Entscheidungsdatum
12.08.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W602 2276987-1/19E
W602 2276986-1/14E
W602 2276984-1/13E
W602 2276983-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte Gstrein über die Beschwerden 1.) von XXXX , geboren am XXXX , 2.) der minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , 3.) des minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , 4.) des minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , alle Staatsangehörigkeit Somalia, die Minderjährigen gesetzlich vertreten durch XXXX , geboren am XXXX , alle vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2023, Zahlen: 1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.) XXXX , 4.) XXXX , betreffend Anerkennung als Flüchtlinge nach dem AsylG 2005, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.06.2024 und am 02.07.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte Gstrein über die Beschwerden 1.) von römisch 40 , geboren am römisch 40 , 2.) der minderjährigen römisch 40 , geboren am römisch 40 , 3.) des minderjährigen römisch 40 , geboren am römisch 40 , 4.) des minderjährigen römisch 40 , geboren am römisch 40 , alle Staatsangehörigkeit Somalia, die Minderjährigen gesetzlich vertreten durch römisch 40 , geboren am römisch 40 , alle vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2023, Zahlen: 1.) römisch 40 , 2.) römisch 40 , 3.) römisch 40 , 4.) römisch 40 , betreffend Anerkennung als Flüchtlinge nach dem AsylG 2005, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.06.2024 und am 02.07.2024, zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und 1.) XXXX , geboren am XXXX und 2.) der minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 sowie 3.) dem minderjährigen XXXX , geboren am XXXX und 4.) dem minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und 1.) römisch 40 , geboren am römisch 40 und 2.) der minderjährigen römisch 40 , geboren am römisch 40 , gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 sowie 3.) dem minderjährigen römisch 40 , geboren am römisch 40 und 4.) dem minderjährigen römisch 40 , geboren am römisch 40 , gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass 1.) XXXX , geboren am XXXX , 2.) der minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , 3.) dem minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , 4.) dem minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass 1.) römisch 40 , geboren am römisch 40 , 2.) der minderjährigen römisch 40 , geboren am römisch 40 , 3.) dem minderjährigen römisch 40 , geboren am römisch 40 , 4.) dem minderjährigen römisch 40 , geboren am römisch 40 , damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Die Erstbeschwerdeführerin ist die leibliche Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer. Gemeinsam werden sie als Beschwerdeführer bezeichnet. Alle Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Somalias. Der Verwaltungsakt der Erstbeschwerdeführerin mit der GZ XXXX wird im gegenständlichen Erkenntnis als „Akt BF1“, der Verwaltungsakt der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin mit der GZ XXXX als „Akt BF2“, der Akt des minderjährigen Drittbeschwerdeführers mit der GZ XXXX als „Akt BF3“, und der Akt des minderjährigen Viertbeschwerdeführers mit der GZ XXXX als „Akt BF4“ bezeichnet.Die Erstbeschwerdeführerin ist die leibliche Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer. Gemeinsam werden sie als Beschwerdeführer bezeichnet. Alle Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Somalias. Der Verwaltungsakt der Erstbeschwerdeführerin mit der GZ römisch 40 wird im gegenständlichen Erkenntnis als „Akt BF1“, der Verwaltungsakt der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin mit der GZ römisch 40 als „Akt BF2“, der Akt des minderjährigen Drittbeschwerdeführers mit der GZ römisch 40 als „Akt BF3“, und der Akt des minderjährigen Viertbeschwerdeführers mit der GZ römisch 40 als „Akt BF4“ bezeichnet.
Die Erstbeschwerdeführerin und die minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer reisten am 25.05.2022 gemeinsam mit gültigen Visa D in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte die Erstbeschwerdeführerin am 31.05.2022 für sich und als gesetzliche Vertreterin für die minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin zu den Anträgen auf internationalen Schutz statt, wo sie im Wesentlichen angab, dass die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin einen eigenen Fluchtgrund habe, sie selbst und die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer würden sich auf die Fluchtgründe ihres subsidiär schutzberechtigten Ehemannes beziehen.
Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge Bundesamt) wurde die Erstbeschwerdeführerin am 24.05.2023 niederschriftlich einvernommen und wurde sie auch zu den Fluchtgründen der minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer befragt.
Mit den angefochtenen Bescheiden vom 11.07.2023 wies das Bundesamt die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Der Erstbeschwerdeführerin und den minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführern wurde gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005, der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen ausgeführt, dass sie keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht habe, sondern sich auf ihren Ehemann als Bezugsperson bezogen habe. Bezüglich der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin wurde ausgeführt, dass eine drohende Beschneidung im Herkunftsstaat gegen den Willen der Eltern nicht glaubhaft gemacht werden habe können und eine solche auch nicht maßgeblich wahrscheinlich sei. Bezüglich der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer seien keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht worden. Allen Beschwerdeführern wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten im Familienverfahren, abgeleitet vom Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin bzw. dem leiblichen Vater der minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer, erteilt. Der Bescheid der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin wurde am 17.07.2023 rechtswirksam zugestellt, die Bescheide der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer am 18.07.2023 und jener der Erstbeschwerdeführerin am 20.07.2023.Mit den angefochtenen Bescheiden vom 11.07.2023 wies das Bundesamt die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.). Der Erstbeschwerdeführerin und den minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführern wurde gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 3, AsylG 2005, der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihnen gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Begründend wurde in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen ausgeführt, dass sie keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht habe, sondern sich auf ihren Ehemann als Bezugsperson bezogen habe. Bezüglich der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin wurde ausgeführt, dass eine drohende Beschneidung im Herkunftsstaat gegen den Willen der Eltern nicht glaubhaft gemacht werden habe können und eine solche auch nicht maßgeblich wahrscheinlich sei. Bezüglich der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer seien keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht worden. Allen Beschwerdeführern wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten im Familienverfahren, abgeleitet vom Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin bzw. dem leiblichen Vater der minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer, erteilt. Der Bescheid der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin wurde am 17.07.2023 rechtswirksam zugestellt, die Bescheide der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer am 18.07.2023 und jener der Erstbeschwerdeführerin am 20.07.2023.
Mit den am 14.08.2023 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebrachten Schriftsätzen vom selben Tag erhoben die Beschwerdeführer durch ihre bevollmächtigte Rechtsvertretung jeweils gegen Spruchpunkt I. das Rechtsmittel der Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Beantragt wurde unter anderem, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.Mit den am 14.08.2023 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebrachten Schriftsätzen vom selben Tag erhoben die Beschwerdeführer durch ihre bevollmächtigte Rechtsvertretung jeweils gegen Spruchpunkt römisch eins. das Rechtsmittel der Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Beantragt wurde unter anderem, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakte wurden vom Bundesamt vorgelegt und langten am 23.08.2023 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Aufgrund einer Unzuständigkeitseinrede des Leiters der Gerichtsabteilung W123 infolge Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung (§ 20 AsylG) und wegen Annexität der Rechtssachen wurden die gegenständlichen Rechtssachen der Gerichtsabteilung W602 am 06.09.2023 neu zugewiesen.Aufgrund einer Unzuständigkeitseinrede des Leiters der Gerichtsabteilung W123 infolge Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung (Paragraph 20, AsylG) und wegen Annexität der Rechtssachen wurden die gegenständlichen Rechtssachen der Gerichtsabteilung W602 am 06.09.2023 neu zugewiesen.
Die für 26.04.2024 anberaumte mündliche Verhandlung wurde aufgrund einer Vertagungsbitte der Rechtsberatung für den 26.06.2024 neu anberaumt. Am 25.06.2024 langte eine schriftliche Mitteilung ein, dass die Erstbeschwerdeführerin sich am Vortag verletzt habe und daher nicht zur Verhandlung kommen könne, weshalb um Vertagung gebeten werde.
Beim Bundesverwaltungsgericht fand am 26.06.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher die minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer in Anwesenheit ihres Vaters, der als Zeuge befragt wurde, sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Somali teilnahmen. Das Bundesamt blieb der Verhandlung entschuldigt fern.
Am 02.07.2024 fand beim Bundesverwaltungsgericht eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung statt, bei der die Öffentlichkeit, soweit Eingriffe in die sexuelle Integrität der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin erörtert wurden, ausgeschlossen war. An der Verhandlung nahmen die Erstbeschwerdeführerin, die minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer, ihre Rechtsvertretung, sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Somali teil. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin wurde als Zeuge einvernommen. Das Bundesamt nahm entschuldigt nicht an der Verhandlung teil. Der Erstbeschwerdeführerin wurde aufgetragen, binnen vier Wochen eine ärztliche Bestätigung in Hinblick auf ihre Reinfibulation vorzulegen und langte diese fristgerecht beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:
1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Parteien:
Die Erstbeschwerdeführerin heißt XXXX und ist am XXXX geboren. Sie ist Staatsangehörige von Somalia. Ihre Identität steht fest. Die Erstbeschwerdeführerin bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Islam. Ihre Erstsprache ist Somali. Sie ist traditionell verheiratet, ihre Ehemann ist seit 2015 in Österreich aufhältig und aufrecht subsidiär schutzberechtigt. Der Ehe entstammen die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin und die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer.Die Erstbeschwerdeführerin heißt römisch 40 und ist am römisch 40 geboren. Sie ist Staatsangehörige von Somalia. Ihre Identität steht fest. Die Erstbeschwerdeführerin bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Islam. Ihre Erstsprache ist Somali. Sie ist traditionell verheiratet, ihre Ehemann ist seit 2015 in Österreich aufhältig und aufrecht subsidiär schutzberechtigt. Der Ehe entstammen die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin und die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer.
Die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin heißt XXXX und ist am XXXX geboren. Sie ist Staatsangehörige von Somalia. Ihre Identität steht fest. Sie bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Islam, ihre Erstsprache ist Somali. Sie ist die leibliche Tochter der Erstbeschwerdeführerin.Die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin heißt römisch 40 und ist am römisch 40 geboren. Sie ist Staatsangehörige von Somalia. Ihre Identität steht fest. Sie bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Islam, ihre Erstsprache ist Somali. Sie ist die leibliche Tochter der Erstbeschwerdeführerin.
Der minderjährige Drittbeschwerdeführer heißt XXXX und ist am XXXX geboren. Er ist Staatsangehöriger von Somalia. Seine Identität steht fest. Er bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Islam, seine Erstsprache ist Somali. Er ist der leibliche Sohn der Erstbeschwerdeführerin.Der minderjährige Drittbeschwerdeführer heißt römisch 40 und ist am römisch 40 geboren. Er ist Staatsangehöriger von Somalia. Seine Identität steht fest. Er bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Islam, seine Erstsprache ist Somali. Er ist der leibliche Sohn der Erstbeschwerdeführerin.
Der minderjährige Viertbeschwerdeführer heißt XXXX und ist am XXXX geboren. Er ist Staatsangehöriger von Somalia. Seine Identität steht fest. Er bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Islam, seine Erstsprache ist Somali. Er ist der leibliche Sohn der Erstbeschwerdeführerin.Der minderjährige Viertbeschwerdeführer heißt römisch 40 und ist am römisch 40 geboren. Er ist Staatsangehöriger von Somalia. Seine Identität steht fest. Er bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Islam, seine Erstsprache ist Somali. Er ist der leibliche Sohn der Erstbeschwerdeführerin.
Die Erstbeschwerdeführerin gehört dem Clan der Murusade an. Die minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer gehören dem Minderheitenclan der Tunni an.
Die Erstbeschwerdeführerin ist in XXXX (alternative Schreibweisen: XXXX ) im gleichnamigen Bezirk in der Region Galgaduud (Somalia), geboren und aufgewachsen. Mit ihrem Ehemann lebte sie später in einem kleinen Dorf im Bezirk XXXX in der Region Galgaduud. Die überwiegende Zeit ihres Lebens hat sie in ihrem Geburtsort XXXX verbracht, dort lebt auch ihre Familie. Die Erstbeschwerdeführerin ist in römisch 40 (alternative Schreibweisen: römisch 40 ) im gleichnamigen Bezirk in der Region Galgaduud (Somalia), geboren und aufgewachsen. Mit ihrem Ehemann lebte sie später in einem kleinen Dorf im Bezirk römisch 40 in der Region Galgaduud. Die überwiegende Zeit ihres Lebens hat sie in ihrem Geburtsort römisch 40 verbracht, dort lebt auch ihre Familie.
Die minderjährigen Zweitbeschwerdeführer- bis Viertbeschwerdeführer wurden in XXXX (auch: XXXX ) in der Region Galgaduud (Somalia) geboren.Die minderjährigen Zweitbeschwerdeführer- bis Viertbeschwerdeführer wurden in römisch 40 (auch: römisch 40 ) in der Region Galgaduud (Somalia) geboren.
Die Stadt XXXX ist weitgehend frei von Al Shabaab und befindet sich unter der Kontrolle Regierung; der Bezirk XXXX steht unter der Kontrolle von Al Shabaab.Die Stadt römisch 40 ist weitgehend frei von Al Shabaab und befindet sich unter der Kontrolle Regierung; der Bezirk römisch 40 steht unter der Kontrolle von Al Shabaab.
Die Erstbeschwerdeführerin hat in Somalia zumindest die Grundschule besucht. Nach der Ausreise ihres Ehemannes handelte sie mit Kleidung und finanzierte so den Lebensunterhalt der Familie. Die minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer besuchten eine Schule in Nairobi und gehen auch in Österreich zur Schule.
Der Vater der Erstbeschwerdeführerin ist verstorben, als sie noch ein Kind war. Ihre Mutter sowie ihre Schwester mit deren Familie leben im XXXX , sie hat regelmäßig telefonisch Kontakt zu ihrer Mutter und Schwester.Der Vater der Erstbeschwerdeführerin ist verstorben, als sie noch ein Kind war. Ihre Mutter sowie ihre Schwester mit deren Familie leben im römisch 40 , sie hat regelmäßig telefonisch Kontakt zu ihrer Mutter und Schwester.
Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin ist an einer anderen Wohnadresse gemeldet, als die Beschwerdeführer, er hält sich jedoch regelmäßig bei seiner Familie auf. Nach Abschluss des Verfahrens wollen sie eine gemeinsame Wohnung suchen und beziehen. Außer dem Ehemann und Vater haben die Beschwerdeführer keine weiteren Familienangehörigen in Österreich, eine Cousine der Erstbeschwerdeführerin lebt in Belgien.
Bei der Erstbeschwerdeführerin wurde im Herkunftsland eine pharaonische Beschneidung durchgeführt, nach den Geburten der drei Kinder wurde jeweils eine Reinfibulation gegen ihren Willen vorgenommen. Die Beschwerdeführerin berichtete von Beschwerden aufgrund der (Re-)Infibulation, vor allem beim Geschlechtsverkehr und in Zusammenhang mit den Geburten. Die Erstbeschwerdeführerin ist schwanger, der Geburtstermin wurde für Ende Oktober 2024 errechnet. Nach dem Sturz im Juni 2024 wurde durch die Frauenärztin attestiert, dass ihr keine starke körperliche Anstrengung erlaubt ist. In Österreich wurde auch eine Allergie festgestellt, weshalb ihr Medikamente verordnet wurden, die sie derzeit aufgrund der Schwangerschaft nicht einnehmen darf. Abgesehen von diesen Beschwerden ist sie gesund. Die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin ist nicht beschnitten. Die minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer sind gesund.
Die Erstbeschwerdeführerin ist in Österreich strafrechtlich unbescholten, die minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer sind aufgrund ihres Alters strafunmündig und somit strafrechtlich unbescholten.
Vor der Einreise nach Österreich lebten die Beschwerdeführer zumindest seit 2018 in einem Flüchtlingslager in Kenia. Im Jahr 2021 stellten die Beschwerdeführer bei der österreichischen Botschaft in Nairobi Einreiseanträge gemäß § 35 AsylG und wurde ihnen jeweils ein Visum D ausgestellt, mit dem sie im Mai 2022 über den Luftweg nach Österreich einreisten, wo sie am 31.05.2022 die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten.Vor der Einreise nach Österreich lebten die Beschwerdeführer zumindest seit 2018 in einem Flüchtlingslager in Kenia. Im Jahr 2021 stellten die Beschwerdeführer bei der österreichischen Botschaft in Nairobi Einreiseanträge gemäß Paragraph 35, AsylG und wurde ihnen jeweils ein Visum D ausgestellt, mit dem sie im Mai 2022 über den Luftweg nach Österreich einreisten, wo sie am 31.05.2022 die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten.
1.2. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:
Für die Erstbeschwerdeführerin besteht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, nach der Geburt des vierten Kindes erneut gegen ihren Willen einer Reinfibulation unterzogen zu werden. Im Falle einer Rückkehr ist sie daher einer geschlechtsspezifischen Verfolgung ausgesetzt, gegen die sie sich auch bei den drei vorangegangenen Geburten nicht erfolgreich wehren konnte.
Die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin wurde bislang keiner Beschneidung unterzogen. Im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland Somalia ist sie daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der realen Gefahr einer geschlechtsspezifischen in Form einer (pharaonischen) Beschneidung ausgesetzt, da ihre Mutter sich in Bezug auf sich selbst nicht erfolgreich gegen mehrfache Reinfibulationen nach den Geburten wehren konnte und daher nicht wahrscheinlich ist, dass sie trotz Ablehnung eine Beschneidung der Tochter dauerhaft verhindern kann. Der familiäre und gesellschaftliche Druck auf die Beschwerdeführerinnen, eine pharaonische Beschneidung bzw. Reinfibulationen durchführen zu lassen, erscheint im konkreten Fall enorm hoch.
Eine maßgebliche Diskriminierung der Erst- und Zweitbeschwerdeführerinnen bloß aufgrund der Tatsache, dass sie Frauen sind, konnte nicht festgestellt werden.
Für die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer besteht im Falle einer Rückkehr keine maßgebliche Gefahr einer Bedrohung oder Verfolgung.
Es sind auch amtswegig keine Hinweise für das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit, insbesondere nicht aufgrund der Clanzugehörigkeit der minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer zu den Tunni, im Ermittlungsverfahren hervorgekommen.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Somalia, Stand 08.01.2024 (LIB):
1.3.1. Zur allgemeinen Situation in Somalia und der politischen Lage in Galgaduud:
LIB, S 6 ff: „[…] 4.1 Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Staatlichkeit: Somalia wird als der am meisten gescheiterte Staat der Welt beschrieben, das Land verfügt über keine einheitliche Regierung. Seit dem Zusammenbruch des autoritären Regimes von Mohamed Siad Barre im Jahr 1991 kämpft Somalia darum, eine Regierung zu bilden (Rollins/HIR 27.3.2023). Nach anderen Angaben ist Somalia zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind demnach sehr schwach, wesentliche Staatsfunktionen können von ihnen nicht ausgeübt werden. Es gibt jedenfalls keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (AA 15.5.2023). Denn obwohl das Land nominell von Präsident Hassan Sheikh Mohamud regiert wird, steht ein Großteil des Landes nicht unter staatlicher Kontrolle. Al Shabaab kontrolliert fast 70 % von Süd-/Zentralsomalia (Rollins/HIR 27.3.2023).
Die Bundesregierung ist nicht in der Lage, ihren Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag (nach westlicher Konzeption des Nationalstaates) in und um Mogadischu auch nur teilweise nachzukommen, geschweige denn ein landesweites Gewaltmonopol zu errichten. Sie bietet ihren Bürgern derzeit nur wenige wesentliche Dienstleistungen an. Die ständige Instabilität bleibt ein prägendes Merkmal des Lebens. Viele Menschen verlassen sich hinsichtlich grundlegender Dienstleistungen und Schutz weiterhin auf bestehende traditionelle, informelle Institutionen (Sahan/SWT 5.6.2023). Denn der Staat leidet an gescheiterten Institutionen, vom Gesundheitswesen bis zu den Sicherheitskräften. Persönlichkeitsorientierter Politik wird Vorrang gewährt. Informelle politische und Clanbeziehungen dominieren einen fragilen Staat. Und die immer noch offene institutionelle Lücke wird durch eine Reihe anderer Akteure – darunter al Shabaab – aufgefüllt (Sahan/Awad 28.8.2023).
Die Bundesregierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (FH 2023a), da sie nur wenige Gebiete kontrolliert (BS 2022a). Gleichzeitig gilt Somalia als eines der korruptesten Länder der Welt und die Regierung ist zum Überleben stark auf internationale Hilfe angewiesen (Rollins/HIR 27.3.2023). Die Unfähigkeit, gegen die endemische Korruption vorzugehen, behindert den Staatsbildungsprozess und den Aufbau von Institutionen; der politische Machtkampf hat das Vertrauen der Bevölkerung in bestehende staatliche Institutionen weiter geschwächt, die politischen Konflikte haben die Kluft zwischen den Fraktionen vergrößert (BS 2022a).
Eigentlich sollte die Bundesregierung auch die Übergangsverfassung noch einmal überarbeiten, novellieren und darüber ein Referendum abhalten (USDOS 12.4.2022). Seit 2016 und 2017 die fünf Bundesstaaten gegründet wurden, stockt der Verfassungsprozess. Grundlegende Fragen des Staatsaufbaus sind nicht geklärt. Dies lähmt staatliches Handeln und fördert politische Spannungen zwischen Mogadischu und den föderalen Gliedstaaten, weil eben die Verfassungsgebung und Kompetenzverteilung noch immer nicht abgeschlossen sind (AA 15.5.2023). […]
Quellen: […]“
1.3.1.1. Politische Lage Galgaduud (LIB, S 20):
„4.1.5 Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug)
Galmudug wurde im Jahr 2015 geschaffen (HIPS 2021). Galmudug ist hinsichtlich der Clanzusammensetzung sehr heterogen. Den Großteil der Bevölkerung stellen dort elf Subclans aus drei der großen Clanfamilien. Beherrschend sind v.a. die Habr Gedir, Marehan, Murusade und Duduble (Sahan/Abdi 12.7.2021).
Die Staatsversammlung in Dhusamareb wählte am 2.2.2020 Ahmed Abdi Kariye 'Qoorqoor' zum Präsidenten (UNSC 13.2.2020). Im September 2022 hat das Parlament von Galmudug seine eigene Amtszeit und die von Präsident Qoorqoor um ein weiteres Jahr auf fünf Jahre verlängert (HIPS 24.3.2023).
2022 gab es weiterhin Verhandlungen hinsichtlich des (politischen) Status' der ASWJ (FH 2023a). Die ASWJ ist nach einer kurzen Phase der Reorganisierung [siehe Sicherheitslage] de facto ausgeschaltet und zerschlagen. Sie trat 2022 zwar in Erscheinung, um Unterstützung für die Operation gegen al Shabaab zu zeigen, ist aber weiterhin in Galmudug kein politischer Faktor. Ansonsten ist der Kampf gegen al Shabaab aktuell der bestimmende Faktor in Galmudug (BMLV 1.12.2023).
Quellen: […]“
1.3.2. Zur Sicherheitslage in Galgaduud (LIB, S 79 ff):
„5.1.5 Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug)
Generell hat die Regierung von Galmudug die Kontrolle über die Städte Dhusamareb, Cadaado, Matabaan und Cabudwaaq. Die Städte Dhusamareb und Guri Ceel sind weitgehend frei von al Shabaab. In Dhusamareb befindet sich das Hauptquartier einer Division der Bundesarmee sowie eine Garnison von ATMIS-Truppen aus Dschibuti; letztere soll allerdings mittelfristig abgezogen werden. Die Städte Cadaado und Galkacyo können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 1.12.2023). Zwei Quellen der FFM Somalia 2023 bezeichnen Dhusamareb als sicher (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; vgl. UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Ende August 2023 ist es in mehreren Städten von Galmudug (u.a. in Galkacyo, Guri Ceel, Cabudwaaq und Balanbaale) zu öffentlichen Demonstrationen gegen al Shabaab und in Unterstützung der Regierungsoffensive gekommen (Halqabsi 28.8.2023).Generell hat die Regierung von Galmudug die Kontrolle über die Städte Dhusamareb, Cadaado, Matabaan und Cabudwaaq. Die Städte Dhusamareb und Guri Ceel sind weitgehend frei von al Shabaab. In Dhusamareb befindet sich das Hauptquartier einer Division der Bundesarmee sowie eine Garnison von ATMIS-Truppen aus Dschibuti; letztere soll allerdings mittelfristig abgezogen werden. Die Städte Cadaado und Galkacyo können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 1.12.2023). Zwei Quellen der FFM Somalia 2023 bezeichnen Dhusamareb als sicher (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Ende August 2023 ist es in mehreren Städten von Galmudug (u.a. in Galkacyo, Guri Ceel, Cabudwaaq und Balanbaale) zu öffentlichen Demonstrationen gegen al Shabaab und in Unterstützung der Regierungsoffensive gekommen (Halqabsi 28.8.2023).
Zur laufenden Offensive in Zentralsomalia siehe Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Ahlu Sunna Wal Jama’a (ASWJ): ASWJ ist eine moderate Sufi-Miliz (AA 15.5.2023). Sie griff im Mai 2022 Regierungsposten in Dhusamareb an (HIPS 24.3.2023). Die staatlichen Kräfte konnten ASWJ vertreiben und sind in Richtung Bohol nachgestoßen (UNSC 1.9.2022a), ASWJ wurde besiegt (HIPS 24.3.2023). Die Spannungen haben sich mit der (neuerlichen) mehrheitlichen Auflösung der ASWJ gelegt. Generell hat die Gruppe kein politisches Gewicht mehr (BMLV 9.2.2023). Die im Jänner 2023 erschienene Lagekarte von PGN verortet verbliebene Kräfte der ASWJ lediglich im Ort Bohol in Galgaduud (PGN 23.1.2023).
Clans: Im August 2022 kam es in den Bezirken Cabudwaaq und Cadaado zu mehrere Tage anhaltenden Kämpfen zwischen zwei Clans. Der Konflikt hatte sich um Brunnen und Weiderechte entflammt und wurde schließlich mit Unterstützung durch die Regierung von Galmudug bzw. durch die Entsendung von Sicherheitskräften beendet. Die Kämpfe forderten mehr als ein Dutzend Todesopfer (RD 28.8.2022).
Gebietskontrolle und al Shabaab: Cadaado, Dhusamareb, Cabudwaaq, Hobyo, Xaradheere und Ceel Dheere befinden sich unter Kontrolle von ATMIS und/oder Regierungstruppen (PGN 23.1.2023). Al Shabaab wurde von der Hauptverbindungsroute Belet Weyne - Dhusamareb abgedrängt und auch von der Küste und aus den Orten Ceel Huur, Hobyo und Xaradheere verdrängt. Ceel Dheere, Galcad und Xaradheere wurden alle am 16.1.2023 von Regierungskräften eingenommen (BMLV 9.2.2023). Allerdings fielen Ceel Dheere, Galcad und Ceel Buur danach wieder an al Shabaab (BMLV 1.12.2023).
Im Zentrum der Region Mudug (westlich der Linie Wisil - Miroon bzw. südlich der Achse Baxdo - Dhusamareb befinden sich noch Räume von al Shabaab. Gleiches gilt in Galgaduud für die Gebiete im Nordwesten der gedachten Linie Ceel Dheere - Galcad - Maxaas. Der Großraum Ceel Buur bis Xiindheere gilt als Gebiet der al Shabaab (BMLV 1.12.2023). Die Kontrolle von al Shabaab beschränkt sich damit auf den Bezirk und die Stadt Ceel Buur sowie auf Teile der Bezirke Ceel Dheere und Xaradheere (PGN 23.1.2023; vgl. BMLV 1.12.2023). Im Zentrum der Region Mudug (westlich der Linie Wisil - Miroon bzw. südlich der Achse Baxdo - Dhusamareb befinden sich noch Räume von al Shabaab. Gleiches gilt in Galgaduud für die Gebiete im Nordwesten der gedachten Linie Ceel Dheere - Galcad - Maxaas. Der Großraum Ceel Buur bis Xiindheere gilt als Gebiet der al Shabaab (BMLV 1.12.2023). Die Kontrolle von al Shabaab beschränkt sich damit auf den Bezirk und die Stadt Ceel Buur sowie auf Teile der Bezirke Ceel Dheere und Xaradheere (PGN 23.1.2023; vergleiche BMLV 1.12.2023).
Galkacyo: Puntland und Galmudug haben im Juni 2020 eine Einigung erzielt, um vergangene Streitpunkte beizulegen (PGN 10.2020). Die Sicherheitslage in Galkacyo hat sich seit Anfang 2021 stabilisiert. Generell hat sich die Kooperation zwischen den Verwaltungen und Sicherheitskräften von Galmudug und Puntland wesentlich verbessert, dadurch konnten auch Mitglieder der al Shabaab in Galkacyo aufgespürt und verhaftet werden. Ob al Shabaab in Galkacyo Steuern eintreibt, ist unklar; es kommt sehr selten zu Attentaten. Die Gruppe hat dort an Kraft eingebüßt und konnte weder im Nord- noch im Südteil der Stadt die Unterstützung der Bevölkerung mobilisieren (BMLV 9.2.2023).
Eine Quelle der FFM Somalia 2023 bezeichnet Galkacyo als nicht stabil (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Al Shabaab verübt weiterhin Attentate in der Stadt (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl.INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Zwei Quellen erklären, dass sich die Situation in der Stadt gebessert hat, nicht aber am Stadtrand und in den Dörfern des Umlandes (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. BMLV 1.12.2023). Es gibt dort immer noch Einfluss von und Angst vor al Shabaab, und auch nach wie vor Clankonflikte (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer anderen Quelle hat die Gruppe im Norden von Galmudug einen schwächeren Zugriff als im Süden des Landes (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Jedenfalls haben die politischen Probleme in Puntland auch Auswirkungen auf die Lage in Galkacyo. An der Grenze von Galmudug zu Puntland gibt es anhaltende Clankonflikte. Dies hat sich zuletzt wieder im Oktober 2023 rund um Galdogob zwischen Lelkase und Habr Gedir / Sa'ad erwiesen (BMLV 1.12.2023).Eine Quelle der FFM Somalia 2023 bezeichnet Galkacyo als nicht stabil (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Al Shabaab verübt weiterhin Attentate in der Stadt (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl.INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Zwei Quellen erklären, dass sich die Situation in der Stadt gebessert hat, nicht aber am Stadtrand und in den Dörfern des Umlandes (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche BMLV 1.12.2023). Es gibt dort immer noch Einfluss von und Angst vor al Shabaab, und auch nach wie vor Clankonflikte (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer anderen Quelle hat die Gruppe im Norden von Galmudug einen schwächeren Zugriff als im Süden des Landes (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Jedenfalls haben die politischen Probleme in Puntland auch Auswirkungen auf die Lage in Galkacyo. An der Grenze von Galmudug zu Puntland gibt es anhaltende Clankonflikte. Dies hat sich zuletzt wieder im Oktober 2023 rund um Galdogob zwischen Lelkase und Habr Gedir / Sa'ad erwiesen (BMLV 1.12.2023).
Vorfälle: In den beiden Regionen Galgaduud (689.872) und Mudug (1,317.403) leben nach Angaben einer Quelle 2,007.275 Einwohner (IPC 13.12.2022). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2021 insgesamt 43 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 28 dieser 43 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2022 waren es 51 derartige Vorfälle (davon 33 mit je einem Toten) (ACLED 2023). In der Zusammenschau von Bevölkerungszahl und violence against civilians ergeben sich für 2022 folgende Zahlen (Vorfälle je 100.000 Einwohner): Mudug 1,52; Galgaduud 4,49;
In der Folge eine Übersicht für die Jahre 2013-2022 zur Gesamtzahl an Vorfällen mit Todesopfern sowie zur Subkategorie "violence against civilians", in welcher auch "normale" Morde inkludiert sind. Die Zahlen werden in zwei Subkategorien aufgeschlüsselt: Ein Todesopfer; mehrere Todesopfer. Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der Schwankungsbreite bei ACLED nicht berücksichtigt: [nicht abgebildet; Quelle: ACLED 2023 (und Vorgängerversionen)]
Quellen: […]“
1.3.3. Zur weiblichen Genitalverstümmelung und –beschneidung (FGM/C):
1.3.3.1. Allgemeines zu FGM/C (LIB, S 211 ff):
„In Somalia herrschen zwei Formen der Bescheidung vor: Einerseits die am meisten verbreitete Pharaonische Beschneidung, die weitgehend dem WHO Typ III (Infibulation) entspricht und von der somalischen Bevölkerung unter dem – mittlerweile auch dort geläufigen Synonym „FGM“ verstanden wird, andererseits die Sunna, die als weniger drastisch gilt und den WHO Typen I und II entspricht. Unter Sunna können sowohl weniger drastische Eingriffe als auch Beschneidungen bis fast zur Infibulation fallen. Es gibt keine allgemeingültigen Standards, wie eine Sunna auszusehen hat, sodass oft auch Eltern nicht wissen, welche Form der Beschneidung vorgenommen wurde.„In Somalia herrschen zwei Formen der Bescheidung vor: Einerseits die am meisten verbreitete Pharaonische Beschneidung, die weitgehend dem WHO Typ römisch III (Infibulation) entspricht und von der somalischen Bevölkerung unter dem – mittlerweile auch dort geläufigen Synonym „FGM“ verstanden wird, andererseits die Sunna, die als weniger drastisch gilt und den WHO Typen römisch eins und römisch II entspricht. Unter Sunna können sowohl weniger drastische Eingriffe als auch Beschneidungen bis fast zur Infibulation fallen. Es gibt keine allgemeingültigen Standards, wie eine Sunna auszusehen hat, sodass oft auch Eltern nicht wissen, welche Form der Beschneidung vorgenommen wurde.
Die meisten Quellen nennen das Alter für die Beschneidung von fünf bis zehn Jahren. Unter fünf Jahren liegt die Quote der beschnittenen Mädchen nur bei unter 5 %.
Genitalbeschneidung ist in Somalia nach wie vor sehr weit verbreitet. Auch wenn der Prozentsatz der Betroffenen, der lange Zeit mit 98 % angegeben wurde, mittlerweile rückläufig ist, ist eine beschnittene Frau oder ein beschnittenes Mädchen die gesellschaftliche Norm. In sämtlichen im Länderinformationsblatt genannten Quellen wird der Prozentsatz der beschnittenen Frauen deutlich über 75 % angegeben und reicht von 77 % bis über 90 %. Am weitesten verbreitet ist nach wie vor die Infibulation mit 72 % in Süd-/Zentralsomalia, während sie in Puntland in 93 % der Fälle zur Durchführung gelangte und landesweit einer Umfrage aus dem Jahr 2017 zufolge bei zumindest 40 % liegt. Generell ist von einer Rückläufigkeit auszugehen.
Die somalische Gesellschaft sieht FGM nach wie vor als gesellschaftliche Konvention an, die als selbstverständlich erachtet wird und den Hauptantrieb darstellt, dass Mädchen und junge Frauen einer Beschneidung unterzogen werden. Frauen fürchten sich vor gesellschaftlichem Ausschluss und vor Diskriminierung ihrer selbst und ihrer Töchter. Eine Beschneidung bringt soziale Vorteile und sichert der Familie und dem Mädchen die Integration in die Gesellschaft. Es gibt auch Berichte über erwachsene Frauen, die sich einer Infibulation unterzogen haben, da sie sich durch sozialen Druck dazu gezwungen sahen. Die umfassende FGM in Form einer Infibulation stellt eine Art Garantie der Jungfräulichkeit bei der ersten Eheschließung dar. Die in der Gemeinde zirkulierte Information, wonach eine Frau nicht infibuliert ist, wirkt sich auf das Ansehen und letztendlich auf die Heiratsmöglichkeiten der Frau und anderer Töchter der Familie aus. Daher wird die Infibulation teils immer noch als notwendig erachtet. Kulturell gilt die Klitoris als "schmutzig", eine Infibulation als ästhetisch. Letztere trägt zur Ehre der Frau bei, denn sie beschränkt den Sexualdrang, sichert die Jungfräulichkeit und sichert die Heirat. Dahingegeben werden unbeschnittene Frauen oft als schmutzig oder un-somalisch, als abnormal und schamlos oder aber als un-islamisch bezeichnet. Eine Verheimlichung, dass ein Mädchen nicht beschnitten wurde, ist de facto nicht möglich, da die Mädchen selbst in der Schule sich austauschen und über die Beschneidung sprechen. Spätestens, wenn eine Heirat ansteht, ist der Status ohnedies klar.
Eine Beschneidung in Somalia setzt den meisten Quellen zufolge die Einwilligung der Mutter voraus. Es kann zu – teils sehr starkem – psychischem Druck auf eine Mutter kommen, damit eine Tochter beschnitten wird. Um eine Verstümmelung zu vermeiden, kommt es auf die Standhaftigkeit der Mutter an. Spricht sich auch der Kindesvater gegen eine Verstümmelung aus, und bleibt dieser standhaft, dann ist es leichter, dem psychischen Druck seitens der Gesellschaft und gegebenenfalls durch die Familie standzuhalten. Nach anderen Angaben liegt es an den Eltern, darüber zu entscheiden, welche Form von FGM an der Tochter vorgenommen wird. Manchmal halten Großmütter oder andere weibliche Verwandte Mitsprache. In ländlichen Gebieten können Großmütter eher Einfluss ausüben. Dort ist es mitunter auch schwieriger, FGM infrage zu stellen. Gemäß Angaben anderer Quellen sind Großmütter maßgeblich in die Entscheidung involviert. Laut anderen Angaben kann es vorkommen, dass eine Mutter bei weiblichen Verwandten Ratschläge einholt. Dass Mädchen ohne Einwilligung der Mutter von Verwandten einer FGM unterzogen werden, ist zwar nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Keine Quelle des Danish Immigration Service konnte einen derartigen Fall berichten. Quellen der schwedischen COI-Einheit Lifos nennen als diesbezüglich annehmbare Ausnahme (theoretisch) den Fall, dass ein bei den Großeltern lebendes Kind von der Großmutter FGM zugeführt wird, ohne dass es dazu eine Einwilligung der Eltern. Gerade in Städten ist es heutzutage kein Problem mehr, sich einer Beschneidung zu widersetzen, und die Zahl unbeschnittener Mädchen steigt.“
1.3.3.2. Zur De- bzw. Reinfibulation (LIB, S 226 ff):
„Wird eine Frau vor einer Geburt deinfibuliert, kann es vorkommen, dass nach der Geburt eine Reinfibulation stattfindet. Dies obliegt in der Regel der Entscheidung der betroffenen Frau. Die Gesellschaft hat kein Problem damit, wenn eine Deinfibulation nach einer Geburt bestehen bleibt, und es gibt üblicherweise keinen Druck, sich einer Reinfibulation zu unterziehen. Viele Frauen fragen aber offenbar von sich aus nach einer (manchmal nur teilweisen) Reinfibulation. Gemäß Angaben einer Quelle ist eine derartige - von der Frau verlangte - Reinfibulation in Somalia durchaus üblich. Manche Frauen unterziehen sich demnach mehrmals im Leben einer Reinfibulation. Nach anderen Angaben kann ein derartiges Neu-Vernähen der Infibulation im ländlichen Raum vorkommen, ist in Städten eher unüblich. Die Verbreitung variiert offenbar auch geografisch: Bei Studien an somalischen Frauen in Kenia haben sich 35 von 57 Frauen einer Reinfibulation unterzogen. Gemäß einer anderen Studie entscheiden sich in Puntland 95 % der Frauen nach einer Geburt gegen eine Reinfibulation. Insgesamt gibt es zur Reinfibulation keine Studien, die Prävalenz ist unbekannt. Eine Wissenschaftlerin, die sich seit Jahren mit FGM in Somalia auseinandersetzt, sieht keine Grundlage dafür, dass nach einer Geburt oder Scheidung systematisch eine Reinfibulation durchgeführt wird – weder in der Vergangenheit noch in der heutigen Zeit. Im somalischen Kontext wird demnach eine Infibulation durchgeführt, um die Jungfräulichkeit vor der Ehe zu „beweisen“. Dementsprechend macht es keinen Sinn, eine verheiratete Frau nach der Geburt zu reinfibulieren.
Freilich kann es vorkommen, dass eine Frau – wenn sie z. B. physisch nicht in der Lage ist, eine Entscheidung zu treffen – auch gegen ihren Willen einer Reinfibulation unterzogen wird; die Entscheidung treffen in diesem Fall weibliche Verwandte oder die Hebamme. Es kann natürlich auch nicht völlig ausgeschlossen werden, dass Frauen durch Druck von Familie, Freunden oder dem Ehemann zu einer Reinfibulation gedrängt werden. Insgesamt hängt das Risiko eine Reinfibulation also zwar vom Lebensumfeld und der körperlichen Verfassung der Frau nach der Geburt ab, aber generell liegt die Entscheidung darüber bei ihr selbst. Sie kann sich nach der Geburt gegen eine Reinfibulation entscheiden. Es kommt in diesem Zusammenhang weder zu Zwang noch zu Gewalt.“
1.3.4. Zur Bedeutung des Clanwesens (LIB, S 184 ff):
„19 Minderheiten und Clans
Der Clan ist die relevanteste soziale, ökonomische und politische Struktur in Somalia. Er bestimmt den Zugang zu Ressourcen sowie zu Möglichkeiten, Einfluss, Schutz und Beziehungen (SPC 9.2.2022). Dementsprechend steht Diskriminierung in Somalia generell oft nicht mit ethnischen Erwägungen in Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Minderheitenclans oder Clans, die in einer bestimmt