Entscheidungsdatum
01.08.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W226 2278556-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. WINDHAGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Syrien, vertreten durch BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2023, Zl. 1315688306-222217321, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.06.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. WINDHAGER über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA: Syrien, vertreten durch BBU GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2023, Zl. 1315688306-222217321, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.06.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger sunnitisch-muslimischen Glaubens und Angehöriger der arabischen Volksgruppe, stellte am 18.07.2022 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung am selben Tag brachte er vor, dass er in XXXX geboren sei. Seine Mutter, 2 Brüder und fünf Schwestern würden in Syrien leben, nämlich in XXXX . Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger sunnitisch-muslimischen Glaubens und Angehöriger der arabischen Volksgruppe, stellte am 18.07.2022 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung am selben Tag brachte er vor, dass er in römisch 40 geboren sei. Seine Mutter, 2 Brüder und fünf Schwestern würden in Syrien leben, nämlich in römisch 40 .
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, er habe Syrien im Mai 2022 illegal in Richtung Türkei verlassen, dort habe er nur 1 Woche gelebt. Er wolle keinen Militärdienst leisten, er wolle niemanden töten und auch nicht im Krieg sterben. Demnächst müsse er zum Militär einrücken.
Am 14.07.2023 wurde der Beschwerdeführer durch die nunmehr belangte Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), einvernommen.
Der Beschwerdeführer legte einen Reisepass sowie eine Kopie eines Personalausweises und einen Auszug aus dem Personenregister im Original samt Übersetzung vor. Er bestätigte, Araber zu sein und sunnitischer Moslem, er sei ledig und habe keine Kinder.
Die genaue Wohnadresse in der Heimat gab der Beschwerdeführer mit „ XXXX , im Lager XXXX “ an. Dort habe er ab dem Jahr 2018 bis zu seiner Ausreise gelebt. Die Heimat habe er im Mai 2022 illegal verlassen. Der Vater des Beschwerdeführers sei im Jahr XXXX verhaftet und dann getötet worden, er selbst habe mit den Eltern und Geschwistern im Haus des Vaters gelebt, er habe auch in Küchen von Restaurants mitgearbeitet. Sein Vater sei beim „ XXXX “ gewesen und sei geflohen. Der Vater sei dann verhaftet und getötet worden. Die genaue Wohnadresse in der Heimat gab der Beschwerdeführer mit „ römisch 40 , im Lager römisch 40 “ an. Dort habe er ab dem Jahr 2018 bis zu seiner Ausreise gelebt. Die Heimat habe er im Mai 2022 illegal verlassen. Der Vater des Beschwerdeführers sei im Jahr römisch 40 verhaftet und dann getötet worden, er selbst habe mit den Eltern und Geschwistern im Haus des Vaters gelebt, er habe auch in Küchen von Restaurants mitgearbeitet. Sein Vater sei beim „ römisch 40 “ gewesen und sei geflohen. Der Vater sei dann verhaftet und getötet worden.
Zu seiner Familie führte der Beschwerdeführer aus, dass die Mutter, zwei Brüder und fünf Schwestern unverändert in Syrien im genannten Lager XXXX leben würden. Zu seiner Familie führte der Beschwerdeführer aus, dass die Mutter, zwei Brüder und fünf Schwestern unverändert in Syrien im genannten Lager römisch 40 leben würden.
Die Familie sei seit dem Jahr 2018 dort in diesem Lager im Kurdengebiet, da „meine Heimatortschaft XXXX unter der Herrschaft der Regierung steht“ (AS 147). Die Familie sei seit dem Jahr 2018 dort in diesem Lager im Kurdengebiet, da „meine Heimatortschaft römisch 40 unter der Herrschaft der Regierung steht“ (AS 147).
Er habe selbst noch keinen Einberufungsbefehl erhalten und auch den Militärdienst noch nicht abgeleistet, denn er habe sich „in den Ortschaften der Kurden aufgehalten“. Aufgrund seines Lebensalters und wegen der Geschichte mit dem Vater werde er aber sicher gesucht. Die Ausreise habe in Summe 6.500 bis 7.000 Euro gekostet, dieses Geld habe er sich von einem Onkel ausgeliehen.
Zu seinem Vater führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass dieser beim „ XXXX “ tätig gewesen sei, was der Vater dort genau gemacht habe, dass wisse er aber nicht, der Vater sei „nichts Großes“ gewesen. Der Vater habe seinen Job dort aufgegeben, der Vater sei dann gesucht, verhaftet und getötet worden. Bereits im Jahr XXXX habe der Vater seinen Job verlassen, im Jahre XXXX sei er dann verhaftet worden. In diesen Jahren, zwischen 2012 und 2017 hätten sie sich an der Heimatadresse in XXXX aufgehalten, der Vater sei Bauer gewesen und das Dorf sei damals unter der Macht des IS gestanden. Anfang 2017 seien sie von dort vertrieben worden. Zur Festnahme des Vaters führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass die Regierung eine Begnadigung angekündigt habe, der Vater sei dann dort vorstellig geworden, er sei dann jedoch direkt festgenommen worden. Seitdem würde die Familie nichts mehr über seinen Verbleib wissen. Mitinsassen hätten nach der eigenen Freilassung erzählt, dass der Vater verstorben sei. Der Großvater habe einen Anwalt beauftragt, sich zu erkundigen und dieser Anwalt habe herausgefunden, dass der Vater an einem Herzinfarkt verstorben sei. Hier in Österreich lebe der Beschwerdeführer bei seinem Onkel, welcher Asylstatus habe. Vom Beschwerdeführer wurden diverse Dokumente vorgelegt, die er in der Einvernahme angegeben hatte, nämlich Personalausweis, Reisepass, ausgestellt am XXXX , Auszug aus dem Personenregister sowie offensichtlich diverse Dokumente betreffend die Identität des Vaters. Zu seinem Vater führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass dieser beim „ römisch 40 “ tätig gewesen sei, was der Vater dort genau gemacht habe, dass wisse er aber nicht, der Vater sei „nichts Großes“ gewesen. Der Vater habe seinen Job dort aufgegeben, der Vater sei dann gesucht, verhaftet und getötet worden. Bereits im Jahr römisch 40 habe der Vater seinen Job verlassen, im Jahre römisch 40 sei er dann verhaftet worden. In diesen Jahren, zwischen 2012 und 2017 hätten sie sich an der Heimatadresse in römisch 40 aufgehalten, der Vater sei Bauer gewesen und das Dorf sei damals unter der Macht des IS gestanden. Anfang 2017 seien sie von dort vertrieben worden. Zur Festnahme des Vaters führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass die Regierung eine Begnadigung angekündigt habe, der Vater sei dann dort vorstellig geworden, er sei dann jedoch direkt festgenommen worden. Seitdem würde die Familie nichts mehr über seinen Verbleib wissen. Mitinsassen hätten nach der eigenen Freilassung erzählt, dass der Vater verstorben sei. Der Großvater habe einen Anwalt beauftragt, sich zu erkundigen und dieser Anwalt habe herausgefunden, dass der Vater an einem Herzinfarkt verstorben sei. Hier in Österreich lebe der Beschwerdeführer bei seinem Onkel, welcher Asylstatus habe. Vom Beschwerdeführer wurden diverse Dokumente vorgelegt, die er in der Einvernahme angegeben hatte, nämlich Personalausweis, Reisepass, ausgestellt am römisch 40 , Auszug aus dem Personenregister sowie offensichtlich diverse Dokumente betreffend die Identität des Vaters.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.08.2023 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.). Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.08.2023 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt römisch III.).
Die belangte Behörde stellte fest, dass die Identität des Beschwerdeführers sich aus seinen vorgelegten Dokumenten ergebe. Die belangte Behörde führte aus, dass eine Pflicht des Beschwerdeführers zur Beteiligung an völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, der Beschwerdeführer würde aufgrund des Auslandsaufenthalts ein geringeres Vertrauen des Regimes genießen, habe keinerlei militärische Ausbildung oder Erfahrung aufzuweisen. In Bezug auf die Person des Beschwerdeführers würden sich keine Hinweise ergeben, dass dieser aufgrund seiner familiären Verbindungen, seines religiösen oder ethnischen Hintergrundes als regierungsfeindlich gelte. Eine politische Gesinnung oder gar eine gegen den Staat gerichtete politische Gesinnung habe der Beschwerdeführer durch den geäußerten Wunsch, in Syrien keinen Wehrdienst leisten zu wollen, nicht zum Ausdruck gebracht.
Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass aufgrund der prekären Sicherheitslage in Syrien im Falle einer Rückkehr von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes auszugehen sei, weshalb dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren sei. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt römisch II.) begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass aufgrund der prekären Sicherheitslage in Syrien im Falle einer Rückkehr von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes auszugehen sei, weshalb dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren sei.
Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, dem Beschwerdeführer drohe Verfolgung.Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, dem Beschwerdeführer drohe Verfolgung.
Der Beschwerdeführer stamme aus XXXX , die Heimatstadt des Beschwerdeführers stehe bis dato unter der Kontrolle des syrischen Regimes. Der Beschwerdeführer habe bis zu seiner Flucht im Jahr 2022 mit seiner Familie in einem Flüchtlingslager in einem Gebiet unter der Kontrolle der Kurden gelebt. Aufgrund der anstehenden Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Streitkräfte sei der Beschwerdeführer illegal aus Syrien geflüchtet. Der Beschwerdeführer weigere sich an einem Krieg teilzunehmen, er sei weder mit der Politik des syrischen Regimes, noch mit jener der oppositionellen Gruppierungen einverstanden. Der Beschwerdeführer wäre wegen seiner Weigerung, den Militärdienst zu leisten, Verfolgung ausgesetzt. Zudem habe der Vater des Beschwerdeführers als Unteroffizier der syrischen XXXX gearbeitet, von dort sei er im Jahr XXXX desertiert. Der Vater habe sich freiwillig bei der Polizei gemeldet, weil von Seiten des syrischen Regimes ein Versöhnungsabkommen geschlossen worden sei, wodurch sein Vater eine Begnadigung erhalten sollte. Dennoch sei der Vater verhaftet worden und sei in Haft verstorben. Die Heimatregion des Beschwerdeführers sei XXXX , diese stehe unter der Kontrolle des syrischen Regimes. Der Beschwerdeführer würde zum Militärdienst eingezogen werden, er müsse sich an Verbrechen während des Militärdienstes beteiligen, dass wolle er nicht. Dem Beschwerdeführer drohe zudem Verfolgung wegen der Asylantragstellung im Ausland.Der Beschwerdeführer stamme aus römisch 40 , die Heimatstadt des Beschwerdeführers stehe bis dato unter der Kontrolle des syrischen Regimes. Der Beschwerdeführer habe bis zu seiner Flucht im Jahr 2022 mit seiner Familie in einem Flüchtlingslager in einem Gebiet unter der Kontrolle der Kurden gelebt. Aufgrund der anstehenden Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Streitkräfte sei der Beschwerdeführer illegal aus Syrien geflüchtet. Der Beschwerdeführer weigere sich an einem Krieg teilzunehmen, er sei weder mit der Politik des syrischen Regimes, noch mit jener der oppositionellen Gruppierungen einverstanden. Der Beschwerdeführer wäre wegen seiner Weigerung, den Militärdienst zu leisten, Verfolgung ausgesetzt. Zudem habe der Vater des Beschwerdeführers als Unteroffizier der syrischen römisch 40 gearbeitet, von dort sei er im Jahr römisch 40 desertiert. Der Vater habe sich freiwillig bei der Polizei gemeldet, weil von Seiten des syrischen Regimes ein Versöhnungsabkommen geschlossen worden sei, wodurch sein Vater eine Begnadigung erhalten sollte. Dennoch sei der Vater verhaftet worden und sei in Haft verstorben. Die Heimatregion des Beschwerdeführers sei römisch 40 , diese stehe unter der Kontrolle des syrischen Regimes. Der Beschwerdeführer würde zum Militärdienst eingezogen werden, er müsse sich an Verbrechen während des Militärdienstes beteiligen, dass wolle er nicht. Dem Beschwerdeführer drohe zudem Verfolgung wegen der Asylantragstellung im Ausland.
Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 22.09.2023 vom BFA zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.06.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch und der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung entschuldigt nicht teil.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat – im auf die Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten eingeschränkten Verfahren – erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat – im auf die Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten eingeschränkten Verfahren – erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen und hat das angegebene Geburtsdatum.
Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, er bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und gehört der arabischen Volksgruppe an. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Der Beschwerdeführer stammt ursprünglich aus dem Gouvernement XXXX , konkret lebte der Beschwerdeführer mit seinen Eltern und Geschwistern in der Region XXXX . Die letzten Jahre vor der Ausreise in die Türkei lebte der Beschwerdeführer im Kurdengebiet, in XXXX , vorangehend für längere Zeit in XXXX . Dort leben unverändert zahlreiche enge Verwandte des Beschwerdeführers, auch die Mutter und die Geschwister sind nach der festen Überzeugung, des erkennenden Gerichts unverändert im Kurdengebiet in XXXX bzw. XXXX aufhältig. Der Beschwerdeführer stammt ursprünglich aus dem Gouvernement römisch 40 , konkret lebte der Beschwerdeführer mit seinen Eltern und Geschwistern in der Region römisch 40 . Die letzten Jahre vor der Ausreise in die Türkei lebte der Beschwerdeführer im Kurdengebiet, in römisch 40 , vorangehend für längere Zeit in römisch 40 . Dort leben unverändert zahlreiche enge Verwandte des Beschwerdeführers, auch die Mutter und die Geschwister sind nach der festen Überzeugung, des erkennenden Gerichts unverändert im Kurdengebiet in römisch 40 bzw. römisch 40 aufhältig.
Als Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers ist somit die Region XXXX anzusehen. Das Herkunftsgebiet liegt in dem aktuell von der kurdischen Selbstverwaltung kontrollierten Teil Syriens.Als Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers ist somit die Region römisch 40 anzusehen. Das Herkunftsgebiet liegt in dem aktuell von der kurdischen Selbstverwaltung kontrollierten Teil Syriens.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Aktuell erzielt er kein eigenes Einkommen.
Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2022 ist der Beschwerdeführer in die Türkei gereist. Von dort gelangte er mit Schlepperhilfe nach Österreich. Seine Familie lebt unverändert in der Kurdenregion.
Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer ist bei einer Rückkehr nach Syrien in die – kurdische - Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Einziehung oder Zwangsrekrutierung durch die syrische Armee ausgesetzt. Der Beschwerdeführer hat den gesetzlich verpflichtenden Grundwehrdienst in der syrischen Armee noch nicht geleistet.
Aktuell steht die Herkunftsregion des Beschwerdeführers nicht im Einfluss- oder Kontrollgebiet der syrischen Zentralregierung, sondern unter der Kontrolle der Kurden. Darüber hinaus ist die Herkunftsregion des Beschwerdeführers auch ohne Kontakt zu den syrischen Behörden erreichbar.
In der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“, in der sich die Herkunftsregion des Beschwerdeführers befindet, sind Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren (geboren 1998 oder später) zum „Wehrdienst“ verpflichtet. Der Beschwerdeführer unterliegt daher grundsätzlich der „Wehrpflicht“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ nicht mehr.
Im Falle einer Einziehung zum „Wehrdienst“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ würden dem Beschwerdeführer bei einer theoretischen, in der Zukunft liegenden Weigerung, der „Wehrpflicht“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ nachzukommen, keine unverhältnismäßigen Sanktionen drohen und wäre der Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zur Beteiligung an Kampfhandlungen verpflichtet. Er wäre nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verlegung an die Front ausgesetzt und müsste sich nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit an der Begehung von Menschenrechtsverletzungen beteiligen.
Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit physische und/oder psychische Gewalt asylrelevanter Intensität aufgrund seiner Herkunft aus einem oppositionellen Gebiet.
Ebenso droht dem Beschwerdeführer auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund seiner illegalen Ausreise aus Syrien, seinem Aufenthalt und seiner Asylantragstellung in Europa bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung. Nicht jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist, sich im Ausland aufgehalten hat und dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen:
? Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien vom 27.03.2024 (LIB)
? UNHCR Erwägungen zum Schutzbedarf von syrischen Staatsangehörigen aus März 2021 (UNHCR)
? aktuelle EUAA Country Guidance: Syria (EUAA)
? ACCORD-Anfragebeantwortung zu Syrien: Voraussetzungen für Einreise syrischer Staatsangehöriger in Gebiete unter Kontrolle der SDF/YPG in Nordostsyrien; Legale Einreise aus dem Irak bzw. der Türkei; Informationen zum Grenzübergang Semalka – Faysh Kabur; Kontrolle der Grenzübergänge zwischen Nordostsyrien und der Türkei/dem Irak [a-11859-1]“ vom 06.05.2022
? ACCORD-Anfragebeantwortung zu Syrien: Kontrollen durch Sicherheitsbehörden bei Einreise, Auswirkungen von negativem Asylbescheid [a-12124-5] vom 09.06.2023
? ACCORD vom 06.09.2023, Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften, Dokument 2096372
? Staatendokumentation vom 25.10.2023, Syrien Grenzübergänge
? Staatendokumentation vom 08.03.2023, Rekrutierungspraxis YPG
Sicherheitslage:
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse:
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):
UNGeo 1.7.2023 (Stand: 6.2023)
Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen [Anm.: zu den Gebieten mit IS-Präsenz siehe Unterkapitel zu den Regionen]:
Quelle: CC 13.12.2023 (Stand: 30.9.2023)
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten:
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).
Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).
Die folgende Karte zeigt die verschiedenen internationalen Akteure und deren militärische Interessenschwerpunkte in Syrien:
Quelle: Jusoor 30.7.2023
Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).
Im Gouvernement Dara'a kam es 2022 weiterhin zu Gewalt zwischen Regimekräften und lokalen Aufständischen trotz eines nominellen Siegs der Regierung im Jahr 2018 und eines von Russland vermittelten 'Versöhnungsabkommens'. Eine allgemeine Verschlechterung von Recht und Ordnung trägt in der Provinz auch zu gewalttätiger Kriminalität bei (FH 9.3.2023). In Suweida kam es 2020 und 2022 ebenfalls zu Aufständen, immer wieder auch zu Sicherheitsvorfällen mit Milizen, kriminellen Banden und Drogenhändlern. Dies führte immer wieder zu Militäroperationen und schließlich im August 2023 zu größeren Protesten (CC 13.12.2023). Die Proteste weiteten sich nach Daraa aus. Die Demonstranten in beiden Provinzen forderten bessere Lebensbedingungen und den Sturz Assads (Enab 20.8.2023).
Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022).
Seit Beginn 2023 wurden mit Stand 1.5.2023 auch 258 ZivilistInnen durch andere Akteure (als dem Regime) getötet, somit 75 Prozent aller zivilen Toten in diesem Jahr. Viele von ihnen wurden beim Trüffelsuchen getötet, und dazu kommen auch Todesfälle durch Landminen. Außerdem bietet die Unsicherheit in vielen Gebieten ein passendes Umfeld für Schießereien durch nicht-identifzierte Akteure (SNHR 1.5.2023).
Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS)
Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vgl. DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vgl. CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vgl. BAMF 6.12.2022). Im August 2023 wurde dieser bei Kampfhandlungen mit der HTS getötet und der IS musste zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren einen neuen Führer ernennen. Als Nachfolger wurde Abu Hafs al-Hashimi al-Qurayshi eingesetzt (WSJ 3.8.2023). Die Anit-Terror-Koalition unter der Führung der USA gibt an, dass 98 Prozent des Gebiets, das der IS einst in Syrien und Irak kontrollierte, wieder unter Kontrolle der irakischen Streitkräfte bzw. der SDF sind (CFR 24.1.2024). Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vergleiche DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vergleiche CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vergleiche BAMF 6.12.2022). Im August 2023 wurde dieser bei Kampfhandlungen mit der HTS getötet und der IS musste zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren einen neuen Führer ernennen. Als Nachfolger wurde Abu Hafs al-Hashimi al-Qurayshi eingesetzt (WSJ 3.8.2023). Die Anit-Terror-Koalition unter der Führung der USA gibt an, dass 98 Prozent des Gebiets, das der IS einst in Syrien und Irak kontrollierte, wieder unter Kontrolle der irakischen Streitkräfte bzw. der SDF sind (CFR 24.1.2024).
Der Sicherheitsrat der VN schätzt die Stärke der Gruppe auf 6.000 bis 10.000 Kämpfer in ganz Syrien und im Irak, wobei die operativen Führer der Gruppe hauptsächlich in Syrien stationiert sind (EUAA 9.2022). Die Terrororganisation IS kann in Syrien selbst in ihren Rückzugsgebieten im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien weiterhin keine territoriale Kontrolle mehr ausüben. Mit mehreren Tausend Kämpfern sowie deren Angehörigen, die sich in Gefängnissen und Lagern in Nordostsyrien in Gewahrsam der SDF befinden, sowie einer vermutlich dreistelligen Zahl von im Untergrund aktiven Kämpfern bleibt der IS jedoch ein relevanter asymmetrischer Akteur (AA 2.2.2024). Nach dem Verlust der territorialen Kontrolle verlagerte der IS seine Strategie hin zu aufständischen Methoden, wie gezielte Angriffe, u.a. Autobomben, Überfälle und Attentate (DIS 29.6.2020). Der IS verübte immer wieder Angriffe und Anschläge, insbesondere auf Einheiten der SDF im Nordosten sowie auf Truppen des Regimes in Zentralsyrien (AA 2.2.2024). IS-Kämpfer sind in der Wüste von Deir ez-Zor, Palmyra und Al-Sukhna stationiert und konzentrieren ihre Angriffe auf Deir ez-Zor, das Umland von Homs, Hasakah, Aleppo, Hama und Raqqa (NPA 15.5.2023). In der ersten Jahreshälfte 2023 wurde von 552 Todesopfer durch Angriffe des IS berichtet (NPA 8.7.2023).
Trotz der starken Präsenz syrischer und russischer Streitkräfte in Südsyrien sind mit dem IS verbundene Kämpfer in der Region aktiv und das syrische Regime ist derzeit nicht in der Lage, IS-Aktivisten in Gebieten zurückzudrängen, die vollständig unter der Kontrolle der Regierung stehen (VOA 24.10.2022). Der IS ist im Regimegebiet stärker, weil die syrische Armee weniger kompetent bei Anti-Terror-Operationen auftritt als die SDF (Zenith 11.2.2022). Nach Angaben der International Crisis Group verübten IS-Zellen Ende 2021 durchschnittlich zehn bis 15 Angriffe auf die Regierungsstreitkräfte pro Monat, die meisten davon im Osten von Homs und im ländlichen westlichen Deir Ez-Zour. Dieser Trend setzte sich auch im Jahr 2022 fort (EUAA 9.2022). Mitte 2020 gehörten zu den Zielpersonen des IS vor allem lokale Behörden und Personen, die mit den Behörden, Kräften und Gruppen, die gegen den IS kämpfen, zusammenarbeiten oder als mit ihnen kooperierend wahrgenommen werden (DIS 29.6.2020). Der IS profitierte auch von einem Sicherheitsvakuum, das dadurch entstand, dass die verschiedenen militärischen Kräfte ihre Aktivitäten aufgrund der COVID-19-Pandemie reduzierten (USDOS 30.3.2021).
Zivile Todesopfer landesweit
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London (SOHR), verzeichnete für das Jahr 2023 mit 4.361 getöteten Personen die höchste Todesopferzahl in drei Jahren. Darunter zählten sie 1.889 ZivilistInnen, darunter 307 Kinder und 241 Frauen (SOHR 31.12.2023).
Das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) dokumentierte im Zeitraum 1.1.2021 bis 30.6.2023 in den syrischen Gouvernements die folgende Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen mit mindestens einem Todesopfer sowie Todesopfern. Demnach kamen im Jahr 2022 5.949 Menschen ums Leben und im ersten Halbjahr 2023 2.796 Personen.
Informationen zur Untersuchung von Chemiewaffeneinsätzen in Syrien
Die syrische Regierung wird beschuldigt mehrmals chemische Waffen eingesetzt zu haben, was zu internationalen Verurteilungen in den Jahren 2013, 2017 und 2018 führte (CFR 24.1.2024). Seit der im November 2017 an russischen Vetos im VN-Sicherheitsrat gescheiterten Verlängerung des Mandats des „Joint Investigative Mechanism“ (JIM) fehlte ein Mechanismus, der die Urheberschaft von Chemiewaffeneinsätzen feststellt. Ein gegen heftigen Widerstand Russlands im Juni 2018 angenommener Beschluss erlaubt nun der Organisation für das Verbot von Chemischen Waffen (OPCW), die Verantwortlichen der Chemiewaffenangriffe in Syrien im Rahmen eines hierfür neu gebildeten „Investigation and Identification Teams“ (IIT) zu ermitteln. Im April 2021 legte das IIT seinen zweiten Ermittlungsbericht vor, demzufolge hinreichende Belege vorliegen, dass der Chemiewaffeneinsatz in der Stadt Saraqib im Februar 2018 auf Kräfte des syrischen Regimes zurückzuführen ist. Die Untersuchung dreier Angriffe im März 2017 kam zu dem Ergebnis, dass hinreichende Belege vorliegen, dass die syrischen Luftstreitkräfte für den Einsatz von Sarin am 24. und 30.3.2017 sowie Chlorgas am 25.3.2017 in Latamenah verantwortlich sind. Die unabhängigen internationalen Experten der FFM gehen, davon unabhängig, weiter Meldungen zu mutmaßlichen Chemiewaffeneinsätzen nach. So kommt der FFM-Bericht vom 1.3.2019 zu dem Ergebnis, dass bei der massiven Bombardierung von Duma am 7.4.2018 erneut Chemiewaffen (Chlor) eingesetzt wurden („reasonable grounds“). Auch eine Untersuchungskommission des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen kam zu diesem Ergebnis. Pressemeldungen zufolge soll das Assad-Regime am 19.5.2019 wiederholt Chlorgas in Kabana/Jabal al-Akrad im Gouvernement Lattakia eingesetzt haben. Die US-Regierung hat hierzu erklärt, dass auch sie über entsprechende Hinweise verfüge, um den Chlorgaseinsatz entsprechend zuzuordnen. Untersuchungen durch FFM bzw. IIT stehen noch aus. Am 1.10.2020 veröffentlichte die FFM zwei weitere Untersuchungsberichte zu vermuteten Chemiewaffeneinsätzen in Saraqib (1.8.2016) und Aleppo (24.11.2018). In beiden Fällen konnte die OPCW angesichts der vorliegenden Informationslage nicht sicher feststellen, ob chemische Waffen zum Einsatz gekommen sind (AA 29.11.2021). Am 26.1.2022 veröffentlichte die Untersuchungskommission der OPCW einen Bericht, in dem sie zu dem Schluss kommt, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass am 1.9.2015 in Marea, Syrien, ein chemischer Blisterstoff als Waffe eingesetzt wurde (OPCW 26.1.2022). In einem weiteren Bericht vom 1.2.2022 kommt die OPCW zu dem Schluss, dass es außerdem hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass am 1.10.2016 in Kafr Zeita eine industrielle Chlorflasche als chemische Waffe eingesetzt wurde (OPCW 1.2.2022).
Eine umfangreiche Analyse des Global Public Policy Institute (GPPi) von 2019 konnte auf Basis der analysierten Daten im Zeitraum 2012 bis 2018 mindestens 336 Einsätze von Chemiewaffen im Syrien-Konflikt bestätigen und geht bei 98 Prozent der Fälle von der Urheberschaft des syrischen Regimes aus (AA 29.11.2021).
Auch wenn es im Jahr 2022 kein Einsatz von chemischen Waffen berichtet wurde, so wird davon ausgegangen, dass das Regime weiterhin über ausreichende Vorräte von Sarin und Chlor verfügt, und über die Expertise zur Produktion und Anwendung von Chlor-hältiger Munition verfügt. Das Regime erfüllte nich