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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der B in Deutschland, O, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 21. Oktober 1994, Zl. UVS-3/1939/3-1994, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 11.510 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit der schriftlichen "Aufforderung zur Rechtfertigung" vom 22. November 1993 teilte die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau der Beschwerdeführerin mit, daß sie ihr zur Last lege, am 18. September 1994 um 16.14 Uhr mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf der Tauernautobahn in Fahrrichtung Salzburg bei der Einfahrt Helbersbergtunnel, Straßenkilometer 42,290, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 67 km/h überschritten zu haben. Auf den in dieser Weise bezeichneten Tatort nahm die Beschwerdeführerin in ihrem Rechtfertigungsschreiben vom 6. Dezember 1993 Bezug.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 18. Jänner 1994 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, am 18. September 1993 um 16.14 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf der Tauernautobahn in Fahrrichtung Salzburg bei der Einfahrt zum Zetzenbergtunnel bei km 40.185 gelenkt und dabei die durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 67 km/h überschritten zu haben. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 begangen, weshalb gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 über sie eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. In der Begründung des Bescheides wird u.a. ausgeführt, die Fahrgeschwindigkeit sei bei Straßenkilometer 40,185 durch ein Radargerät gemessen worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung gegen das Straferkenntnis keine Folge gegeben und ausgesprochen, daß der Tatort "auf der Tauernautobahn in Fahrrichtung Salzburg bei der Einfahrt zum Helbersbergtunnel bei Straßenkilometer 42,290" zu lauten habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 24 VStG ist die Berufungsbehörde berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid in jeder Richtung abzuändern. Sie darf aber dem Beschuldigten keine andere Tat anlasten als diejenige, die bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen ist. Wechselt sie die von der Erstinstanz als erwiesen angeommene Tat aus, dann nimmt sie damit eine Befugnis in Anspruch, die durch § 66 Abs. 4 AVG nicht gedeckt ist (vgl. u. a. das hg. Erkenntis vom 27. Juni 1975, Slg. N.F. 8864/A).
Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Straferkenntnis eine Geschwindigkeitsübertretung auf der Tauernautobahn in Fahrtrichtung Salzburg bei "bei der Einfahrt zum Zetzenbergtunnel" bei "Str.-km. 40.185" zur Last gelegt. Auch in der Begründung wurde auf die Radarmessung bei km 40.185 verwiesen. Der angefochtene Bescheid legt hingegen den Tatort auf einer völlig anderen Stelle der Tauernautobahn fest, nämlich "bei der Einfahrt zum Helbersbergtunnel" bei "Straßenkilometer 42.290". Die belangte Behörde führt in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, der "richtige Tatort" sei der Beschwerdeführerin durch die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 22. November 1993 zur Kenntnis gelangt, sodaß Verjährung noch nicht eingetreten sei. Sie sei daher verpflichtet, im Spruch des Bescheides den "falschen Tatort" richtigzustellen. Dabei ist die belangte Behörde mit der Ansicht, daß das den Ort Helbersbergtunnel (km 42.290) betreffende Sachverhaltselement Gegenstand einer im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG tauglichen Verfolgungshandlung gewesen ist, sodaß diesbezüglich Verfolgungsverjährung nicht eingetreten war, im Recht. In Anbetracht des Umstandes, daß im erstinanzlichen Bescheid der Tatort durch die Benennung des Zetzenbergtunnels und durch die Straßenkilometerangabe unzweifelhaft bezeichnet worden ist, liegt aber in der von der belangten Behörde vorgenommenen Änderung des Tatortes eine Auswechslung der vorgeworfenen Tat. Es kann nämlich keine Rede davon sein, daß im erstinstanzlichen Bescheid für die Beschwerdeführerin ohne weiteres erkennbar der Tatort Einfahrt Helbersbergtunnel gemeint gewesen wäre, sodaß durch die von der belangten Behörde vorgenommene Änderung bloß eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit beseitigt worden wäre.
Indem die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides den Tatort auswechselte, erkannte sie die Beschwerdefüherin einer anderen Tat schuldig, als ihr im erstinanzlichen Straferkenntnis zur Last gelegt worden war. Damit entschied sie entgegen der Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG i. V.m. § 24 VStG nicht mehr in der Sache, die Gegenstand des erstinstanzlichen Straferkenntnisses war, und belastete so ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten InstanzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994030335.X00Im RIS seit
12.06.2001