TE Bvwg Erkenntnis 2024/7/25 W280 2278288-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.07.2024
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Entscheidungsdatum

25.07.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W280 2278288-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1997, StA. Syrien, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Dr. Thomas Lechner & Dr. Martin Dellasega, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2 gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .08.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.02.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 1997, StA. Syrien, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Dr. Thomas Lechner & Dr. Martin Dellasega, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2 gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 .08.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.02.2024 zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B)       Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend als BF bezeichnet), ein syrischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX .01.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend als BF bezeichnet), ein syrischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am römisch 40 .01.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am darauffolgenden Tag fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Kurmanji seine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Zum Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er Syrien verlassen habe, da er als Student zum Militärdienst einberufen worden sei, dies aber nicht wolle und diesen verweigere. Bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat werde er getötet, da er den Militärdienst verweigert habe.

Zu seinen persönlichen Umständen befragt, gab der BF an, dass er am XXXX 1997 in Al-Malikiya geboren worden sei, dort zwölf Jahre die Grundschule und ein Jahr die Universität besucht habe und der Volksgruppe der Kurden und der Religionsgemeinschaft des Islam angehöre. Seine Muttersprache sei Kurmanji, darüber hinaus spreche er Arabisch. Zu seinen persönlichen Umständen befragt, gab der BF an, dass er am römisch 40 1997 in Al-Malikiya geboren worden sei, dort zwölf Jahre die Grundschule und ein Jahr die Universität besucht habe und der Volksgruppe der Kurden und der Religionsgemeinschaft des Islam angehöre. Seine Muttersprache sei Kurmanji, darüber hinaus spreche er Arabisch.

Er sei verheiratet, habe aber keine Kinder. Seine Ehefrau, seine Eltern und zwei Brüder sowie zwei Schwestern würden sich in Syrien aufhalten. Ein Bruder lebe in Deutschland und einer in Dänemark.

Im August 2021 sei er zu Fuß von seinem Wohnort in den Irak und sodann über den Iran in die Türkei geflüchtet. Dort habe er sich ca. zwei Monate aufgehalten bevor er über Bulgarien, Serbien, Rumänien, Ungarn, Österreich nach Deutschland gereist sei. In Deutschland habe er Asyl wollen, was ihm verweigert worden sei und sei er am XXXX .01.2022 sodann wiederum nach Österreich gekommen. Für die schlepperunterstützte Flucht habe er EUR 9.000 bezahlt.Im August 2021 sei er zu Fuß von seinem Wohnort in den Irak und sodann über den Iran in die Türkei geflüchtet. Dort habe er sich ca. zwei Monate aufgehalten bevor er über Bulgarien, Serbien, Rumänien, Ungarn, Österreich nach Deutschland gereist sei. In Deutschland habe er Asyl wollen, was ihm verweigert worden sei und sei er am römisch 40 .01.2022 sodann wiederum nach Österreich gekommen. Für die schlepperunterstützte Flucht habe er EUR 9.000 bezahlt.

3. Am XXXX .07.2023 fand sodann seine Befragung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend BFA oder belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Kurmanji statt. 3. Am römisch 40 .07.2023 fand sodann seine Befragung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend BFA oder belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Kurmanji statt.

Hierbei gab der BF zusammengefasst an, dass am XXXX .12.2016, als er Student der Wirtschafts- und Handelswissenschaften in Latakia gewesen sei, die Sicherheitsbehörde in die Wohngemeinschaft gekommen sei, wo er gewohnt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er in einem Restaurant gearbeitet. Ein Mitbewohner habe ihn sodann angerufen und ihm mitgeteilt, dass nach ihm gesucht werde. Der Chef des Restaurants habe ihm sodann angeboten, dass er mit dessen Gemüsetransporter nach Qamishli fahren könne. Hierbei gab der BF zusammengefasst an, dass am römisch 40 .12.2016, als er Student der Wirtschafts- und Handelswissenschaften in Latakia gewesen sei, die Sicherheitsbehörde in die Wohngemeinschaft gekommen sei, wo er gewohnt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er in einem Restaurant gearbeitet. Ein Mitbewohner habe ihn sodann angerufen und ihm mitgeteilt, dass nach ihm gesucht werde. Der Chef des Restaurants habe ihm sodann angeboten, dass er mit dessen Gemüsetransporter nach Qamishli fahren könne.

Zurück in seinem Gebiet habe er sodann normal gelebt und bei einer Organisation gearbeitet. Nach einer gewissen Zeit habe es diese Organisation nicht mehr gegeben und sei das Leben schwieriger geworden. Dann sei die Militärbehörde in seinem Gebiet wiederum aktiv geworden. Der Ortsvorsteher sei folglich zwei Mal zu ihnen wegen dem Militär gekommen. Gegen Bezahlung von Geld habe dieser den Militärbehörden mitgeteilt, dass der BF nicht zu Hause angetroffen worden sei. Beim dritten Mal habe der Ortsvorsteher ihm dann mitgeteilt, dass beim nächsten Mal die Militärbehörde selbst komme und er einberufen werde.

Über Nachfrage führte der BF sodann aus, dass er sich an das Datum des ersten Besuchs des Ortsvorstehers nicht genau erinnere. Der zweite Besuch habe im Jänner 2021 stattgefunden, der dritte Besuch sei am XXXX .07.2021 gewesen. Bei diesem Besuch habe sein Vater auch die Vorlage eines schriftlichen Einberufungsbefehls verlangt und habe der Ortsvorsteher diesen bei seinem vierten Besuch, ca. am XXXX .07.2021 (Anm.: gemeint wohl 25 Juli) mitgebracht.Über Nachfrage führte der BF sodann aus, dass er sich an das Datum des ersten Besuchs des Ortsvorstehers nicht genau erinnere. Der zweite Besuch habe im Jänner 2021 stattgefunden, der dritte Besuch sei am römisch 40 .07.2021 gewesen. Bei diesem Besuch habe sein Vater auch die Vorlage eines schriftlichen Einberufungsbefehls verlangt und habe der Ortsvorsteher diesen bei seinem vierten Besuch, ca. am römisch 40 .07.2021 Anmerkung, gemeint wohl 25 Juli) mitgebracht.

Auf Anraten seines Vaters sei er sohin zu einer Tante, die in einer Entfernung von ca. fünf bis zehn Minuten Fußweg ebenfalls in seinem Herkunftsort lebe, gezogen bis der Vater die Ausreise organisieren habe können. Bei ihr habe er sich sodann ca. zwei Monate, sohin von Juli 2021 bis ca. XXXX .09.2021 aufgehalten, bevor er mit einem Schlepper in ein Dorf an der Grenze zum Irak gebracht worden sei, wo er für acht Tage aufhältig gewesen sei, bevor er in den Irak ausgereist sei. Auf Anraten seines Vaters sei er sohin zu einer Tante, die in einer Entfernung von ca. fünf bis zehn Minuten Fußweg ebenfalls in seinem Herkunftsort lebe, gezogen bis der Vater die Ausreise organisieren habe können. Bei ihr habe er sich sodann ca. zwei Monate, sohin von Juli 2021 bis ca. römisch 40 .09.2021 aufgehalten, bevor er mit einem Schlepper in ein Dorf an der Grenze zum Irak gebracht worden sei, wo er für acht Tage aufhältig gewesen sei, bevor er in den Irak ausgereist sei.

Nachgefragt gab der BF an, dass er in Latakia, wo er studiert habe, nicht wegen dem Wehrdienst gesucht worden sei, sondern weil er eine Gefahr für den Staat darstelle. Dies habe er vom Restaurantbesitzer, wo er von Jänner 2016 bis Dezember 2016 gearbeitet habe, erfahren. Dieser habe dies wiederum von einer anderen Person gehört, die über seine Situation Erkundigungen eingezogen hätte. Dass er eine Gefahr darstelle gründe darin, dass er bei einer Organisation namens Kurdischer Fairness engagiert gewesen sei. Die Tätigkeit bei dieser Organisation habe darin bestanden Statistiken über die Anzahl staatenloser Kurden sowie von den Kurden beschlagnahmten Grundstücken zu erstellen.

In Syrien habe er ein Wehrdienstbuch gehabt und sei er auch gemustert worden. Das Wehrdienstbuch sei ihm am XXXX .12.2016 von den Sicherheitsbehörden abgenommen worden. Als Student habe er einen Wehrdienstaufschub bis ca. März 2017 gehabt, um einen weiteren Aufschub habe er sich nicht bemüht. Nachgefragt gab der BF an, dass er keinen Nachweis bezüglich seines Studiums habe, da sich niemand traue dorthin zu gehen und für ihn eine Bestätigung abzuholen zumal er gesucht werde. In Syrien habe er ein Wehrdienstbuch gehabt und sei er auch gemustert worden. Das Wehrdienstbuch sei ihm am römisch 40 .12.2016 von den Sicherheitsbehörden abgenommen worden. Als Student habe er einen Wehrdienstaufschub bis ca. März 2017 gehabt, um einen weiteren Aufschub habe er sich nicht bemüht. Nachgefragt gab der BF an, dass er keinen Nachweis bezüglich seines Studiums habe, da sich niemand traue dorthin zu gehen und für ihn eine Bestätigung abzuholen zumal er gesucht werde.

4. Am XXXX .08.2023 erging seitens des BFA der verfahrensgegenständliche Bescheid, mit welchem dem BF sein Antrag auf internationalen Schutz vom 17.01.2022 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Zif. 13 AsylG abgewiesen wurde (Spruchpunkt I.), diesem gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde (Spruchpunkt II.) und unter einem eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte erteilt wurde (Spruchpunkt III.).4. Am römisch 40 .08.2023 erging seitens des BFA der verfahrensgegenständliche Bescheid, mit welchem dem BF sein Antrag auf internationalen Schutz vom 17.01.2022 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Zif. 13 AsylG abgewiesen wurde (Spruchpunkt römisch eins.), diesem gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde (Spruchpunkt römisch II.) und unter einem eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte erteilt wurde (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend führte das BFA zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, dass der BF nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in seinem Herkunftsstaat als Wehrpflichtiger aufgrund einer Weigerung auf Regierungsseite den Wehrdienst zu leisten, einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt gewesen sei, noch im Falle einer Rückkehr ausgesetzt sein würde. Auch andere Gründe für das Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung würden nicht vorliegen. Es stehe fest, dass der BF, der gemustert worden sei und dem ein Militärdienstbuch ausgestellt worden sei, bis dato seinen Wehrdienst nicht abgeleistet habe. Begründend führte das BFA zu Spruchpunkt römisch eins. im Wesentlichen aus, dass der BF nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in seinem Herkunftsstaat als Wehrpflichtiger aufgrund einer Weigerung auf Regierungsseite den Wehrdienst zu leisten, einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt gewesen sei, noch im Falle einer Rückkehr ausgesetzt sein würde. Auch andere Gründe für das Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung würden nicht vorliegen. Es stehe fest, dass der BF, der gemustert worden sei und dem ein Militärdienstbuch ausgestellt worden sei, bis dato seinen Wehrdienst nicht abgeleistet habe.

Es könne auch nicht festgestellt werden, dass er in Syrien von Behörden oder Gerichten dringend gesucht worden sei oder aktuell gesucht werde.

Eine Verfolgungsmotivation habe der BF letztlich nicht glaubhaft machen können.

5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der BF, anwaltlich vertreten, fristgerecht Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Verletzung der Ermittlungspflicht und inhaltlicher Rechtswidrigkeit und verwies im zusammengefasst darauf, dass - entgegen den unrichtigen Feststellungen der belangten Behörde – die syrischen Militärbehörden in der Heimatregion des BF wiederum aktiv sein würden. Auch habe der BF für eine Organisation, die sich für die Rechte von Kurden einsetze, gearbeitet und werde allein deshalb vom syrischen Regime verfolgt. Die Feststellungen der belangten Behörde, wonach das syrische Regime im Gebiet der Kurden nicht rekrutieren könne sei falsch. Ausweislich der Länderberichte verfüge das syrische Regime in Qamishli und Al-Hassakah über sogenannten Sicherheitsquadrate, wo sehr wohl Zwangsrekrutierungen stattfinden würden und seien neben den kurdischen Kräften zwischenzeitig auch wiederum die Militärbehörden des syrischen Regimes in der Herkunftsregion des BF tätig. Auch sei eine Einreise des BF in seine Heimatregion nur über einen internationalen Flughafen möglich, die jedoch alle unter der Kontrolle der syrischen Regierung stünden. 5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der BF, anwaltlich vertreten, fristgerecht Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Verletzung der Ermittlungspflicht und inhaltlicher Rechtswidrigkeit und verwies im zusammengefasst darauf, dass - entgegen den unrichtigen Feststellungen der belangten Behörde – die syrischen Militärbehörden in der Heimatregion des BF wiederum aktiv sein würden. Auch habe der BF für eine Organisation, die sich für die Rechte von Kurden einsetze, gearbeitet und werde allein deshalb vom syrischen Regime verfolgt. Die Feststellungen der belangten Behörde, wonach das syrische Regime im Gebiet der Kurden nicht rekrutieren könne sei falsch. Ausweislich der Länderberichte verfüge das syrische Regime in Qamishli und Al-Hassakah über sogenannten Sicherheitsquadrate, wo sehr wohl Zwangsrekrutierungen stattfinden würden und seien neben den kurdischen Kräften zwischenzeitig auch wiederum die Militärbehörden des syrischen Regimes in der Herkunftsregion des BF tätig. Auch sei eine Einreise des BF in seine Heimatregion nur über einen internationalen Flughafen möglich, die jedoch alle unter der Kontrolle der syrischen Regierung stünden.

6. Am XXXX .09.2023 langte beim BVwG die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein. 6. Am römisch 40 .09.2023 langte beim BVwG die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

7. Das BVwG führte am 27.02.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Kurmanji durch, an der der BF und sein rechtsfreundlicher Vertreter teilnahmen; die belangte Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung, in Zuge derer der BF einen Auszug aus dem Justizregister der Syrischen Arabischen Republik samt Übersetzung sowie den Einberufungsbefehl vorlegte, wurde der BF ausführlich zu seinen Fluchtgründen, seiner Identität, seiner Herkunft und den persönlichen Lebensumständen befragt.

8. Der vom BF vorgelegte Auszug aus dem Justizregister, wonach der BF eine Bedrohung für die Sicherheit des Staates darstelle, wurde folglich dem Bundeskriminalamt zur kriminaltechnischen Untersuchung übermittelt. Das entsprechende Untersuchungsergebnis, wonach es sich bei der Bescheinigung um eine Totalfälschung handeln würde, langte am XXXX .05.2024 beim BVwG ein und wurde folglich dem BF unter Einräumung einer zweiwöchigen Frist zur Stellungnahme übermittelt. 8. Der vom BF vorgelegte Auszug aus dem Justizregister, wonach der BF eine Bedrohung für die Sicherheit des Staates darstelle, wurde folglich dem Bundeskriminalamt zur kriminaltechnischen Untersuchung übermittelt. Das entsprechende Untersuchungsergebnis, wonach es sich bei der Bescheinigung um eine Totalfälschung handeln würde, langte am römisch 40 .05.2024 beim BVwG ein und wurde folglich dem BF unter Einräumung einer zweiwöchigen Frist zur Stellungnahme übermittelt.

Nach beantragter Fristerstreckung langte sodann am XXXX .06.2024 eine schriftliche Stellungnahme des BF beim BVwG ein, in welcher dieser den Vorwurf der Totalfälschung zurückweist und hierzu ausführt, dass es sich bei der die Untersuchung durchführenden Behörde – so wie beim BFA – um eine dem Bundesministerium für Inneres unterstehende Behörde handle und diese objektiv befangen sei. Untereinem beantragte er die zeugenschaftliche Vernehmung des syrischen Rechtsanwaltes zum Beweise dafür, dass es sich bei dem vorgelegten syrischen Auszug aus dem Justizregister um ein echtes Dokument handle, sowie die Überprüfung desselben durch eine neutrale Untersuchungsstelle.Nach beantragter Fristerstreckung langte sodann am römisch 40 .06.2024 eine schriftliche Stellungnahme des BF beim BVwG ein, in welcher dieser den Vorwurf der Totalfälschung zurückweist und hierzu ausführt, dass es sich bei der die Untersuchung durchführenden Behörde – so wie beim BFA – um eine dem Bundesministerium für Inneres unterstehende Behörde handle und diese objektiv befangen sei. Untereinem beantragte er die zeugenschaftliche Vernehmung des syrischen Rechtsanwaltes zum Beweise dafür, dass es sich bei dem vorgelegten syrischen Auszug aus dem Justizregister um ein echtes Dokument handle, sowie die Überprüfung desselben durch eine neutrale Untersuchungsstelle.

II.            Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II.            Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

1.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX 1997, er ist somit 27 Jahre alt. Seine Identität steht nicht fest. Er ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Seine Muttersprache ist Kurmanji. Des Weiteren weist er Kenntnisse der arabischen, der englisch und der deutschen Sprache auf.1.1.1. Der BF führt den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 1997, er ist somit 27 Jahre alt. Seine Identität steht nicht fest. Er ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Seine Muttersprache ist Kurmanji. Des Weiteren weist er Kenntnisse der arabischen, der englisch und der deutschen Sprache auf.

1.1.2. Der BF wurde im Ort XXXX , in arabischer Sprache XXXX genannt, geboren. Dieser Ort liegt ca. XXXX km südlich des Ortes Al Malikiya und ca. XXXX km westlich des Grenzübergangs Semalka – Faysh Khabur. Zwischendurch lebte der BF mit seiner Familie auch in Al Malikiya sowie für fünf Jahre in Damaskus, bevor die Familie zu Beginn der Revolution im Jahr 2011 wiederum nach XXXX zurückübersiedelt ist. Im Zeitraum 2015 bis Ende 2016 lebte der BF für ca. ein Jahr in Latakia. 1.1.2. Der BF wurde im Ort römisch 40 , in arabischer Sprache römisch 40 genannt, geboren. Dieser Ort liegt ca. römisch 40 km südlich des Ortes Al Malikiya und ca. römisch 40 km westlich des Grenzübergangs Semalka – Faysh Khabur. Zwischendurch lebte der BF mit seiner Familie auch in Al Malikiya sowie für fünf Jahre in Damaskus, bevor die Familie zu Beginn der Revolution im Jahr 2011 wiederum nach römisch 40 zurückübersiedelt ist. Im Zeitraum 2015 bis Ende 2016 lebte der BF für ca. ein Jahr in Latakia.

1.1.3. Der BF ist verheiratet und kinderlos. Die Ehefrau lebt in Syrien und hält sich teilweise bei deren Eltern in Al Malikiya und teilweise bei den Eltern des BF in XXXX auf. Neben den Eltern des BF lebt derzeit eine Schwester in XXXX . Eine Schwester studiert in Damaskus XXXX . Ein in Deutschland lebender Bruder des BF ist Anwalt, eine weiterer Bruder studiert in Dänemark Politikwissenschaften und einer in Dubai lebender Bruder ist Journalist. Der jüngste Bruder des BF lebt im Irak.1.1.3. Der BF ist verheiratet und kinderlos. Die Ehefrau lebt in Syrien und hält sich teilweise bei deren Eltern in Al Malikiya und teilweise bei den Eltern des BF in römisch 40 auf. Neben den Eltern des BF lebt derzeit eine Schwester in römisch 40 . Eine Schwester studiert in Damaskus römisch 40 . Ein in Deutschland lebender Bruder des BF ist Anwalt, eine weiterer Bruder studiert in Dänemark Politikwissenschaften und einer in Dubai lebender Bruder ist Journalist. Der jüngste Bruder des BF lebt im Irak.

1.1.4. Die Familie des BF besitzt in XXXX ein großes Haus. Der Vater des BF besitzt zwei bis drei Landwirtschaften und erwirtschaftet sich das Familieneinkommen durch den Verkauf des Ertrages. Zusammen mit den Schwiegereltern des BF kommen die Eltern des BF für den Lebensunterhalt seiner Ehefrau auf. 1.1.4. Die Familie des BF besitzt in römisch 40 ein großes Haus. Der Vater des BF besitzt zwei bis drei Landwirtschaften und erwirtschaftet sich das Familieneinkommen durch den Verkauf des Ertrages. Zusammen mit den Schwiegereltern des BF kommen die Eltern des BF für den Lebensunterhalt seiner Ehefrau auf.

1.1.5. Der BF verfügt über eine zwölfjährige schulische Ausbildung und studierte im Zeitraum 2015 / 2016 für ein Jahr an der Universität in Latakia Wirtschaft und Handelswissenschaften. Während des Aufenthaltes in Latakia arbeitete der BF am Abend in einem Restaurant. Von Februar 2018 bis August 2019 arbeitete der BF bei einer Organisation namens XXXX als XXXX . Ansonsten kamen seine Eltern für seinen Lebensunterhalt auf.1.1.5. Der BF verfügt über eine zwölfjährige schulische Ausbildung und studierte im Zeitraum 2015 / 2016 für ein Jahr an der Universität in Latakia Wirtschaft und Handelswissenschaften. Während des Aufenthaltes in Latakia arbeitete der BF am Abend in einem Restaurant. Von Februar 2018 bis August 2019 arbeitete der BF bei einer Organisation namens römisch 40 als römisch 40 . Ansonsten kamen seine Eltern für seinen Lebensunterhalt auf.

1.1.5. Der BF ist gesund, arbeitsfähig und arbeitswillig. Der BF bezieht in Österreich keine Leistungen aus der Grundversorgung und steht seit XXXX 01.2023 nahezu durchgängig in Beschäftigungsverhältnissen. Strafgerichtlich ist der BF unbescholten. 1.1.5. Der BF ist gesund, arbeitsfähig und arbeitswillig. Der BF bezieht in Österreich keine Leistungen aus der Grundversorgung und steht seit römisch 40 01.2023 nahezu durchgängig in Beschäftigungsverhältnissen. Strafgerichtlich ist der BF unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF

1.2.1. Der BF reiste 2020 schlepperunterstützt gegen die Bezahlung eines Betrages von insgesamt ca. EUR 10.500 aus seinem Herkunftsstaat aus und gelangte - nach einer mehrmonatigen Reise über den Irak, den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien, Rumänien, Ungarn - letztlich nach Österreich, wo er am XXXX .01.2022 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. 1.2.1. Der BF reiste 2020 schlepperunterstützt gegen die Bezahlung eines Betrages von insgesamt ca. EUR 10.500 aus seinem Herkunftsstaat aus und gelangte - nach einer mehrmonatigen Reise über den Irak, den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien, Rumänien, Ungarn - letztlich nach Österreich, wo er am römisch 40 .01.2022 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2.2. Er hat seinen Herkunftsstaat, der im Gebiet der kurdischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien liegt (AANES), nicht aufgrund einer gegen ihn persönlich gerichteten Verfolgung – insbesondere nicht wegen einer ihm drohenden Einziehung zum Wehrdienst bei den Streitkräften des syrischen Regimes oder einer Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Streitkräfte - sondern wegen des dort herrschenden Krieges und dessen Auswirkungen und der allgemeinen schlechten Sicherheitslage verlassen.

1.2.3. Der BF kann über den nicht vom syrischen Regime kontrollierten Grenzübergang Fishkhabour / Semalka nach Syrien ein- und in seinen Herkunftsort weiterreisen. Der Herkunftsort des BF ist ohne Kontakt mit dem syrischen Regime erreichbar.

1.2.4. Für den unter kurdischer Selbstverwaltung stehenden Teil Nord- und Ostsyrien (AANES) gilt gemäß dem im Juni 2019 verabschiedeten Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht“ ein verpflichtender Wehrdienst. In diesem Kontrollbereich müssen Männer ab 18. Jahren – unabhängig ob es sich um Kurden, Araber, Christen oder andere Volksgruppen handelt - den verpflichtenden Wehrdienst leisten. Die Dienstzeit beträgt 12 Monate. Gemäß Dekret Nr. 3 vom 4. September 2021 ist die Selbstverteidigungspflicht nur für Männer zwischen 18 und 24 Jahren (geboren 1998 und später) obligatorisch, was in allen Gebieten gleich ist.

Selbst bei einer hypothetischen Wahrunterstellung der vom BF erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vorgebrachten, ihm auch von den Kurden drohenden Einziehung zum Selbstverteidigungsdienst, wäre die Ableistung desselben mit keiner asylrelevanten Verfolgung verbunden, da eine Entziehung vom Selbstverteidigungsdienst von den kurdischen Autonomiebehörden nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung gesehen wird und würde der BF von diesen sohin nicht als der Opposition zugehörig betrachtet.

Zudem weist der BF keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen den Dienst an der Waffe an sich oder aus Gewissensgründen auf und handelt es sich bei den Selbstverteidigungseinheiten lediglich um Hilfseinheiten der Syrian Democratic Forces (SDF) und erfolgt der Einsatz der Rekruten im Rahmen der „Selbstverteidigungspflicht“ normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz.

Letztlich bestünde für den BF auch die Möglichkeit sich – als ein im Ausland Lebender – durch die Zahlung einer Gebühr von USD 6000 von der Verpflichtung zur Ableistung des Wehrdienstes bei den Selbstverteidigungseinheiten gänzlich befreien zu können.

1.2.5. Der BF, der in Syrien in Bezug auf einen Wehrdienst bei den Streitkräften der Syrischen Arabischen Armee (SAA) gemustert worden ist und ein Wehrdienstbuch besaß, wurde aufgrund der Aufnahme eines Studiums ein Aufschub des Wehrdienstes um Ausmaß von 1 ½ Jahren gewährt. Er wurde nicht zum Wehrdienst bei der SAA einberufen.

Der Herkunftsort und die Herkunftsregion des BF steht seit Juli 2012 durchgehend unter der Kontrolle der kurdischen Kräfte und nicht unter der Kontrolle des syrischen Regimes. Die SAA in diesem Gebiet weder Einberufungen zum Wehrdienst noch Zwangsrekrutierungen durchführen.

1.2.6. Festgestellt wird, dass der BF wird von den Behörden des syrischen Regimes nicht wegen eines gegen ihn gerichteten Haftbefehls im Zusammenhang mit der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung gesucht wird und gegen ihn keine Eintragung im Justizregister (Strafregister) vorliegt.

1.2.7. Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass ihm in seinem Herkunftsstaat aktuell Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, Staatsangehörigkeit oder politischen Gesinnung droht.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

1.3.1. Die Feststellung der maßgeblichen Situation in Syrien basiert auf den vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS, Version 11 vom 27.03.2024 und den diesen zugrundeliegenden Quellen, dem Themenbericht von ACCORD zum Thema „Wehrdienst in Syrien“ vom 16.01.2024, der ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien zum Thema: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern, Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188] vom 18.06.2023, dem Themenbericht der Staatendokumentaion, Syrien – Grenzübergänge, Version 1, (25.10.2023).

1.3.2. Auszug aus den Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11

Politische Lage Syrische

Arabische Republik

Letzte Änderung 2024-03-08 11:06

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).

Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).

Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).

Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.2.2024): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: Ende Oktober 2023), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/29884854, Zugriff 15.2.2024

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/document/2089904.html, Zugriff 23.6.2023

?        BBC - BBC News (2.5.2023): Why is there a war in Syria?, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-35806229, Zugriff 23.6.2023

?        BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Syria, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_SYR.pdf Zugriff 23.6.2023

?        Enab - Enab Baladi (23.1.2023): Following 'Captagon Act', Will Washington put al-Assad on Noriega’s track, https://english.enabbaladi.net/archives/2023/01/following-captagon-act-will-washington-put-al-assad-on-noriegas-track/, Zugriff 23.6.2023

?        FH - Freedom House (9.3.2023): Freedom in the World 2022 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2088564.html, Zugriff 23.6.2023

?        MEI - Middle East Institute (24.7.2020): Syria’s 2020 parliamentary elections: The worst joke yet, https://www.mei.edu/publications/syrias-2020-parliamentary-elections-worst-joke-yet, Zugriff 23.6.2023

?        Reuters (28.5.2021): Syria’s Assad wins 4th term with 95% of vote, in election the West calls fraudulent, https://www.reuters.com/world/middle-east/syrias-president-bashar-al-assad-wins-fourth-term-office-with-951-votes-live-2021-05-27/, Zugriff 23.6.2023

?        SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 23.6.2023

?        Spiegel, Der (17.6.2022): "Sie selbst sind das Kartell", https://www.spiegel.de/ausland/syrien-drogenhandel-des-regimes-von-baschar-al-assad-sie-selbst-sind-das-kartell-a-869b875b-5edd-46c5-b2c7-f3074ca91791, Zugriff 23.6.2023

?        Standard - Standard, der (28.5.2021): Syriens Machthaber Assad erhält bei 'Präsidentenwahl' 95 Prozent, https://www.derstandard.at/story/2000126983065/syriens-machthaber-assad-erhaelt-bei-praesidentenwahl-95-prozent, Zugriff 23.6.2023

?        USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2021): United States Commission on International Religious Freedom 2021 Annual Report; USCIRF - Recommended for Countries of Particular Concern (CPC): Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052987/Syria+Chapter+AR2021.pdf, Zugriff 23.6.2023

?        USDOS – United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2091896.html, Zugriff 23.6.2023

?        USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2089061.html, Zugriff 23.6.2023

?        WP - Washington Post, The (22.7.2020): Syria’s elections have always been fixed. This time, even candidates are complaining., https://www.washingtonpost.com/world/middle_east/syrias-elections-have-always-been-fixed-this-time-even-candidates-are-complaining/2020/07/22/76e0bb12-cb5f-11ea-99b0-8426e26d203b_story.html, Zugriff 23.6.2023

Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien

Letzte Änderung 2024-03-08 11:12

2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).

Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für "Westen" (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) (SWP 7.2018). Die von den USA unterstützten SDF (TWI 18.7.2022) sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen (USDOS 20.3.2023), in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist (KAS 4.12.2018). Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des "Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien" (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben (SWP 7.2018). Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).

Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet 'belohnt' zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 20.3.2023). Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen (ICG 18.11.2021). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren (ÖB Damaskus 1.10.2021). Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung (Alaraby 31.5.2023). Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen (K24 22.1.2023). Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet (AAA 24.6.2023). Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 2.2.2024).

Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).

Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP [Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak] nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der PYD, welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht (ÖB 1.10.2021).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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