TE Vwgh Erkenntnis 1995/5/24 95/09/0080

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Veröffentlicht am 24.05.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des M in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 19. Jänner 1995, Zl. UVS-11/234/3-1995, betreffend Abweisung einer Berufung in Angelegenheit eines Wiedereinsetzungsantrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Verwaltungsgerichtshof geht auf Grund der Beschwerde und des mit der Beschwerde vorgelegten angefochtenen Bescheides von Folgendem aus:

Vom Magistrat Salzburg erging am 7. Jänner 1994 gegen den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis, welches dem Beschwerdevertreter am 12. Jänner 1994 zugestellt wurde. Die Frist für die Erhebung einer Berufung gegen dieses Straferkenntnis lief damit am 26. Jänner 1994 ab.

Der Beschwerdevertreter brachte erst am 27. Jänner 1994 die Berufung ein, die zurückgewiesen wurde.

Der daraufhin am 28. März 1994 eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag wurde mit Bescheid des Magistrates Salzburg vom 27. Juni 1994 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wurde am 18. Juli 1994 fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung eingebracht, dem mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 71 AVG keine Folge gegeben wurde.

Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, in der Berufung gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages sei bestritten worden, daß dem Beschwerdevertreter die Versäumung der Frist zugerechnet werden könne. Unbestritten sei geblieben, daß das Straferkenntnis vom 7. Jänner 1994 dem Beschwerdevertreter am 12. Jänner 1994 zugestellt worden sei und die Rechtsmittelfrist zur Erhebung der Berufung daher am 26. Februar 1994 (richtig wohl: 26. Jänner 1994) geendet habe. In der Berufung werde dann ausführlich die Vorgangsweise bei den Terminvormerkungen geschildert. Die einzige Angestellte des Beschwerdevertreters (Frau F) sei eine versierte Kraft, welche bereits fünf Jahre in der Anwaltskanzlei des Beschwerdevertreters und vorher viereinhalb Jahre beim Bezirksgericht X tätig gewesen sei. Die einlaufende Post würde von ihr entgegengenommen und bei an Fristen gebundenen Schriftstücken der Fristenlauf von ihr berechnet und sowohl auf dem Aktendeckel, im Computer und auch im Fristenbuch vermerkt. Im gegenständlichen Fall hätte sich die Angestellte jedoch geirrt und den letzten Tag der Rechtsmittelfrist mit 27. Jänner 1994 errechnet. An diesem Tag sei der Akt dem Beschwerdevertreter vorgelegt worden; dieser hätte noch am selben Tag die Berufung diktiert und deren Weiterleitung veranlaßt. Seiner Überwachungspflicht sei der Beschwerdevertreter dadurch nachgekommen, daß am Tag des Einlangens des Schriftstückes dieses ihm vorgelegt worden sei und er daraufhin den Eingangsvermerk, die errechnete Frist sowie deren Eintragung auf dem Aktendeckel und im Fristenbuch kontrollieren würde. Im gegenständlichen Fall sei jedoch nach Nachforschungen festgestellt worden, daß das Schriftstück am 12. Jänner 1994 entgegengenommen und die Frist von der Angestellten allerdings fälschlich berechnet worden sei. Aus unerfindlichen Gründen sei dieses Schriftstück dem Beschwerdevertreter nicht vorgelegt worden; deshalb hätte er auch keine Überprüfung der Frist vornehmen können. Der Akt sei fälschlicherweise und weisungswidrig sofort auf den 27. Jänner 1994 kalendiert und auf Termin gelegt worden. Dem Beschwerdevertreter würden grundsätzlich die Akten immer dann vorgelegt, wenn sich Neuerungen ergeben würden. Da jedoch nachweislich zwischen dem 12. Jänner, also dem Tag der Terminisierung des Aktes, und dem 27. Jänner 1994 keinerlei Neuerungen im betreffenden Fall eingetreten wären, sei der Akt erst am 27. Jänner 1994 dem Beschwerdevertreter vorgelegt worden. Insgesamt hätte das Versehen der Angestellten für den Beschwerdevertreter ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dargestellt, welches die fristgerechte Einbringung der Berufung verhindert hätte.

Am 5. Oktober 1994 sei bei der belangten Behörde eine ergänzende Mitteilung des Beschwerdevertreters eingegangen. Darin sei ausgeführt worden, daß das Straferkenntnis dem Beschwerdevertreter am 13. Jänner 1994 zugestellt worden sei und daß noch am selben Tag die Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer erfolgt sei, welchem dann mit gleicher Post das Straferkenntnis übermittelt worden wäre. Dafür sei eine Fotokopie des Konzeptes vorgelegt worden. Vom Beschwerdevertreter sei die Anberaumung eines Besprechungstermines angeregt worden, um die Ausführung der Berufung zu besprechen. In weiterer Folge sei es dann zu einer Besprechung gekommen, in der die Berufungsgründe auch eingehend besprochen worden seien.

Nach Wiedergabe der Rechtslage und der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus, in der Berufung sei ausgeführt worden, daß die Fristvormerkungen am Tage des Einlangens des an eine Frist gebundenen Schriftstückes von der Kanzleiangestellten, bei der es sich um eine versierte Kraft handeln würde, vorgenommen würden. Am selben Tag würde der Akt dem Beschwerdevertreter vorgelegt werden, welcher sodann den Eingangsvermerk und die errechnete Frist und deren Eintragung auf dem Aktendeckel und im Fristenbuch kontrolliere. Für den konkreten Fall sei behauptet worden, daß durch den Beschwerdevertreter keine Überprüfung der Frist hätte vorgenommen werden können, weil ihm das Schriftstück nicht vorgelegt worden sei, sondern der Akt fälschlicherweise und weisungswidrig sofort für den 27. Jänner 1994 kalendiert und auf Termin gelegt worden sei. Gerade diese Behauptung sei aber im Zusammenhang mit der ergänzenden Mitteilung des Beschwerdevertreters an die belangte Behörde unglaubwürdig. In dieser Mitteilung werde fälschlich behauptet, daß dem Beschwerdevertreter das Straferkenntnis am 13. Jänner 1994 zugestellt worden sei. Noch am selben Tag sei die Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer hergestellt und das Straferkenntnis übersandt worden. Tatsächlich trage die vorgelegte Fotokopie des Schreibens an den Beschwerdevertreter das Datum 13. Jänner 1994. Darin werde auf die Strafhöhe Bezug genommen und ausgeführt, daß für eine detaillierte Besprechung hinsichtlich der Berufung mit der Kanzlei ein Termin zu vereinbaren sei. In dem ergänzenden Schriftsatz werde weiters ausgeführt, daß es in weiterer Folge tatsächlich zu einer Besprechung des Beschwerdevertreters mit dem Beschwerdeführer gekommen sei.

Unter Berücksichtigung dieser geschilderten Vorgangsweise könne davon ausgegangen werden, daß zumindest am 13. Jänner 1994 dem Beschwerdevertreter das Straferkenntnis vorgelegt worden sei. Es widerspreche außerdem der Logik, daß in der Folge bei der Besprechung mit dem Beschwerdeführer der Vertreter keinen Akt zur Hand gehabt habe. Aus diesem Grund müsse die Behauptung in der Berufung, daß dem Beschwerdevertreter der Akt weisungswidrig erst am fälschlich berechneten letzten Tag der Frist vorgelegt worden sei, als unglaubwürdig angesehen werden. Es müsse vielmehr davon ausgegangen werden, daß den Beschwerdevertreter nicht nur ein minderer Grad des Versehens treffe, sondern ihm selbst im gegebenen Zusammenhang eine zumindest leichte Fahrlässigkeit unterlaufen sei. Das Versehen eines Kanzleibediensteten stelle für einen Rechtsanwalt und damit für die von ihm vertretene Partei allerdings nur dann ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, das ohne sein Verschulden die Einhaltung einer Frist verhindert hätte, wenn ihm selbst im gegebenen Zusammenhang nicht eine leichte Fahrlässigkeit unterlaufen sei. Im konkreten Fall könne die belangte Behörde nicht erkennen, daß ein Versehen einer versierten Kanzleikraft für den Beschwerdevertreter im gegebenen Zusammenhang ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dargestellt hätte, welches die fristgerechte Einbringung der Berufung verhindert hätte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, nach eingehenden Nachforschungen habe festgestellt werden können, daß der Bescheid am 12. Jänner 1994 in der Kanzlei entgegengenommen und daraufhin von der genannten Kanzleiangestellten die Frist berechnet worden sei. Aus unerfindlichen Gründen sei allerdings dieser Bescheid dem Beschwerdevertreter nicht vorgelegt worden. Demnach habe durch den Vertreter des Beschwerdeführers auch keine unmittelbare Überprüfung der Frist vorgenommen werden können. Der Akt sei nämlich fälschlicherweise sofort auf den 27. Jänner 1994 kalendiert worden. Dem Beschwerdevertreter würden grundsätzlich die Akten immer dann vorgelegt, wenn sich Neuerungen ergeben bzw. wenn Schriftstücke zu den betreffenden Akten einlangten. Obgleich zwischen dem 12. Jänner und dem 27. Jänner 1994 noch ein Besprechungstermin mit dem Beschwerdeführer stattgefunden habe, sei für diesen Besprechungstermin der Akt nicht vorgelegt worden. Der Hinweis der belangten Behörde, wonach es unglaubwürdig erscheine, daß der Beschwerdevertreter anläßlich der zwischen 13. und 27. Jänner 1994 stattgefundenen Besprechung mit dem Beschwerdeführer keinen Akt zur Verfügung gehabt hätte, sei durchaus nicht ungewöhnlich, wenn als bekannt vorausgesetzt werden dürfe, daß ein Rechtsanwalt einen Klienten in mehreren Angelegenheiten gleichzeitig vertrete. Die angeführte Besprechung zwischen dem Beschwerdevertreter und dem Beschwerdeführer habe am 20. Jänner 1994 nämlich zu einer anderen Causa stattgefunden, "bei welcher auch die Vorgangsweise in der gegenständlichen Angelegenheit" besprochen worden sei.

Auf Grund der vorliegenden Verfahrensergebnisse sei jedenfalls umfassend im Sinne des § 71 AVG glaubhaft gemacht worden, daß das Versehen der Kanzleileiterin für den Beschwerdevertreter ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dargestellt hätte, welches die fristgerechte Einbringung der Berufung verhindert habe. Dies sei insbesondere deshalb gegeben, weil die genannte Kanzleileiterin in ihrer langjährigen Berufserfahrung praktisch noch nie eine Frist unrichtig eingetragen habe und auch noch nie irrtümlich dem Beschwerdevertreter einen Akt nicht zur Kontrolle vorgelegt habe.

Das gesamte Beschwerdevorbringen richtet sich damit gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung.

Nach § 41 Abs. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu beurteilen. Dies bedeutet insbesondere, daß die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung für den Verwaltungsgerichtshof nur in der Richtung überprüfbar ist, ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entspricht, denn bei der Beweiswürdigung handelt es sich um einen Denkprozeß, nicht aber um eine Beurteilung rechtlicher Fragen. Sie ist aus diesem Grund nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit des Denkvorganges als solchem und darum, ob das Verfahren, das die Unterlagen für die Schlußfolgerung der Behörde geliefert hat, in gesetzmäßiger Weise abgewickelt wurde, handelt (vgl. insbesondere Erkenntnis vom 7. Juli 1959, Slg. N. F. Nr. 5018/A, und die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 548 ff, wiedergegebene Rechtsprechung).

Den vorher skizzierten Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid. Selbst wenn der primäre Grund für die ergänzende Besprechung nach dem Beschwerdevorbringen in einer anderen Angelegenheit gelegen war, räumt der Beschwerdeführer doch ein, daß auch die dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegende Causa besprochen worden ist. Bei diesem Sachverhalt kann aber der Annahme der belangten Behörde, daß hiebei der Akt vorgelegen sei, nach dem allgemeinen Erfahrungswissen nicht entgegengetreten werden.

Da bereits auf Grund des Beschwerdevorbringens erkennbar war, daß der Beschwerde nicht stattzugeben war, mußte diese gemäß § 35 in Verbindung mit § 42 VwGG ohne weitere Kosten für den Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995090080.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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