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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AuslBG §4 Abs6 Z1 idF 1991/684;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der P-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 15. Februar 1994, Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei stellte am 30. Juni 1993 den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den "jugoslawischen" Staatsangehörigen A für die berufliche Tätigkeit als Maurer. In einem Begleitschreiben vom 9. Juli 1993 wies die beschwerdeführende Partei darauf hin, daß die Besetzung der Arbeitsstelle zur Aufrechterhaltung des Betriebes zwingend notwendig sei; ein Zeugnis über den erfolgreichen Abschluß des Besuches der Schule zur Ausbildung zum qualifizierten Maurer im Heimatstaat des beantragten Arbeitnehmers werde in Kopie beigelegt. Die beschwerdeführende Partei sei an der Zuweisung von befähigten, geeigneten und gewillten Ersatzkräften interessiert.
Mit Bescheid vom 26. Juli 1993 wies das zuständige Arbeitsamt den Antrag gemäß § 4 Abs. 6 i.V.m. § 4 Abs. 1 AuslBG ab. Nach Zitierung dieser beiden Gesetzesstellen wurde dazu ausgeführt, aufgrund der Ergebnisse des "Ermittlungsverfahrens" (aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergeben sich allerdings keine Anhaltspunkte für die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens) sei davon auszugehen, daß auf dem relevanten Teilarbeitsmarkt der Maurer Arbeitssuchende vorgemerkt seien und für eine Vermittlung in Betracht kämen. Es spreche daher die Lage auf dem Arbeitsmarkt gegen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung. Außerdem habe der Vermittlungsausschuß im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung rügte die beschwerdeführende Partei im wesentlichen das Fehlen von Ermittlungen sowie einer Vermittlung für die freie Arbeitsstelle befähigter, geeigneter und gewillter Arbeitskräfte. Auch mangle es dem Bescheid des Arbeitsamtes, der auch nicht die Mindestanforderungen nach § 18 AVG erfülle, an einer ausreichenden Begründung. Bei der beschwerdeführenden Partei seien ab Antragstellung keine Ersatzkräfte erschienen, welche die Mindestanstellungserfordernisse erfüllt hätten; sie sei weiterhin an der Zuweisung von befähigten, geeigneten und gewillten Ersatzkräften interessiert.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15. Februar 1994 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i. V.m. § 4 Abs. 6 und § 4 Abs. 1 sowie § 13a AuslBG keine Folge. In der Begründung stellte die belangte Behörde die einschlägige Rechtslage dar und führte dazu auch aus, daß die für das Bundesland Wien mit Verordnung vom 30. November 1992, BGBl. Nr. 738/1992, für das Kalenderjahr 1993 festgesetzte Landeshöchstzahl von 97.000 laut der offiziellen Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit Jahresbeginn weit überschritten sei. Für das Kalenderjahr 1994 sei die Landeshöchstzahl für das Bundesland Wien durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 26. November 1993, BGBl. Nr. 794/1993, auf 91.000 gesenkt worden. Demnach sei hinsichtlich des Umstandes, daß die Landeshöchstzahl überschritten sei, keine Änderung eingetreten. Es seien somit bei Anträgen auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung in jedem Fall sowohl die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 als auch des § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen. Der beantragte Ausländer werde für die Beschäftigung als Maurer benötigt. Eine Überprüfung der Lage auf dem verfahrensgegenständlichen Arbeitsmarkt habe ergeben, daß derzeit für die konkret beantragte Beschäftigung geeignete Arbeitskräfte, die zur Vermittlung vorgemerkt seien und dem im § 4b AuslBG angeführten begünstigten Personenkreis angehörten, zur Deckung des Arbeitskräftebedarfes zur Verfügung stünden. Eine Überprüfung der Kenntnisse des beantragten Ausländers "durch den Lehrbauhof-Ost" sei bisher nicht erfolgt. Die Berufungsausführungen seien daher gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG nicht geeignet, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu begründen. Außerdem seien weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt werde.
In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid grundsätzlich auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Die zur Ablehnung nach § 4 Abs. 1 leg. cit. im angefochtenen Bescheid enthaltene Begründung, die betreffend das Vorhandensein von Ersatzkräften auch zum Berufungsvorbringen im Widerspruch steht, findet in den aktenkundigen Verfahrensergebnissen (solche sind in den vorgelegten Verwaltungsakten überhaupt nicht erkennbar) keine Deckung. Auch die Relevanz der im angefochtenen Bescheid angegebenen "Überprüfung der Kenntnisse des beantragten Ausländers durch den Lehrbauhof-Ost" ist nach der Aktenlage nicht nachvollziehbar. Daß die Abweisung der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht mängelfrei auf § 4 Abs. 1 AuslBG gestützt werden konnte, gibt auch die belangte Behörde in der Gegenschrift dadurch zu erkennen, daß sie nur mehr von einer Ablehnung gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG spricht und den angefochtenen Bescheid nur unter diesem Gesichtspunkt verteidigt.
Der angefochtene Bescheid konnte aber auch nicht auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt werden:
§ 4 Abs. 6 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung (Z. 1 i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer,
b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Die Anwendung des nach dieser Gesetzesstelle erschwerten Verfahrens für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung setzt voraus, daß entweder eine Kontingentüberschreitung oder eine Überschreitung der Landeshöchstzahl vorliegt. Nach § 13a AuslBG kann der Bundesminister für Arbeit und Soziales unter den dort näher bestimmten Voraussetzungen durch Verordnung bis spätestens 30. November für das nächstfolgende Kalenderjahr Landeshöchstzahlen festsetzen.
Zu der von der belangten Behörde angenommenen Überschreitung der Landeshöchstzahl - infolge der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Jahr 1994 ist die für dieses Kalenderjahr geltende Verordnung maßgebend - hat der (noch 1993 erlassene) erstinstanzliche Bescheid eine einschlägige Feststellung naturgemäß nicht enthalten. Die belangte Behörde wäre daher nach § 45 Abs. 3 AVG verpflichtet gewesen, die beschwerdeführende Partei von der Überschreitung der Landeshöchstzahl im Jahr 1994 in Kenntnis zu setzen und ihr damit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Ausgehend von diesen Erwägungen stellen die Ausführungen in der Beschwerde, die die Überschreitung der Landeshöchstzahl im Zeitpunkt der Bescheiderlassung in Frage stellen, nicht etwa unzulässige Neuerungen, sondern vom Verwaltungsgerichtshof zu beachtende Hinweise auf der belangten Behörde im Rahmen der Tatsachenfeststellung unterlaufene relevante Verfahrensmängel dar (vgl. dazu z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, 93/09/0096, und vom 15. Dezember 1994, 93/09/0336, m.w.N.). Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Es erübrigen sich damit weitere Erwägungen zur Frage, ob und unter Bezugnahme auf welche Bestimmung des § 4 Abs. 6 AuslBG die beschwerdeführende Partei allenfalls für ihren Antrag auch wichtige Gründe i.S. dieser Gesetzesstelle in Anspruch nehmen kann.
Der angefochtene Bescheid war deshalb - unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. Art. 1 A Z. 1 der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Angenommener Sachverhalt (siehe auch Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein und Sachverhalt Verfahrensmängel) Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Parteiengehör AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994090074.X00Im RIS seit
27.11.2000