TE Bvwg Erkenntnis 2024/8/14 W265 2289975-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.08.2024
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Entscheidungsdatum

14.08.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art133 Abs4
  1. AsylG 2005 § 34 heute
  2. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  3. AsylG 2005 § 34 gültig ab 01.11.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2014 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  5. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009
  6. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  7. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.04.2009 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2009
  8. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.07.2008 bis 31.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  9. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W265 2289973-1/8E

W265 2289975-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geboren am XXXX und 2.) XXXX , geboren am XXXX , alle StA. Syrien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mag. Sebastian SIUDAK, gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.01.2024, Zl. XXXX (ad 1.) und Zl. XXXX (ad 2.), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) römisch 40 , geboren am römisch 40 und 2.) römisch 40 , geboren am römisch 40 , alle StA. Syrien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mag. Sebastian SIUDAK, gegen Spruchpunkt römisch eins. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.01.2024, Zl. römisch 40 (ad 1.) und Zl. römisch 40 (ad 2.), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Den Beschwerden wird stattgegeben und 1.) XXXX und 2.) XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 jeweils der Status der/des Asylberechtigten zuerkannt.römisch eins. Den Beschwerden wird stattgegeben und 1.) römisch 40 und 2.) römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 jeweils der Status der/des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass ihnen damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass ihnen damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin und der minderjährige Zweitbeschwerdeführer, syrische Staatsangehörige, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 18.03.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei ihrer Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Erstbeschwerdeführerin im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch an, dass sie syrische Staatsangehörige sowie Angehörige der Volksgruppe der Araber und Moslemin sei. Sie sei in der Stadt XXXX geboren, habe zwölf Jahre die Schule und vier Jahre die Universität besucht. Sie habe Syrien im Jahr 2015 zu Fuß und illegal in die Türkei verlassen. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass in Syrien Krieg herrsche und es keine Sicherheit gäbe. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst um sich und ihre Familie. Ihr Sohn lebe seit seiner Geburt bei ihr und habe keine eigenen Fluchtgründe. 2. Bei ihrer Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Erstbeschwerdeführerin im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch an, dass sie syrische Staatsangehörige sowie Angehörige der Volksgruppe der Araber und Moslemin sei. Sie sei in der Stadt römisch 40 geboren, habe zwölf Jahre die Schule und vier Jahre die Universität besucht. Sie habe Syrien im Jahr 2015 zu Fuß und illegal in die Türkei verlassen. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass in Syrien Krieg herrsche und es keine Sicherheit gäbe. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst um sich und ihre Familie. Ihr Sohn lebe seit seiner Geburt bei ihr und habe keine eigenen Fluchtgründe.

3. Am 24.08.2023 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA oder belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch. Sie wiederholte bzw. präzisierte ihre Angaben zu Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit. Sie sei verheiratet, lebe jedoch von ihrem Ehemann getrennt, der sie rausgeschmissen habe. Seit dem Rausschmiss habe sich keinen Kontakt und auch der Aufenthaltsort ihres Ehemannes sei ihr unbekannt. Ihr Vater sei verschollen. Ihr Mutter und drei Geschwister seien in der Türkei aufhältig. Eine Schwester sei gemeinsam mit ihr nach Österreich gekommen. Ein Bruder lebe in Österreich, ein weiterer Bruder sei in Deutschland aufhältig. Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie Syrien wegen dem Krieg verlassen habe, da der Tod überall gewesen sei. In der Stadt XXXX habe sie Probleme gehabt, weil sie Sunnitin sei und ursprünglich aus der Stadt XXXX stamme. Darüber hinaus sei sie einmal für die politische Sicherheitskontrolle vorgeladen worden, der sie sich aufgrund einer Prüfung an der Universität habe entziehen können. Daraufhin sei sie unverzüglich ausgereist. 3. Am 24.08.2023 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA oder belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch. Sie wiederholte bzw. präzisierte ihre Angaben zu Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit. Sie sei verheiratet, lebe jedoch von ihrem Ehemann getrennt, der sie rausgeschmissen habe. Seit dem Rausschmiss habe sich keinen Kontakt und auch der Aufenthaltsort ihres Ehemannes sei ihr unbekannt. Ihr Vater sei verschollen. Ihr Mutter und drei Geschwister seien in der Türkei aufhältig. Eine Schwester sei gemeinsam mit ihr nach Österreich gekommen. Ein Bruder lebe in Österreich, ein weiterer Bruder sei in Deutschland aufhältig. Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie Syrien wegen dem Krieg verlassen habe, da der Tod überall gewesen sei. In der Stadt römisch 40 habe sie Probleme gehabt, weil sie Sunnitin sei und ursprünglich aus der Stadt römisch 40 stamme. Darüber hinaus sei sie einmal für die politische Sicherheitskontrolle vorgeladen worden, der sie sich aufgrund einer Prüfung an der Universität habe entziehen können. Daraufhin sei sie unverzüglich ausgereist.

Im Rahmen der Einvernahme durch das BFA legte die Erstbeschwerdeführerin ihre Geburtsurkunde mit deutscher Übersetzung in Kopie, ihren Personalregisterauszug mit deutscher Übersetzung in Kopie und ihren syrischen Personalausweis im Original vor.

4. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des BFA vom 29.01.2024 wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 mit näherer Begründung ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status von subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).4. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des BFA vom 29.01.2024 wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 mit näherer Begründung ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihnen gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 den Status von subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihnen gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).

Die belangte Behörde traf Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer, zu den Gründen für das Verlassen ihres Herkunftsstaates, zur Situation im Falle ihrer Rückkehr sowie zur Lage in Syrien.

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr hielt die belangte Behörde insbesondere fest, dass nicht festgestellt habe werden können, dass der Erstbeschwerdeführerin in Syrien eine landesweite Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung drohe. Der Erstbeschwerdeführerin drohe auch keine Verfolgung im Zuge der Einreise. Für den Zweitbeschwerdeführer seien keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht worden.

Im Anschluss unterzog die belangte Behörde den von ihr festgestellten Sachverhalt unter Bezugnahme auf die einzelnen Spruchpunkte der Bescheide einer rechtlichen Beurteilung.

5. Gegen die jeweils im Umfang der Spruchpunkte I. bekämpften Bescheide richten sich die fristgerecht erhobenen Beschwerden, in denen den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden entgegengetreten wird. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen brachte die Erstbeschwerdeführerin darin eine Verfolgung als alleinstehende Frau und Alleinerzieherin ohne männliche Familienangehörige in Syrien sowie eine Verfolgung aufgrund der Asylantragstellung in Europa und ihrer westlichen Orientierung vor. 5. Gegen die jeweils im Umfang der Spruchpunkte römisch eins. bekämpften Bescheide richten sich die fristgerecht erhobenen Beschwerden, in denen den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden entgegengetreten wird. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen brachte die Erstbeschwerdeführerin darin eine Verfolgung als alleinstehende Frau und Alleinerzieherin ohne männliche Familienangehörige in Syrien sowie eine Verfolgung aufgrund der Asylantragstellung in Europa und ihrer westlichen Orientierung vor.

6. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt langten am 10.04.2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Am 23.07.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die Erstbeschwerdeführerin und ihre Rechtsvertretung teilnahmen und der eine Dolmetscherin für die Sprache Arabisch beigezogen wurde. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern. Die Erstbeschwerdeführerin wurde vom erkennenden Gericht eingehend zu ihrer Identität, Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen und zu ihren Fluchtgründen befragt. Im Zuge der Verhandlung wurden vom Gericht auch die Berichte über die allgemeine Lage in Syrien in das Verfahren eingebracht, zu denen keine Stellungnahme erstattet wurde. Die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wurde dem BFA im Anschluss an die Verhandlung übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zum sozialen Hintergrund der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer stellten am 18.03.2023 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers. Sie führen die im Spruch dieses Erkenntnisses enthaltenen Namen und Geburtsdaten. Die Erstbeschwerdeführerin ist syrische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Die Muttersprache der Erstbeschwerdeführerin ist Arabisch. Die Erstbeschwerdeführerin lebt seit Oktober 2022 von ihrem nach traditionellem islamischen Recht verheirateten Ehemann getrennt und hat seit diesem Zeitpunkt keinen Kontakt zu ihrem Ehemann. Ebenso wenig ist ihr der Aufenthaltsort ihres Ehemannes bekannt.

Die Erstbeschwerdeführerin lebte bis zu ihrem 18. Lebensjahr in der Stadt XXXX , bis sie zunächst ein Jahr an der Universität in Aleppo studierte und in weiterer Folge aufgrund der Krieges nach XXXX zog, wo sie das Studium an der Universität XXXX an der Fakultät für Architektur für weitere drei Jahre fortsetzte. Im September 2025 reiste die Erstbeschwerdeführerin schließlich aus Syrien in die Türkei aus, wo sie sich bis März 2023 aufhielt, bevor sie nach Europa aufbrach.Die Erstbeschwerdeführerin lebte bis zu ihrem 18. Lebensjahr in der Stadt römisch 40 , bis sie zunächst ein Jahr an der Universität in Aleppo studierte und in weiterer Folge aufgrund der Krieges nach römisch 40 zog, wo sie das Studium an der Universität römisch 40 an der Fakultät für Architektur für weitere drei Jahre fortsetzte. Im September 2025 reiste die Erstbeschwerdeführerin schließlich aus Syrien in die Türkei aus, wo sie sich bis März 2023 aufhielt, bevor sie nach Europa aufbrach.

Ein Bruder der Erstbeschwerdeführerin lebt in Österreich und ist im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft. Ein weiterer Bruder lebt in Deutschland und ist im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft. Eine Schwester reiste gemeinsam im März 2023 mit der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer nach Österreich ein. Die Mutter, zwei Schwester und ein Bruder leben seit dem Jahr 2013 in der Türkei. Der Vater der Erstbeschwerdeführerin gilt seit dem Jahr 2015 als verschollen.

Die Beschwerdeführerin steht in unregelmäßigen Kontakt mit ihrer Familie.

In Syrien leben Verwandte der Erstbeschwerdeführerin. Zu diesen Verwandten gibt es aufgrund familiärer Schwierigkeiten seit vielen Jahren keinen Kontakt.

Die Beschwerdeführer sind gesund. Die Erstbeschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten, der Zweitbeschwerdeführer ist strafunmündig.

1.2. Zu den Fluchtgründen der Erstbeschwerdeführerin:

Die Erstbeschwerdeführerin lebt seit Oktober 2022 von ihrem nach traditionell islamischen Recht verheirateten Ehemann getrennt, nachdem sie von diesem rausgeschmissen wurde. Seit diesem Zeitpunkt hat die Erstbeschwerdeführerin weder Kontakt zu ihrem Ehemann, noch ist ihr der Aufenthaltsort ihres Ehemannes bekannt. Die Erstbeschwerdeführerin müsste alleine mit ihrem minderjährigen Sohn nach Syrien zurückkehren und könnte weder auf männlichen Schutz noch auf familiäre Unterstützung zurückgreifen. Sie hat keine Familie in Syrien. Zu den in Syrien lebenden Verwandten besteht aufgrund familiärer Schwierigkeiten seit vielen Jahren kein Kontakt.

Im Falle einer Rückkehr nach Syrien wäre die Erstbeschwerdeführerin – ohne männlichen Schutz – der realen Gefahr von Gewalthandlungen, erheblichen Eingriffen in ihre (sexuelle) Unversehrtheit und/oder gravierenden Bedrohungen durch die syrische Gesellschaft, ausgesetzt. Eine Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit der syrischen Behörden besteht gegenständlich nicht. Es wäre ihr als Frau mit einem minderjährigen Kind ohne männlichen Schutz und Unterstützung nicht möglich, in Syrien ohne Gefahr von (sexuellen) Übergriffen und relevanten Diskriminierungen leben zu können.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

1.3.1. Betreffend die Lage in Syrien werden u.a. folgende im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien vom 27.03.2024 (Version 11) enthaltenen Informationen der Entscheidung zugrunde gelegt:

Gebiete)

Letzte Änderung 2024-03-08 19:54

Der rechtliche Status von Frauen

Zu den Gesetzen, die Frauen diskriminieren, gehören Straf-, Familien-, Religions-, Personenstands-, Arbeits-, Staatsangehörigkeits-, Erbschafts-, Renten- d Sozialversicherungsgesetze (USDOS 20.3.2023), darunter Obsorgeangelegenheiten (FH 9.3.2023). Außerdem stehen Verfahrensrechte nicht allen syrischen Bürgern in gleichem Ausmaß zur Verfügung, zum Teil, weil Auslegungen des religiösen Rechts die Grundlage für Elemente des Familien- und Strafrechts bilden und Frauen diskriminieren (USDOS 20.3.2023).

Personenstandsgesetz von 1953 (mit Nivellierungen)

Im muslimisch dominierten multireligiösen und multiethnischen Syrien haben die unterschiedlichen religiösen Gemeinschaften seit Langem das Recht, bestimmte Angelegenheiten des Familienrechts entsprechend ihren jeweiligen religiösen Vorschriften zu regeln (SLJ 3.10.2019). Im Allgemeinen wird das Familienrecht durch das Personenstandsgesetz (qanun al-ahwal al-shakhsiyya) von 1953 geregelt, eine Kodifizierung islamischen Rechts. Das Gesetz gilt für alle Syrer, aber bestimmte Ausnahmen gelten für Drusen, Christen und Juden, die ihre eigenen religiösen Gesetze in Bezug auf Heirat, Scheidung, Kindesunterhalt, Mitgift, Testamente und Erbschaft anwenden können (MPG 2018). Andere Bereiche wie Vormundschaft und Vaterschaft gelten jedoch für alle Syrer, unabhängig von ihrer Religion - nach einer zeitweisen Ausnahme für Katholiken (Landinfo 22.8.2018). Das Personenstandsrecht und die Scharia-Gerichte, die dieses Recht anwenden, haben Vorrang gegenüber den nicht-muslimischen Gerichten (Eijk 2013).

Nicht nur die verschiedenen Religionsgruppen, auch die unterschiedlichen Konfessionen haben eine jeweils eigene Gesetzgebung in bestimmten rechtlichen Angelegenheiten den Personenstand betreffend (Eijk 2013). So existiert ein kodifiziertes Familienrecht für Katholiken, Protestanten sowie für die Armenisch-, Griechisch- sowie Syrisch-Orthodoxen Kirchen u. a. in verschiedenen Personenstandsgesetzen (MPG 2018). Das Gesetz unterscheidet hingegen nicht zwischen den verschiedenen islamischen Konfessionen und gilt für Sunniten, Alawiten und andere schiitische Gruppen gleichermaßen (ausgenommen sind hiervon Drusen, wenn man diese als muslimische Gruppe ansieht) (Eijk 2016).

Am 25.3.2021 ist mit der Unterschrift des Präsidenten das Gesetz Nr. 13/2021 zum Erlass eines neuen Personenstandsgesetzes (PSG) verabschiedet worden. Das neue Gesetz ersetzt das Personenstandsgesetz von 2007. Gegenstand der enthaltenen Neuerungen sind insbesondere die Automatisierung und Informatisierung von Registerprozessen und ihre Vereinfachung; u. a. soll es Erleichterungen bei der Beantragung von Urkunden geben (VfSt 30.3.2021). Bezüglich Heirat, Scheidung, Kinderobsorge und Erbschaft sind Frauen weiterhin im Personenstandsgesetz diskriminiert (HRW 11.1.2024).

Eheschließung

Religionsverschiedenheit ist ein Hindernis für die Eheschließung in Syrien. So ist die Ehe einer muslimischen Frau mit einem nicht-muslimischen Mann nichtig. Eine Ehe zwischen einem muslimischen Mann und einer nicht-muslimischen Frau, sofern diese dem Christentum oder Judentum angehört, ist gültig (MPG 2018, vgl. USDOS 2.6.2022). Inwieweit eine Ehe mit einer Jesidin rechtmäßig ist, ist unklar (MPG 2018). Im Jahr 2019 erfolgten Änderungen. Das Heiratsalter wurde für Männer wie Frauen von 17 auf 18 Jahre erhöht. Der Ehemann und die Ehefrau können nun ihre jeweiligen Bedingungen im Ehevertrag festschreiben, wenn diese weder islamisches noch syrisches Recht verletzen. Sollte islamisches oder syrisches Recht hingegen verletzt sein, werden diese Bedingungen nichtig, aber der Ehevertrag behält seine Gültigkeit (LoC 8.4.2019). Religionsverschiedenheit ist ein Hindernis für die Eheschließung in Syrien. So ist die Ehe einer muslimischen Frau mit einem nicht-muslimischen Mann nichtig. Eine Ehe zwischen einem muslimischen Mann und einer nicht-muslimischen Frau, sofern diese dem Christentum oder Judentum angehört, ist gültig (MPG 2018, vergleiche USDOS 2.6.2022). Inwieweit eine Ehe mit einer Jesidin rechtmäßig ist, ist unklar (MPG 2018). Im Jahr 2019 erfolgten Änderungen. Das Heiratsalter wurde für Männer wie Frauen von 17 auf 18 Jahre erhöht. Der Ehemann und die Ehefrau können nun ihre jeweiligen Bedingungen im Ehevertrag festschreiben, wenn diese weder islamisches noch syrisches Recht verletzen. Sollte islamisches oder syrisches Recht hingegen verletzt sein, werden diese Bedingungen nichtig, aber der Ehevertrag behält seine Gültigkeit (LoC 8.4.2019).

Der Zuständige des Gerichts kann die Ehe im Gericht oder zuhause schließen. Das Brautpaar muss nicht anwesend sein. Die Frau kann auch durch ihren Vormund vertreten werden. Eine Vertretung wird entsprechend in der Eheschließungsurkunde/Heiratsurkunde vermerkt (NMFA 5.2022) [Anm.: zur Praxis von diesbezüglichen Vermerken bei der Bestätigung informeller Heiraten siehe weiter unten.]. Theoretisch braucht eine erwachsene Frau nicht die ausdrückliche Zustimmung ihres Vaters oder Vormunds, um eine traditionelle Ehe eingehen zu können. Auf die Anwesenheit des Vormunds der Frau wird jedoch großer Wert gelegt, weil von ihm erwartet wird, dass er die Interessen der Familie und der Braut schützt (NMFA 6.2021). In den unterschiedlichen Strömungen des islamischen Rechts ist es umstritten, ob eine erwachsene, voll geschäftsfähige Frau ihre Ehe ohne ihren Ehevormund schließen kann. Ein erwachsener Mann kann seine Ehe ohne einen Ehevormund schließen (MPG o.D.a). Stellvertretung bei der Ehe (tawkîl) ist gemäß Art. 8 PSG zulässig und durchaus üblich (ÖB Damaskus 1.10.2021). Der Zuständige des Gerichts kann die Ehe im Gericht oder zuhause schließen. Das Brautpaar muss nicht anwesend sein. Die Frau kann auch durch ihren Vormund vertreten werden. Eine Vertretung wird entsprechend in der Eheschließungsurkunde/Heiratsurkunde vermerkt (NMFA 5.2022) [Anm.: zur Praxis von diesbezüglichen Vermerken bei der Bestätigung informeller Heiraten siehe weiter unten.]. Theoretisch braucht eine erwachsene Frau nicht die ausdrückliche Zustimmung ihres Vaters oder Vormunds, um eine traditionelle Ehe eingehen zu können. Auf die Anwesenheit des Vormunds der Frau wird jedoch großer Wert gelegt, weil von ihm erwartet wird, dass er die Interessen der Familie und der Braut schützt (NMFA 6.2021). In den unterschiedlichen Strömungen des islamischen Rechts ist es umstritten, ob eine erwachsene, voll geschäftsfähige Frau ihre Ehe ohne ihren Ehevormund schließen kann. Ein erwachsener Mann kann seine Ehe ohne einen Ehevormund schließen (MPG o.D.a). Stellvertretung bei der Ehe (tawkîl) ist gemäß Artikel 8, PSG zulässig und durchaus üblich (ÖB Damaskus 1.10.2021).

Die Mitwirkung des Staates ist für die Wirksamkeit der Eheschließung nicht erforderlich. Vielmehr stellen die Eheschließung an sich und die Mitteilung bzw. Registrierung der Eheschließung bei Gericht oder einer anderen Behörde getrennte Vorgänge dar. Die Registrierung ist verpflichtend und kann entweder vor oder nach der Eheschließung erfolgen (MPG o.D.a). Das Scharia-Gericht (oder religiöse Behörde) meldet die geschlossenen gesetzlichen Heiraten dem Zivilregister (NMFA 5.2022).

Paare, bei denen ein Partner ausländischer Staatsbürger ist, benötigen eine Genehmigung des Innenministeriums, denn dies gilt als Frage der nationalen Sicherheit (SLJ 3.10.2019).

Eine informelle Heirat mit Bezeichnungen wie sheikh, ‘urfi und katb al-kitab (NMFA 5.2022) - auch unter der Bezeichnung „traditionelle Ehe“ (SLJ 3.10.2019) - ist eine islamische Heirat, die ohne die Involvierung einer kompetenten Autorität geschlossen wird (NMFA 5.2022). Gründe für eine traditionelle Ehe können sein, dass das Paar unterschiedlichen islamischen Konfessionen angehört, dass es gegen die Wünsche der Familie heiratet, oder es sich um eine polygame Ehe handelt (mit oder ohne Wissen der ersten Ehefrau), die grundsätzlich im syrischen Personenstandsrecht erlaubt, jedoch strukturell beschränkt ist. Ein Mann kann einer solchen Ehe auch zustimmen, um dem unehelichen Kind seiner Frau einen Vater und somit einen Familiennamen zu geben (Eijk 2013). Ein Richter kann weiterhin eine informelle Heirat ratifizieren, wenn die Bedingungen im ersten Absatz (des Gesetzes) nicht gegeben sind. Das kann auch als Möglichkeit für die Heirat von Minderjährigen genutzt werden, ohne das eine Dispens durch den Richter nötig ist (NMFA 5.2022).

Ein weiterer Grund für informelle Heiraten ist, dass Männer, die in der Armee [Anm.: je nach Zeitpunkt vor oder nach der Gesetzesänderung 2019 nur Berufssoldaten oder auch andere - siehe auch weiter unten] dienen, eine Genehmigung der Armee für eine Eheschließung benötigen (Eijk 2013). Männer müssen nämlich sonst Dokumente vorlegen, welche belegen, dass ihre militärdienstlichen Verpflichtungen erfüllt sind (STJ 3.10.2019). Im Jahr 2019 benötigte z. B. jeder in der Altersgruppe zwischen 18 und 42 Jahren die Erlaubnis seiner Militäreinheit für eine Heirat. Viele Männer, egal ob Wehrdienstpflichtige oder Deserteure schlossen daher informelle Ehen, welche sie dann bei einem Scharia-Gericht ratifizieren ließen. Letzteres soll ohne Erlaubnis des Militärs möglich gewesen sein, wenn die Frau schwanger war oder schon ein Kind geboren hatte. Mit mehreren Änderungen im Personenstandsgesetz im Jahr 2019, Artikel 40, Absatz 1, benötigen nur Berufssoldaten eine Erlaubnis zur Heirat. Ob ein Deserteur seine informelle Heirat durch ein Scharia-Gericht bestätigen lassen kann, das beim Zivilregister registriert ist, hängt hauptsächlich davon ab, ob diese informelle Heirat bestätigt wird (NMFA 5.2022).

Da eine Ehe auch formlos zustande kommen kann, gibt es oft keine vorherige Anzeige der Eheabsicht bei Gericht. Zudem können die Brautleute in vielen Fällen die erforderlichen Dokumente nicht beibringen. Der Bedarf, die informell geschlossene Ehe zu registrieren, entsteht immer dann, wenn für ein Kind aus dieser Ehe Dokumente (z. B. eine Geburtsurkunde oder die Staatsbürgerschaftsurkunde) ausgestellt werden sollen. Das Gesetz bestimmt, dass eine Registrierung der bereits geschlossenen Ehe im Nachhinein erfolgen darf, wenn festgelegte Anforderungen erfüllt sind. Im Fall einer Schwangerschaft der Ehefrau oder des Vorhandenseins von Kindern aus dieser Ehe ist diese leichter nachweisbar. Können bestimmte Unterlagen zur Gültigkeit der außergerichtlichen Eheschließung nicht vorgelegt werden, besteht die Möglichkeit, eine einvernehmliche Feststellungsklage über das Bestehen der Ehe zu erheben. Bei der Feststellungsklage werden lediglich Tatsachen festgehalten, die von den Parteien selbst vorgebracht werden. Das Gericht überprüft die vorgebrachten Behauptungen nicht (MPG o.D.a).

Scharia-Gerichte können diese informellen Ehen ratifizieren, wobei die Bestätigung in schriftlicher Form erfolgt, aber die Dokumente werden inhaltlich wie formal je nach Gericht unterschiedlich nach Gutdünken der Richter ausgestellt. Zum Beispiel ist die Anwesenheit des Brautpaars oder seiner Repräsentanten nicht zwingend im Dokument erwähnt. Es wird auch nicht immer explizit erwähnt, ob ein Gatte oder eine Gattin durch eine andere Person vertreten wurde (NMFA 5.2022).

Das Datum der Eheschließung wird bei einer nachträglichen Registrierung vom Gericht bestimmt. Wenn das Gericht die traditionelle Eheschließung als gültig anerkennt, ist das Datum der traditionellen Eheschließung das Datum der Eheschließung, nicht das Datum der Registrierung. Da es auch möglich ist, Kinder ex post facto zu registrieren (oftmals gleichzeitig mit der Registrierung der Ehe), und Kinder im Kontext einer Ehe geboren werden sollten, sollte das Hochzeitsdatum hierbei jedenfalls vor dem Geburtsdatum der Kinder liegen. Daher würde es laut der Einschätzung einer Expertin für syrisches Ehe- und Familienrecht Sinn machen, dass das Gericht das Datum der traditionellen Eheschließung als das „echte Hochzeitsdatum“ festlegt (Eijk 4.1.2018).

Ein Gerichtsbeschluss wird besonders in Fällen gewählt, in denen ein Gatte verstorben, verschwunden, die Adresse unbekannt ist, nicht im Gericht erscheinen kann oder sich weigert, seine informelle Heirat zu bestätigen oder zu registrieren. Der Weg kann auch gewählt werden, wenn beide Gatten nicht vor Gericht erscheinen können. Ein Anwalt initiiert als Vertreter einer der beiden Eheleute das Verfahren zur Ratifizierung der außergerichtlichen Heirat. Dieses Verfahren war weit verbreitet, als die Genehmigung des Registrierungsbüros für den Militärdienst von Nöten war, und der Gatte nicht im Gericht erscheinen konnte (NMFA 6.2021).

In Bezug auf christliche Ehen werden vom Staat Ehen, die in einer Kirche geschlossen werden, als gültige Ehen anerkannt. Nach der Zeremonie sendet die Kirche die Unterlagen an das Zivilregisterbüro (Ejk 2013).

Kinderehe und Zwangsehe

Frühe und Zwangsehen sind ein Problem in Syrien. Besonders vertriebene Familien verheiraten ihre jungen Töchter als wahrgenommene Absicherung gegen sexuelle Gewalt oder aufgrund wirtschaftlichen Drucks (FH 9.3.2023).

Nach Gesetzesänderungen liegt mittlerweile das Ehemündigkeitsalter für Männer und Frauen bei 18 Jahren (SLJ 3.10.2019, vgl. OSS 18.1.2023) [Anm.: bzgl. eines möglichen Schlupfloches siehe auch obigen Abschnitt]. Einige Ausnahmen erlauben Richtern, die Autorisierung und Registrierung von Heiraten ab dem Alter von 15 Jahren, wenn ein Zusammenleben und eine Schwangerschaft oder sexuelle Beziehungen stattgefunden haben. Diese Ausnahmen werden frei angewendet, auch wenn sie oft auf falschen Berichten beruhen (SJAC 7.10.2021). Wenn Minderjährige mit einer Dispens des Richters eines Familiengerichts heiraten, wird die Dispens in einem Zug mit der Eheschließung erteilt. Es ist nicht bekannt, in welchem Ausmaß die Dispens im Ehevertrag erwähnt wird (NMFA 5.2022).Nach Gesetzesänderungen liegt mittlerweile das Ehemündigkeitsalter für Männer und Frauen bei 18 Jahren (SLJ 3.10.2019, vergleiche OSS 18.1.2023) [Anm.: bzgl. eines möglichen Schlupfloches siehe auch obigen Abschnitt]. Einige Ausnahmen erlauben Richtern, die Autorisierung und Registrierung von Heiraten ab dem Alter von 15 Jahren, wenn ein Zusammenleben und eine Schwangerschaft oder sexuelle Beziehungen stattgefunden haben. Diese Ausnahmen werden frei angewendet, auch wenn sie oft auf falschen Berichten beruhen (SJAC 7.10.2021). Wenn Minderjährige mit einer Dispens des Richters eines Familiengerichts heiraten, wird die Dispens in einem Zug mit der Eheschließung erteilt. Es ist nicht bekannt, in welchem Ausmaß die Dispens im Ehevertrag erwähnt wird (NMFA 5.2022).

Die meisten Ehen von Minderjährigen werden jedoch außerhalb der Scharia-Gerichte geschlossen, und dann von den Scharia-Gerichten nach den gesetzlichen Bestätigungsverfahren und der Bezahlung der Geldbuße ratifiziert. Andere Strafen wie etwa eine Haft werden selten angewendet. Ein Antrag auf Ratifizierung stellt oft das Gericht vor vollendete Tatsachen, z. B. wenn die Frau bereits schwanger ist oder bereits Kinder aus der Ehe hervorgegangen sind oder die Ehe nicht angefochten wird (NMFA 6.2021).

Außerdem hat eine Frau das Recht, eine von ihrem Vormund auferlegte Ehe ohne ihre ausdrückliche Zustimmung für ungültig zu erklären. Ebenso sehen die neuen Änderungen vor, dass Frauen das Recht haben, ohne die Zustimmung ihres Vormunds zu heiraten, wenn sie 18 Jahre alt sind (LoC 8.4.2019).

Scheidung

Das syrische Personenstandsrecht erkennt auf Basis des islamischen Rechts drei Arten der Scheidung an: die einseitige Scheidung oder Verstoßung durch den Ehemann ("talaq"), die Scheidung mit gegenseitigem Einverständnis (mukhala‘a) und die gerichtliche Scheidung ("tafriq") (Eijk 2013). Das Scheidungsrecht steht grundsätzlich dem Ehemann zu und dieser kann ohne Angabe von Gründen die Scheidung verlangen, bzw. seine Frau verstoßen (MPG o.D.a). Die einseitige Verstoßung der Ehefrau durch den Ehemann gilt als die gängige Version der Scheidung, wobei der Ehemann die Scheidung verbal oder schriftlich aussprechen kann. Die Scheidung kann vor einem Richter oder außergerichtlich ausgesprochen und im Nachhinein beim Gericht registriert werden. Diese relativ verbreitete Art der Scheidung führt jedoch zu Fällen, in denen Frauen das Gericht aufsuchen müssen, um zu erfahren, ob sich ihre Ehemänner von ihnen scheiden haben lassen. In einer Wartezeit von etwa drei Monaten kann der Ehemann seine Frau noch zurücknehmen (Eijk 2013). Ist die Ehe zwischen denselben Personen dreimal durch Verstoßung aufgelöst worden, wie es bei "talaq" notwendig ist, entsteht ein Eheverbot zwischen den Geschiedenen. Eine Wiederheirat zwischen diesen Personen ist nur dann möglich, wenn die Ehefrau zuerst einen anderen Mann ehelicht und sich von diesem wieder scheiden lässt (MPG o.D.a).

Die Scheidung in gegenseitigem Einverständnis wird häufig von der Frau initiiert. Sie beinhaltet oftmals eine Vereinbarung, laut welcher der Ehemann sein Einverständnis für die Scheidung gibt, und die Ehefrau im Gegenzug teilweise oder gänzlich auf Unterhalt verzichtet. Der entsprechende Vertrag kann bei Gericht oder außerhalb des Gerichtes geschlossen und ex post facto registriert werden. Jedenfalls muss die Ehefrau bei Gericht erscheinen und ihren Verzicht auf Unterhalt bekannt geben (Eijk 2013). Frauen verzichten mitunter somit für die Einwilligung ihres Ehemannes in die Scheidung auf ihren Anspruch auf Unterhalt (USDOS 2.6.2022). Eine Frau kann aus bestimmten festgelegten Gründen auch eine gerichtliche Scheidung beantragen. So gibt es die Scheidung aufgrund von Krankheit oder Mangel („defect“) des Ehemannes, Abwesenheit oder Verschwinden des Ehemannes, Unterlassen der Unterhaltszahlungen durch den Ehemann oder aufgrund von Eheproblemen. Bei dieser Art der Scheidung müssen jedoch bestimmte Beweise vorgelegt werden. Wenn beispielsweise eine Ehefrau aufgrund der Abwesenheit ihres Ehemannes die Scheidung einreichen will, muss sie diesbezüglich zweimal in drei verschiedenen nationalen Zeitungen eine Anzeige aufgeben, was kostspielig ist (Eijk 2013). Es ist auch möglich ehevertragliche Vereinbarungen vor der Ehe zu treffen, aus deren Verletzung sich für die Frau ein Scheidungsrecht ergibt. Dabei kann der zukünftige Ehemann auch im Vertrag selbst der Frau eine Vollmacht zur Scheidung erteilen (MPG o.D.a).

Die gestiegene Zahl an Scheidungen ist teilweise darauf zurückzuführen, dass viele Frauen ihre Ehemänner während des Kriegs verloren haben, ohne deren Schicksal zu kennen, sodass sie die Scheidung auf Basis der Abwesenheit der Ehemänner einreichten. Eine vermisste Person kann nach vier Jahren unter verschiedenen Bedingungen für tot erklärt werden (SLJ 3.10.2019).

Laut christlichem Familienrecht ist die Ehe ein Sakrament, und es ist daher sehr schwierig, sich scheiden zu lassen (Eijk 2013). In manchen Fällen ist eine Scheidung nach dem jeweiligen Kirchenrecht gar nicht möglich (FH 9.3.2023). Die katholische Kirche erkennt z. B. Scheidung nicht an, lediglich die Annullierung ist unter bestimmten Bedingungen möglich. Dies führt teilweise zu drastischen Maßnahmen wie einer Konversion zum Islam eines Ehepartners, um eine Scheidung zu erwirken (Eijk 2013).

Anerkennung von Kindern, Vormundschaft, Sorgerecht und Staatsbürgerschaft

Das in wirksamer Ehe geborene Kind gilt als vom Ehemann abstammend, wenn seit der Eheschließung die Mindestdauer einer Schwangerschaft verstrichen ist, und der körperliche Kontakt der Ehegatten nicht unmöglich gewesen ist, also wenn nicht etwa einer der Ehepartner über die Dauer der Schwangerschaft hinaus abwesend war (z. B. Gefängnis). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so gilt das Kind als vom Ehemann abstammend, wenn er das Kind anerkennt oder seine Vaterschaft gerichtlich geltend macht (MPG o.D.b).

Das islamische Recht sieht zwei Konzepte des Sorgerechtes für Kinder vor: Erstens die Vormundschaft (wil?ya), welche immer der Vater, bzw. dessen Seite der Familie (Großvater des Kindes) innehat, und zweitens die physische Obsorge, welche bei der Mutter, bzw. prioritär bei ihrer Seite der Familie (Großmutter des Kindes), liegt. Für die Obsorge steht eine Vergütung durch den Vormund zu, abhängig von dessen finanziellen Verhältnissen (MPG o.D.b). Mit Vollendung des 15. Lebensjahres erlischt bei Mädchen und mit 13 Jahren bei Buben das Recht auf Personenobsorge mütterlicherseits. Im Falle einer Scheidung kann die Mutter die physische Obsorge über die Kinder bis zu dieser Altersgrenze erhalten (USDOS 2.6.2022), wobei die Altersgrenze hierbei von der Konfession abhängt (STDOK 8.2017). Die Gesetze bezüglich Vormundschaft (wil?ya) sind laut syrischem Personenstandsrecht für alle Religionen/Konfessionen anzuwenden. Zur Obsorge (?a??na) verfügen jedoch die jüdischen und christlichen Gemeinden über eigene Regelungen (Eijk 2013).

Frauen können das Obsorgerecht auch verlieren. Etwa wenn die Mutter Christin, der Vater aber Muslim ist, könnte der Vater im Falle einer Scheidung argumentieren, dass die Mutter die Kinder nicht richtig erziehen kann (STDOK 8.2017). Es gibt auch Fälle, in denen christliche Männer zum Islam konvertiert sind und vor Scharia-Gerichten das volle Sorgerecht, also Obsorge und Vormundschaft, für ihre Kinder eingefordert haben (Eijk 2013). Geht die Mutter eine neue Ehe ein, verliert sie ebenfalls das Recht auf Obsorge (MPG o.D.b). Selbst wenn die Mutter die Obsorge innehat, besitzt der Vater stets die Vormundschaft über die Kinder und somit Entscheidungsgewalt über ihre Ausbildung oder die Reisebewegungen der Kinder. Minderjährige Kinder können nicht ohne schriftliche Genehmigung ihres Vaters ins Ausland reisen, selbst wenn sie sich in Begleitung ihrer Mutter befinden. Auch nach dem Tod des Vaters geht die Vormundschaft nicht auf die Mutter, sondern auf die Familie des Vaters über. Kinder können so als Druckmittel benutzt werden, um die Frau dazu zu bringen, sich nicht scheiden zu lassen oder auf Unterhaltszahlungen zu verzichten. Im Falle einer Scheidung zeigen die Gerichtsdokumente der Scheidungsverhandlung, wem das Obsorgerecht zugesprochen wurde. Ein gesondertes Dokument über den Zuspruch der Obsorge ist nicht bekannt (STDOK 8.2017).

Das Gesetz erlaubt die Weitergabe der Staatsbürgerschaft durch die Mutter nur, wenn das Kind in Syrien geboren wurde, und der Vater „unbekannt“ ist. In der Praxis wird betroffenen Kindern die Staatsbürgerschaft jedoch nicht immer zuerkannt (STDOK 8.2017 - Anm.: zur Lage von Kindern ohne Registrierung oder registrierte Vaterschaft siehe auch weiter unten). Wenn ein Kind im Ausland geboren wurde, kann es die syrische Staatsbürgerschaft nur erlangen, wenn der Vater syrischer Staatsbürger ist. Die Mutter kann ihre syrische Staatsbürgerschaft nicht an ein im Ausland geborenes Kind weitergeben (USDOS 20.3.2023).Das Gesetz erlaubt die Weitergabe der Staatsbürgerschaft durch die Mutter nur, wenn das Kind in Syrien geboren wurde, und der Vater „unbekannt“ ist. In der Praxis wird betroffenen Kindern die Staatsbürgerschaft jedoch nicht immer zuerkannt (STDOK 8.2017 - Anmerkung, zur Lage von Kindern ohne Registrierung oder registrierte Vaterschaft siehe auch weiter unten). Wenn ein Kind im Ausland geboren wurde, kann es die syrische Staatsbürgerschaft nur erlangen, wenn der Vater syrischer Staatsbürger ist. Die Mutter kann ihre syrische Staatsbürgerschaft nicht an ein im Ausland geborenes Kind weitergeben (USDOS 20.3.2023).

Wenn eine Geburt nicht registriert wird, führt dies für das Kind zu bestimmten Einschränkungen im Zugang zu Leistungen, wie Abschlusszeugnissen, Zugang zu Universitäten, Zugang zu formaler Beschäftigung oder Dokumenten (STDOK 8.2017). Die Zahl unregistrierter Kinder oder Kinder ohne dokumentierte Vaterschaft, bzw. unbekannte Vaterschaft, stieg vor allem aufgrund illegaler/informeller Trauungen, des Verlustes von Identitätsdokumenten (besonders bei der Flucht oder Vertreibung, gegebenenfalls auch durch den Tod des Kindsvaters), mangelnden Zugangs zu Regierungsbehörden zwecks Beantragung von Dokumenten oder auch z. B. durch falsche Identitäten bei ausländischen Kämpfern. 70 % der befragten IDPs in einer Umfrage des Norwegian Refugee Council fehlten wichtige Identitätsdokumente (Fanack 27.5.2022).

Heiratsdokumente

Ein "bay?n zaw?j" ist ein Auszug aus einer Heiratsurkunde und enthält eine Reihe von Feldern oder Abschnitten. Die "raqm al-wath?qa" (Dokumentennummer) ist eine codierte Nummer, die sich auf die Provinz, das zuständige Standesamt und die Seriennummer des Dokuments bezieht. Die Dokumentennummer ist die Nummer des Heiratsdokuments und wird vom Scharia-Gericht oder im Falle von Christen oder Drusen von einem anderen Familiengericht vergeben. Die "raqm al-w?qi?a" (Vorgangsnummer) bezieht sich auf die Nummer des registrierten Vorfalls (wie Geburt, Tod, Heirat, Scheidung und damit zusammenhängende Vorfälle) und den Ort, an dem der Vorfall registriert wurde. Die Vorgangsnummer wird von den Standesämtern vergeben. Das "t?r?? al-?aqd" (wörtlich "das Datum des Vertrags") bezieht sich auf das Datum der Eheschließung - entweder das Datum, an dem die Ehe vor einem oder durch einen Eheschließungsbeamten des Gerichts geschlossen wurde, oder das Datum der Eheschließung, das durch die rückwirkende Ratifizierung einer traditionellen Ehe durch das Gericht bestimmt wurde. Im Falle einer rückwirkenden Ratifizierung einer traditionellen oder "Urfi-Ehe" entspricht dieses Datum - wenn es korrekt ist, wie die Quelle hinzufügt - dem Datum der Eheschließung, das in der Gerichtsentscheidung zu finden ist (NMFA 6.2021).

Der Heiratsurkunde/Eheschließungsurkunde (sakk zawaj) beinhaltet drei Zahlen auf der oberen linken Seite: as-sahifa (Seitenzahl), al-asas (Laufnummer) und as-sidjil (Registrierungsbuchnummer des Zivilregisterarchivs). Kopien der Heiratsurkunde ergehen an das jeweilige Zivilregisterbüro der Eheleute, sodass ihre Ehe dort als registriert aufscheint. Das kann mehrere Tage dauern. Manche Paare bringen lieber selbst die Kopien zu den Registrierungsbüros, um das Prozedere zu beschleunigen, bzw. als Vorsichtsmaßnahme (NMFA 5.2022).

Im Fall einer nachträglichen Ratifizierung einer informellen Heirat kann in der Zwischenzeit eine Schwangerschaft vorliegen, was der Richter bei der Ratifizierung vermerken kann, was aber kein Standardvorgehen darstellt (NMFA 5.2022).

Außerhalb der regimekontrollierten Gebiete

Der militärische und politische Zerfall Syriens hat auch Auswirkungen auf das Familienrecht, weil die einzelnen politischen Gruppen in ihren Herrschaftszonen zum Teil eigene Normensysteme gebildet haben und anwenden (MPG 2018).

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung 2024-03-12 16:09

Neben der Gefährdung durch militärische Entwicklungen, Landminen und explosive Munitionsreste, welche immer wieder zivile Opfer fordern, bleibt auch die allgemeine Menschenrechtslage in Syrien äußerst besorgniserregend (AA 2.2.2024).Von allen Akteuren agiert das Regime am meisten mit gewaltsamer Repression und die PYD am wenigsten - autoritär sind alle Machthaber nach Einschätzung der Bertelsmann-Stiftung (BS 23.2.2022). Die im August 2011 vom UN-Menschenrechtsrat eingerichtete internationale unabhängige Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Syrien (Commission of Inquiry, CoI) benennt in ihrem am 13.9.2023 veröffentlichten Bericht (Berichtszeitraum Januar bis Juni 2023) zum wiederholten Male teils schwerste Menschenrechtsverletzungen, identifiziert Trends und belegt diese durch die Dokumentation von Einzelfällen. Nach Einschätzung der CoI dürfte es im Berichtszeitraum in Syrien weiterhin zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gekommen sein. Dazu gehörten u. a. gezielte und wahllose Angriffe auf Zivilisten und zivile Ziele (z. B. durch Artilleriebeschuss und Luftschläge) sowie Folter. Darüber hinaus seien willkürliche und ungesetzliche Inhaftierungen, „Verschwindenlassen“, sexualisierte Gewalt sowie willkürliche Eingriffe in die Eigentumsrechte, unter anderem von Geflüchteten, dokumentiert. Obwohl die UN-Kommission die Verantwortung in absoluten Zahlen betrachtet für die große Mehrzahl der Menschenrechtsverletzungen bei Kräften der syrischen Regierung und ihrer Verbündeten sieht, wurden erneut für alle Konfliktparteien und alle Regionen des Landes Menschenrechtsverstöße dokumentiert (AA 2.2.2024).

Regierungsgebiete

Die CoI geht davon, dass die syrische Regierung weiterhin Morde, Folter und Misshandlungen begeht, die sich gegen Personen in Haft richten, darunter auch Praktiken, welche zum Tod in der Haft führen. Hinzukommen willkürliche Haft und Verschwindenlassen. Die UN-Kommission sieht hierin ein Muster von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Im Berichtszeitraum wurden auch Fälle umfassender Verletzungen von Prozessrechten und des Rechts auf ein faires Verfahren im syrischen Justizstrafsystem dokumentiert (UNCOI 7.2.2023). Nach Einschätzung der UN-Kommission liegt die Verantwortung für die - in absoluten Zahlen betrachtet - große Mehrzahl der Menschenrechtsverletzungen bei Kräften des syrischen Regimes und seinen Verbündeten. Darüber hinaus verweist die CoI auf massive Behinderungen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, sowohl durch die Verweigerung des Zugangs nach Syrien als auch durch erhebliche Sicherheitsbedenken für die zu Befragenden. In ihrem Bericht von September 2022 vermerkte die CoI eine Verschärfung des staatlichen Vorgehens gegen die Zivilgesellschaft. Herauszuheben sind ein im April 2022 verabschiedetes Gesetz gegen Cyberkriminalität, welches für regierungs- und verfassungskritische Äußerungen im Internet Haftstrafen von sieben bis 15 Jahren vorsieht und welches laut dem jüngsten Bericht der CoI vom August 2023 weiter zur Anwendung kommt (AA 2.2.2024). Mit dem Regime verbündete paramilitärische Gruppen begehen Berichten zufolge häufig Menschenrechtsverletzungen, darunter Massaker, willkürliches Töten, Entführungen von Zivilisten, sexuelle Gewalt und ungesetzliche Haft. Alliierte Milizen des Regimes, darunter die Hizbollah, führen etwa zahlreiche Angriffe aus, die Zivilisten töten (USDOS 20.3.2023).

Personen, welche glaubwürdig in Gewaltverbrechen involviert sind, Organisationen innerhalb oder verbunden mit der syrischen Regierung sowie auch der sogenannte Islamische Staat unterliegen weiterhin Sanktionen durch die Vereinigten Staaten, die Europäische Union und Großbritannien (HRW 11.1.2024). Die syrische Regierung nutzt die Erdbebenkatastrophe unterdessen, um für ein Ende westlicher Sanktionen zu werben (BAMF 13.2.2023). Die umfassenden Sanktionen gegen Syriens Machthaber, Unternehmer und Institutionen haben bislang nicht dazu geführt, dass Verhaltensänderungen eingetreten, politische Zugeständnisse erfolgt oder Menschenrechtsverletzungen abgestellt worden wären (SWP 4.2020). [Zu den Aus- und Nebenwirkungen der breiter gefassten Sanktionen auf die syrische Wirtschaft siehe Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft].

Die Verfassung bestimmt die Ba'ath-Partei als die herrschende Partei und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden wie den Arbeiter- und Frauenorganisationen hat. Die Ba'ath-Partei und neun kleinere Parteien in ihrem Gefolge bilden die Koalition der Nationalprogressiven Front, welche den Volksrat (das Parlament) dominiert. Die Wahlen 2020 wurden international nicht anerkannt und inmitten einer repressiven Ausgangslage und von Anschuldigungen von Wahlbetrug weder als fair noch frei eingestuft. Das Gesetz erlaubt die Bildung anderer politischer Parteien, jedoch nicht auf Basis von Religion, Stammeszugehörigkeit oder regionalen Interessen. Die Regierung zeigt wenig Toleranz gegenüber anderen politischen Parteien - auch jenen, die mit der Ba'ath-Partei in der Nationalprogressiven Front verbündet sind. Parteien wie die Communist Union Movement, die Communist Action Party und die Arab Social Union werden schikaniert. Die Polizei verhaftete Mitglieder der verbotenen islamistischen Parteien einschließlich der Hizb ut-Tahrir und der syrischen Muslimbruderschaft (USDOS 20.3.2023). - Siehe auch Kapitel Politische Lage und zur Muslimbruderschaft siehe Kapitel Todesstrafe und außergerichtliche Tötungen).

Die systematische Verfolgung von Oppositionsgruppen und anderen regimekritischen/-feindlichen Akteuren dauert unverändert an. Der Einsatz für eine Abschaffung des von Staatspräsident Assad geführten Baath-Regimes und die Neuordnung Syriens nach demokratischen, pluralistischen und rechtsstaatlichen Prinzipien werden vom Regime regelmäßig als „terroristische Aktivitäten“, „Verschwörung gegen den Staat“, „Hochverrat“ oder ähnlich gravierende Verbrechen behandelt und entsprechend geahndet. In der Anwendungspraxis der regimekontrollierten syrischen Justiz reicht der Verdacht hierauf aus, um willkürlich vor Militärgerichtshöfen oder gesonderten Gerichtshöfen der Anti-Terror-Gesetzgebung von 2012 verfolgt zu werden, in denen im Grunde keinerlei Rahmenbedingungen eines fairen Rechtsverfahrens bestehen. Die Anti-Terror-Gesetze werden unverändert auch dazu missbraucht, gegen in Syrien und im Ausland lebende Regimegegner und -gegnerinnen ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand und auch in Abwesenheit höchste Strafen zu verhängen (AA 2.2.2024). Gesetze, welche die Mitgliedschaft in illegalen Organisationen verbieten, wurden auch verwendet, um Personen mit Verbindungen zu lokalen Menschenrechtsorganisationen, pro-demokratischen Studentenvereinigungen und anderer Organisationen zu verhaften, welche als Unterstützer der Opposition wahrgenommen werden - einschließlich humanit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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