TE Vwgh Erkenntnis 1995/5/24 94/09/0076

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Veröffentlicht am 24.05.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs6 Z1 idF 1991/684;
AuslBG LandeshöchstzahlenV 1993;
AuslBG LandeshöchstzahlenV 1994;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde

der M-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 10. Februar 1994, Zl. IIc/6702 B AIS 11969/SCHE, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei stellte am 16. Juli 1993 den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die "jugoslawische" Staatsangehörige B als Bedienerin.

Diesen Antrag wies das zuständige Arbeitsamt mit Bescheid vom 6. August 1993 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. In der Begründung wurde nach Zitierung des § 4 Abs. 6 AuslBG festgestellt, der Vermittlungsausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In ihrer Berufung rügte die beschwerdeführende Partei im wesentlichen das Fehlen von Ermittlungen und eine bisher nicht erfolgte Vermittlung befähigter, geeigneter und gewillter Ersatzkräfte für die freie, dringend zu besetzende Arbeitsstelle. Auch fehle dem Bescheid des Arbeitsamtes, der nicht den Mindestanforderungen nach § 18 AVG entspreche, eine ausreichende Begründung. Das Arbeitsamt habe die besondere Qualifikation der beantragten Arbeitnehmerin (sie sei aufgrund ihrer "schulischen Ausbildung und praktischen Erfahrung" für die freie Arbeitsstelle besonders qualifiziert) unberücksichtigt gelassen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. Februar 1994 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i. V.m. § 4 Abs. 6 und § 4 Abs. 1 sowie § 13a AuslBG keine Folge. Begründend stellte die belangte Behörde die Rechtslage dar und traf die Feststellung, für das Kalenderjahr 1993 sei die Landeshöchstzahl für das Bundesland Wien mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 30. November 1992, BGBl. Nr. 738/1992, zahlenmäßig mit 97.000 bzw. für das Kalenderjahr 1994 mit Verordnung vom 26. November 1993, BGBl. Nr. 794/1993, zahlenmäßig mit 91.000 festgesetzt worden. Diese Landeshöchstzahl sei laut der offiziellen Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit Beginn der betreffenden Kalenderjahre überschritten. Somit seien bei Anträgen auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung in jedem Fall sowohl die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 als auch des § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen. Im erstinstanzlichen Verfahren sei der Antrag seitens des - paritätisch aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern zusammengesetzten - Vermittlungsausschusses aus arbeitsmarktpolitischen und volkswirtschaftlichen Erwägungen nicht einhellig befürwortet und die Zustimmung zur Ausstellung der Beschäftigungsbewilligung abgelehnt worden. Nach Ansicht der belangten Behörde könnten im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung als gegeben erachtet werden. Aufgrund der Überschreitung der Landeshöchstzahl sei aber zu prüfen, ob ein Tatbestand i.S.d. § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d bzw. Z. 3 AuslBG erfüllt werde. Dazu seien weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung vorgebracht worden, die unter einen dieser berücksichtigungswürdigen Tatbestände zu subsumieren wären.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantagt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid zwar im Spruch auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt, aus der Begründung geht allerdings hervor (die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 könnten laut Ansicht der belangten Behörde als gegeben erachtet werden), daß für die Ablehnung ausschließlich § 4 Abs. 6 AuslBG maßgebend war.

§ 4 Abs. 6 AuslBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung (Z. 1 i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer,

b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Die Anwendung des nach dieser Gesetzesstelle erschwerten Verfahrens für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung setzt voraus, daß entweder eine Kontingentüberschreitung oder eine Überschreitung der Landeshöchstzahl vorliegt. Nach § 13a kann der Bundesminister für Arbeit und Soziales nach den dort näher genannten Voraussetzungen bis spätestens 30. November für das nächstfolgende Kalenderjahr Landeshöchstzahlen festsetzen.

Zu der von der belangten Behörde angenommenen Überschreitung der Landeshöchstzahl - infolge der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Jahr 1994 ist die für dieses Kalenderjahr geltende Verordnung maßgebend - hat der (noch 1993 erlassene) erstinstanzliche Bescheid eine einschlägige Feststellung naturgemäß nicht enthalten. Die belangte Behörde wäre daher nach § 45 Abs. 3 AVG verpflichtet gewesen, die beschwerdeführende Partei von der Überschreitung der Landeshöchstzahl im Jahr 1994 in Kenntnis zu setzen und ihr damit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Ausgehend von diesen Erwägungen stellen die Ausführungen in der Beschwerde, die das Überschreiten der Landeshöchstzahl im Zeitpunkt der Bescheiderlassung in Frage stellen, nicht etwa unzulässige Neuerungen, sondern vom Verwaltungsgerichtshof zu beachtende Hinweise auf der belangten Behörde im Rahmen der Tatsachenfeststellung unterlaufene relevante Verfahrensmängel dar (vgl. dazu z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, 93/09/0096, und vom 15. Dezember 1994, 93/09/0336, m.w.N.). Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Es erübrigen sich damit weitere Erwägungen zur Frage, ob und unter Bezugnahme auf welche Bestimmung des § 4 Abs. 6 AuslBG die beschwerdeführende Partei alleinfalls für ihren Antrag auch wichtige Gründe i.S. dieser Gesetzesstelle in Anspruch nehmen kann.

Der angefochtene Bescheid war deshalb - unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. Art. 1 A Z. 1 der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Angenommener Sachverhalt (siehe auch Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein und Sachverhalt Verfahrensmängel) Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Parteiengehör Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994090076.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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