Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §4 Abs6 Z3 idF 1990/450;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der N-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 29. September 1993, Zl. IIc/6702 B, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei beantragte die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den japanischen Staatsangehörigen S. für die berufliche Tätigkeit "Consulting, japan. Korrespondenz, Verkauf, Admin.". Die Art ihres Betriebes bezeichnete die beschwerdeführende Partei im Antrag mit "Import-Export, Groß- und Kleinhandel, japan. Lebensmittel".
Zu diesem Antrag führte die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom 23. März 1993 aus, S. solle die Aufgaben eines Disponenten und Kundenberaters wahrnehmen sowie die fremdsprachige Korrespondenz auf dem Computer mit japanischen Schriftzeichen und den Geschäftsverkehr mit Japan leiten. Die Kenntnis nicht nur der japanischen Sprache und Schriftzeichen, sondern insbesondere der japanischen Waren und japanischen Gepflogenheiten sei Voraussetzung zur Erfüllung der Anforderungen, weil insbesondere japanische Firmen und Diplomaten zu betreuen seien und neben der japanischen und deutschen auch die englische Sprache beherrscht werden müsse. Weiters sei Erfahrung in der japanischen Küche erforderlich, um eine zielführende Beratung der Kunden durchführen zu können. S. erfülle die geforderten Voraussetzungen und es werde daher um eine positive Erledigung des Ansuchens ersucht.
Mit Bescheid vom 4. Mai 1993 wies das Arbeitsamt Angestellte den Antrag gemäß § 4 Abs. 6 i.V.m. § 4 Abs. 1 AuslBG als unbegründet ab. Nach Zitierung der § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG in der Begründung wird dazu ausgeführt, aufgrund der Ergebnisse des "Ermittlungsverfahrens" (die Durchführung eines derartigen "Ermittlungsverfahrens" ist den Verwaltungsakten jedoch nicht zu entnehmen) sei davon auszugehen, daß auf dem relevanten Teilarbeitsmarkt der Disponenten Arbeitssuchende vorgemerkt seien und für eine Vermittlung in Betracht kämen. Es spreche daher die Lage auf dem Arbeitsmarkt gegen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung. Auch habe der Vermittlungsausschuß im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" (auch hiefür ist dessen Durchführung nicht aktenmäßig nachvollziehbar) ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In der Berufung vom 17. Mai 1993 wies die beschwerdeführende Partei darauf hin, es sei bereits im Antrag erläutert worden, daß S. für den Betrieb des Antragstellers dringend erforderlich sei und ein Inländer infolge der Anforderungen nicht geeignet sei und auch ein anderer Japaner nicht in Frage komme, weil S. eine fachliche Sonderausbildung zur Arbeit auf der japanischen Schreibmaschine und dem japanischen Computer besitze. Es sei die Beherrschung von 100.000 japanischen Schriftzeichen auf dem Computer erforderlich. Nach langem Suchen habe die beschwerdeführende Partei in Herrn S. die geeignete Arbeitskraft gefunden. Das Aufgabengebiet bestehe in der Aufnahme von Bestellungen von Japanern in Österreich und im angrenzenden Ausland in japanischer Sprache und die Weiterleitung mittels Computer nach Japan, weiters die Disposition der Bestellungen und Kontaktpflege zu den japanischen Kunden. Die Kenntnis der japanischen Waren und der japanischen Küche sei ebenfalls Voraussetzung, um die Kundenberatung durchführen zu können. Der beschwerdeführenden Partei - einem seit Jahrzehnten in Österreich ansässigen japanischen Unternehmen - würde ein unermeßlicher Schaden entstehen, wenn die Bewilligung zur Erteilung der Beschäftigungsbewilligung für S. verweigert würde. Da die beschwerdeführende Partei nicht nur seit Jahren etabliert und steuerlich erfaßt sei, sondern auch das Ansehen der österreichischen Wirtschaft durch die internationalen Kontakte fördere, werde der dringende Antrag gestellt, die Beschäftigungsbewilligung zu erteilen. Mit Schreiben vom 1. April 1993 sei der Rechtsanwalt der beschwerdeführenden Partei aufgefordert worden, Qualifikationsnachweise für S. zu erbringen. Ungeachtet der Verlängerung dieser Frist bis 31. Mai 1993 sei innerhalb offener Frist der ablehnende Bescheid erlassen worden. Nunmehr werde der Qualifikationsnachweis überreicht, in welchem bestätigt werde, daß S. Schulung in japanischsprachiger Textverarbeitung erhalten habe und als japanischsprachiger Textverarbeiter tätig gewesen sei.
In Ergänzung der Berufung legte die beschwerdeführende Partei am 21. Juni 1993 "gemäß telefonischer Besprechung" Fotos über den installierten Computer für japanische Schriftzeichen, Beispiele für Bestellformulare, Quittungen und Aussendungen an japanische Kunden vor. Die beschwerdeführende Partei wies neuerlich auf die Qualifikation von S. hin und auf die Unmöglichkeit eine Arbeitskraft mit ähnlicher Befähigung zu finden. Die beschwerdeführende Partei beschäftige
"1 1/2 Angestellte Japaner".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. September 1993 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 4 Abs. 6 und § 13a AuslBG keine Folge. Nach Darstellung der einschlägigen Gesetzeslage führte die belangte Behörde in der Begründung aus, die mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales, BGBl. Nr. 738/1992, für das Bundesland Wien gemäß § 13a AuslBG mit 97.000 festgesetzte Landeshöchstzahl sei laut der offiziellen Statistik des Bundesministerums für Arbeit und Soziales seit Jahresbeginn weit überschritten. Damit seien bei Anträgen auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung sowohl die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 als auch des § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen. Der im Verfahren anzuhörende Unterausschuß des Verwaltungsausschusses für Ausländerangelegenheiten habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Laut Stellungnahme vom 21. Juni 1993 seien bei der beschwerdeführenden Partei "eineinhalb" ausländische und keine inländischen Arbeitskräfte beschäftigt. Außerdem seien weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt werde.
In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid
ausschließlich auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt.
§ 4 Abs. 6 AuslBG in der im Beschwerdefall geltenden Fassung (Z. 1 i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer,
b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß die belangte Behörde mit Recht das nach dieser Gesetzesstelle erschwerte Verfahren anwenden durfte, denn die beschwerdeführende Partei hat weder bestritten, daß der Vermittlungsausschuß ihren Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet hat, noch hat sie im Verwaltungsverfahren etwas gegen die bereits dem erstinstanzlichen Bescheid zugrundeliegende Annahme vorgebracht, daß die Landeshöchstzahl im Jahr 1993 überschritten gewesen sei.
Soweit in der Beschwerde erstmals das Überschreiten der Landeshöchstzahl in Frage gestellt wird und die Bezugnahme auf eine offizielle Statistik "ohne nähere Begründung" gerügt wird, liegt in dieser damit verbundenen Bestreitung der Anwendungsvoraussetzungen des erschwerten Verfahrens nach § 4 Abs. 6 AuslBG eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG) vor (vgl. dazu beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1994, 93/09/0428, und 93/09/0429).
Gegen das Neuerungsverbot verstößt auch das erstmals in der Beschwerde enthaltene Vorbringen, wonach S. zur Entlastung bzw. zum allfälligen Ersatz des im Sehvermögen stark behinderten nunmehrigen Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei benötigt werde, wodurch auch die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG erfüllt seien.
Im Recht ist die beschwerdeführende Partei im Ergebnis allerdings insofern, als sie der belangten Behörde in Richtung Prüfung der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG eine Verletzung von Verfahrensvorschriften zum Vorwurf macht. In der Beschwerde wird dazu vorgebracht, daß die Erhaltung des Betriebes der beschwerdeführenden Partei infolge seiner Exklusivität und Bedeutung für die Beziehungen zwischen Österreich und Japan von gesamtwirtschaftlichem Interesse sei; das Unternehmen (es handle sich um das größte Importunternehmen für japanische Konsumgüter im Bereich der Nahrungsmittel in Österreich) sei seit vielen Jahren eine Institution, nicht nur für japanische Diplomaten, japanische Vertreter, japanische Firmen, sondern auch für die zahlreichen japanischen Reisenden.
Im Hinblick darauf, daß die beschwerdeführende Partei bereits im Begleitschreiben zum Antrag vom 23. März 1993 und insbesondere in der Berufung auf die ihres Erachtens gegebene gesamtwirtschaftliche Bedeutung ihres Unternehmens hingewiesen hat, wäre es Aufgabe der belangten Behörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht gewesen, die Richtigkeit dieses Vorbringens zu überprüfen und entsprechend zu würdigen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1993, 93/09/0327, und vom 24. Februar 1995, 94/09/0057). Da auf dem Boden des Beschwerdevorbringens nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Mängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG sowie § 59 Abs. 1 VwGG i. V.m. Art. I A Z. 1 der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die geltend gemachte Umsatzsteuer, die neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand nicht zuzuerkennen war.
Schlagworte
Sachverhalt SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993090447.X00Im RIS seit
20.11.2000