Entscheidungsdatum
12.08.2024Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W132 2289746-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.08.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch römisch 40 , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.08.2024, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.römisch eins. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben, und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt.römisch II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben, und dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt.römisch III. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.römisch IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte römisch III. bis römisch VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 01.11. 2022 erstmals unter Umgehung der Grenzvorschriften in das Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.
In der Folge ist er nach Deutschland weitergereist und hat dort am 21.11.2022 einen weiteren Asylantrag gestellt. Am 23.11.2022 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge ‚belangte Behörde‘ bzw. BFA genannt) das Verfahren gemäß § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt.In der Folge ist er nach Deutschland weitergereist und hat dort am 21.11.2022 einen weiteren Asylantrag gestellt. Am 23.11.2022 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge ‚belangte Behörde‘ bzw. BFA genannt) das Verfahren gemäß Paragraph 24, Absatz 2, AsylG eingestellt.
2. Am 26.6.2023 wurde der Beschwerdeführer aus Deutschland nach Österreich überstellt, wo er am 27.06.2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Er wurde am 27.06.2023 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und am 25.01.2024 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge ‚belangte Behörde‘ bzw. BFA genannt) einvernommen.
Im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens wurden Personenstandsunterlagen betreffend den Beschwerdeführer und seine Familie vorgelegt.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 27.06.2023 abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Syrien zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie festgelegt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 27.06.2023 abgewiesen (Spruchpunkte römisch eins. und römisch II.), dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, erteilt (Spruchpunkt römisch III.), gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Syrien zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.) sowie festgelegt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch VI.).
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege der bevollmächtigten Vertretung fristgerecht Beschwerde.
5. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.07.2024 wurden die Verfahrensparteien zur Beschwerdeverhandlung am 07.08.2024 geladen, der Beschwerdeführer aufgefordert die Daten jener Personen bekannt zu geben, auf die sich sein Vorbringen zu Reflexverfolgung bezieht, und die nachstehend angeführten Unterlagen in das Verfahren eingebracht:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Version 11 (27.03.2024)
- Country of Origin Information (COI), Brief Report, Syria, Treatment upon Return, May 2022
- EASO (nunmehr EUAA) Leitfaden Syrien, November 2021
- EUAA Country Guidance Syria April 2024
- EASO (nunmehr EUAA) Syria Military service Country of Origin Information Report April 2021
- EUAA Syria: Targeting of individuals, September 2022
- EUAA Country of Origin Information Syria Security Situation von Oktober 2023
- EUAA Country of Origin Information Syria Country Focus von Oktober 2023
- UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Fassung, März 2021
- InterimsIeitfaden zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Aufrechterhaltung der UNHCR-Position aus dem Jahr 2017, Februar 2020
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Fragen des BVwG zu Rückkehrern nach Syrien vom 14.10.2022
- Anfragebeantwortung zu Syrien: Rückkehrer aus der EU vom 01.09.2022
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation SYRIEN: Dorf Ashrafiah bei Aleppo, Afrin; Vorgehen gegen kurdische Bevölkerung vom 20.12.2019
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Lage von Kurden in den von der Türkei kontrollierten Gebieten in Nordsyrien vom 13. April 2021
- Anfragebeantwortung zu Syrien: Gebiete unter kurdischer Selbstverwaltung: Wehrdienst bei den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel, YPG; People’s Protection Units): Verpflichtung, Konsequenzen bei Weigerung [a-11060] vom 14.08.2019
- Anfragebeantwortung zu Syrien: Aktualität von Dekret Nr. 3 vom 4. September 2021 bezüglich Selbstverteidigungsdienst in der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES); Anwendung des Dekrets in der Stadt Manbidsch; Einberufung älterer Männer zum Selbstverteidigungsdienst; Höchstalter, bis zu dem Wehrdienstverweigerer eingezogen werden können [a-12201-2] vom 07.09.2023
- Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188] vom 06.09.2023 (Nachtrag)
- Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188] vom 18. August 2023
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Syrien: Wehrdienst vom 27.01.2022
- ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Wehrdienstverweigerung und Desertion (a-11951) vom 08.09.2022
- ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Fragen des BVwG zur Wehrpflicht in Gebieten außerhalb der Kontrolle der Syrischen Regierung (ergänzende AFB) vom 14.10.2022.
- Information der Staatendokumentation Syrien: Wehrdienstverweigerer an syrischen Grenzübergängen, inklusive Hinweise auf bereits erstellte Informationen vom 17.08.2023
- ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritiker·innen ermöglichen [a-12197] vom 24. August 2023
- Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierung Wehrpflichtiger durch die syrische Regierung in Manbidsch (Provinz Aleppo) [a-12201-1] vom 07.09.2023
- ecoi.net, Syrien, Arabische Republik -Themendossier: Wehrdienst vom 16.01.2024
- DIS, Syria Military Service, January 2024
- ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Erhalt eines Militärausweises für Wehrpflichtige des syrischen Militärs (wann, Voraussetzungen); Erhalt einer (zweiteiligen, metallenen) „Militärmarke/Erkennungsmarke“ für Wehrpflichtige des syrischen Militärs (wann, Voraussetzungen) [a-12377] vom 22.05.2024 bzw. 17.05.2024
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation SYRIEN Webseite des syrischen Verteidigungsministeriums – Einberufung vom 18.05.2021
- ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Einberufung von Reservisten der syrischen Armee: Bedarf, Bedingungen, Alter, Dauer, Einsatzbereich, Möglichkeit des Freikaufens [a-12132-1] vom 14. Juni 2023
- ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Detailfragen zum Vorgehen der syrischen Grenzbehörden bei der Einreise eines registrierten Reservisten nach mehrjährigem Auslandsaufenthalt [a-12132-2] vom 14. Juni 2023
- Themenbericht der Staatendokumentation Syrien – Grenzübergänge vom 25.10.2023
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation TÜRKEI / SYRIEN Einreise türkisch-syrische Grenze, Weiterreise in AANES-Gebiete, besonders Tal Rifaat, vom 05.04.2023
- Anfragebeantwortung zu Syrien: Für Personenverkehr zur Einreise aktuell offene Grenzübergänge: Bab al-Hawa und Semalka/ Fishkhabour vom 10.11.2022
- ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Voraussetzungen für Einreise syrischer Staatsangehöriger in Gebiete unter Kontrolle der SDF/YPG in Nordostsyrien; Legale Einreise aus dem Irak bzw. der Türkei; Informationen zum Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur; Kontrolle der Grenzübergänge zwischen Nordostsyrien und der Türkei/dem Irak [a-11859-1] vom 06.05.2022
6. Mit dem Schriftsatz vom 02.08.2024 brachte die bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers eine ergänzende Stellungnahme ein.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 07.08.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner bevollmächtigten Vertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch eingehend zu seiner Person, den Lebensumständen in Syrien und den Fluchtgründen sowie zum Privat- und Familienleben in Österreich befragt.
Der Beschwerdeführer hat integrationsbescheinigende Unterlagen vorgelegt.
Die bevollmächtigte Vertretung hat eine abschließende Stellungnahme abgegeben.
Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und individuellen Umständen im Hinblick auf den Herkunftsstaat
Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Syrien, gehört der Volksgruppe der Kurden an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensgemeinschaft des Islam.
Der Beschwerdeführer ist zum Entscheidungszeitpunkt 36 Jahre alt. Als Geburtsdatum wird der XXXX angenommen.Der Beschwerdeführer ist zum Entscheidungszeitpunkt 36 Jahre alt. Als Geburtsdatum wird der römisch 40 angenommen.
Er verfügt über kein Reisedokument.
Der Beschwerdeführer wurde in XXXX geboren. Seine Geburt wurde in XXXX , registriert, weil die Familie von dort stammt. Er ist in der Folge in XXXX , aufgewachsen und hat dort bis zwei Monate vor seiner Ausreise im Familienverband gelebt. Im September 2012 ist er nach XXXX übersiedelt, von wo aus er Ende 2012 Syrien verlassen hat.Der Beschwerdeführer wurde in römisch 40 geboren. Seine Geburt wurde in römisch 40 , registriert, weil die Familie von dort stammt. Er ist in der Folge in römisch 40 , aufgewachsen und hat dort bis zwei Monate vor seiner Ausreise im Familienverband gelebt. Im September 2012 ist er nach römisch 40 übersiedelt, von wo aus er Ende 2012 Syrien verlassen hat.
Der Beschwerdeführer hat vier Jahre die Grundschule absolviert und sowohl in Syrien als auch in der Türkei in einer Schuhfabrik gearbeitet. Er hat keine Berufsausbildung erhalten. Er beherrscht die Sprachen Kurdisch und Arabisch.
In Syrien, XXXX , leben zwei Brüder des Beschwerdeführers. In Syrien, römisch 40 , leben zwei Brüder des Beschwerdeführers.
Die Ehefrau, Kinder und ein Bruder des Beschwerdeführers leben in der Türkei.
In Deutschland leben die Mutter, drei Schwestern und acht Brüder des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer ist gesund. Er leidet an keinen lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden psychischen oder physischen Erkrankungen und nimmt keine Medikamente ein.
Der Beschwerdeführer gelangte unter Umgehung der Einreisevorschriften nach Österreich und stellte am 27.06.2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer führt in Österreich kein Familienleben.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich zum Zeitpunkt dieser Entscheidung strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen
Im Falle der Rückkehr nach Syrien droht dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung wegen eines Konventionsgrundes in asylrelevantem Ausmaß.
1.2.1. Als Herkunftsregion des Beschwerdeführers wird XXXX , angenommen.1.2.1. Als Herkunftsregion des Beschwerdeführers wird römisch 40 , angenommen.
Die Herkunftsregion steht aktuell unter Kontrolle des syrischen Regimes.
XXXX war im Zuge des Bürgerkrieges in Syrien von Sommer 2012 bis Dezember 2016 umkämpft. Ab 2012 stand die Stadt überwiegend unter der Kontrolle der Kurden. römisch 40 war im Zuge des Bürgerkrieges in Syrien von Sommer 2012 bis Dezember 2016 umkämpft. Ab 2012 stand die Stadt überwiegend unter der Kontrolle der Kurden.
Seit Ende 2016 wird die Stadt von Truppen der syrischen Regierung kontrolliert.
1.2.2. Der Beschwerdeführer ist zum Entscheidungszeitpunkt 36 Jahre alt.
Er hat in Syrien seinen Wehrdienst von 2007 bis 2009 geleistet.
Er hat als einfacher Soldat bei der Wache gedient.
Der Beschwerdeführer hat zwar eine gesonderte Ausbildung an Schusswaffen und Schießtraining absolviert, war aber nicht als Scharfschütze eingesetzt, hat keine militärische Erfahrung und keine Kampferfahrung.
Der Beschwerdeführer wurde nicht im Jahr 2012 (oder zu einem anderen Zeitpunkt) zum Reservedienst einberufen.
Er lebte bis zu seiner Ausreise im Jahr 2012 in Syrien, ohne zum Reservedienst einberufen oder wegen unterbliebener Ableistung des Reservedienstes bestraft zu werden.
Seit Beendigung seines Militärdienstes hat er keinen Einberufungsbefehl erhalten.
Es ist nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Einberufung zum Militärdienst als Reservist droht.
Auch droht ihm keine Bestrafung, wegen unterbliebener Ableistung des Reservedienstes.
1.2.3. Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion nicht konkret und individuell die Gefahr physischer und/oder psychischer Gewalt aufgrund unterstellter oppositioneller Gesinnung.
Der Beschwerdeführer war weder in Syrien noch nach seiner Ausreise politisch tätig und hat in seinem Herkunftsstaat keine Straftaten begangen und wurde auch nicht verhaftet.
Er hat auch keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt, die ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ins Blickfeld des syrischen Regimes gebracht haben. Auch seine Familie ist nicht ins Blickfeld des syrischen Regimes geraten.
1.2.4. Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Syrien keine Reflexverfolgung aufgrund Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie, auch nicht, weil seine Brüder in Europa einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben.
1.2.5. Dem Beschwerdeführer droht nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund seiner Ausreise bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung. Nicht jedem Rückkehrer, der aus einem – ehemaligen – oppositionellen Gebiet stammt, unrechtmäßig ausgereist ist und im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.
1.2.6 Dem Beschwerdeführer droht wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden in seiner Herkunftsregion konkret und individuell keine physische und/oder psychische Gewalt in Syrien.
1.2.7. Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus einem in der GFK genannten Grund durch die FSA (Freie syrische Armee).
Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers liegt nicht im Einfluss- oder Kontrollgebiet der FSA, sondern unter Kontrolle des syrischen Regimes.
1.2.8. Auch aus der allgemeinen Lage in Syrien resultiert für den Beschwerdeführer keine Verfolgung aus Gründen, welche in der GFK aufgelistet sind.
1.2.9. Es haben sich im Verfahren keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte für eine wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers, dass ihm in Syrien individuell und aktuell Verfolgung in asylrelevanter Intensität droht, ergeben.
Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht.
1.2.10. Die Rückführung des Beschwerdeführers nach Syrien würde jedoch aufgrund der dort derzeit herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht dem Beschwerdeführer nicht zur Verfügung, da die Situation zum Entscheidungszeitpunkt im gesamten Herkunftsstaat prekär ist.1.2.10. Die Rückführung des Beschwerdeführers nach Syrien würde jedoch aufgrund der dort derzeit herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des Artikel 3, EMRK darstellen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht dem Beschwerdeführer nicht zur Verfügung, da die Situation zum Entscheidungszeitpunkt im gesamten Herkunftsstaat prekär ist.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat herangezogen:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Version 11 – auszugsweise:
[…]
4 Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-03-08 11:17
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023).
Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschie