Entscheidungsdatum
12.08.2024Norm
AsylG 2005 §10Spruch
I406 2294310-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA. Ägypten, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH), Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.05.2024, Zl. XXXX , zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 (alias römisch 40 ), geb. römisch 40 , StA. Ägypten, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH), Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.05.2024, Zl. römisch 40 , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.10.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er tags darauf im Rahmen der Erstbefragung damit begründete, dass in Ägypten die wirtschaftliche Lage sehr schlecht sei. Er wolle in IT arbeiten. Er habe hiermit alle seine Fluchtgründe angegeben.
2. Am 30.04.2024 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.
Als er zu seinen Gründen für die Ausreise aus Ägypten befragt worden ist, erstattete er folgendes Vorbringen:
„Als meine Eltern geheiratet haben, war mein Vater 17 und meine Mutter 13 Jahre alt.
Es war eine arrangierte Ehe, und sie haben sich nicht verstanden. Nach 1,5 Jahren kam mein älterer Bruder zur Welt, nach weiteren 6 Monaten waren die Streitereien meiner Eltern so groß, dass meine Mutter zu ihrer Familie zurückging mit dem Baby.
Meine Eltern waren dann getrennt, aber nicht geschieden. Auch ich bin bei meiner Mutter und ihrer Familie aufgewachsen.
Mein Vater hatte dann eine Beziehung zu einer anderen Frau. Dadurch kam es zu Streit zwischen den Familien. Im Zuge eines Streites wurden meinem Bruder der 18 war, die Knie gebrochen. Mein Vater lebt jetzt mit der anderen Frau und alle sind deswegen böse aufeinander. Auch ich habe keinen Kontakt zu der Frau.
Seit 2020 einigten sich die Familien die Streitparteien schlossen einen Vergleich und mein Vater unterschrieb einen Vertrag, nach dem er gelobte von nun an tugendsam und sittsam zu leben. Mein Vater ging ins Kloster und tut dort Buße. Er kümmert sich jetzt um sein Seelenheil. Es gab seither Frieden in der Familie. Ich organisierte mir danach einen Arbeitsvertrag in Jordanien und verließ das Land legal, um im Ausland zu arbeiten.
Auch habe ich noch nicht meinen Grundwehrdienst abgeleistet und möchte dem entgehen, indem ich im Ausland bleibe.“
3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich Asyl sowie subsidiären Schutz als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich Asyl sowie subsidiären Schutz als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
4. Dagegen richtet sich die im vollen Umfang erhobene Beschwerde vom 20.06.2024.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige und gesunde Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Ägypten und bekennt sich zum koptisch-orthodoxen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.
In Ägypten absolvierte er eine 12-jährige Schulausbildung, dort lebt nach wie vor der Großteil seiner Familie. Im Jahr 2020 oder 2021 reiste er legal mit gültigem Reisedokument aus Ägypten nach Jordanien aus, wo er ca. zwei Jahre lang lebte und als Schneider tätig war.
In weiterer Folge gelangte er mit der Hilfe von Schleppern über die Türkei, Griechenland und andere Länder nach Österreich. Zumindest seit dem 15.10.2023 bzw. dem Tag der Asylantragstellung hält er sich in Österreich auf.
Er ging zu keinem Zeitpunkt in Österreich einer legalen und der Pflichtversicherung unterliegenden Erwerbstätigkeit nach und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.
Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf und verfügt im Bundesgebiet über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat Ägypten aus wirtschaftlichen Gründen und nicht aufgrund individueller Verfolgung verlassen.
Im Fall seiner Rückkehr wird er in Ägypten mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt sein.
1.3. Zur (auszugsweise wiedergegebenen) Lage im Herkunftsstaat (mit Angabe der Quellen), soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz sind:
4. Sicherheitslage
Verschiedene terroristische Gruppen sind in Ägypten aktiv, die bedeutendste ist der IS Wilayat Sinai. Terroristische Anschläge können im ganzen Land stattfinden, wiewohl sie sich zuletzt auf der Sinai Halbinsel konzentriert haben. Im Jahr 2020 gab es gemäß öffentlich zugänglicher Informationen ca. 234 terroristische Angriffe. Immer wieder, auch im Jahr 2021, finden sich Berichte über Zusammenstöße zwischen ägyptischer Armee und Terroristen v.a. am Nord-Sinai, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Neben dem Nord-Sinai ist auch das Wüstengebiet im Westen bis zur libyschen und sudanesischen Grenze ein Hotspot. Terroristische Anschläge und Militäroperationen führen (auch) zu zivilen Opfern. Ziele der terroristischen Angriffe sind die Sicherheitskräfte, aber auch diplomatische Vertretungen, Touristenorte, Transportknotenpunkte, Märkte und Einkaufszentren, westliche Unternehmen, Restaurants und lokale Regierungseinrichtungen. Die Behörden sind aktiv in der Terrorismusbekämpfung, die Anti-Terrorgesetzgebung ist streng und bedeutet Einschränkungen fundamentaler Menschen- und Freiheitsrechte. Erfolge werden erzielt. Im Jahr 2020 wurden nach offiziellen Angaben 750 Waffenverstecke ausgehoben und 150 Terroristen getötet (STDOK 17.3.2022).
Das Risiko terroristischer Anschläge ist weiterhin gegeben (FD 2.8.2022; vgl. AA 22.6.2022, BMEIA 22.8.2022). Im Norden der Sinai-Halbinsel, dem Gouvernorat Nordsinai und dem ägyptisch-israelischen Grenzgebiet - mit Ausnahme des unmittelbaren Küstenabschnitts und des GrenzortesDas Risiko terroristischer Anschläge ist weiterhin gegeben (FD 2.8.2022; vergleiche AA 22.6.2022, BMEIA 22.8.2022). Im Norden der Sinai-Halbinsel, dem Gouvernorat Nordsinai und dem ägyptisch-israelischen Grenzgebiet - mit Ausnahme des unmittelbaren Küstenabschnitts und des Grenzortes
Taba - finden militärische Operationen statt, da es in der Vergangenheit zu terroristischen Anschlägen kam. Im Gouvernorat Nordsinai gilt der Ausnahmezustand, der mit nächtlichen Ausgangssperren einhergeht. Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 22.6.2022; vgl. BMEIA 22.8.2022).Taba - finden militärische Operationen statt, da es in der Vergangenheit zu terroristischen Anschlägen kam. Im Gouvernorat Nordsinai gilt der Ausnahmezustand, der mit nächtlichen Ausgangssperren einhergeht. Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 22.6.2022; vergleiche BMEIA 22.8.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.6.2022): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise
(Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung),
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/
aegyptensicherheit/212622#content_5, Zugriff 25.8.2022
- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (22.8.2022):
Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität,
https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 26.8.2022
- FD - France diplomatique [Frankreich] (2.8.2022): Egypte - Sécurité,
https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/
egypte/#securite, Zugriff 26.8.2022
- STDOK – Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenweswen und Asyl (17.3.2022):
Themenbericht: Terrorismus in Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
10. Wehrdienst und Rekrutierungen
Männer im Alter von 18-30 Jahren werden zum Wehrdienst verpflichtet. Die Dienstpflicht beträgt zwischen 14-36 Monate, gefolgt von einer neun-jährigen Reserveverpflichtung. Der freiwillige Militärdient ist für Frauen und Männer ab 16 Jahren (Stand 2022) möglich (CIA 10.8.2022). Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst an gruppenbezogenen Merkmalen orientiert ist, sie erfolgt allerdings nach Kriterien der sozialen Zugehörigkeit.
Wehrpflichtige Angehörige niedriger, insbesondere ländlicher, Bevölkerungsschichten werden häufig für (bereitschafts-)polizeiliche Aufgaben unter harten Bedingungen eingesetzt (AA 26.1.2022).
Die Möglichkeit des Ersatzdienstes besteht formal nicht, gleichwohl gibt es für Wehrpflichtige, die den Dienst an der Waffe ablehnen, vielfältige Möglichkeiten eines waffenlosen Dienstes innerhalb der Streitkräfte (z. B. als Bausoldaten oder Hilfskräfte) oder in den vielen vom Militär betriebenen Wirtschaftsbetriebe. Die Möglichkeit eines Freikaufs vom Militärdienst existiert nach ägyptischem Recht nicht. Zu inoffiziellen Möglichkeiten des Freikaufs bestehen keine Erkenntnisse. Amnestien im Bereich des Wehrdienstes sind nicht bekannt (AA 26.1.2022).
Wehrdienstverweigerung (im Sinne einer Totalverweigerung) wird mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren und / oder einer Geldstrafe bestraft. Sie zieht zudem den Entzug politischer Rechte und die Verpflichtung, den Wehrdienst nachträglich abzuleisten, nach sich. Bei einem entsprechenden Strafverfahren während des wehrpflichtigen Alters (d. h. in der Regel bis zum 30. oder 31. Lebensjahr) werden im Normalfall Gefängnisstrafen ausgesprochen, in Strafverfahren nach dem wehrpflichtigen Alter zumeist eine Geldstrafe. Die Straftatbestände verjähren mit dem Erreichen des 45. Lebensjahrs (AA 26.1.2022).
Männer, die den Wehrdienst nicht abgeschlossen haben, dürfen nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Identifikationskarten indizieren den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und
abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_
%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_
%28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022
- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (10.8.2022): The World Factbook - Egypt,
https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/egypt/, Zugriff 23.8.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights
Practices 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071155.html, Zugriff 1.8.2022
11. Allgemeine Menschenrechtslage
Die Menschenrechtslage in Ägypten hat sich – bei bereits Besorgnis erregendem Niveau – 2021 in fast allen Bereichen weiter verschlechtert (AA 26.1.2022).
Ägypten hat einige internationale Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert. Erhebliche Vorbehalte zu diesen Instrumenten betreffen unter anderem Bestimmungen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Hintergrund islamischen Rechts (Scharia-Vorbehalt) (AA 26.1.2022).
Die im September 2021 veröffentlichte nationale Menschenrechtsstrategie präsentiert Ägypten als Vorreiter in der Region. Dies spiegelt sich allerdings bisher in der Umsetzung des Schutzes von Menschenrechten nicht wieder. Während im Bereich Frauen- und Kinderrechte gewisse Fortschritte erzielt werden konnten, werden politische und zivile Rechte fast ausschließlich durch die Verfassung geschützt. Konkrete Gesetze zum Schutz von politischen Rechten fehlen. Die Umsetzung des Schutzes ist folglich mangelhaft. Auch die Menschenrechtsstrategie sieht Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen vornehmlich bei der Zivilbevölkerung. Politisch motivierte Strafverfolgung und Einschränkung von Rechten seitens des Regimes und insbesondere der Sicherheitsdienste werden nicht thematisiert (AA 26.1.2022).
Zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen gehörten glaubwürdige Berichte über: rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, einschließlich außergerichtlicher Tötungen durch die Regierung oder ihre Vertreter sowie durch terroristische Gruppen; erzwungenes Verschwindenlassen durch die Staatssicherheit; Folter und Fälle von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung durch die Regierung; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Inhaftierung; politische Gefangene oder Häftlinge; politisch motivierte Repressalien gegen Personen, die sich in einem anderen Land aufhalten; willkürliche oder unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre; schwerwiegende Verstöße in einem Konflikt, einschließlich Berichten zufolge Verschwindenlassen, Entführungen, körperliche Misshandlungen und außergerichtliche Tötungen; schwerwiegende Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Medien, einschließlich Verhaftungen oder strafrechtliche Verfolgung von Journalisten, Zensur, Sperrung von Websites und Missbrauch von Verleumdungsgesetzen; schwerwiegende Einschränkungen der Internetfreiheit; erhebliche Eingriffe in die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, einschließlich übermäßig restriktiver Gesetze über die Organisation, Finanzierung oder Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen und Organisationen der Zivilgesellschaft; Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, einschließlich Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Aktivisten; schwerwiegende und unangemessene Beschränkungen der politischen Partizipation; schwerwiegende staatliche Beschränkungen für inländische und internationale Menschenrechtsorganisationen; Straftaten, die mit Gewalt oder der Androhung von Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, queere oder intersexuelle Personen verbunden sind, sowie die Anwendung des Gesetzes zur willkürlichen Verhaftung und Verfolgung dieser Personen (USDOS 12.4.2022; vgl. AI 29.3.2022). Todesurteile wurden nach grob unfairen Verfahren verhängt und Hinrichtungen vollstreckt, auch für Drogendelikte (AI 29.3.2022). Zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen gehörten glaubwürdige Berichte über: rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, einschließlich außergerichtlicher Tötungen durch die Regierung oder ihre Vertreter sowie durch terroristische Gruppen; erzwungenes Verschwindenlassen durch die Staatssicherheit; Folter und Fälle von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung durch die Regierung; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Inhaftierung; politische Gefangene oder Häftlinge; politisch motivierte Repressalien gegen Personen, die sich in einem anderen Land aufhalten; willkürliche oder unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre; schwerwiegende Verstöße in einem Konflikt, einschließlich Berichten zufolge Verschwindenlassen, Entführungen, körperliche Misshandlungen und außergerichtliche Tötungen; schwerwiegende Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Medien, einschließlich Verhaftungen oder strafrechtliche Verfolgung von Journalisten, Zensur, Sperrung von Websites und Missbrauch von Verleumdungsgesetzen; schwerwiegende Einschränkungen der Internetfreiheit; erhebliche Eingriffe in die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, einschließlich übermäßig restriktiver Gesetze über die Organisation, Finanzierung oder Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen und Organisationen der Zivilgesellschaft; Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, einschließlich Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Aktivisten; schwerwiegende und unangemessene Beschränkungen der politischen Partizipation; schwerwiegende staatliche Beschränkungen für inländische und internationale Menschenrechtsorganisationen; Straftaten, die mit Gewalt oder der Androhung von Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, queere oder intersexuelle Personen verbunden sind, sowie die Anwendung des Gesetzes zur willkürlichen Verhaftung und Verfolgung dieser Personen (USDOS 12.4.2022; vergleiche AI 29.3.2022). Todesurteile wurden nach grob unfairen Verfahren verhängt und Hinrichtungen vollstreckt, auch für Drogendelikte (AI 29.3.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und
abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_
%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_
%28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022
- AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten
Lage der Menschenrechte; Ägypten 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070273.html,
Zugriff 1.8.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights
Practices 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071155.html, Zugriff 1.8.2022
16. Religionsfreiheit
90% aller Ägypter sind Muslime, fast alle von ihnen Sunniten. Ca. 10% der Bevölkerung sind Christen, 90% davon gehören der orthodoxen ägyptischen koptischen Kirche und der Rest anderen christlichen Konfessionen an (USDOS 2.6.2022).
Während Artikel 2 der Verfassung 2014 den Islam zur offiziellen Staatsreligion erklärt, heißt es in Artikel 64: "Glaubensfreiheit ist absolut" (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 2.6.2022). Die Verfassung von 2014 bestimmt die Scharia zur Quelle des Rechts (AA 26.1.2022; vgl. USDOS 2.6.2022). Die Religionsfreiheit ist eingeschränkt (AA 26.1.2022).Während Artikel 2 der Verfassung 2014 den Islam zur offiziellen Staatsreligion erklärt, heißt es in Artikel 64: "Glaubensfreiheit ist absolut" (FH 28.2.2022; vergleiche USDOS 2.6.2022). Die Verfassung von 2014 bestimmt die Scharia zur Quelle des Rechts (AA 26.1.2022; vergleiche USDOS 2.6.2022). Die Religionsfreiheit ist eingeschränkt (AA 26.1.2022).
Die Verfassung von 2014 garantiert zwar uneingeschränkte Freiheit des Glaubens, beschränkt die Freiheit des Kultes aber auf Offenbarungsreligionen (Islam, Christentum, Judentum). Dadurch besteht eine Unterscheidung zwischen „anerkannten“ und „nicht-anerkannten“ Religionen, beispielsweise in der Freiheit zum Bau von Gotteshäusern (AA 26.1.2022; vgl. ÖB 6.2022, USDOS 2.6.2022) und der Ausübung religiöser Riten, die zu zahlreichen Formen der Diskriminierung im Alltag für die Anhänger „nicht-anerkannter“ Glaubensgemeinschaften führt. Atheismus ist nicht anerkannt (AA 26.1.2022).Die Verfassung von 2014 garantiert zwar uneingeschränkte Freiheit des Glaubens, beschränkt die Freiheit des Kultes aber auf Offenbarungsreligionen (Islam, Christentum, Judentum). Dadurch besteht eine Unterscheidung zwischen „anerkannten“ und „nicht-anerkannten“ Religionen, beispielsweise in der Freiheit zum Bau von Gotteshäusern (AA 26.1.2022; vergleiche ÖB 6.2022, USDOS 2.6.2022) und der Ausübung religiöser Riten, die zu zahlreichen Formen der Diskriminierung im Alltag für die Anhänger „nicht-anerkannter“ Glaubensgemeinschaften führt. Atheismus ist nicht anerkannt (AA 26.1.2022).
Führende Vertreter des staatlichen Islam haben Einfluss auf die Politik, besonders in Fragen der privaten Lebensführung und sozialer Normen. Zugleich üben sie staatliche Kontrolle über Glaubensinhalte aus, beispielsweise durch die Ausbildung sämtlicher Geistlichen, die Zulassung von Moscheen und deren Personal und die Kontrolle bzw. Vorgabe von Predigten. Diese staatsnahe Mehrheitsreligion schreibt unter dem Signum des „moderaten Islam“ und im Rahmen des staatlichen Kampfes gegen terroristische und extremistische Strömungen eine sozial tief konservative aber ansonsten unpolitische Form der Religion vor und richtet sich in starkem Maße gegen unabhängige Prediger aus dem islamistischen Spektrum. Der staatliche Islam schränkt aber auch die Religionsfreiheit nichtsunnitischer Muslime ein: besonders der schiitischen Gemeinde und generell für Muslime, die Religionsfreiheit außerhalb des Rahmens der staatlichen anerkannten Religion leben wollen; beispielsweise die Freiheit, die Religion zu verlassen, heterodoxe Glaubenssätze zu vertreten oder außerhalb der Religion zu heiraten oder Beziehungen zu führen (AA 26.1.2022).
Die Konversion vom Christentum zum Islam ist einfach und wird vom Staat anerkannt, während die umgekehrte Konversion vom Islam zum Christentum zu massiven Problemen für die Betroffen führt. Zwar ist die Aufgabe des islamischen Glaubens nicht im geschriebenen Recht, wohl aber nach islamischem Recht verboten. Aufgrund innerislamischer Vorschriften gegen Apostasie haben Konvertiten in Ägypten mit gesellschaftlicher Ächtung zu rechnen. Die Behörden weigern sich in solchen Fällen häufig, neue Personaldokumente auszustellen (AA 26.1.2022; vgl. USDOS 2.6.2022). Die Konversion vom Christentum zum Islam ist einfach und wird vom Staat anerkannt, während die umgekehrte Konversion vom Islam zum Christentum zu massiven Problemen für die Betroffen führt. Zwar ist die Aufgabe des islamischen Glaubens nicht im geschriebenen Recht, wohl aber nach islamischem Recht verboten. Aufgrund innerislamischer Vorschriften gegen Apostasie haben Konvertiten in Ägypten mit gesellschaftlicher Ächtung zu rechnen. Die Behörden weigern sich in solchen Fällen häufig, neue Personaldokumente auszustellen (AA 26.1.2022; vergleiche USDOS 2.6.2022).
Der Eintrag der Religionszugehörigkeit in Personaldokumenten bleibt auch für andere religiöse Minderheiten ein Einfallstor für Diskriminierung und Ungleichbehandlung. Seit März 2009 ist es den Bahai erlaubt, nationale Ausweise und Pässe zu haben, in denen das Feld „Religion“ offen bleibt, was jedoch zu vielfältigen Problemen im Alltag führen kann (AA 26.1.2022).
Eine interreligiöse Ehe zwischen einem christlichen Mann und einer muslimischen Frau ist nach islamischem Recht verboten und kann in Ägypten nicht geschlossen oder nachträglich anerkannt werden (AA 26.1.2022; vgl. USDOS 2.6.2022, ÖB 6.2022). Entsprechende Beziehungen können nur im Verborgenen geführt werden und Betroffene müssen, je nach familiärem Hintergrund, mit erheblichen Vergeltungsmaßnahmen durch Familienmitglieder rechnen.Eine interreligiöse Ehe zwischen einem christlichen Mann und einer muslimischen Frau ist nach islamischem Recht verboten und kann in Ägypten nicht geschlossen oder nachträglich anerkannt werden (AA 26.1.2022; vergleiche USDOS 2.6.2022, ÖB 6.2022). Entsprechende Beziehungen können nur im Verborgenen geführt werden und Betroffene müssen, je nach familiärem Hintergrund, mit erheblichen Vergeltungsmaßnahmen durch Familienmitglieder rechnen.
Sogenannte Ehrenmorde, gerade in konservativ islamisch geprägten Schichten, kommen in Ägypten immer wieder vor (AA 26.1.2022).
[Anm.: zu Kopten siehe folgendes Kapitel]
Die schiitische Minderheit ist marginalisiert und wird immer wieder Opfer von Übergriffen. Da Schiismus in Ägypten nicht als Religion anerkannt ist, sind die Mitglieder dieser Minderheit gezwungen, ihren Glauben im Verborgenen auszuüben (AA 26.1.2022). Schiiten riskieren Vorwürfe der Blasphemie, wenn sie ihre religiösen Meinungen öffentlich äußern, öffentlich beten oder schiitische Bücher besitzen. Schiiten geben an, sie seien vom Dienst in den Streitkräften sowie in den Sicherheits- und Geheimdiensten ausgeschlossen (USDOS 2.6.2022).
Es gibt keine belastbaren Zahlen über die Anzahl von in Ägypten lebenden Schiiten (AA 26.1.2022). Schätzungen zufolge machen sie ca 1% der Bevölkerung aus (USDOS 2.6.2022). In ähnlicher Situation finden sich die etwa 2.000 Bahai, die ebenfalls keine staatliche Anerkennung genießen (AA 26.1.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und
abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_
%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_
%28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Egypt,
https://www.ecoi.net/de/dokument/2068728.html, Zugriff 23.8.2022
- ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2022): Asylländerbericht Ägypten,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2075269/AEGY_%C3%96B_Bericht_2022_06.pdf, Zugriff
1.8.2022
- USDOS - U.S. Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious
Freedom: Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2074025.html, Zugriff 24.8.2022
16.1. Kopten
Kopten, die etwa 10% der ägyptischen Gesellschaft ausmachen und in ihrer Eigenwahrnehmung keine Minderheit darstellen, sind immer wieder Opfer von Diskriminierung durch die Gesellschaft, die vor allem in Oberägypten, spezifisch in der Region Minya, teilweise in Gewalt mündet. Der Schutz durch Sicherheitsbehörden reicht in diesen Fällen oft nicht aus. Besonders in Oberägypten kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, deren Ursache häufig in Streitigkeiten auf lokaler Ebene liegen. Die koptischen Gemeinschaften leiden hier unter strukturellen Benachteiligungen und mangelndem effektivem Schutz durch staatliche Stellen und Sicherheitsbehörden (AA 26.1.2022; vgl. ÖB 6.2022).Kopten, die etwa 10% der ägyptischen Gesellschaft ausmachen und in ihrer Eigenwahrnehmung keine Minderheit darstellen, sind immer wieder Opfer von Diskriminierung durch die Gesellschaft, die vor allem in Oberägypten, spezifisch in der Region Minya, teilweise in Gewalt mündet. Der Schutz durch Sicherheitsbehörden reicht in diesen Fällen oft nicht aus. Besonders in Oberägypten kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, deren Ursache häufig in Streitigkeiten auf lokaler Ebene liegen. Die koptischen Gemeinschaften leiden hier unter strukturellen Benachteiligungen und mangelndem effektivem Schutz durch staatliche Stellen und Sicherheitsbehörden (AA 26.1.2022; vergleiche ÖB 6.2022).
Die koptischen Christen stellen eine erhebliche Minderheit dar. Kopten waren in den letzten Jahren zahlreichen Fällen von Zwangsumsiedlung, tätlichen Angriffen, Bomben- und Brandanschlägen und Blockaden von Kirchenbauten ausgesetzt. In informellen Versöhnungssitzungen nach sektiererischen Konflikten wurde den Kopten die Gerechtigkeit für die gegen sie verübten Gewalttaten verweigert (FH 28.2.2022).
Unter der Regierung von Staatspräsident Al-Sisi hat sich die Sicherheitslage der Christen deutlich verbessert. Die Sicherheitskräfte bemühen sich sichtbar um den Schutz von Kirchen, besonders an christlichen Feiertagen. Es kommt allerdings weiterhin vereinzelt zu Anschlägen auf Christen durch radikal islamistische Gruppierungen (zuletzt am 2.11.2018 mit sieben Todesopfern) (AA 26.1.2022; vgl. ÖB 6.2022). Im Falle einer jüngsten Ermordung eines koptischen Priesters in Alexandria am 7.4.2022 wurde der (wegen islamistisch-extremistischen Aktivitäten bereits vorbestrafte) Täter – mit der gesetzlich vorgesehenen Zustimmung des Großmuftis – jedoch innerhalb eines Monats zum Tode verurteilt (ÖB 6.2022).Unter der Regierung von Staatspräsident Al-Sisi