Entscheidungsdatum
08.08.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W218 2264714-1/24E
W218 2264715-1/22E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER über die Beschwerden von XXXX (BF1), geb. XXXX und XXXX (BF2), geb. XXXX , StA. Syrien, BF2 gesetzlich vertreten durch den BF1, beide bevollmächtigt vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland vom 25.11.2022, Zl. XXXX und Zl. XXXX , wegen § 3 AsylG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.06.2023, zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER über die Beschwerden von römisch 40 (BF1), geb. römisch 40 und römisch 40 (BF2), geb. römisch 40 , StA. Syrien, BF2 gesetzlich vertreten durch den BF1, beide bevollmächtigt vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland vom 25.11.2022, Zl. römisch 40 und Zl. römisch 40 , wegen Paragraph 3, AsylG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.06.2023, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Zum Vorverfahren betreffend die BF2:
1. Der BF1 reiste bereits spätestens am 28.05.2015 mit seiner Ehefrau in Österreich ein, er reiste aber wieder aus, da er eine Arbeitsstelle in Kuwait hatte. Seine Ehefrau verblieb schwanger in Österreich und gebar die BF2 am XXXX in Österreich. Der BF1 kam sie immer wieder besuchen. 1. Der BF1 reiste bereits spätestens am 28.05.2015 mit seiner Ehefrau in Österreich ein, er reiste aber wieder aus, da er eine Arbeitsstelle in Kuwait hatte. Seine Ehefrau verblieb schwanger in Österreich und gebar die BF2 am römisch 40 in Österreich. Der BF1 kam sie immer wieder besuchen.
2. Den Anträgen der Ehefrau des BF1 und der BF2 auf internationalen Schutz wurde jeweils mit Bescheid vom 29.01.2016 stattgegeben und ihnen der Status der Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG zuerkannt. Die BF2 erhielt den Status der Asylberechtigten hierbei von ihrer Mutter abgeleitet. 2. Den Anträgen der Ehefrau des BF1 und der BF2 auf internationalen Schutz wurde jeweils mit Bescheid vom 29.01.2016 stattgegeben und ihnen der Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, AsylG zuerkannt. Die BF2 erhielt den Status der Asylberechtigten hierbei von ihrer Mutter abgeleitet.
3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2019 wurde der Ehefrau des BF1 gemäß § 7 Abs. 1 Z 2, 3 AsylG der Status der Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass ihr die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetz nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Ehefrau des BF1 der Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und wurde ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Ehefrau des BF1 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Syrien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). 3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2019 wurde der Ehefrau des BF1 gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer 2,, 3 AsylG der Status der Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass ihr die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetz nicht mehr zukomme (Spruchpunkt römisch eins.). Unter Spruchpunkt römisch II. wurde der Ehefrau des BF1 der Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und wurde ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 4, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Ehefrau des BF1 eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 3, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und wurde festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG nach Syrien zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch VI.).
Begründend wurde ausgeführt, dass die Ehefrau des BF1 seit 27.08.2019 über keine behördliche Meldung in Österreich verfüge und diese kurz vor ihrer Ausreise sich einen syrischen Reisepass habe ausstellen lassen, eine Bedrohungssituation in Syrien läge sohin nicht vor. Die Ehefrau des BF1 habe zwölf Jahre in Syrien die Schule besucht und sei im arbeitsfähigen Alter und arbeitswillig. Es bestünden keine Anhaltspunkte für eine Verfolgung in Syrien.
Der BF2 wurde ebenfalls der Status der Asylberechtigten aberkannt, sie reiste mit ihrer Mutter aus Österreich aus.
Die Bescheide wurden nicht angefochten und in Folge rechtskräftig.
Zum gegenständlichen Verfahren:
4. Der BF1, ein Staatsangehöriger Syriens, reiste gemeinsam mit seiner Tochter, der BF2, ebenfalls Staatsangehörige Syriens, per Visum vermutlich Ende Dezember in Österreich ein und stellten sie am 14.02.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
5. In der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF1 am selben Tag an, Staatsangehöriger von Syrien, verheiratet, Araber mit palästinensischen Wurzeln mit muslimisch sunnitischem Glauben, am XXXX geboren und in Damaskus, wohnhaft gewesen zu sein. 5. In der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF1 am selben Tag an, Staatsangehöriger von Syrien, verheiratet, Araber mit palästinensischen Wurzeln mit muslimisch sunnitischem Glauben, am römisch 40 geboren und in Damaskus, wohnhaft gewesen zu sein.
Er habe Syrien bereits 2002 via Flugzeug in Richtung Kuwait legal verlassen, sei dort ca. 19 Jahre aufhältig gewesen und anschließend mit Visum und Reisepass bis nach Österreich gelangt.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab BF1 an, es gäbe gegen ihn einen Haftbefehl aufgrund von Anstiftung zu Demonstrationen, er wisse jedoch nicht, woher diese Anschuldigungen kommen, er sei seit 2010 nicht mehr in Syrien gewesen. Seine Ehefrau sei deshalb bereits 2014 verhaftet worden und 2015 aus Syrien geflüchtet. Der BF1 habe von 2002 bis 2021 in Kuwait gelebt, sein Arbeitsvertrag sei jedoch wegen Corona nicht verlängert worden und sei seine Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen. Bei einer Rückkehr nach Syrien drohe ihm die Verhaftung und Folter.
6. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 21.10.2022 gab der BF1 unter anderem an, dass er gesund sei. Im Herkunftsstaat leben die Ex- Ehefrau, der Sohn und die neue Ehefrau des BF1. Er habe zwölf Jahre die Schule besucht, eine Elektrikerlehre absolviert und als Restaurantdirektor gearbeitet. Der BF1 habe weitere Familienangehörige in der EU, u.a. eine Schwester, einen Bruder, zwei Stiefbrüder und einen Vater in Österreich. Seine Tochter (BF2) sei mit ihm nach Österreich gekommen.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF1 an, er stehe im Verdacht, Leute zur Revolution aufgebracht zu haben. Dies habe er erfahren, als er sich 2015 einen syrischen Reisepass habe ausstellen lassen wollen. Der BF1 glaube, er werde von der syrischen Armee und der islamischen Armee gesucht. Er habe aber nur auf Facebook gepostet und habe 100.000 syrische Lira für hilfsbedürftige Menschen in seinen Wohnbezirk geschickt.
Der BF1 legte Dokumente vor.
7. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2022 wurden die Anträge des BF1 und der BF2 auf internationalen Schutz gemäß
§ 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Den BF wurde gemäß § 8 Absatz 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. 7. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2022 wurden die Anträge des BF1 und der BF2 auf internationalen Schutz gemäß
§ 3 Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) abgewiesen. Den BF wurde gemäß Paragraph 8, Absatz 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
8. Gegen diese ordnungsgemäß zugestellten Bescheide erhoben die BF fristgerecht Beschwerde. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF1 befürchte vom syrischen Regime verhaftet, verurteilt und misshandelt bzw. getötet zu werden, da ihm vorgeworfen werde, andere zu Demonstrationen angestachelt bzw. illegale Aktivitäten finanziert zu haben. Seine ehemalige Ehefrau sei deshalb 2014 festgenommen und verhört worden und aus diesem Grund ausgereist, sie lebe aber wieder in Syrien. Der BF1 vermute, die Verfolgung läge in den Social Media Postings begründet, welche er zu Beginn des Bürgerkriegs getätigt habe bzw. wo er kritische Postings kommentiert habe. Als der Konflikt blutiger geworden sei, habe er die Tätigkeit aber eingestellt. Der BF1 habe zwar einen syrischen Reisepass gegen Bezahlung der üblichen Gebühren erhalten, dies könne auch aufgrund der geltenden Unschuldsvermutung geschehen sein, es bestehe derzeit lediglich ein Verdacht gegen den BF1, eine Verurteilung liege aber nicht vor. Die Ehe mit der ersten Ehefrau des BF1 (Mutter der BF2) sei mittlerweile geschieden, sodass diese in Syrien aktuell nicht mehr gefährdet sei und daher dort leben könne. Da der BF1 seinen Wehrdienst bereits abgeleistet habe, drohe ihm zudem die Einberufung zum Reservedienst.
9. Die Spruchpunkte II. und III. sind jeweils in Rechtskraft erwachsen.9. Die Spruchpunkte römisch II. und römisch III. sind jeweils in Rechtskraft erwachsen.
10. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die eingebrachte Beschwerde am 14.06.2023 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Parteienvernehmung des BF1.
11. Am 06.07.2023 langte eine Stellungnahme der BF beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF1 mit seiner ersten Ehefrau auch weiterhin verheiratet sei, diese mit dem gemeinsamen Sohn in Syrien lebe. Der BF1 sei bereits 2002 nach Kuwait ausgereist und habe im Zuge einer Passausstellung 2014/2015 erfahren, dass ihn das syrische Regime aufgrund Finanzierung terroristischer Gruppierungen und Anstachelungen zur Demonstrationen verdächtige, seine Ehefrau sei deshalb bereits festgenommen und verhört worden. Er sei mit seiner Ehefrau nach Österreich gereist, diese habe hier einen Asylantrag gestellt und die gemeinsame Tochter zur Welt gebracht, während der BF1 zurück nach Kuwait gegangen wäre. Die Ehefrau habe den Status der Asylberechtigten, gemeinsam mit der in Österreich geborenen BF2 erhalten. Der BF1 sei regelmäßig nach Österreich zu Besuch gekommen, habe jedoch keinen Antrag auf Zuerkennung von internationalen Schutz gestellt, da die Visa nicht von den österreichischen Behörden ausgestellt worden seien. Er habe versucht, im Zuge der Familienzusammenführung längerfristig nach Österreich zu kommen, da diese gescheitert seien, hätten die Ehefrau des BF1 und die BF2 den BF1 in Kuwait besucht und seien länger dortgeblieben. Neun Monate später hätte die Familie erfahren, dass deren Asylstatus aberkannt worden wäre und seien sie daher in Kuwait geblieben. Da der BF1 2021 seine Arbeitsstelle verloren habe und damit auch keinen Aufenthaltstitel in Kuwait mehr gehabt habe, sei es vermehrt zu Streitereien zwischen dem BF1 und seiner Ehefrau gekommen und hätten sie die Scheidung angedacht. Da sich dies schnell herumgesprochen hätte, habe die Ehefrau des BF1 keine Schwierigkeiten betreffend ihrer Rückkehr nach Syrien gehabt. Die BF2 sei in Österreich geboren, habe ab dem Jahr 2019 in Kuwait gelebt und sei mit dem BF1 nach dessen Trennung von seiner Ehefrau nach Österreich zurückgekehrt, während diese mit dem gemeinsamen Sohn nach Syrien gegangen sei. Der BF1 würde in Syrien weiters als oppositionell wahrgenommen werden, da sich ein Großteil seiner Familie in Österreich befinde und sei ein Bruder im Rahmen einer Demonstration gegen das syrische Regime schwer verletzt worden, woraufhin dieser Syrien verlassen habe. Zwei weitere Brüder seien Wehrdienst- bzw. Reservedienstverweigerer. Daher drohe dem BF1 auch aufgrund seiner Familienangehörigkeit Verfolgung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu den Personen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin:
Die BF sind Staatsangehörige von Syrien. Der BF1 lebte bis zu seiner Ausreise im Jahr 2002 in XXXX , anschließend lebte er in XXXX , Kuwait. Die Identitäten der BF stehen fest. Der BF1 hat 12 Jahre die Grund- und die Mittelschule in Syrien besucht und ging in Kuwait einer geregelten Arbeit nach. Die BF sind Staatsangehörige von Syrien. Der BF1 lebte bis zu seiner Ausreise im Jahr 2002 in römisch 40 , anschließend lebte er in römisch 40 , Kuwait. Die Identitäten der BF stehen fest. Der BF1 hat 12 Jahre die Grund- und die Mittelschule in Syrien besucht und ging in Kuwait einer geregelten Arbeit nach.
Die Ehefrau und der Sohn des BF1 leben in Damaskus in Syrien. Er hat regelmäßig Kontakt zu seiner Familie.
Der BF1 verließ Syrien ca. 19 Jahre vor der Einreise nach Österreich, die minderjährige BF2 wurde in Österreich geboren und lebte zwischenzeitig in Syrien und in Kuwait.
Die BF waren in Syrien keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihnen asylrelevante Gründe für das Verlassen des Heimatstaates nicht glaubhaft dargetan. Es ist nicht glaubhaft, dass den BF in Syrien aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung Verfolgung droht. Auch nicht aufgrund der illegalen Ausreise oder ihrer Asylantragstellung in Österreich. Nicht jedem Rückkehrer, der aus Syrien ausgereist ist und der im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
Die BF hatten keine Probleme mit den Behörden im Heimatland. Der BF1 war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Er ist in Syrien weder vorbestraft noch war er dort inhaftiert.
Das Herkunftsgebiet der BF ist aktuell unter der Kontrolle vom syrischen Regime (vgl. https://syria.liveuamap.com/), dem BF1 droht keine Verfolgung durch das Regime, die syrische Armee oder andere Organe des Regimes. Das Herkunftsgebiet der BF ist aktuell unter der Kontrolle vom syrischen Regime vergleiche https://syria.liveuamap.com/), dem BF1 droht keine Verfolgung durch das Regime, die syrische Armee oder andere Organe des Regimes.
Der BF1 hat seinen Wehrdienst von 1999 bis 2001 in Damaskus abgeleistet. Er hat keinerlei Spezialausbildung im Zuge seines Wehrdienstes erhalten und verfügt auch sonst über keine besonderen Qualifikationen.
Der BF1 lebt seit 2002 nicht mehr in Syrien. Der BF1 lebte jedenfalls von 2002 bis 2021 in Kuwait.
1.2. Zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren der Zweitbeschwerdeführerin:
Die BF2 ist in Österreich geboren und wurde ihr – abgeleitet von ihrer Mutter – mit Bescheid vom 29.01.2016 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Eigene Fluchtgründe lagen bei der BF2 nicht vor.
Mit Bescheid vom 19.12.2019 wurde der Mutter der BF2 und in weiterer Folge auch der BF2 der Status der Asylberechtigten rechtskräftig aberkannt, da diese sich einen syrischen Reisepass ausstellen ließen und nach Syrien zurückgekehrt sind. Der Bescheid wurde nicht angefochten und erwuchs in Rechtskraft.
Die minderjährige BF2 kam mit ihrem Vater – dem BF1 – vermutlich Dezember 2021 nach Österreich und stellte gemeinsam mit diesem am 14.02.2022 einen Antrag auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten. Die Mutter der BF2 und ihr Bruder kehrten neuerlich nach Syrien zurück und leben dort unbehelligt.
1.3. Zu den Fluchtgründen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin:
Der 49-jährige BF1 hat seinen Wehrdienst von 1999 bis 2001 abgeleistet. Er hat seinen Wehrdienst als Gefreiter absolviert und hat keine Spezialkenntnisse erworben. Der BF1 hat keinen förmlichen Einberufungsbefehl zur Ableistung des Reservedienstes erhalten.
Es besteht für den BF1 nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass er im Falle einer Rückkehr als Reservist zum syrischen Militärdienst eingezogen wird.
Der BF1 hat mit seinen 49 Jahren das wehrdienstpflichtige Alter bereits weit überschritten und es besteht keine Gefahr einer Einbeziehung als Reservist.
Der BF1 wurde auch weder in der Vergangenheit noch sonst irgendwann als Reservist einberufen oder zwangsrekrutiert. Er wurde mangels Einberufung zum Reservedienst auch nicht verurteilt, weil er nicht zum Reservedienst eingerückt ist. Ebenso wurde und wird dem BF1 vor diesem Hintergrund keine (auch nicht unterstellte) politische Gesinnung zugeschrieben.
Dem BF1 droht in Syrien keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität aufgrund der Wehrdienstverweigerung seiner Brüder und seiner „Familienangehörigeneigenschaft“.
Der BF1 war in Syrien nicht politisch tätig, er ist nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung und hat sich in Syrien nicht gegen das syrische Regime gestellt. Er hat in Syrien keine Straftaten begangen. Dem BF1 droht in Syrien keine Verfolgung aufgrund einer ihm unterstellten politischen Gesinnung.
Diese Angaben und eine daraus resultierende Verfolgung durch das Syrische Regime kann nicht glaubhaft gemacht werden. Der BF1 ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bedroht, von der syrischen Regierung als Oppositioneller bzw. politischer Gegner angesehen und verfolgt zu werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass gegen den BF1 ein Haftbefehl vorliegt.
Dem BF1 wurde am XXXX von der syrischen Botschaft in Kuwait ein Reisepass ausgestellt. Dem BF1 wurde am römisch 40 von der syrischen Botschaft in Kuwait ein Reisepass ausgestellt.
Der BF1 war in Syrien keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihm asylrelevante Gründe für das Verlassen des Heimatstaates nicht glaubhaft dargetan.
Der BF1 hat sich nicht gegen das syrische Regime gestellt und selbst wenn er sich regimekritisch auf Facebook positioniert hätte, ist eine Verfolgung auszuschließen, da dies über zehn Jahre her ist und er sich seither nicht mehr auf Facebook über den Bürgerkrieg äußerte. Der BF1 hat auch keine terroristische Gruppierung finanziell unterstützt.
Die Angaben des BF1 zu den Fluchtgründen sind nicht glaubhaft und werden dem Verfahren nicht zugrunde gelegt.
Eigene in der Person der minderjährigen BF2 liegende Fluchtgründe in ihrem Herkunftsstaat sind nicht hervorgekommen.
1.3. Zur relevanten Situation in Syrien:
Hinsichtlich der relevanten Situation in Syrien wird zunächst prinzipiell auf die Länderfeststellungen der belangten Behörde zu Syrien verwiesen (Stand: 10.08.2022, Version 7). Es wird die aktuelle Version der Länderfeststellungen herangezogen (Version 11, Stand: 24.03.2024), die sich in den für den Beschwerdeführer relevanten Teilen kaum von der Vorversion unterscheidet. Weiters werden herangezogen: UNHCR Erwägungen zum Schutzbedarf von syrischen Staatsangehörigen aus März 2021 (UNHCR) und EASO Country Guidance: Syria aus November 2021 (EASO).
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
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Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 2024-03-08 11:06
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).
Institutionen und Wahlen
Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).
Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vgl. Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Artikel 85, vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vergleiche Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).
Das Parlament hat nicht viel Macht. Dekrete werden meist von Ministern und Ministerinnen vorgelegt, um ohne Änderungen vom Parlament genehmigt zu werden. Sitze im Parlament oder im Kabinett dienen nicht dazu, einzelne Machtgruppen in die Entscheidungsfindung einzubinden, sondern dazu, sie durch die Vorteile, die ihnen ihre Positionen verschaffen, zu kooptieren (BS 23.2.2022). Im Juli 2020 fanden die Wahlen für das "Volksrat" genannte syrische Parlament mit 250 Sitzen statt, allerdings nur in Gebieten, in denen das Regime präsent ist. Auch diese Wahlen wurden durch die weitverbreitete Vertreibung der Bevölkerung beeinträchtigt. Bei den Wahlen gab es keinen nennenswerten Wettbewerb, da die im Exil lebenden Oppositionsgruppen nicht teilnahmen und die Behörden keine unabhängigen politischen Aktivitäten in dem von ihnen kontrollierten Gebiet dulden. Die regierende Ba'ath-Partei und ihre Koalition der Nationalen Progressiven Front erhielten 183 Sitze. Die restlichen 67 Sitze gingen an unabhängige Kandidaten, die jedoch alle als regierungstreu galten (FH 9.3.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 33,7 Prozent (BS 23.2.2022). Es gab Vorwürfe des Betrugs, der Wahlfälschung und der politischen Einflussnahme. Kandidaten wurden in letzter Minute von den Wahllisten gestrichen und durch vom Regime bevorzugte Kandidaten ersetzt, darunter Kriegsprofiteure, Warlords und Schmuggler, welche das Regime im Zuge des Konflikts unterstützten (WP 22.7.2020).
Der Wahlprozess soll so strukturiert sein, dass eine Manipulation des Regimes möglich ist. Syrische Bürger können überall innerhalb der vom Regime kontrollierten Gebiete wählen, und es gibt keine Liste der registrierten Wähler in den Wahllokalen und somit keinen Mechanismus zur Überprüfung, ob Personen an verschiedenen Wahllokalen mehrfach gewählt haben. Aufgrund der Vorschriften bei Reihungen auf Wahllisten sind alternative Kandidaten standardmäßig nur ein Zusatz zu den Kandidaten der Ba'ath-Partei (MEI 24.7.2020). Die vom Regime und den Nachrichtendiensten vorgenommene Reihung auf der Liste ist damit wichtiger als die Unterstützung durch die Bevölkerung oder Stimmen. Wahlen in Syrien dienen nicht dem Finden von Entscheidungsträgern, sondern der Aufrechterhaltung der Fassade von demokratischen Prozessen durch den Staat nach Außen. Sie fungieren als Möglichkeit, relevante Personen in Syrien quasi zu managen und Loyalisten dazu zu zwingen, ihre Hingabe zum Regime zu demonstrieren (BS 23.2.2022). Zudem gilt der Verkauf öffentlicher Ämter an reiche Personen, im Verbund mit entsprechend gefälschten Wahlergebnissen, als zunehmend wichtige Devisenquelle für das syrische Regime (AA 29.3.2023). Entscheidungen werden von den Sicherheitsdiensten oder dem Präsidenten auf Basis ihrer Notwendigkeiten getroffen - nicht durch gewählte Personen (BS 23.2.2022).
Im September 2022 fanden in allen [unter Kontrolle des syrischen Regimes stehenden] Provinzen Wahlen für die Lokalräte statt. Nichtregierungsorganisationen bezeichneten sie ebenfalls als weder frei noch fair (USDOS 20.3.2023).
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Syrische Interimsregierung und syrische Heilsregierung
Letzte Änderung 2023-07-11 09:24
Im März 2013 gab die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte als höchste offizielle Oppositionsbehörde die Bildung der syrischen Interimsregierung (Syrian Interim Government, SIG) bekannt, welche die Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes im ganzen Land verwalten soll. Im Laufe der Zeit schrumpften die der Opposition angehörenden Gebiete jedoch, insbesondere nach den Vereinbarungen von 2018, die dazu führten, dass Damaskus die Kontrolle über den Süden Syriens und die Oppositionsgebiete im Süden von Damaskus und im Umland übernahm. Der Einfluss der SIG ist nun auf die von der Türkei unterstützten Gebiete im Norden Aleppos beschränkt (SD 18.3.2023). Formell erstreckt sich ihr Zuständigkeitsbereich auch auf die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrollierte Zone. Dort wurde sie von der HTS jedoch an den Rand gedrängt (Brookings 27.1.2023). Die von der HTS kontrollierten Gebiete in Idlib und Teile der Provinzen Aleppo und Latakia werden inzwischen von der syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government, SSG), dem zivilen Flügel der HTS, regiert (SD 18.3.2023).
Nicht-staatliche Akteure in Nordsyrien haben systematisch daran gearbeitet, sich selbst mit Attributen der Staatlichkeit auszustatten. Sie haben sich von aufständischen bewaffneten Gruppen in Regierungsbehörden verwandelt. In Gebieten, die von der HTS, einer sunnitischen islamistischen politischen und militärischen Organisation, kontrolliert werden, und in Gebieten, die nominell unter der Kontrolle der SIG stehen, haben bewaffnete Gruppen und die ihnen angeschlossenen politischen Flügel den institu