Entscheidungsdatum
19.07.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L516 2240450-2/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.10.2023, 1274646804/221262728, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.03.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb römisch 40 , StA Pakistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.10.2023, 1274646804/221262728, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.03.2024 zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs 1, § 8 Abs 1, § 57, § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs 2 Z 2 und Abs 9 sowie § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins,, Paragraph 8, Absatz eins,, Paragraph 57,, Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG sowie Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2 und Absatz 9, sowie Paragraph 46 und Paragraph 55, FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.B) Die ordentliche Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 16.04.2022 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, nachdem sein erster Antrag auf internationalen Schutz vom 13.02.2021 vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 12.04.2021, L512 2240450-1/3E, zur Gänze abgewiesen worden war.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen zweiten Antrag vom 16.04.2022 mit Bescheid vom 19.10.2023 (I.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG sowie (II.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG ab, erteilte (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ (IV.) eine Rückkehrentscheidung gem § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte (V.) fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei, und sprach (VI.) aus, dass gemäß § 55 Abs 1-3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage betrage.Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen zweiten Antrag vom 16.04.2022 mit Bescheid vom 19.10.2023 (römisch eins.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, AsylG sowie (römisch II.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, AsylG ab, erteilte (römisch III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG, erließ (römisch IV.) eine Rückkehrentscheidung gem Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG, stellte (römisch fünf.) fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei, und sprach (römisch VI.) aus, dass gemäß Paragraph 55, Absatz eins -, 3, FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage betrage.
Gegen diesen Bescheid vom 19.10.2023 richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wird zur Gänze angefochten.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.03.2024 eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer mit einer Rechtsvertreterin teilnahm; die belangte Behörde erschien nicht.
1. SACHVERHALTSFESTSTELLUNGEN
[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: S=Seite; AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; NS=Niederschrift; EB=Erstbefragung; EV=Einvernahme; VS=Verhandlungsschrift; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich]
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Pakistan
Der Beschwerdeführer führt in Österreich die im Spruch angeführten Namen sowie die ebenso dort angeführten Geburtsdaten. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört der Volksgruppe der Punjabi sowie der islamischen (sunnitischen) Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität steht nicht fest. (NS EB 17.04.2022 S 1; NS EV 27.02.2023 S 3)
Der Beschwerdeführer stammt aus dem Ort XXXX im Distrikt Sialkot in der Provinz Punjab. Er hat in Pakistan zehn Jahre die Grundschule besucht und war als Landwirt tätig. Er beherrscht die Sprach Urdu in Wort und Schrift und spricht auch Punjabi. (NS EB 17.04.2022 S 1; NS EV 27.02.2023 S 3, 6; Erkenntnis des BVwG vom 12.04.2021, L512 2240450-1/3E S 5)Der Beschwerdeführer stammt aus dem Ort römisch 40 im Distrikt Sialkot in der Provinz Punjab. Er hat in Pakistan zehn Jahre die Grundschule besucht und war als Landwirt tätig. Er beherrscht die Sprach Urdu in Wort und Schrift und spricht auch Punjabi. (NS EB 17.04.2022 S 1; NS EV 27.02.2023 S 3, 6; Erkenntnis des BVwG vom 12.04.2021, L512 2240450-1/3E S 5)
Die Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Die Eltern des Beschwerdeführers leben zusammen mit den beiden Brüdern des Beschwerdeführers und deren Familien nach wie vor im Heimatdorf des Beschwerdeführers in einem gemeinsamen Haus. Die beiden Schwestern des Beschwerdeführers leben mit deren Ehemännern in XXXX . Ein Bruder des Beschwerdeführers arbeitet in einer Fabrik, der andere besitzt ein Lebensmittelgeschäft; die Brüder unterstützen die Eltern des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hat ein bis zwei Mal pro Woche Kontakt mit seinen Eltern; seiner Familie in Pakistan geht es gut. (NS EV 27.02.2023 S 4, 7; VS 27.03.2024 S 6, 7)Die Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Die Eltern des Beschwerdeführers leben zusammen mit den beiden Brüdern des Beschwerdeführers und deren Familien nach wie vor im Heimatdorf des Beschwerdeführers in einem gemeinsamen Haus. Die beiden Schwestern des Beschwerdeführers leben mit deren Ehemännern in römisch 40 . Ein Bruder des Beschwerdeführers arbeitet in einer Fabrik, der andere besitzt ein Lebensmittelgeschäft; die Brüder unterstützen die Eltern des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hat ein bis zwei Mal pro Woche Kontakt mit seinen Eltern; seiner Familie in Pakistan geht es gut. (NS EV 27.02.2023 S 4, 7; VS 27.03.2024 S 6, 7)
Der Beschwerdeführer verließ Pakistan Anfang des Jahres 2021 und stellte am 13.02.2021 nach unrechtmäßiger Einreise in Österreich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Jener Antrag wurde im damaligen Rechtsmittelverfahren vom Bundesverwaltungsgericht im April 2021 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen. (Erkenntnis des BVwG vom 12.04.2021, L512 2240450-1/3E) Danach kehrte der Beschwerdeführer im Juni 2021 nach Pakistan zurück, wo er in der Folge als Fahrer für ein Möbelgeschäft arbeitete, und im April 2022 reiste er erneut in Österreich ein. (EB 17.04.2022 S 3)
1.2 Zu seiner Lebenssituation in Österreich
Der Beschwerdeführer stellte am 16.04.2022 den gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seither ununterbrochen im Bundesgebiet auf. (IZR; ZMR)
Der Beschwerdeführer bezog nach seiner Antragstellung am 16.04.2022 lediglich bis 06.05.2022 Leistungen aus der Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich. Wegen 24-stündiger Abwesenheit vom Grundversorgungsquartier wurden die Leistungen mit 06.05.2022 eingestellt. (GVS)
Der Beschwerdeführer geht aktuell keiner angemeldeten sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach und er verfügt über keine Gewerbeberechtigung. Er ist seit 2023 als Zusteller von Printmedien selbstständig tätig und finanziert sich dadurch seinen Lebensunterhalt. (NS EV 27.02.2023 S 12; VS 27.03.2024 S 10; GISA; HV-Auszug; VS 27.03.2024 Beilage Verteilungsvertrag und Gutschriftenabrechnungen)
Der Beschwerdeführer hat einen Deutsch A1 Kurs in der Zeit von Dezember 2022 bis Jänner 2023 teilweise (42 von 81 Unterrichtseinheiten) besucht. Er hat bisher keine Deutsch- oder Integrationsprüfungen absolviert. (NS EV 27.02.2023 S 12; VS 27.03.2024 S 6; VHS Teilbesuchsbestätigung vom 26.01.2023 [Beilage VS])
Der Beschwerdeführer hat keine familiären oder familienähnlichen Verbindungen zu in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigten Personen. Er hat in Österreich Freunde bzw. Bekannte. (NS EV 27.02.2023 S 12; VS 27.03.2024 S 6; Asyl-Empfehlungsschreiben [Beilage VS])
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. (Strafregister der Republik Österreich, SA, SC)
1.3 Zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers
Dem Beschwerdeführer wurde ein niedriger Kaliumspiegel im Blut (Hypokaliämie) sowie ein Salzverlust-Syndrom (Gitelman-Syndrom) diagnostiziert. Die Erkrankung ist weder in Pakistan noch in Österreich heilbar und erfordert eine lebenslange Einnahme von Medikamenten zum Ausgleich des Kaliumspiegels und Salzverlustes sowie regelmäßige ärztliche Behandlung und Blutabnahme. (Befund Nephrologische Ambulanz XXXX vom 11.03.2024 [Beilage VS]; siehe auch zB: https://www.msdmanuals.com/de/heim/hormon-und-stoffwechselerkrankungen/elektrolythaushalt/hypokali%C3%A4mie-niedriger-kaliumspiegel-im-blut; https://flexikon.doccheck.com/de/Gitelman-Syndrom)Dem Beschwerdeführer wurde ein niedriger Kaliumspiegel im Blut (Hypokaliämie) sowie ein Salzverlust-Syndrom (Gitelman-Syndrom) diagnostiziert. Die Erkrankung ist weder in Pakistan noch in Österreich heilbar und erfordert eine lebenslange Einnahme von Medikamenten zum Ausgleich des Kaliumspiegels und Salzverlustes sowie regelmäßige ärztliche Behandlung und Blutabnahme. (Befund Nephrologische Ambulanz römisch 40 vom 11.03.2024 [Beilage VS]; siehe auch zB: https://www.msdmanuals.com/de/heim/hormon-und-stoffwechselerkrankungen/elektrolythaushalt/hypokali%C3%A4mie-niedriger-kaliumspiegel-im-blut; https://flexikon.doccheck.com/de/Gitelman-Syndrom)
Bereits in Pakistan erhielt der Beschwerdeführer über drei bis vier Jahre die lebensnotwendige medikamentöse Behandlung, zuletzt während seines letzten Aufenthaltes in Pakistan vor seiner neuerlichen Einreise in Österreich. (NS EV 27.02.2023 S 4; VS 27.03.2024 S 3-6;, Bestätigung XXXX 09.01.2022 [Beilage VS])Bereits in Pakistan erhielt der Beschwerdeführer über drei bis vier Jahre die lebensnotwendige medikamentöse Behandlung, zuletzt während seines letzten Aufenthaltes in Pakistan vor seiner neuerlichen Einreise in Österreich. (NS EV 27.02.2023 S 4; VS 27.03.2024 S 3-6;, Bestätigung römisch 40 09.01.2022 [Beilage VS])
Der Beschwerdeführer ist trotz seiner Erkrankung arbeitsfähig. (VS 27.03.2024 S 10)
Der Beschwerdeführer verfügt in Pakistan über ein aufrechtes familiäres Netz. Seine Eltern und Geschwister leben bei gesicherter Existenz in Pakistan und der Beschwerderführer steht mit diesen auch regelmäßig in Kontakt. (siehe dazu bereits oben 1.1)
Es besteht im Falle des Beschwerdeführers daher keine reale Gefahr, dass ihm in Pakistan eine schwere, rapide und irreversible Gesundheitsverschlechterung droht, die mit intensivem Leiden oder mit einer signifikanten Verkürzung der Lebenserwartung verbunden ist.
1.4 Zur Begründung des ersten Antrages auf internationalen Schutz vom 13.02.2021
Der Beschwerdeführer reiste stellte am 13.02.2021 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung jenes ersten Antrages – zusammengefasst – vor, dass er in Pakistan nahe der indischen Grenze Probleme mit Personen gehabt habe, denen er zunächst Essen gegeben habe und die er später bei der Polizei und beim Militär angezeigt habe, nachdem er erfahren habe, dass es sich bei jenen Personen um indische Spione gehandelt habe.
Das Bundesverwaltungsgericht wies diesen Antrag vom 13.02.2021 im Rechtsmittelverfahren mit Erkenntnis vom 12.04.2021, L512 2240450-1/3E, zur Gänze ab, erließ eine Rückkehrentscheidung und erklärte die Abschiebung nach Pakistan für zulässig. Das Bundesverwaltungsgericht erachtete im damaligen Rechtsmittelverfahren mit näherer Begründung das Vorbringen des Beschwerdeführers zu dessen ursprünglich vorgebrachten Ausreisegründen mit näherer Begründung für unglaubhaft. Das Bundesverwaltungsgericht schloss auch aus, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Das Bundesverwaltungsgericht stellte schließlich auch fest, dass eine Rückkehrentscheidung im Falle des Beschwerdeführers keine Verletzung des Art 8 EMRK darstelle. (siehe im Detail BVwG Erkenntnis 12.04.2021, L512 2240450-1/3E).Das Bundesverwaltungsgericht wies diesen Antrag vom 13.02.2021 im Rechtsmittelverfahren mit Erkenntnis vom 12.04.2021, L512 2240450-1/3E, zur Gänze ab, erließ eine Rückkehrentscheidung und erklärte die Abschiebung nach Pakistan für zulässig. Das Bundesverwaltungsgericht erachtete im damaligen Rechtsmittelverfahren mit näherer Begründung das Vorbringen des Beschwerdeführers zu dessen ursprünglich vorgebrachten Ausreisegründen mit näherer Begründung für unglaubhaft. Das Bundesverwaltungsgericht schloss auch aus, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Das Bundesverwaltungsgericht stellte schließlich auch fest, dass eine Rückkehrentscheidung im Falle des Beschwerdeführers keine Verletzung des Artikel 8, EMRK darstelle. (siehe im Detail BVwG Erkenntnis 12.04.2021, L512 2240450-1/3E).
1.5 Zur Begründung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz vom 16.04.2022
Bei der Erstbefragung am 17.04.2022 begründete der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz damit, nach seiner Rückkehr nach Pakistan in Lahore in einem Möbelhaus als Fahrer gearbeitet zu haben. Am 17. oder 18. Oktober [2021] habe es ein islamisches Fest „Jashne Eidol Milad“ gegeben und sei der Beschwerdeführer diesbezüglich für den Möbelbau liefern gewesen. Eine Glaubensgemeinschaft namens „Leibak“ habe ihn aufgehalten und ihn nach einem Ausweis gefragt. Er habe jenen seinen Führerschein gezeigt und jene hätten seinen Führerschein, seine ID-Karte und sein Handy weggenommen. Er sei aufgefordert und gezwungen worden, für sie als Fahrer zu arbeiten. Am 22.10.[2021] sei es zu einem Anschlag zwischen der Glaubensgemeinschaft und der Polizei gekommen. Diese Gelegenheit habe der Beschwerdeführer genutzt und sei von dort geflüchtet. Da die Personen gewusst hätten, wo der Beschwerdeführer wohne und ihn gesucht hätten, habe er Sialkot verlassen müssen. Bis zu seiner Ausreise habe er sich dann versteckt gehalten. Bei einer Rückkehr könnte der Beschwerdeführer getötet werden, weil diese Glaubensgemeinschaft sehr gefährlich sei. Sie hätten sogar Polizisten getötet. Hinweise, dass ihm bei einer Rückkehr unmenschliche Behandlung/Strafe oder die Todesstrafe drohe oder er mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, gebe es keine. (NS EB 17.04.2022 S 4)
Bei der Einvernahme vor dem BFA am 27.02.2023 antwortete der Beschwerdeführer auf die zu Beginn gestellte Frage, ob er von pakistanischen Polizei- oder Gerichtsbehörden gesucht werde, dass er von einer politischen Partei und der Polizei seit Oktober 2021 gesucht werde. Er habe am 18. oder 19.10.2021 Unruhen gegeben und er habe diese mit seinem Handy fotografiert. Die Polizei habe ihm sein Handy abgenommen und seinen Führerschein weggenommen, weshalb er wisse, dass er gesucht werde. Es gebe einen Haftbefehl gegen ihn, her habe jedoch keinen schriftlichen Haftbefehl erhalten.
Zur Frage des BFA, weshalb er nach seinem ersten rechtskräftig abgeschlossenem Asylantrag nun einen neuen Antrag stelle, antwortete der Beschwerdeführer, dass „die erste Ursache“ noch immer gültig sei. Zweitens [wegen] seiner Krankheit, er müsse einmal in der Woche zur Behandlung gehen und wegen seiner Krankheit könne er in seiner Heimat nicht arbeiten bzw. er habe dort sehr wenig verdient. Andere Gründe habe er nicht, dies seien alle seine Gründe. Er sei in der Lage gewesen, seinen Lebensunterhalt durch seine berufliche Tätigkeit zu finanzieren, jedoch [nur] sehr schwer, da er ja viel Geld für seine Medikamente gebraucht habe. Er habe nach seiner Rückkehr nach Pakistan von August bis Oktober 2021 in einem Möbelgeschäft gearbeitet und sei für die Lieferungen verantwortlich gewesen und ab Oktober 2021 bis zur Ausreise im März 2022 habe er sich in verschiedenen Orten versteckt.
Aufgefordert, die Gründe für sein Versteckthalten und seine Fluchtgründe zu schildern, brachte der Beschwerdeführer vor, er habe sich versteckt gehalten, weil die Gruppe Tehreek-e-Labbaik hinter ihm her gewesen sei. Es seien sehr starke Leute und die hätten gewusst, wer der Beschwerdeführer sei und wo er wohne. Sie hätten seine Identität gekannt, weil sie seinen Ausweis und seinen Führerschein gehabt hätten. Er habe damals am 19. Oktober im Möbelgeschäft gearbeitet und Möbel geliefert und sei wieder am Rückweg ins Geschäft gewesen, als es eine große Demonstration von Tehreek-e-Labbiak gegen die Regierung gegeben habe. Die Leute hätten den Verkehr blockiert. Der Beschwerdeführer sei von den Demonstranten aufgehalten worden und sie hätten seinen Ausweis und Führerschein und auch den Lieferwagen weggenommen. Er sei dann gezwungen worden, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Sie hätten in verschiedenen Orten Essen gekocht und ausgeteilt und der Beschwerdeführer sei beauftragt worden, das Essen zu verteilen. Am 22. Oktober habe es einen mehrtägigen Konflikt zwischen Tehreek-e-Labbiak und Polizisten gegeben. Vier Polizisten seien dabei erschossen und getötet worden. Nach einigen Tagen sei Ruhe gewesen und die Polizei habe begonnen, Leute festzunehmen. Der Beschwerdeführer habe sich dann versteckt und sein Land verlassen. Er habe keine weiteren Gründe. Er könne in keiner anderen Stadt in Pakistan leben und arbeiten, da jene Partei überall tätig und aktiv sei und ihn überall gefunden hätte. Im Fall der Rückkehr nach Pakistan habe der Beschwerdeführer Angst um sein Leben wegen der politischen Partei und auch wegen seiner Krankheit. Er würde dort nicht überleben. (NS EV 27.02.2023 S 5f, 9f, 12)
Mit der Beschwerde vom 21.11.2023 wurden die Vorbringen des Beschwerdeführers aus seinem ersten Asylverfahren und dem gegenständlichen, zweiten Asylverfahren im Wesentlichen wiederholt und sein aktuelles Vorbringen korrigiert: Das Handy und der Führerschein des Beschwerdeführers seien zunächst bei der Anhaltung auf der Demonstration, als er Fotos aufgenommen habe, von der Gruppierung „Tehreek-e-Labbaik“ abgenommen worden und der Beschwerdeführer sei anschließend erpresst und gezwungen worden, für diese zu arbeiten. Nach den Auseinandersetzungen dieser Bewegung mit der Polizei sei es zu einer Razzia der Polizei in einem Quartier der Bewegung gekommen. Dort hätten sich die Dokumente des Beschwerdeführers befunden, weshalb er davon ausgehe, dass die Polizei ihn als Mitglied dieser Bewegung betrachte und suche. In der Beschwerde wurden zudem die mangelhaften Ermittlungen des BFA zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gerügt und die Einholung einer Anfrage an MedCOI bezüglich des Zuganges zu den für den Beschwerdeführer lebenswichtigen Medikamenten in Pakistan beantragt bzw. alternativ die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Klärung der Frage auf welche Behandlungsmethoden und Medikamente der Beschwerdeführer angewiesen sei und eines länderkundigen medizinischen Sachverständigengutachtens über die Frage, ob diese Behandlung auch in Pakistan möglich wäre. (Beschwerde 21.11.2023 S 2f., 8f)
In der mündlichen Verhandlung am 27.03.2024 gab der Beschwerdeführer zu seinem Gesundheitszustand an, aktuell gesund zu sein, jedoch jeden Tag Medikamente wegen seiner Krankheit zu nehmen. Er müsse auch alle ein bis zwei Wochen Blut abnehmen gehen. Er habe die Krankheit seit dem Jahr 2018. Die „Potassium“-Werte [=Kaliumwerte] würden immer sinken und seien niedrig. Im Extremfall könne er einen Herzinfarkt bekommen. Es gebe keine Heilung in Pakistan für diese Krankheit. Er habe jedoch auch in Pakistan drei bis vier Jahre lang das Kalium-Medikament „Slow K“ (siehe https://www.rxlist.com/slow-k-drug.htm; phonetisch protokolliert in der EV 27.02.2023 bzw VS 27.03.2024: „NOKI“ bzw. „New K“) genommen und habe alle zwei Wochen ins Krankenhaus müssen, um dort Tests zu machen. Zuletzt sei er in Pakistan im Jänner 2022 in Lahore im Krankenhaus gewesen. Eine Packung des Kalium-Medikaments koste 150 Rupien. Er benötigte 3-4 Packungen pro Woche, da er immer zwei Tabletten gemeinsam nehmen müsse. Er sei trotz seiner Krankheit arbeitsfähig. (VS 27.03.2024 S 3-6, 10)
Zu den Gründen für die erneute Ausreise aus Pakistan im März 2022 führte der Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerdeverhandlung an, er habe nach seiner Rückkehr nach Pakistan in einer Tischlerei gearbeitet. Es sei der 18. oder 19. Oktober gewesen, als ihn die „Labbaik“ aufgehalten und mitgenommen habe. Am 21. Oktober sei der Geburtstag des Propheten gewesen. Am 22. oder 23. Oktober habe es ein Gefecht zwischen der Polizei und dieser Partei gegeben. Die „Labbaik-Leute“ hätten ihm seinen Führerschein und die Shanakthi-Card weggenommen. Während dieses Gefechts seien diese Ausweise irgendwie zur Polizei gelangt. Es habe auf beiden Seiten einige Tote gegeben. Vier Polizisten seien umgebracht worden und auch einige von der anderen Seite. Die Polizei sei einige Tage ruhig geblieben und habe dann begonnen, Leute zu verhaften. Da der Führerschein und die Shanakhti-Card des Beschwerdeführers bei der Polizei gewesen sei, sei auch er eine Zielperson für die Polizei gewesen. Die Polizei habe gesagt, der Beschwerdeführer gehöre auch zur Labbaik, was der Beschwerdeführer bestritten habe. Die Polizei habe viele Leute verhaftet und habe auch den Beschwerdeführer verhaften wollen. Sie habe seine Shanakhti-Card gehabt, auf welcher seine Adresse stehe. Aber er habe sich irgendwo versteckt. Er habe von beiden Seiten Problemen bekommen, von der Polizei und von der Labbaik. „Sie“ seien oft zu ihm nach Hause gekommen und hätten nach ihm gefragt. Er sei auch in Islamabad und auch in Karachi gewesen und seien „sie“ auch dorthin gekommen. „Sie“ hätten ihn immer geärgert. Er sei auch krank gewesen und habe oft zum Arzt gehen müssen. Wegen dieser Sache sei er ausgereist. Jene Organisation habe das ganze Land in Unruhe versetzt und die Polizei komme jeden Tag nach Hause (VS 27.03.2024 S 10 f)
Dazu in der mündlichen Verhandlung gefragt, ob er außer dem Problem mit der Labbaik und der Polizei noch andere Probleme gehabt habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er davor auch ein Problem gehabt habe. Der Beschwerdeführer wiederholte dazu in der mündlichen Verhandlung sein Vorbringen aus dem ersten Asylverfahren (wonach er in Pakistan nahe der indischen Grenze Probleme mit Personen gehabt habe, denen er zunächst Essen gegeben habe und die er später bei der Polizei und beim Militär angezeigt habe, nachdem er erfahren habe, dass es sich bei jenen Personen um indische Spione gehandelt habe). (VS 27.03.2024 S 11)
Nach dem Hinweis, dass der Beschwerdeführer im zweiten Asylverfahren nichts über aktuelle Probleme mit jenen indischen Spionen vorgebracht habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er nach seiner Rückkehr nach Pakistan sofort nach Lahore gegangen sei, damit jene Personen nichts von ihm erfahren, doch seien jene später draufgekommen und der Beschwerdeführer habe dann doppelt Probleme bekommen. (VS 27.03.2024 12)
Der Beschwerdeführer legte in der mündlichen Verhandlung am 27.03.2024 ein englischsprachiges Schreiben in Kopie vor, das von ihm als pakistanische polizeiliche Anzeige (FIR – First Information Report) bezeichnet wurde und mit 23.10.2021 datiert ist. Er gab dazu an, jene Kopie ungefähr vier oder fünf Tage vor der mündlichen Verhandlung per Whatsapp erhalten zu haben. (VS 27.03.2024 Beilage; VS 27.03.2024 S 13)
1.6 Zur Glaubhaftigkeit der vorgebrachten Antragsgründe und Rückkehrbefürchtung
Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu der von ihm zum gegenständlich zweiten Antrag auf internationalen Schutz vorgebrachten Bedrohung und Verfolgung in Pakistan und zu seiner Rückkehrbefürchtung ist nicht glaubhaft.
Der Beschwerdeführer hat darüber hinaus auch nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre, die eine Rückkehr unzumutbar machen würde.
1.7 Zur Lage in Pakistan
(Quelle: Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation aus dem COI-CMS, Version 7, Stand 01.02.2024)
Sicherheitslage
Allgemeine Entwicklungen in Bezug auf Terrorismus
Pakistan konnte ab 2014 bedeutenden Erfolg in seiner Terrorbekämpfung aufweisen. Sie führten zu einer verbesserten allgemeinen Sicherheitslage, die allerdings aktuell wieder vor Herausforderungen steht (PIPS 10.1.2024).