchtgründen befragt, gab er an, er sei zum Wehrdienst beim syrischen Militär einberufen worden, wolle jedoch nicht im Krieg sterben. Im Falle der Rückkehr befürchte er den Tod.
3. Am 07.11.2022 erfolgte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA. Der Beschwerdeführer brachte vor, er sei in Syrien geboren und 6 Jahre zur Schule gegangen. Im März 2013 sei er mit seiner Familie legal in den Libanon, dort habe er 8 Jahre als Steinmetz gearbeitet. Im Sommer 2021 sei er mit seiner Frau und den Kindern illegal nach Syrien zurück und habe dann im Flüchtlingslager in XXXX gelebt, bevor er illegal in die Türkei und weiter nach Österreich ausreiste. Zu den Fluchtgründen befragt gab er an, er werde als Feigling gesehen, der sein Land nicht habe verteidigen wollen, da er das Land 2013 mit seiner Familie in den Libanon verlassen habe. Die oppositionelle Miliz Al-Nusra-Front wolle er nun, dass sich der Beschwerdeführer ihnen anschließe, um seinen geschädigten Ruf wiederherzustellen. Im Falle einer Rückkehr drohe dem Beschwerdeführer von einer Konfliktpartei eingezogen zu werden. Den Militärdienst habe er nicht abgeleistet, er habe kein Militärbuch – zumal er das Land als Kind verlassen habe – und auch keinen Einberufungsbefehl erhalten. Abschließend brachte der Beschwerdeführer vor, er habe Syrien auch wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen. 3. Am 07.11.2022 erfolgte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA. Der Beschwerdeführer brachte vor, er sei in Syrien geboren und 6 Jahre zur Schule gegangen. Im März 2013 sei er mit seiner Familie legal in den Libanon, dort habe er 8 Jahre als Steinmetz gearbeitet. Im Sommer 2021 sei er mit seiner Frau und den Kindern illegal nach Syrien zurück und habe dann im Flüchtlingslager in römisch 40 gelebt, bevor er illegal in die Türkei und weiter nach Österreich ausreiste. Zu den Fluchtgründen befragt gab er an, er werde als Feigling gesehen, der sein Land nicht habe verteidigen wollen, da er das Land 2013 mit seiner Familie in den Libanon verlassen habe. Die oppositionelle Miliz Al-Nusra-Front wolle er nun, dass sich der Beschwerdeführer ihnen anschließe, um seinen geschädigten Ruf wiederherzustellen. Im Falle einer Rückkehr drohe dem Beschwerdeführer von einer Konfliktpartei eingezogen zu werden. Den Militärdienst habe er nicht abgeleistet, er habe kein Militärbuch – zumal er das Land als Kind verlassen habe – und auch keinen Einberufungsbefehl erhalten. Abschließend brachte der Beschwerdeführer vor, er habe Syrien auch wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen.
Am 08.11.2023 legte der Beschwerdeführer dem Bundesamt einen syrischen Personalausweis im Original vor, der einer Dokumentenüberprüfung unterzogen wurde, bei welcher festgestellt wurde, dass es sich bei dem zur Untersuchung vorgelegten Personalausweis nach derzeitigem Wissenstand um ein Originaldokument handelt.
4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 09.03.2023 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 09.03.2023 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).
Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht gefährdet sei, von der syrischen Armee rekrutiert zu werden, da die syrische Regierung keine Kontrolle über den Herkunftsort des Beschwerdeführers ausüben würde. Weiters bestünde für den Beschwerdeführer auch keine maßgebliche Gefahr zum Wehrdienst durch eine oppositionelle Miliz zwangsrekrutiert zu werden, da diese den Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrpflicht auferlegen würden. Zudem sei auch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ersichtlich, dass ihm konkret eine Zwangsrekrutierung drohe, da es sich im Falle des Beschwerdeführers nicht um eine persönliche Verfolgung handelte, sondern um einen allgemeinen Aufruf sich der Miliz anzuschließen. Auch aus den sonstigen Umständen habe eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung nicht festgestellt werden können.
5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen aus, dem Beschwerdeführer drohe wegen seines Wehrdienstentzuges Verfolgung aufgrund einer ihm unterstellten oppositionellen Gesinnung durch die syrische Regierung. Auch werde der Beschwerdeführer von der Al-Nusra-Front bedroht, da er Syrien unerlaubterweise verlassen habe. Weiters bestünde auch eine erhebliche Rekrutierungsgefahr durch kurdische Einheiten (zB die YPG), welche zu einer Generalmobilisierung aufgerufen hätten. Auch die kurdischen Milizen würden einem Wehrdienstverweigerer eine oppositionelle Gesinnung zuschreiben. Darüber hinaus werde dem Beschwerdeführer auch aufgrund seiner Herkunft aus einem ehemals von der Opposition kontrollierten Gebiet, seiner Ausreise und seiner Asylantragsstellung in Österreich eine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Im Falle seiner Rückkehr wäre der Beschwerdeführer bereits bei der Einreise nach Syrien der Gefahr ausgesetzt an einem Grenzübergang verhaftet und zwangsrekrutiert zu werden. Dem Beschwerdeführer sei letztlich eine Rückkehr an seinen Herkunftsort nicht möglich, da ihm bereits eine Verfolgung bei der Einreise in Syrien, als auch am Herkunftsort selbst drohen würde.
6. Auf Grund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 31.05.2023 wurde die gegenständliche Rechtssache der vormals zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.
7. Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes fand am 08.11.2023 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch und der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung statt. Das BFA gab mit Schreiben vom 23.10.2023 die Nichtteilnahme an der Verhandlung bekannt. In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Lebensumständen in Syrien und seinen Fluchtgründen sowie zu seiner Situation im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befragt. Im Zuge der Befragung wiederholte er im Wesentlichen seine bereits getätigten Angaben in der Einvernahme vor dem BFA. Ergänzend führte er an, dass er Syrien wegen des Krieges und der schlechten Lage geflüchtet sei. Es wäre nur möglich, sich das Leben als Kämpfer zu finanzieren. Auch das syrische Regime sei sehr nahe am Herkunftsort des BF, bombardiere diesen ständig und könne jederzeit in diesen vorrücken. Der Beschwerdeführer brachte weiters vor, dass er sich keiner bewaffneten Gruppierung anschließen und für niemanden kämpfen wolle. Konkreter Anlass für die endgültige Ausreise sei die Aufforderung der Al-Nusra-Front an den Beschwerdeführer gewesen, sich der Miliz anzuschließen. Auch gäbe es Konflikte zwischen Sunniten und Alewiten beziehungsweise Schiiten. Abschließend brachte der Beschwerdeführer vor, dass er im Falle seiner Rückkehr der Gefahr ausgesetzt wäre, von einer Konfliktpartei wegen seiner Wehrdienstverweigerung getötet zu werden.
8. Der Beschwerdeführer erstattete am 22.11.2023 binnen der in der mündlichen Verhandlung gewährten Frist Stellungnahme und führte in dieser im Wesentlichen aus, ihm drohe Verfolgung wegen seiner Herkunft aus dem Oppositionsgebiet Idlib. Die Angriffe des syrischen Regimes seien von Verfolgungsabsicht getragen, da die syrische Regierung die Bevölkerung dieses Gebietes eine oppositionelle Haltung zuschreibe und durch die Angriffe auf die Zivilbevölkerung eine kollektive Bestrafung bezweckt. Intentionale Angriffe gegen die Zivilbevölkerung die von einer politisch motivierten Verfolgungsabsicht getragen würden, seien asylrelevant. Zudem verwies der Beschwerdeführer erneut darauf, dass ihm am Weg der Rückkehr in die Heimatregion bereits asylrelevante Verfolgung drohen würde. Auch drohe dem Beschwerdeführer Verfolgung aufgrund der Verweigerung des syrischen Wehrdienstes. Im Übrigen wurde auf das bisherige Vorbringen verwiesen.
9. Mit mündlicher Verhandlung am 11.06.2024 wurde das Beweisverfahren fortgesetzt. Dem Beschwerdeführer wurden die aktuellen Länderinformationen zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt hierzu eine Stellungnahme einzubringen. Der Beschwerdeführer wiederholte im Wesentlichen seine bisherigen Vorbringen. In der abschließenden Stellungnahme der Beschwerdeführervertreterung führte diese aus, dass die Regierung auch außerhalb der von ihr kontrollierten Gebiete in der Lage wäre Personen zum Wehrdienst in der syrischen Armee zu rekrutieren. Weiters würde dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Herkunft aus einem Oppositionsgebiet oppositionelle Gesinnung durch die syrische Regierung unterstellt werden. Eine Möglichkeit der legalen und sicheren Rückkehr in die Herkunftsregion des Beschwerdeführers bestünde nicht. Letztlich drohe dem Beschwerdeführer auch von Seiten der HTS Verfolgung, da diese ihm eine antiislamistische Haltung zuschreiben würden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX .1997 geboren. Er ist zum Entscheidungszeitpunkt XXXX Jahre alt. Er ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Arabisch.1.1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch 40 und ist am römisch 40 .1997 geboren. Er ist zum Entscheidungszeitpunkt römisch 40 Jahre alt. Er ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Arabisch.
1.1.2. Der Beschwerdeführer wurde in XXXX , im Gouvernement Idlib, geboren und ist dort aufgewachsen. Der Beschwerdeführer verzog im Jahr 2013 mit seiner Familie in den Libanon und kehrte 2021 nach Syrien zurück. Der Beschwerdeführer hielt sich bis zu seiner endgültigen Ausreise am 15.01.2022 in XXXX im Gouvernement Idlib auf. 1.1.2. Der Beschwerdeführer wurde in römisch 40 , im Gouvernement Idlib, geboren und ist dort aufgewachsen. Der Beschwerdeführer verzog im Jahr 2013 mit seiner Familie in den Libanon und kehrte 2021 nach Syrien zurück. Der Beschwerdeführer hielt sich bis zu seiner endgültigen Ausreise am 15.01.2022 in römisch 40 im Gouvernement Idlib auf.
Der Herkunftsort des Beschwerdeführers ist XXXX im Gouvernement Idlib.Der Herkunftsort des Beschwerdeführers ist römisch 40 im Gouvernement Idlib.
1.1.3. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers steht unter Kontrolle der islamistischen Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (in der Folge auch: HTS).
1.1.4. Der Beschwerdeführer hat in seinem Herkunftsort sechs Jahre lang die Schule besucht. Während seines Aufenthalts im Libanon war der Beschwerdeführer als Hilfsarbeiter im Bergbau erwerbstätig.
1.1.5. Der Beschwerdeführer ist verheiratet, hat zwei Söhnen und eine Tochter. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers ist im Gouvernement Idlib, Syrien aufhältig. Die Mutter und ein Bruder des Beschwerdeführers leben ebenfalls in Syrien. Der Vater des Beschwerdeführers, sowie zwei Brüder und drei Schwestern leben im Libanon.
1.1.6. Am 15.01.2022 verließ der Beschwerdeführer Syrien endgültig, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei ein und hielt sich dort etwa eineinhalb Monate auf. In weiterer Folge reiste der Beschwerdeführer schlepperunterstützt über Bulgarien, Serbien und Ungarn unter Umgehung der Grenzkontrollen am 25.04.2022 in das österreichische Bundesgebiet ein.
1.1.7. Der Beschwerdeführer ist gesund und strafrechtlich unbescholten.
1.1.8. Dem Beschwerdeführer kommt in Österreich der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. In Syrien besteht ein verpflichtender staatlicher Wehrdienst für männliche Staatsbürger im Alter von 18 – 42 Jahren.
Der Beschwerdeführer hat den staatlichen Wehrdienst bislang nicht abgeleistet und wurde zu diesem weder einberufen, noch hat er ein Militärbuch erhalten oder sich einer Musterung unterzogen. Er unterliegt zum Entscheidungszeitpunkt der Wehrpflicht. Dem Beschwerdeführer wird im Falle einer Wehrdienstverweigerung vom syrischen Regime keine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
Der Beschwerdeführer ist in seinem Herkunftsort nicht der Gefahr ausgesetzt, zum verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee einberufen zu werden. Das syrische Regime hat keine Zugriffs- und Rekrutierungsmöglichkeit in dem von der HTS kontrollierten Herkunftsort des BF.
1.2.2. Der Beschwerdeführer ist an seinem Herkunftsort nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr der Zwangsrekrutierung durch die HTS oder einer anderen oppositionellen Miliz ausgesetzt. Die bewaffneten oppositionellen Gruppen wie HTS legen den Zivilisten in den von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf. Die HTS führt im Allgemeinen keine Zwangsrekrutierung durch.
1.2.3. Der Beschwerdeführer ist nicht von einer Zwangsrekrutierung durch kurdische Milizen bedroht. Diese haben am Herkunftsort des Beschwerdeführers keine Zugriffs- und Rekrutierungsmöglichkeiten.
1.2.4. Der Beschwerdeführer ist in Syrien nie Mitglied einer bewaffneten Gruppierung gewesen und hat keine Strafrechtsdelikte begangen. Er war auch kein Mitglied von politischen Parteien und war auch sonst auf keine Art und Weise in Syrien politisch aktiv und ist nie in das Blickfeld der syrischen Behörden geraten.
1.2.5. Dem Beschwerdeführer droht nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner Herkunft aus einem Oppositionsgebiet von der syrischen Regierung wegen einer vermeintlichen oppositionellen Gesinnung verfolgt zu werden.
1.2.6. Eine Verfolgung auf Grund der Ausreise des Beschwerdeführers und der Asylantragstellung in Österreich bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung ist nicht maßgeblich wahrscheinlich. Nicht jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und der im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Dem Beschwerdeführer droht keine Gefahr, wegen der illegalen Ausreise oder der Asylantragstellung in Österreich mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
1.2.7. Dem Beschwerdeführer droht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung durch oppositionelle Milizen aufgrund einer ihm unterstellten oppositionellen oder antiislamischen Gesinnung. Der Beschwerdeführer ist im Herkunftsstaat nicht glaubhaft in das Blickfeld der HTS geraten. Im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat droht dem Beschwerdeführers keine Verfolgung durch HTS mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit.
1.2.8. Dem Beschwerdeführer ist die Einreise in seine Heimatregion ohne Kontakt zum syrischen Regime über einen nicht von der syrischen Regierung kontrollierten Grenzübergang, etwa den Grenzübergang Bab Al-Hawa, möglich. Er kann auch innerhalb des unter Kontrolle der HTS stehenden Gebietes seine Herkunftsregion ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichen.
1.2.9. Dem Beschwerdeführer drohen bei einer Rückkehr nach Syrien auch sonst nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit konkrete und individuelle physische und/oder psychische Eingriffe erheblicher Intensität in seine persönliche Sphäre auf Grund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit und eine solche Gefährdung wurde von ihm auch nicht glaubhaft gemacht.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
1.3.1. Auszüge aus der Länderinformation der Staatendokumentation zu „Syrien“
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom BVwG herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11 vom 27.03.2024, wiedergegeben:
1.3.1.1. Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-03-08 11:17
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024).
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).
Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).
Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).
Im Gouvernement Dara'a kam es 2022 weiterhin zu Gewalt zwischen Regimekräften und lokalen Aufständischen trotz eines nominellen Siegs der Regierung im Jahr 2018 und eines von Russland vermittelten 'Versöhnungsabkommens'. Eine allgemeine Verschlechterung von Recht und Ordnung trägt in der Provinz auch zu gewalttätiger Kriminalität bei (FH 9.3.2023). In Suweida kam es 2020 und 2022 ebenfalls zu Aufständen, immer wieder auch zu Sicherheitsvorfällen mit Milizen, kriminellen Banden und Drogenhändlern. Dies führte immer wieder zu Militäroperationen und schließlich im August 2023 zu größeren Protesten (CC 13.12.2023). Die Proteste weiteten sich nach Daraa aus. Die Demonstranten in beiden Provinzen forderten bessere Lebensbedingungen und den Sturz Assads (Enab 20.8.2023).
Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022).
Seit Beginn 2023 wurden mit Stand 1.5.2023 auch 258 ZivilistInnen durch andere Akteure (als dem Regime) getötet, somit 75 Prozent aller zivilen Toten in diesem Jahr. Viele von ihnen wurden beim Trüffelsuchen getötet, und dazu kommen auch Todesfälle durch Landminen. Außerdem bietet die Unsicherheit in vielen Gebieten ein passendes Umfeld für Schießereien durch nicht-identifzierte Akteure (SNHR 1.5.2023).
Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS)
Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vgl. DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vgl. CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vgl. BAMF 6.12.2022). Im August 2023 wurde dieser bei Kampfhandlungen mit der HTS getötet und der IS musste zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren einen neuen Führer ernennen. Als Nachfolger wurde Abu Hafs al-Hashimi al-Qurayshi eingesetzt (WSJ 3.8.2023). Die Anit-Terror-Koalition unter der Führung der USA gibt an, dass 98 Prozent des Gebiets, das der IS einst in Syrien und Irak kontrollierte, wieder unter Kontrolle der irakischen Streitkräfte bzw. der SDF sind (CFR 24.1.2024). Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vergleiche DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vergleiche CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vergleiche BAMF 6.12.2022). Im August 2023 wurde dieser bei Kampfhandlungen mit der HTS getötet und der IS musste zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren einen neuen Führer ernennen. Als Nachfolger wurde Abu Hafs al-Hashimi al-Qurayshi eingesetzt (WSJ 3.8.2023). Die Anit-Terror-Koalition unter der Führung der USA gibt an, dass 98 Prozent des Gebiets, das der IS einst in Syrien und Irak kontrollierte, wieder unter Kontrolle der irakischen Streitkräfte bzw. der SDF sind (CFR 24.1.2024).
Der Sicherheitsrat der VN schätzt die Stärke der Gruppe auf 6.000 bis 10.000 Kämpfer in ganz Syrien und im Irak, wobei die operativen Führer der Gruppe hauptsächlich in Syrien stationiert sind (EUAA 9.2022). Die Terrororganisation IS kann in Syrien selbst in ihren Rückzugsgebieten im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien weiterhin keine territoriale Kontrolle mehr ausüben. Mit mehreren Tausend Kämpfern sowie deren Angehörigen, die sich in Gefängnissen und Lagern in Nordostsyrien in Gewahrsam der SDF befinden, sowie einer vermutlich dreistelligen Zahl von im Untergrund aktiven Kämpfern bleibt der IS jedoch ein relevanter asymmetrischer Akteur (AA 2.2.2024). Nach dem Verlust der territorialen Kontrolle verlagerte der IS seine Strategie hin zu aufständischen Methoden, wie gezielte Angriffe, u.a. Autobomben, Überfälle und Attentate (DIS 29.6.2020). Der IS verübte immer wieder Angriffe und Anschläge, insbesondere auf Einheiten der SDF im Nordosten sowie auf Truppen des Regimes in Zentralsyrien (AA 2.2.2024). IS-Kämpfer sind in der Wüste von Deir ez-Zor, Palmyra und Al-Sukhna stationiert und konzentrieren ihre Angriffe auf Deir ez-Zor, das Umland von Homs, Hasakah, Aleppo, Hama und Raqqa (NPA 15.5.2023). In der ersten Jahreshälfte 2023 wurde von 552 Todesopfer durch Angriffe des IS berichtet (NPA 8.7.2023).
Trotz der starken Präsenz syrischer und russischer Streitkräfte in Südsyrien sind mit dem IS verbundene Kämpfer in der Region aktiv und das syrische Regime ist derzeit nicht in der Lage, IS-Aktivisten in Gebieten zurückzudrängen, die vollständig unter der Kontrolle der Regierung stehen (VOA 24.10.2022). Der IS ist im Regimegebiet stärker, weil die syrische Armee weniger kompetent bei Anti-¬Terror¬-Operationen auftritt als die SDF (Zenith 11.2.2022). Nach Angaben der International Crisis Group verübten IS-Zellen Ende 2021 durchschnittlich zehn bis 15 Angriffe auf die Regierungsstreitkräfte pro Monat, die meisten davon im Osten von Homs und im ländlichen westlichen Deir Ez-Zour. Dieser Trend setzte sich auch im Jahr 2022 fort (EUAA 9.2022). Mitte 2020 gehörten zu den Zielpersonen des IS vor allem lokale Behörden und Personen, die mit den Behörden, Kräften und Gruppen, die gegen den IS kämpfen, zusammenarbeiten oder als mit ihnen kooperierend wahrgenommen werden (DIS 29.6.2020). Der IS profitierte auch von einem Sicherheitsvakuum, das dadurch entstand, dass die verschiedenen militärischen Kräfte ihre Aktivitäten aufgrund der COVID-19-Pandemie reduzierten (USDOS 30.3.2021).
Zivile Todesopfer landesweit
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London (SOHR), verzeichnete für das Jahr 2023 mit 4.361 getöteten Personen die höchste Todesopferzahl in drei Jahren. Darunter zählten sie 1.889 ZivilistInnen, darunter 307 Kinder und 241 Frauen.
Das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) dokumentierte im Zeitraum 1.1.2021 bis 30.6.2023 in den syrischen Gouvernements die folgende Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen mit mindestens einem Todesopfer sowie Todesopfern. Demnach kamen im Jahr 2022 5.949 Menschen ums Leben und im ersten Halbjahr 2023 2.796 Personen.
Im Monatsverlauf dokumentierte ACLED im Zeitraum 1.1.2020-30.6.2023 die folgende Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen mit mindestens einem Todesopfer.
Der Großteil der von ACLED gesammelten Daten basiert auf öffentlich zugänglichen Sekundärquellen. Die Daten können daher das Ausmaß an Vorfällen unterschätzen. Insbesondere Daten zur Anzahl an Todesopfern sind den Gefahren der Verzerrung und der ungenauen Berichterstattung ausgesetzt. ACLED gibt an, konservative Schätzungen zu verwenden (ACLED/ACCORD 25.3.2021).
Auch in Landesteilen, in denen Kampfhandlungen mittlerweile abgenommen haben, besteht nach Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts weiterhin ein hohes Risiko, Opfer von Gewalt und Übergriffen zu werden (AA 29.11.2021).
Informationen zur Untersuchung von Chemiewaffeneinsätzen in Syrien
Die syrische Regierung wird beschuldigt mehrmals chemische Waffen eingesetzt zu haben, was zu internationalen Verurteilungen in den Jahren 2013, 2017 und 2018 führte (CFR 24.1.2024). Seit der im November 2017 an russischen Vetos im VN-Sicherheitsrat gescheiterten Verlängerung des Mandats des „Joint Investigative Mechanism“ (JIM) fehlte ein Mechanismus, der die Urheberschaft von Chemiewaffeneinsätzen feststellt. Ein gegen heftigen Widerstand Russlands im Juni 2018 angenommener Beschluss erlaubt nun der Organisation für das Verbot von Chemischen Waffen (OPCW), die Verantwortlichen der Chemiewaffenangriffe in Syrien im Rahmen eines hierfür neu gebildeten „Investigation and Identification Teams“ (IIT) zu ermitteln. Im April 2021 legte das IIT seinen zweiten Ermittlungsbericht vor, demzufolge hinreichende Belege vorliegen, dass der Chemiewaffeneinsatz in der Stadt Saraqib im Februar 2018 auf Kräfte des syrischen Regimes zurückzuführen ist. Die Untersuchung dreier Angriffe im März 2017 kam zu dem Ergebnis, dass hinreichende Belege vorliegen, dass die syrischen Luftstreitkräfte für den Einsatz von Sarin am 24. und 30.3.2017 sowie Chlorgas am 25.3.2017 in Latamenah verantwortlich sind. Die unabhängigen internationalen Experten der FFM gehen, davon unabhängig, weiter Meldungen zu mutmaßlichen Chemiewaffeneinsätzen nach. So kommt der FFM-Bericht vom 1.3.2019 zu dem Ergebnis, dass bei der massiven Bombardierung von Duma am 7.4.2018 erneut Chemiewaffen (Chlor) eingesetzt wurden („reasonable grounds“). Auch eine Untersuchungskommission des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen kam zu diesem Ergebnis. Pressemeldungen zufolge soll das Assad-Regime am 19.5.2019 wiederholt Chlorgas in Kabana/Jabal al-Akrad im Gouvernement Lattakia eingesetzt haben. Die US-Regierung hat hierzu erklärt, dass auch sie über entsprechende Hinweise verfüge, um den Chlorgaseinsatz entsprechend zuzuordnen. Untersuchungen durch FFM bzw. IIT stehen noch aus. Am 1.10.2020 veröffentlichte die FFM zwei weitere Untersuchungsberichte zu vermuteten Chemiewaffeneinsätzen in Saraqib (1.8.2016) und Aleppo (24.11.2018). In beiden Fällen konnte die OPCW angesichts der vorliegenden Informationslage nicht sicher feststellen, ob chemische Waffen zum Einsatz gekommen sind (AA 29.11.2021). Am 26.1.2022 veröffentlichte die Untersuchungskommission der OPCW einen Bericht, in dem sie zu dem Schluss kommt, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass am 1.9.2015 in Marea, Syrien, ein chemischer Blisterstoff als Waffe eingesetzt wurde (OPCW 26.1.2022). In einem weiteren Bericht vom 1.2.2022 kommt die OPCW zu dem Schluss, dass es außerdem hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass am 1.10.2016 in Kafr Zeita eine industrielle Chlorflasche als chemische Waffe eingesetzt wurde (OPCW 1.2.2022).
Eine umfangreiche Analyse des Global Public Policy Institute (GPPi) von 2019 konnte auf Basis der analysierten Daten im Zeitraum 2012 bis 2018 mindestens 336 Einsätze von Chemiewaffen im Syrien-Konflikt bestätigen und geht bei 98 Prozent der Fälle von der Urheberschaft des syrischen Regimes aus (AA 29.11.2021).
Auch wenn es im Jahr 2022 kein Einsatz von chemischen Waffen berichtet wurde, so wird davon ausgegangen, dass das Regime weiterhin über ausreichende Vorräte von Sarin und Chlor verfügt, und über die Expertise zur Produktion und Anwendung von Chlor-hältiger Munition verfügt. Das Regime erfüllte nicht die Forderungen der Organization for the Prohibition of Chemical Weapons (OPCW) Conference of the States Parties, weshalb seine Rechte in der Organisation suspendiert bleiben (USDOS 20.3.2023).
Kontaminierung mit Minen und nicht-detonierten Sprengmitteln
Neben der Bedrohung durch aktive Kampfhandlungen besteht in weiten Teilen des Landes eine dauerhafte und anhaltende Bedrohung durch Kampfmittel. So zählt die CoI in ihrem jüngsten Bericht 12.350 Vorfälle mit Blindgängern oder Landminen im Zeitraum 2019 bis April 2022. Die Gesamtzahl der durch Landminen (bekannten) getöteten Opfer im Jahr 2023 beträgt 101, darunter 25 Kinder und acht Frauen. Laut dem Humanitarian Needs Overiew der VN für 2022 ist jede dritte Gemeinde in Syrien kontaminiert, besonders betroffen sind demnach die Gebiete in und um die Städte Aleppo, Idlib, Raqqa, Deir ez-Zor, Quneitra, Dara‘a und die ländliche Umgebung von Damaskus. Erhebliche Teile dieser Städte sind auch mittel- bis langfristig nicht bewohnbar. Bei einem Drittel der besonders betroffenen Gebiete handelt es sich um landwirtschaftliche Flächen. Dies hat auch gravierende Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion, die nicht nur die Nahrungs-, sondern auch die Lebensgrundlage für die in den ländlichen Teilen Syriens lebenden Menschen darstellt. Im Juli 2018 wurde ein Memorandum of Understanding zwischen der zuständigen United Nations Mine Action Service (UNMAS) und Syrien unterzeichnet. Dennoch behindert das Regime durch Restriktionen, Nicht-Erteilung notwendiger Visa und Vorgaben weiterhin die Arbeit von UNMAS sowie zahlreicher, auf Minenaufklärung und - Räumung spezialisierter internationaler NGOs in unter seiner Kontrolle befindlichen Gebieten (AA 2.2.2024).
Nordwest-Syrien
Letzte Änderung 2024-03-08 11:28
Während das Assad-Regime etwa 60 Prozent des Landes kontrolliert, was einer Bevölkerung von rund neun Millionen Menschen entspricht, gibt es derzeit [im Nordwesten Syriens] zwei Gebiete, die sich noch außerhalb der Kontrolle des Regimes befinden: Nord-Aleppo und andere Gebiete an der Grenze zur Türkei, die von der von Ankara unterstützten Syrischen Nationalarmee (Syrian National Army, SNA) kontrolliert werden, und das Gebiet von Idlib, das von der militanten islamistischen Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrolliert wird. Zusammen kontrollieren sie 10 Prozent des Landes mit einer Bevölkerung von etwa 4,4 Millionen Menschen, wobei die Daten zur Bevölkerungsanzahl je nach zitierter Institution etwas variieren (ISPI 27.6.2023).
Das Gebiet unte