Entscheidungsdatum
25.07.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W278 2284862-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dominik HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. XXXX , vertreten durch die BBU, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dominik HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. römisch 40 , vertreten durch die BBU, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am römisch 40 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Syriens, reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. 1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Syriens, reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am römisch 40 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am XXXX fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Befragt, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, gab der Beschwerdeführer an, ihm drohe die Einberufung durch das syrische Militär oder die kurdische Armee. Er möchte weder töten noch getötet werden.2. Am römisch 40 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Befragt, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, gab der Beschwerdeführer an, ihm drohe die Einberufung durch das syrische Militär oder die kurdische Armee. Er möchte weder töten noch getötet werden.
3. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, Syrien verlassen zu haben, da er weder töten noch getötet werden möchte. Er könne nicht nach Syrien zurückkehren, da er sonst den Militärdienst leisten müsse.3. Am römisch 40 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, Syrien verlassen zu haben, da er weder töten noch getötet werden möchte. Er könne nicht nach Syrien zurückkehren, da er sonst den Militärdienst leisten müsse.
Im Zuge seiner Einvernahme vor dem BFA legte der Beschwerdeführer eine Kopie des Personenstandsregisterauszuges sowie eine Anmeldebestätigung zum Deutschkurs A1.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom römisch 40 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.). Zugleich wurde ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
5. Das BFA traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identität des Beschwerdeführers nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität aus einem Konventionsgrund glaubhaft zu machen.
6. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Syrien vom syrischen Regime als auch von kurdischen Streitkräften inhaftiert würde. Er habe bereits in seinem Herkunftsort XXXX , im Gouvernement Deir ez Zor, als Kind an Demonstrationen gegen die syrische Regierung teilgenommen und habe auch an einer Demonstration in Österreich teilgenommen, wonach ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde. Weiters werde vorgebracht, dass sich der Heimatort des Beschwerdeführers zwar unter Kontrolle der kurdischen Milizen befinde, jedoch liege das syrische Regime in unmittelbarer Nähe und es bestehe die Gefahr, dass die Herkunftsregion des Beschwerdeführers „in die Hände der syrischen Regierung“ falle. Dem Beschwerdeführer drohe die Einberufung zum syrischen Militärdienst sowie eine Einberufung durch die kurdischen Milizen. Auch bei einem Freikauf bestehe die Gefahr einer Einberufung. Außerdem werde das Geld für die Unterstützung des Regimes verwendet, was der Beschwerdeführer ablehne, wonach ihm eine Zahlung der Befreiungsgebühr nicht zumutbar sei und ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellt würde. Darüber hinaus könne der Beschwerdeführer nur über vom syrischen Regime kontrollierte Grenzübergänge legal nach Syrien einreisen. Dort bestehe die Gefahr, an den Grenzkontrollstellen verhaftet und zum Militärdienst eingezogen zu werden.6. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Syrien vom syrischen Regime als auch von kurdischen Streitkräften inhaftiert würde. Er habe bereits in seinem Herkunftsort römisch 40 , im Gouvernement Deir ez Zor, als Kind an Demonstrationen gegen die syrische Regierung teilgenommen und habe auch an einer Demonstration in Österreich teilgenommen, wonach ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde. Weiters werde vorgebracht, dass sich der Heimatort des Beschwerdeführers zwar unter Kontrolle der kurdischen Milizen befinde, jedoch liege das syrische Regime in unmittelbarer Nähe und es bestehe die Gefahr, dass die Herkunftsregion des Beschwerdeführers „in die Hände der syrischen Regierung“ falle. Dem Beschwerdeführer drohe die Einberufung zum syrischen Militärdienst sowie eine Einberufung durch die kurdischen Milizen. Auch bei einem Freikauf bestehe die Gefahr einer Einberufung. Außerdem werde das Geld für die Unterstützung des Regimes verwendet, was der Beschwerdeführer ablehne, wonach ihm eine Zahlung der Befreiungsgebühr nicht zumutbar sei und ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellt würde. Darüber hinaus könne der Beschwerdeführer nur über vom syrischen Regime kontrollierte Grenzübergänge legal nach Syrien einreisen. Dort bestehe die Gefahr, an den Grenzkontrollstellen verhaftet und zum Militärdienst eingezogen zu werden.
7. Mit Schreiben vom 05.07.2024 brachte die bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme ein. Der Stellungnahme legte der Beschwerdeführer drei Screenshots von XXXX Posts sowie ein Bild, zeigend ihn mit einer Fahne, bei.7. Mit Schreiben vom 05.07.2024 brachte die bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme ein. Der Stellungnahme legte der Beschwerdeführer drei Screenshots von römisch 40 Posts sowie ein Bild, zeigend ihn mit einer Fahne, bei.
8. Das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) führte am XXXX eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertretung sowie ein Dolmetscher für die Sprache Arabisch teilnahmen. Das BFA hat im Vorfeld schriftlich mitgeteilt, auf die Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten. 8. Das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) führte am römisch 40 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertretung sowie ein Dolmetscher für die Sprache Arabisch teilnahmen. Das BFA hat im Vorfeld schriftlich mitgeteilt, auf die Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten.
Im Zuge der Verhandlung wurde der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen befragt und es wurden ihm die im Verfahren herangezogenen Berichte zur Beurteilung der Lage in seinem Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer führte zusammengefasst aus, er habe Syrien aufgrund der Sicherheitslage verlassen. Die Kurden hätten Männer zwischen 18 und 26 Jahren rekrutiert und der er könnte von den Kurden festgenommen und zwangsrekrutiert werden. Auch befinde er sich im Alter des verpflichtenden Militärdienstes beim syrischen Regime, wonach sein Leben in Gefahr wäre.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den im Erkenntniskopf genannten Namen und das dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Seine Muttersprache ist Arabisch, welche er in Wort und Schrift beherrscht.
Der Beschwerdeführer stammt aus dem im Gouvernement Deir ez Zor gelegenen Dorf XXXX , wo er sechs Jahre die Schule besuchte, jedoch keinen Abschluss erlangte. Der Herkunftsort des Beschwerdeführers steht im Entscheidungszeitpunkt unter Kontrolle der kurdisch geführten SDF (Syrian Democratic Forces – Syrische Demokratische Kräfte der selbsternannten Selbstverwaltungsregion, auch Autonomous Administration of North and East Syria – AANES).Der Beschwerdeführer stammt aus dem im Gouvernement Deir ez Zor gelegenen Dorf römisch 40 , wo er sechs Jahre die Schule besuchte, jedoch keinen Abschluss erlangte. Der Herkunftsort des Beschwerdeführers steht im Entscheidungszeitpunkt unter Kontrolle der kurdisch geführten SDF (Syrian Democratic Forces – Syrische Demokratische Kräfte der selbsternannten Selbstverwaltungsregion, auch Autonomous Administration of North and East Syria – AANES).
Im AANES Gebiet kann es zwar in den Städten Al Hassakah und Qamishli, in sogenannten „Sicherheitsquadraten“, eine Präsenz der syrischen Regierung geben, doch stammt der Beschwerdeführer aus einem Ort, der sich nicht in der Nähe solcher befindet.
Die Eltern und die jüngeren Geschwister des Beschwerdeführers befinden sich weiterhin in Syrien. Drei Brüder des Beschwerdeführers leben in Deutschland und ein weiterer Bruder in Österreich. Seine Familie besitzt in Syrien landwirtschaftliche Grundstücke und zudem erhält die Familie in Syrien finanzielle Unterstützung von den drei Brüder aus Deutschland.
Der Beschwerdeführer pflegt regelmäßig den Kontakt zu seinen Familienangehörigen.
Im Jahr 2015 reiste der damals zwölfjährige Beschwerdeführer aus Syrien in die Türkei aus. Dort hielt er sich etwa acht Jahre auf, bis er schließlich über mehrere Länder unrechtmäßig nach Österreich einreiste und am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Im Jahr 2015 reiste der damals zwölfjährige Beschwerdeführer aus Syrien in die Türkei aus. Dort hielt er sich etwa acht Jahre auf, bis er schließlich über mehrere Länder unrechtmäßig nach Österreich einreiste und am römisch 40 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos.
Der Beschwerdeführer ist gesund. Er leidet weder an einer schweren noch an einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Er ist in Österreich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Für männliche syrische Staatsbürger im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren ist die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend. Der Beschwerdeführer befindet sich mit seinen 21 Jahren damit im wehrpflichtigen Alter hinsichtlich des gesetzlich vorgesehenen Militärdienstes der syrischen Regierung im Gebiet unter deren Kontrolle und es liegt auch kein Ausnahmegrund vor.
Der Beschwerdeführer hat weder einen Einberufungsbefehl erhalten noch ist er im Besitz eines Militärbuches. Der Beschwerdeführer befand sich im Zeitpunkt der Ausreise aus Syrien mit seinen zwölf Jahren nicht im wehrpflichtigen Alter.
Dem nun 21-jährigen Beschwerdeführer droht in seinem Herkunftsgebiet im Falle seiner Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Einberufung zum Militärdienst bei der syrischen Armee und auch keine Bestrafung durch syrische Behörden aufgrund seines Entzugs vom Wehrdienst durch seine Ausreise. Die syrische Regierung ist grundsätzlich nicht in der Lage, in Gebieten, die unter Kontrolle der AANES stehen, zu rekrutieren oder Wehrdienstverweigerer zu verhaften und zu bestrafen.
Der Beschwerdeführer kann nach Syrien über den Grenzübergang Semalka-Faysh Khabur einreisen. Dieser steht unter Kontrolle der kurdischen Sicherheitskräfte, sodass er dort von syrischen Sicherheitskräften nicht eingezogen oder festgenommen werden kann. Der Beschwerdeführer hätte bei einer Rückkehr in seine Heimatregion auch keine Gebiete zu durchqueren, die von der syrischen Regierung kontrolliert werden. Dem Beschwerdeführer ist es somit möglich, in das kurdische Gebiet und seinen Heimatort zu reisen, ohne in den Einflussbereich der syrischen Regierung zu gelangen.
Selbst im Falle der hypothetischen Einberufung zum Militärdienst der syrischen Armee, würde dem Beschwerdeführer aber aufgrund der Nichtableistung des Wehrdienstes keine oppositionelle politische Gesinnung durch die syrische Regierung unterstellt.
Der Beschwerdeführer war in Syrien nicht politisch tätig, er ist nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung und ist auch sonst nicht als Gegner in das Blickfeld der syrischen Regierung geraten. Er hat in Syrien keine Straftaten begangen und wurde nie verhaftet.
Ihm droht bei einer Rückkehr insbesondere keine Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund der Teilnahme an Demonstrationen in Österreich. Es ist nicht glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer im Alter von acht Jahren in Syrien an Demonstrationen teilgenommen hat oder aufgrund der Teilnahme an Kundgebungen in Wien ins Blickfeld des syrischen Regimes geraten ist.
Der Beschwerdeführer ist im Fall seiner Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht der realen Gefahr ausgesetzt, durch das syrische Regime aufgrund einer verinnerlichten politischen Überzeugung gegen das syrische Regime oder einer ihm seitens des syrischen Regimes unterstellten oppositionellen Gesinnung mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
In Syrien besteht darüber hinaus in Gebieten unter der Kontrolle der AANES ein verpflichtender Militärdienst für Männer, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Des Weiteren sind seit dem 04.09.2021 die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit. Jede Familie ist verpflichtet, eine männliche Person für die Selbstverteidigungspflicht zu stellen. Der Beschwerdeführer stammt aus einem von den AANES kontrollierten Gebiet und fällt auch mit seinen 21 Jahren unter die Altersgrenze für den Wehrdienst bei den kurdischen Streitkräften.
Es ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr eine Rekrutierung durch die Kurden droht, jedoch würde dem Beschwerdeführer im Falle der Einziehung zur kurdischen Selbstverteidigungspflicht auch durch kurdische Behörden keine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt und ihm droht im Falle seiner Weigerung keine unverhältnismäßige Strafe. Ein Einsatz im Rahmen dieses Militärdienstes würde nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit an der Front erfolgen, sondern normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz. Auch würde dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Arabern keine schlechtere Behandlung drohen.
Der Beschwerdeführer ist von kurdischen Streitkräften nicht bedroht oder tatsächlich rekrutiert worden und hat kein Verhalten gesetzt, aufgrund dessen ihm seitens der kurdischen Kräfte eine oppositionelle Gesinnung unterstellt würde. Der Beschwerdeführer wäre im Fall seiner Rückkehr keiner realen Gefahr ausgesetzt, aus den genannten Gründen von kurdischen Kräften mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
Dem Beschwerdeführer droht im Falle seiner Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgungsgefahr aufgrund seiner Eigenschaft als sunnitischer Araber.
Ebenso wenig droht dem Beschwerdeführer allein aufgrund seiner Ausreise oder Asylantragstellung oder Lebensführung die Gefahr, im Fall seiner Rückkehr nach Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
Auch sonst ist der Beschwerdeführer nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Im Verfahren wurden die folgenden Quellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers herangezogen:
? Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11 vom 27.03.2024:
? EUAA –Leitfaden April 2024
? Bericht DIS (Danish immigration Service), Syria Treatment upon return vom Mai 2022
? Anfragebeantwortung der Staatendokumentation SYRIEN Zugriff des syrischen Regimes auf Deserteure in der AANES April 2024
? Anfragebeantwortung zu Syrien: Gefälschte Dokumente bzw. echte Dokumente mit wahrheitswidrigem Inhalt (insb. Militär- u. Personalausweise, Strafregister-, Personenstands- und Familienbuchauszüge); Häufigkeit, Erlangung, Vorgehensweise, Preis, Bezahlung, Aushändigung durch Schlepper) [a-12196] 3. August 2023
? Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritiker·innen ermöglichen [a-12197] 24.08.2023
? Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188] 6. September 2023
? Turkey_Syria_Border_Crossing_Status_Update_20230418 _EN (1).pdf OCHA 18.04.2023
? Syrien Grenzübergänge COI CMS Version 1, 25.10.2023
Aus dem Länderinformationsblatt Syrien der Staatendokumentation, Stand: 27.03.2024
„Sicherheitslage
[…]
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweiseruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).
Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023). Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).
Die folgende Karte zeigt die verschiedenen internationalen Akteure und deren militärische Interessenschwerpunkte in Syrien:
Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen ’Operation Claw-Sword’, die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten ’eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen’ in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen ’Operation Claw-Sword’, die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten ’eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen’ in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).
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Nordost-Syrien (Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria - AANES) und das Gebiet der SNA (Syrian National Army)
Besonders volatil stellt sich laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amt die Lage im Nordosten Syriens (v. a. Gebiete unmittelbar um und östlich des Euphrats) dar. Als Reaktion auf einen, von der Türkei der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) zugeschriebenen, Terroranschlag mit mehreren Toten in Istanbul startete das türkische Militär am 19.11.2022 eine mit Artillerie unterstützte Luftoperation gegen kurdische Ziele u. a. in Nordsyrien. Bereits zuvor war es immer wieder zu vereinzelten, teils schweren Auseinandersetzungen zwischen türkischen und Türkei-nahen Einheiten und Einheiten der kurdisch dominierten SDF (Syrian Democratic Forces) sowie Truppen des Regimes gekommen, welche in Abstimmung mit den SDF nach Nordsyrien verlegt wurden. Als Folge dieser Auseinandersetzungen, insbesondere auch von seit Sommer 2022 zunehmenden türkischen Drohnenschlägen, wurden immer wieder auch zivile Todesopfer, darunter Kinder, vermeldet (AA 29.3.2023). Auch waren die SDF gezwungen, ihren Truppeneinsatz angesichts türkischer Luftschläge und einer potenziellen Bodenoffensive umzustrukturieren. Durch türkische Angriffe auf die zivile Infrastruktur sind auch Bemühungen um die humanitäre Lage gefährdet (Newlines 7.3.2023). Die Angriffe beschränkten sich bereits im 3. Quartal 2022 nicht mehr nur auf die Frontlinien, wo die überwiegende Mehrheit der Zusammenstöße und Beschussereignisse stattfanden; im Juli und August 2022 trafen türkische Drohnen Ziele in den wichtigsten von den SDF kontrollierten städtischen Zentren und töteten Gegner (und Zivilisten) in Manbij, Kobanê, Tell Abyad, Raqqa, Qamishli, Tell Tamer und Hassakah (CC 3.11.2022). Bereits im Mai 2022 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdo?an eine vierte türkische Invasion seit 2016 angekündigt (HRW 12.1.2023). Anfang Oktober 2023 begannen die türkischen Streitkräfte wieder mit der Intensivierung ihrer Luftangriffe auf kurdische Ziele in Syrien, nachdem in Ankara ein Bombenanschlag durch zwei Angreifer aus Syrien verübt worden war (REU 4.10.2023). Die Luftangriffe, die in den Provinzen Hasakah, Raqqa und Aleppo durchgeführt wurden, trafen für die Versorgung von Millionen von Menschen wichtige Wasser- und Elektrizitätsinfrastruktur (HRW 26.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Besonders volatil stellt sich laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amt die Lage im Nordosten Syriens (v. a. Gebiete unmittelbar um und östlich des Euphrats) dar. Als Reaktion auf einen, von der Türkei der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) zugeschriebenen, Terroranschlag mit mehreren Toten in Istanbul startete das türkische Militär am 19.11.2022 eine mit Artillerie unterstützte Luftoperation gegen kurdische Ziele u. a. in Nordsyrien. Bereits zuvor war es immer wieder zu vereinzelten, teils schweren Auseinandersetzungen zwischen türkischen und Türkei-nahen Einheiten und Einheiten der kurdisch dominierten SDF (Syrian Democratic Forces) sowie Truppen des Regimes gekommen, welche in Abstimmung mit den SDF nach Nordsyrien verlegt wurden. Als Folge dieser Auseinandersetzungen, insbesondere auch von seit Sommer 2022 zunehmenden türkischen Drohnenschlägen, wurden immer wieder auch zivile Todesopfer, darunter Kinder, vermeldet (AA 29.3.2023). Auch waren die SDF gezwungen, ihren Truppeneinsatz angesichts türkischer Luftschläge und einer potenziellen Bodenoffensive umzustrukturieren. Durch türkische Angriffe auf die zivile Infrastruktur sind auch Bemühungen um die humanitäre Lage gefährdet (Newlines 7.3.2023). Die Angriffe beschränkten sich bereits im 3. Quartal 2022 nicht mehr nur auf die Frontlinien, wo die überwiegende Mehrheit der Zusammenstöße und Beschussereignisse stattfanden; im Juli und August 2022 trafen türkische Drohnen Ziele in den wichtigsten von den SDF kontrollierten städtischen Zentren und töteten Gegner (und Zivilisten) in Manbij, Kobanê, Tell Abyad, Raqqa, Qamishli, Tell Tamer und Hassakah (CC 3.11.2022). Bereits im Mai 2022 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdo?an eine vierte türkische Invasion seit 2016 angekündigt (HRW 12.1.2023). Anfang Oktober 2023 begannen die türkischen Streitkräfte wieder mit der Intensivierung ihrer Luftangriffe auf kurdische Ziele in Syrien, nachdem in Ankara ein Bombenanschlag durch zwei Angreifer aus Syrien verübt worden war (REU 4.10.2023). Die Luftangriffe, die in den Provinzen Hasakah, Raqqa und Aleppo durchgeführt wurden, trafen für die Versorgung von Millionen von Menschen wichtige Wasser- und Elektrizitätsinfrastruktur (HRW 26.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).
Die Türkei unterstellt sowohl den Streitkräften der Volksverteidigungseinheiten (YPG) als auch der Democratic Union Party (PYD) Nähe zur von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und bezeichnet diese daher ebenfalls als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 29.11.2021). Der Think Tank Newslines Institute for Strategy and Policy sieht auf der folgenden Karte besonders die Gebiete von Tal Rifa’at, Manbij und Kobanê als potenzielle Ziele einer türkischen Offensive. Auf der Karte sind auch die Strecken und Gebiete mit einer Präsenz von Regime und pro-Regime-Kräften im Selbstverwaltungsgebiet ersichtlich, die sich vor allem entlang der Frontlinien zu den pro-türkischen Rebellengebieten und entlang der türkisch-syrischen Grenze entlangziehen. In Tal Rifa’at und an manchen Grenzabschnitten sind sie nicht präsent:
Der Rückzug der USA aus den Gebieten östlich des Euphrat im Oktober 2019 ermöglichte es der Türkei, sich in das Gebiet auszudehnen und ihre Grenze tiefer in Syrien zu verlegen, um eine Pufferzone gegen die SDF zu schaffen (CMEC 2.10.2020) [Anm.: Siehe hierzu Unterkapitel türkische Militäroperationen in Nordsyrien im Kapitel Sicherheitslage]. Aufgrund der türkischen Vorstöße sahen sich die SDF dazu gezwungen, mehrere tausend syrische Regierungstruppen aufzufordern, in dem Gebiet Stellung zu beziehen, um die Türkei abzuschrecken, und den Kampf auf eine zwischenstaatliche Ebene zu verlagern (ICG 18.11.2021). Regimekräfte sind seither in allen größeren Städten in Nordostsyrien präsent (AA 29.11.2021). Die Türkei stützte sich bei ihrer Militäroffensive im Oktober 2019 auch auf Rebellengruppen, die in der ’Syrian National Army’ (SNA) zusammengefasst sind; seitens dieser Gruppen kam es zu gewaltsamen Übergriffen, insbesondere auf die kurdische Zivilbevölkerung sowie Christen und Jesiden (Ermordungen, Plünderungen und Vertreibungen). Aufgrund des Einmarsches wuchs die Zahl der intern vertriebenen Menschen im Nordosten auf über eine halbe Million an (ÖB Damaskus 1.10.2021).
Auf der folgenden Karte sind die militärischen Akteure der Region wie auch militärische und infrastrukturelle Maßnahmen, welche zur Absicherung der kurdischen „Selbstverwaltung“ (Autonomous Administration of North and East Syria - AANES) nötig wären, eingezeichnet. Auf dieser Karte ist entlang der gesamten Frontlinie zu pro-türkischen Gebieten bzw. der türkisch-syrischen Grenze die Präsenz einer Kooperation zwischen SDF, Regime und russischen Truppen mit Ausnahme entlang des Tigris im äußersten Nordosten verzeichnet:
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SDF, YPG und YPJ [Anm.: Frauenverteidigungseinheiten] sind nicht nur mit türkischen Streitkräften und verschiedenen islamistischen Extremistengruppen in der Region zusammengestoßen, sondern gelegentlich auch mit kurdischen bewaffneten Gruppen, den Streitkräften des Assad-Regimes, Rebellen der Freien Syrischen Armee und anderen Gruppierungen (AN 17.10.2021). Die kurdisch kontrollierten Gebiete im Nordosten Syriens umfassen auch den größten Teil des Gebiets, das zuvor unter der Kontrolle des IS in Syrien stand (ICG 11.10.2019; vgl. EUAA 9.2022). Raqqa war de facto die Hauptstadt des IS (PBS 22.2.2022), und die Region gilt als „Hauptschauplatz für den Aufstand des IS“ (ICG 11.10.2019; vgl. EUAA 9.2022). SDF, YPG und YPJ [Anm.: Frauenverteidigungseinheiten] sind nicht nur mit türkischen Streitkräften und verschiedenen islamistischen Extremistengruppen in der Region zusammengestoßen, sondern gelegentlich auch mit kurdischen bewaffneten Gruppen, den Streitkräften des Assad-Regimes, Rebellen der Freien Syrischen Armee und anderen Gruppierungen (AN 17.10.2021). Die kurdisch kontrollierten Gebiete im Nordosten Syriens umfassen auch den größten Teil des Gebiets, das zuvor unter der Kontrolle des IS in Syrien stand (ICG 11.10.2019; vergleiche EUAA 9.2022). Raqqa war de facto die Hauptstadt des IS (PBS 22.2.2022), und die Region gilt als „Hauptschauplatz für den Aufstand des IS“ (ICG 11.10.2019; vergleiche EUAA 9.2022).
Die kurdischen YPG stellen einen wesentlichen Teil der Kämpfer und v. a. der Führungsebene der SDF, welche in Kooperation mit der internationalen Anti-IS-Koalition militärisch gegen die Terrororganisation IS in Syrien vorgehen (AA 29.11.2021). In Reaktion auf die Reorganisation der Truppen zur Verstärkung der Front gegen die Türkei stellten die SDF vorübergehend ihre Operationen und andere Sicherheitsmaßnahmen gegen den Islamischen Staat ein. Dies weckte Befürchtungen bezüglich einer Stärkung des IS in Nordost-Syrien (Newlines 7.3.2023). Die SDF hatten mit Unterstützung US-amerikanischer Koalitionskräfte allein seit Ende 2021 mehrere Sicherheitsoperationen durchgeführt, in denen nach eigenen Angaben Hunderte mutmaßliche IS-Angehörige verhaftet und einzelne Führungskader getötet wurden (AA 2.2.2024).
Der IS führt weiterhin militärische Operationen in der AANES durch. Die SDF reagieren auf die Angriffe mit routinemäßigen Sicherheitskampagnen, unterstützt durch die Internationale Koalition. Bisher konnten diese die Aktivitäten des IS und seiner affiliierten Zellen nicht einschränken. SOHR dokumentierte von Anfang 2023 bis September 2023 121 Operationen durch den IS, wie bewaffnete Angriffe und Explosionen, in den Gebieten der AANES. Dabei kamen 78 Personen zu Tode, darunter 17 ZivilistInnen und 56 Mitglieder der SDF (SOHR 24.9.2023).
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Türkische Angriffe und eine Finanzkrise destabilisieren den Nordosten Syriens (Zenith 11.2.2022). Die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien befindet sich heute in einer zunehmend prekären politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Lage (TWI 15.3.2022). Wie in anderen Bereichen üben die dominanten Politiker der YPG, der mit ihr verbündeten Organisationen im Sicherheitsbereich sowie einflussreiche Geschäftsleute Einfluss auf die Wirtschaft aus, was verbreiteten Schmuggel zwischen den Kontrollgebieten in Syrien und in den Irak ermöglicht (Brookings 27.1.2023). Angesichts der sich rapide verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen im Nordosten Syriens haben die SDF zunehmend drakonische Maßnahmen ergriffen, um gegen abweichende Meinungen im Land vorzugehen und Proteste zum Schweigen zu bringen, da ihre Autorität von allen Seiten bedroht wird (Etana 30.6.2022). Nach den Präsidentschaftswahlen im Mai 2021 kam es in verschiedenen Teilen des Gebiets zu Protesten, unter anderem gegen den niedrigen Lebensstandard und die Wehrpflicht der SDF (al-Sharq 27.8.2021) sowie gegen steigende Treibstoffpreise (AM 30.5.2021). In arabisch besiedelten Gebieten im Gouvernement Hassakah und Manbij (Gouvernement Aleppo) starben Menschen, nachdem Asayish [Anm: Sicherheitskräfte der kurdischen Autonomieregion] in die Proteste eingriffen (al-Sharq 27.8.2021; vgl. AM 30.5.2021). Die Türkei verschärft die wirtschaftliche Lage in AANES absichtlich, indem sie den Wasserfluss nach Syrien einschränkt (KF 5.2022). Obwohl es keine weitverbreiteten Rufe nach einer Rückkehr des Assad-Regimes gibt, verlieren einige Einwohner das Vertrauen, dass die kurdisch geführte AANES für Sicherheit und Stabilität sorgen kann (TWI 15.3.2022).Türkische Angriffe und eine Finanzkrise destabilisieren den Nordosten Syriens (Zenith 11.2.2022). Die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien befindet sich heute in einer zunehmend prekären politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Lage (TWI 15.3.2022). Wie in anderen Bereichen üben die dominanten Politiker der YPG, der mit ihr verbündeten Organisationen im Sicherheitsbereich sowie einflussreiche Geschäftsleute Einfluss auf die Wirtschaft aus, was verbreiteten Schmuggel zwischen den Kontrollgebieten in Syrien und in den Irak ermöglicht (Brookings 27.1.2023). Angesichts der sich rapide verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen im Nordosten Syriens haben die SDF zunehmend drakonische Maßnahmen ergriffen, um gegen abweichende Meinungen im Land vorzugehen und Proteste zum Schweigen zu bringen, da ihre Autorität von allen Seiten bedroht wird (Etana 30.6.2022). Nach den Präsidentschaftswahlen im Mai 2021 kam es in verschiedenen Teilen des Gebiets zu Protesten, unter anderem gegen den niedrigen Lebensstandard und die Wehrpflicht der SDF (al-Sharq 27.8.2021) sowie gegen steigende Treibstoffpreise (AM 30.5.2021). In arabisch besiedelten Gebieten im Gouvernement Hassakah und Manbij (Gouvernement Aleppo) starben Menschen, nachdem Asayish [Anm: Sicherheitskräfte der kurdischen Autonomieregion] in die Proteste eingriffen (al-Sharq 27.8.2021; vergleiche AM 30.5.2021). Die Türkei verschärft die wirtschaftliche Lage in AANES absichtlich, indem sie den Wasserfluss nach Syrien einschränkt (KF 5.2022). Obwohl es keine weitverbreiteten Rufe nach einer Rückkehr des Assad-Regimes gibt, verlieren einige Einwohner das Vertrauen, dass die kurdisch geführte AANES für Sicherheit und Stabilität sorgen kann (TWI 15.3.2022).
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Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen
Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst
Rechtliche Bestimmungen
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben (PAR 1.6.2011). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 2.2.2024). In der Vergangenheit wurde es auch akzeptiert, sich, statt den Militärdienst in der syrischen Armee zu leisten, einer der bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppierung anzuschließen. Diese werden inzwischen teilweise in die Armee eingegliedert, jedoch ohne weitere organisatorische Integrationsmaßnahmen zu setzen oder die Kämpfer auszubilden (ÖB Damaskus 12.2022). Wehrpflichtige und Reservisten können im Zuge ihres Wehrdienstes bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) auch den Spezialeinheite