TE Bvwg Erkenntnis 2024/7/26 W132 2271253-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.07.2024
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Entscheidungsdatum

26.07.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W132 2271253-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch XXXX gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.11.2023, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch römisch 40 gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.11.2023, zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B)       Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzvorschriften in das Bundesgebiet ein und stellte am 06.12.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am 07.12.2021 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen Folgendes an: „Krieg im Land, schwierige Lebensverhältnisse, keine Sicherheit, unser Haus ist bombardiert worden, mein Onkel ist dabei gestorben, viel Armut im Land, es gibt keine Zukunft für meine Kinder in Syrien Im Libanon ist es in letzter Zeit sehr schwierig und es gibt keine Arbeit und ich kann meine Familie nicht ernähren und deshalb bin ich nach Europa geflüchtet“. Befragt zur Rückkehr gab er an: „Ich habe Angst um mein Leben und ich habe kein Haus mehr dort.“

2. Am 22.08.2022 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge ‚belangte Behörde‘ bzw. BFA genannt). Der Beschwerdeführer brachte zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen zusammengefasst vor, er befürchte staatliche Verfolgung wegen seines Vater, der desertiert, dann jedoch zurückgekehrt sei und dem in der Folge unterstellt worden sei, regimekritische Demonstrationen zu organisieren. Zudem werde der Beschwerdeführer als Reservist gesucht und weil er an regimekritischen Demonstrationen teilgenommen habe.

Im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens wurden ein syrischer Reisepass im Original und ein als Schreiben der Streitkräfte Syriens bezeichnetes Schriftstück in Kopie vorgelegt.

3. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).3. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die vorgebrachten Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können, jedoch die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes vorlägen.

4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer im Wege der bevollmächtigten Vertretung fristgerecht Beschwerde. Zu den Fluchtgründen wurde im Wesentlichen vorgebracht, dem Beschwerdeführer drohe im Falle der Rückkehr staatliche Verfolgung wegen seiner Familienzugehörigkeit zum Vater und wegen seiner Teilnahme an Demonstrationen in Syrien. Auch sei maßgeblich wahrscheinlich, dass er zum Reservemilitärdienst eingezogen würde. Zudem drohe ihm Verfolgung wegen unterstellter oppositioneller Gesinnung, aufgrund seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung in Österreich. Eine sichere und legale Einreise nach Syrien sei dem Beschwerdeführer lediglich über einen vom Regime kontrollierten Flughafen möglich.4. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer im Wege der bevollmächtigten Vertretung fristgerecht Beschwerde. Zu den Fluchtgründen wurde im Wesentlichen vorgebracht, dem Beschwerdeführer drohe im Falle der Rückkehr staatliche Verfolgung wegen seiner Familienzugehörigkeit zum Vater und wegen seiner Teilnahme an Demonstrationen in Syrien. Auch sei maßgeblich wahrscheinlich, dass er zum Reservemilitärdienst eingezogen würde. Zudem drohe ihm Verfolgung wegen unterstellter oppositioneller Gesinnung, aufgrund seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung in Österreich. Eine sichere und legale Einreise nach Syrien sei dem Beschwerdeführer lediglich über einen vom Regime kontrollierten Flughafen möglich.

5. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.09.2023 wurden die Verfahrensparteien zur Beschwerdeverhandlung am 09.11.2023 geladen, der Beschwerdeführer aufgefordert seine Herkunftsregion zu konkretisieren und die nachstehend angeführten Unterlagen in das Verfahren eingebracht:

-        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Version 09 (17.07.2023)

-        Country of Origin Information (COI), Brief Report, Syria, Treatment upon Return, May 2022

-        EASO (nunmehr EUAA) Leitfaden Syrien, November 2021

-        EUAA Country Guidance Syria Februar 2023

-        EASO (nunmehr EUAA) Syria Military service Country of Origin Information Report April 2021

-        EUAA Syria: Targeting of individuals, September 2022

-        EUAA Country of Origin Information Syria Security Situation von September 2022

-        UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Fassung, März 2021

-        InterimsIeitfaden zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Aufrechterhaltung der UNHCR-Position aus dem Jahr 2017, Februar 2020

-        Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Fragen des BVwG zu Rückkehrern nach Syrien vom 14.10.2022

-        Anfragebeantwortung zu Syrien: Rückkehrer aus der EU vom 01.09.2022

-        ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Wehrdienstverweigerung und Desertion (a-11951) vom 08.09.2022

-        ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Fragen des BVwG zur Wehrpflicht in Gebieten außerhalb der Kontrolle der Syrischen Regierung (ergänzende AFB) vom 14.10.2022.

-        ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Einberufung von Reservisten der syrischen Armee: Bedarf, Bedingungen, Alter, Dauer, Einsatzbereich, Möglichkeit des Freikaufens [a-12132-1] vom 14. Juni 2023

-        ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Detailfragen zum Vorgehen der syrischen Grenzbehörden bei der Einreise eines registrierten Reservisten nach mehrjährigem Auslandsaufenthalt [a-12132-2] vom 14.06.2023

-        ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Restriktionen bei der Beschaffung von Dokumenten für Syrer im Ausland im Wehrpflichtalter, die der Wehrpflicht nicht nachgekommen sind und keine Ersatzleistung geleistet haben [a-11903] vom 13. Juni 2022

-        ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Abgabe des Wehrdienstbuches und des Personalausweises zu Beginn des Wehrdienstes und Einbehaltung der Dokumente bis zur Ausmusterung von der Militärbehörde [a-11840] vom 20. April 2022

-        ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Bedeutung des Eintrags „Damas Center“ als Ausstellungsort eines Reisepasses; Möglichkeit der Zusendung bzw. Abholung eines Reisepasses durch Dritte; Art der Einfügung von Fingerabdruck und Unterschrift im Reisepass [a-12161] vom 11. Mai 2023

-        ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Gefälschte Dokumente bzw. echte Dokumente mit wahrheitswidrigem Inhalt (insb. Militär- u. Personalausweise, Strafregister-, Personenstands- und Familienbuchauszüge); Häufigkeit, Erlangung, Vorgehensweise, Preis, Bezahlung, Aushändigung durch Schlepper) [a-12196] vom 3. August 2023

6. Mit dem Schriftsatz vom 27.10.2023 gab die bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers XXXX als Herkunftsregion des Beschwerdeführers bekannt. 6. Mit dem Schriftsatz vom 27.10.2023 gab die bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers römisch 40 als Herkunftsregion des Beschwerdeführers bekannt.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 09.11.2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner bevollmächtigten Vertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch eingehend zu seiner Person, den Lebensumständen in Syrien und den Fluchtgründen sowie zum Privat- und Familienleben in Österreich befragt.

Zur Untermauerung des Vorbringens wurden integrationsbescheinigende Unterlagen sowie ein Dokument von UNHCR über die Registrierung des Beschwerdeführers im Libanon vorgelegt.

Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.

Die Richterin brachte ergänzend zu den im Zuge der Ladung zur Beschwerdeverhandlung eingebrachten Unterlagen folgende Berichte in das Verfahren ein:

-        Themenbericht der Staatendokumentation Syrien – Grenzübergänge vom 25.10.2023

Die bevollmächtigte Vertretung hat abschließend im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass eine Prognoseentscheidung zu treffen sei, weshalb es nicht darauf ankommen, ob der Beschwerdeführer bereits zum Reservedienst einberufen worden sei. Es sei auch zu prüfen, ob die Herkunftsregion erreichbar ist, ohne dass dem Beschwerdeführer am Weg in die Herkunftsregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung iSd § 3 AsylG drohe. Die Ansicht, dass der Beschwerdeführer de facto illegal über die Grenze von der Türkei oder dem Irak nach Syrien einreisen könnte, sei nicht zulässig. Diese Grenzübergänge seien weder sicher, noch könne davon ausgegangen werden, dass diese für den Personenverkehr offen sind. Eine sichere und legale Einreise des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsort sei daher nur über Grenzübergänge oder Flughäfen, die unter der Kontrolle des syrischen Regimes (wie jene zum Libanon oder über den Flughafen von Damaskus) stehen, möglich.Die bevollmächtigte Vertretung hat abschließend im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass eine Prognoseentscheidung zu treffen sei, weshalb es nicht darauf ankommen, ob der Beschwerdeführer bereits zum Reservedienst einberufen worden sei. Es sei auch zu prüfen, ob die Herkunftsregion erreichbar ist, ohne dass dem Beschwerdeführer am Weg in die Herkunftsregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung iSd Paragraph 3, AsylG drohe. Die Ansicht, dass der Beschwerdeführer de facto illegal über die Grenze von der Türkei oder dem Irak nach Syrien einreisen könnte, sei nicht zulässig. Diese Grenzübergänge seien weder sicher, noch könne davon ausgegangen werden, dass diese für den Personenverkehr offen sind. Eine sichere und legale Einreise des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsort sei daher nur über Grenzübergänge oder Flughäfen, die unter der Kontrolle des syrischen Regimes (wie jene zum Libanon oder über den Flughafen von Damaskus) stehen, möglich.

8. Im Anschluss wurden die Verhandlungsschrift und die vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht.

9. Mit Schreiben vom 15.03.2024 wurde den Verfahrensparteien das mittlerweile aktualisierte Länderinformationsblatt Syrien der Staatendokumentation Version 10 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.

Die Verfahrensparteien/belangte Behörde haben sich dazu nicht geäußert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu Person und individuellen Umständen im Hinblick auf den Herkunftsstaat

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen, ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensgemeinschaft des Islam.

Der Beschwerdeführer ist zum Entscheidungszeitpunkt 42 Jahre alt, sein Geburtsdatum ist der XXXX .Der Beschwerdeführer ist zum Entscheidungszeitpunkt 42 Jahre alt, sein Geburtsdatum ist der römisch 40 .

Der Beschwerdeführer wurde in XXXX , XXXX geboren und hat dort bis zu seiner Ausreise im Familienverband gelebt.Der Beschwerdeführer wurde in römisch 40 , römisch 40 geboren und hat dort bis zu seiner Ausreise im Familienverband gelebt.

Er hat sieben Jahre die Schule besucht und Arbeitserfahrung im Gastgewerbe gesammelt. Seine Muttersprache Arabisch beherrscht er in Wort und Schrift.

Den Angaben des Beschwerdeführers nach leben seine Gattin, die Kinder und Schwestern derzeit im Libanon. Die Eltern, Schwestern und ein Bruder leben in der Türkei.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Der Beschwerdeführer gelangte unter Umgehung der Einreisevorschriften nach Österreich und stellte am 06.12.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer führt in Österreich kein Familienleben.

Er ist in Österreich subsidiär schutzberechtigt. Das BFA ist davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer aktuell unter Berücksichtigung der individuellen Situation sowie der Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien, weder in seine Heimatprovinz zurückkehren, noch auf die Übersiedlung in andere Landesteile Syriens verwiesen werden kann.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich zum Zeitpunkt dieser Entscheidung strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen

Im Falle der Rückkehr nach Syrien droht dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung wegen eines Konventionsgrundes in asylrelevantem Ausmaß.

1.2.1. Als Herkunftsregion des Beschwerdeführers wird XXXX in XXXX angenommen.1.2.1. Als Herkunftsregion des Beschwerdeführers wird römisch 40 in römisch 40 angenommen.

Die Herkunftsregion steht aktuell nicht im Einfluss- oder Kontrollgebiet des syrischen Regimes, sondern unter der Kontrolle oppositioneller Gruppierungen, wie der dschihadistischen Gruppierung Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS; vormals: Al Nusra-Front).

Die syrische Regierung hat in jenen Teilen der Provinz XXXX , welche sich unter der Kontrolle der Gruppierung Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) befinden, keinen Zugriff auf dort lebende Personen und kann dort keine staatliche Macht (z. B. Vollstreckung von Einberufungs- oder Haftbefehlen) ausüben.Die syrische Regierung hat in jenen Teilen der Provinz römisch 40 , welche sich unter der Kontrolle der Gruppierung Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) befinden, keinen Zugriff auf dort lebende Personen und kann dort keine staatliche Macht (z. B. Vollstreckung von Einberufungs- oder Haftbefehlen) ausüben.

Dem Beschwerdeführer ist die Einreise in dieses Gebiet ohne Kontakt zum syrischen Regime möglich. Dafür kommt beispielsweise der nicht von der syrischen Regierung kontrollierte Grenzübergang Bab al-Hawa in Frage.

Er kann auch innerhalb der Provinz XXXX seine Herkunftsregion ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichen.Er kann auch innerhalb der Provinz römisch 40 seine Herkunftsregion ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichen.

1.2.2. Der Beschwerdeführer ist zum Entscheidungszeitpunkt 42 Jahre alt.

Er hat in Syrien seinen Wehrdienst von 2001 bis 2003 geleistet.

Er hat als einfacher Soldat, ohne besondere militärische Ausbildung oder Qualifikation bei der Luftwache gedient.

Er lebte bis zu seiner Ausreise in Syrien, ohne zum Reservedienst einberufen oder wegen unterbliebener Ableistung des Reservedienstes bestraft zu werden.

Seit Beendigung seines Militärdienstes hat er keinen Einberufungsbefehl erhalten.

Es ist nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Einberufung zum Militärdienst als Reservist droht.

Auch droht ihm keine Bestrafung, wegen unterbliebener Ableistung des Reservedienstes.

Der Beschwerdeführer stammt aus einem Gebiet, wo das syrische Regime aktuell keine Kontrolle ausübt und ist dieses Gebiet auch ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichbar.

1.2.3. Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion nicht konkret und individuell die Gefahr physischer und/oder psychischer Gewalt aufgrund Teilnahme an friedlichen Demonstrationen gegen das syrische Regime in Syrien.

Er ist deswegen nicht in das Blickfeld der zuständigen Behörden in Syrien geraten.

Doch selbst unter der Annahme, dass der Beschwerdeführer in das Blickfeld der zuständigen Behörden in Syrien geraten wäre, bestünde aktuell nicht maßgeblich wahrscheinlich die Gefahr staatlicher Verfolgung, weil der Beschwerdeführer aus einem Gebiet stammt, in dem das syrische Regime aktuell keine Kontrolle ausübt und dieses Gebiet auch ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichbar ist.

1.2.4. Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Syrien keine Reflexverfolgung aufgrund Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie, auch nicht wegen vermeintlicher Desertion seines Vaters.

Doch selbst unter der Annahme, dass seine Familie in das Blickfeld der zuständigen Behörden in Syrien geraten wäre, bestünde aktuell nicht maßgeblich wahrscheinlich die Gefahr staatlicher Verfolgung, weil der Beschwerdeführer aus einem Gebiet stammt, in dem das syrische Regime aktuell keine Kontrolle ausübt und ist dieses Gebiet auch ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichbar.

1.2.5. Dem Beschwerdeführer droht nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund seiner Ausreise bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung. Nicht jedem Rückkehrer, der aus einem oppositionellen Gebiet stammt, unrechtmäßig ausgereist ist und im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.

Die bloße Herkunft des Beschwerdeführers aus der Provinz XXXX , die Ausreise und die Asylantragstellung führen nicht dazu, dass er vom syrischen Regime als oppositionell wahrgenommen wird und deshalb Sanktionen ausgesetzt ist.Die bloße Herkunft des Beschwerdeführers aus der Provinz römisch 40 , die Ausreise und die Asylantragstellung führen nicht dazu, dass er vom syrischen Regime als oppositionell wahrgenommen wird und deshalb Sanktionen ausgesetzt ist.

1.2.6. Dem Beschwerdeführer droht wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Araber in seiner Herkunftsregion konkret und individuell keine physische und/oder psychische Gewalt in Syrien.

1.2.7. Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus einem in der GFK genannten Grund durch oppositionelle Gruppierungen seiner Herkunftsregion, wie der dschihadistischen Gruppierung Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS; vormals: Al Nusra-Front).

1.2.8. Auch aus der allgemeinen Lage in Syrien resultiert für den Beschwerdeführer keine Verfolgung aus Gründen, welche in der GFK aufgelistet sind.

1.2.9. Es haben sich im Verfahren keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte für eine wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers, dass ihm in Syrien individuell und aktuell Verfolgung in asylrelevanter Intensität droht, ergeben.

Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat herangezogen:

1.3.1. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Version 10 – auszugsweise:

4 Sicherheitslage

4.2 Nordwest-Syrien

Letzte Änderung 2024-03-08 11:28

Während das Assad-Regime etwa 60 Prozent des Landes kontrolliert, was einer Bevölkerung von rund neun Millionen Menschen entspricht, gibt es derzeit [im Nordwesten Syriens] zwei Gebiete, die sich noch außerhalb der Kontrolle des Regimes befinden: Nord-Aleppo und andere Gebiete an der Grenze zur Türkei, die von der von Ankara unterstützten Syrischen Nationalarmee (Syrian National Army, SNA) kontrolliert werden, und das Gebiet von Idlib, das von der militanten islamistischen Gruppe Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrolliert wird. Zusammen kontrollieren sie 10 Prozent des Landes mit einer Bevölkerung von etwa 4,4 Millionen Menschen, wobei die Daten zur Bevölkerungsanzahl je nach zitierter Institution etwas variieren (ISPI 27.6.2023).

Das Gebiet unter Kontrolle von Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS)

In der nordwestlichen Provinz Idlib und den angrenzenden Teilen der Provinzen Nord-Hama und West-Aleppo befindet sich die letzte Hochburg der Opposition in Syrien (BBC 2.5.2023). Das Gebiet wird von dem ehemaligen al-Qaida-Ableger Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) [Anm.: übersetzt soviel wie: Komitee zur Befreiung der Levante] beherrscht, der nach Ansicht von Analysten einen Wandel durchläuft, um seine Herrschaft in der Provinz zu festigen (Alaraby 5.6.2023). Das Gebiet beherbergt aber auch andere etablierte Rebellengruppen, die von der Türkei unterstützt werden (BBC 2.5.2023). HTS hat die stillschweigende Unterstützung der Türkei, die die Gruppe als Quelle der Stabilität in der Provinz und als mäßigenden Einfluss auf die radikaleren, transnationalen dschihadistischen Gruppen in der Region betrachtet. Durch eine Kombination aus militärischen Konfrontationen, Razzien und Festnahmen hat die HTS alle ihre früheren Rivalen wie Hurras ad-Din und Ahrar ash-Sham effektiv neutralisiert. Durch diese Machtkonsolidierung unterscheidet sich das heutige Idlib deutlich von der Situation vor fünf Jahren, als dort eine große Anzahl an dschihadistischen Gruppen um die Macht konkurrierte. HTS hat derzeit keine nennenswerten Rivalen. Die Gruppe hat Institutionen aufgebaut und andere Gruppen davon abgehalten, Angriffe im Nordwesten zu verüben. Diese Tendenz hat sich nach Ansicht von Experten seit dem verheerenden Erdbeben vom 6.2.2023, das Syrien und die Türkei erschütterte, noch beschleunigt (Alaraby 5.6.2023).

Aufgrund des militärischen Vorrückens der Regime-Kräfte und nach Deportationen von Rebellen aus zuvor vom Regime zurückeroberten Gebieten, ist Idlib in Nordwestsyrien seit Jahren Rückzugsgebiet vieler moderater, aber auch radikaler, teils terroristischer Gruppen der bewaffneten Opposition geworden (AA 29.11.2021). Zehntausende radikal-militanter Kämpfer, insb. der HTS, sind in Idlib präsent. Unter diesen befinden sich auch zahlreiche Foreign Fighters (Uiguren, Tschetschenen, Usbeken) (ÖB Damaskus 12.2022). Unter dem Kommando der HTS stehen zwischen 7.000 und 12.000 Kämpfer, darunter ca. 1.000 sogenannte Foreign Terrorist Fighters (UNSC 25.7.2023). Viele IS-Kämpfer übersiedelten nach dem Fall von Raqqa 2017 nach Idlib großteils Ausländer, die für den Dschihad nach Syrien gekommen waren und sich nun anderen islamistischen Gruppen wie der Nusra-Front [Jabhat al-Nusra], heute als HTS bekannt, angeschlossen haben. Meistens geschah das über persönliche Kontakte, aber ihre Lage ist nicht abgesichert. Ausreichend Geld und die richtigen Kontaktleute ermöglichen derartige Transfers über die Frontlinie (Zenith 11.2.2022). Der IS sieht den Nordwesten als potenzielles Einfallstor in die Türkei und als sicheren Rückzugsort, wo seine Anhänger sich unter die Bevölkerung mischen (UNSC 25.7.2023). Laut einem Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom Februar 2023 sind neben HTS und Hurras ad-Din unter anderem auch die zentralasiatischen Gruppierungen Khatiba at-Tawhid wal-Jihad (KTJ) - im März 2022 in Liwa Abu Ubayda umbenannt - und das Eastern Turkistan Islamic Movement (ETIM) - auch bekannt als Turkistan Islamic Party (TIP) - in Nordwestsyrien präsent (UNSC 13.2.2023).

Im Jahr 2012 stufte Washington Jabhat an-Nusra [Anm.: nach Umorganisationen und Umbenennungen nun HTS] als Terrororganisation ein (Alaraby 8.5.2023). Auch die Vereinten Nationen führen HTS als terroristische Vereinigung (AA 2.2.2024). Die Organisation versuchte, dieser Einstufung zu entgehen, indem sie 2016 ihre Loslösung von al-Qaida ankündigte und ihren Namen mehrmals änderte, aber ihre Bemühungen waren nicht erfolgreich und die US-Regierung führt sie weiterhin als „terroristische Vereinigung“ (Alaraby 8.5.2023; vgl. CTC Sentinel 2.2023). HTS geht gegen den IS und al-Qaida vor (COAR 28.2.2022; vgl. CTC Sentinel 2.2023) und reguliert nun die Anwesenheit ausländischer Dschihadisten mittels Ausgabe von Identitätsausweisen für die Einwohner von Idlib, ohne welche z.B. das Passieren von HTS-Checkpoints verunmöglicht wird. Die HTS versucht so, dem Verdacht entgegenzutreten, dass sie das Verstecken von IS-Führern in ihren Gebieten unterstützt, und signalisiert so ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft bei der Terrorismusbekämpfung (COAR 28.2.2022). Im Mai 2023 startete die HTS in den Provinzen Idlib und Aleppo beispielsweise eine Verhaftungskampagne gegen Hizb ut-Tahrir (HuT) als Teil der langfristigen Strategie, andere islamistische Gruppen in den von ihr kontrollierten Gebieten zu unterwerfen und die Streichung der HTS von internationalen Terroristenlisten zu erwirken (ACLED 8.6.2023; vgl. Alaraby 8.5.2023). Das Vorgehen gegen radikalere, konkurrierende Gruppierungen und die Versuche der Führung, der HTS ein gemäßigteres Image zu verpassen, führten allerdings zu Spaltungstendenzen innerhalb der verschiedenen HTS-Fraktionen (AM 22.12.2021). Im Dezember 2023 wurden diese Spaltungstendenzen evident. Nach einer Verhaftungswelle, die sich über ein Jahr hinzog, floh eine Führungspersönlichkeit in die Türkei, um eine eigene rivalisierende Gruppierung zu gründen. Die HTS reagierte mit einer Militäroperation in Afrin (Etana 12.2023). HTS verfolgt eine Expansionsstrategie und führt eine Offensive gegen regierungsnahe Milizen im Raum Aleppo durch (UNSC 25.7.2023).Im Jahr 2012 stufte Washington Jabhat an-Nusra [Anm.: nach Umorganisationen und Umbenennungen nun HTS] als Terrororganisation ein (Alaraby 8.5.2023). Auch die Vereinten Nationen führen HTS als terroristische Vereinigung (AA 2.2.2024). Die Organisation versuchte, dieser Einstufung zu entgehen, indem sie 2016 ihre Loslösung von al-Qaida ankündigte und ihren Namen mehrmals änderte, aber ihre Bemühungen waren nicht erfolgreich und die US-Regierung führt sie weiterhin als „terroristische Vereinigung“ (Alaraby 8.5.2023; vergleiche CTC Sentinel 2.2023). HTS geht gegen den IS und al-Qaida vor (COAR 28.2.2022; vergleiche CTC Sentinel 2.2023) und reguliert nun die Anwesenheit ausländischer Dschihadisten mittels Ausgabe von Identitätsausweisen für die Einwohner von Idlib, ohne welche z.B. das Passieren von HTS-Checkpoints verunmöglicht wird. Die HTS versucht so, dem Verdacht entgegenzutreten, dass sie das Verstecken von IS-Führern in ihren Gebieten unterstützt, und signalisiert so ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft bei der Terrorismusbekämpfung (COAR 28.2.2022). Im Mai 2023 startete die HTS in den Provinzen Idlib und Aleppo beispielsweise eine Verhaftungskampagne gegen Hizb ut-Tahrir (HuT) als Teil der langfristigen Strategie, andere islamistische Gruppen in den von ihr kontrollierten Gebieten zu unterwerfen und die Streichung der HTS von internationalen Terroristenlisten zu erwirken (ACLED 8.6.2023; vergleiche Alaraby 8.5.2023). Das Vorgehen gegen radikalere, konkurrierende Gruppierungen und die Versuche der Führung, der HTS ein gemäßigteres Image zu verpassen, führten allerdings zu Spaltungstendenzen innerhalb der verschiedenen HTS-Fraktionen (AM 22.12.2021). Im Dezember 2023 wurden diese Spaltungstendenzen evident. Nach einer Verhaftungswelle, die sich über ein Jahr hinzog, floh eine Führungspersönlichkeit in die Türkei, um eine eigene rivalisierende Gruppierung zu gründen. Die HTS reagierte mit einer Militäroperation in Afrin (Etana 12.2023). HTS verfolgt eine Expansionsstrategie und führt eine Offensive gegen regierungsnahe Milizen im Raum Aleppo durch (UNSC 25.7.2023).

Konfliktverlauf im Gebiet

Im Jahr 2015 verlor die syrische Regierung die Kontrolle über Idlib und diverse rivalisierende oppositionelle Gruppierungen übernahmen die Macht (BBC 18.2.2020), wobei die Freie Syrische Armee (FSA) manche Teile der Provinz schon 2012 erobert hatte (KAS 4.2020). Während die syrische Regierung die gesamte Provinz zurückerobern will, versucht Ankara zu verhindern, dass Idlib an Damaskus fällt, und daraufhin noch mehr Syrer in die Türkei flüchten (ORF 14.3.2021; vgl. Alaraby 25.1.2023). Die Türkei hat HTS als terroristische Organisation eingestuft, doch hat sie die Rebellengruppe in den letzten Jahren nicht aktiv daran gehindert, die Verwaltungsmacht in Idlib zu übernehmen (USCIRF 11.2022). Im Mai 2017 einigten sich Russland, Iran und die Türkei im Rahmen der Astana-Verhandlungen auf die Errichtung vier sogenannter Deeskalationszonen (DEZ) in Syrien (KAS 6.2020), wobei Idlib Teil einer DEZ wurde, die sich von den nordöstlichen Bergen Lattakias bis zu den nordwestlichen Vororten von Aleppo erstreckt und sowohl durch Hama als auch durch Idlib verläuft (SOHR 2.12.2022). Gemeint waren damit kampffreie Räume, in denen Zivilisten vor Angriffen geschützt sein sollten (KAS 6.2020; vgl. SD 18.8.2019). Gemäß der Übereinkunft von Astana rückte die türkische Armee im Oktober 2017 in die DEZ Idlib ein und errichtete Beobachtungsposten zur Überwachung der Waffenruhe. Ankara hatte sich in Astana verpflichtet, die Rebellen zu entwaffnen und den freien Verkehr auf den Fernstraßen M4 und M5 zu gewährleisten. Im Gegenzug hatten Moskau und Damaskus zugesichert, die Provinz nicht anzugreifen. Zusagen, die letztlich keine Seite einhielt. Die syrische Regierung führte im Zeitraum 2018-2020 Offensiven in Idlib durch, die zur Flucht von rund einer Million Menschen führten (KAS 6.2020).Im Jahr 2015 verlor die syrische Regierung die Kontrolle über Idlib und diverse rivalisierende oppositionelle Gruppierungen übernahmen die Macht (BBC 18.2.2020), wobei die Freie Syrische Armee (FSA) manche Teile der Provinz schon 2012 erobert hatte (KAS 4.2020). Während die syrische Regierung die gesamte Provinz zurückerobern will, versucht Ankara zu verhindern, dass Idlib an Damaskus fällt, und daraufhin noch mehr Syrer in die Türkei flüchten (ORF 14.3.2021; vergleiche Alaraby 25.1.2023). Die Türkei hat HTS als terroristische Organisation eingestuft, doch hat sie die Rebellengruppe in den letzten Jahren nicht aktiv daran gehindert, die Verwaltungsmacht in Idlib zu übernehmen (USCIRF 11.2022). Im Mai 2017 einigten sich Russland, Iran und die Türkei im Rahmen der Astana-Verhandlungen auf die Errichtung vier sogenannter Deeskalationszonen (DEZ) in Syrien (KAS 6.2020), wobei Idlib Teil einer DEZ wurde, die sich von den nordöstlichen Bergen Lattakias bis zu den nordwestlichen Vororten von Aleppo erstreckt und sowohl durch Hama als auch durch Idlib verläuft (SOHR 2.12.2022). Gemeint waren damit kampffreie Räume, in denen Zivilisten vor Angriffen geschützt sein sollten (KAS 6.2020; vergleiche SD 18.8.2019). Gemäß der Übereinkunft von Astana rückte die türkische Armee im Oktober 2017 in die DEZ Idlib ein und errichtete Beobachtungsposten zur Überwachung der Waffenruhe. Ankara hatte sich in Astana verpflichtet, die Rebellen zu entwaffnen und den freien Verkehr auf den Fernstraßen M4 und M5 zu gewährleisten. Im Gegenzug hatten Moskau und Damaskus zugesichert, die Provinz nicht anzugreifen. Zusagen, die letztlich keine Seite einhielt. Die syrische Regierung führte im Zeitraum 2018-2020 Offensiven in Idlib durch, die zur Flucht von rund einer Million Menschen führten (KAS 6.2020).

Das syrische Regime hat den Wunsch geäußert, die Provinz zurückzuerobern, doch seit einer Offensive im März 2020, die mit einer für die syrische Regierung katastrophalen Niederlage gegen die Türkei endete, hat das Gebiet den Besitzer nicht mehr gewechselt (Alaraby 5.6.2023). Im März 2020 vermittelten Russland und die Türkei einen Waffenstillstand, um einen Vorstoß der Regierung zur Rückeroberung von Idlib zu stoppen (BBC 26.6.2023). Die vereinbarte Waffenruhe in der DEZ Idlib wurde weitestgehend eingehalten (AA 2.2.2024), sie führte zu einer längeren Pause in der Gewalt, aber sporadische Zusammenstöße, Luftangriffe und Beschuss gehen weiter (BBC 26.6.2023). Der Konflikt ist derzeit weitgehend eingefroren, auch wenn es immer wieder zu Kämpfen kommt (AJ 15.3.2023). Durch den türkisch-russischen Waffenstillstand kam es an der Frontlinie zwischen den Regime-Truppen und HTS zu einem kleinen Rückgang der Gewalt. 2022 änderte sich die Intensität und Art der Vorfälle allerdings. Einerseits erhöhte HTS die Anzahl ihrer direkten Angriffe auf die syrische Regierung und andererseits kam es zu einem Anstieg an direkten bewaffneten Zusammenstößen, wobei Beschuss noch immer die häufigste Kampfart blieb (ACLED 26.7.2023).

Insbesondere im Süden der DEZ kommt es unverändert regelmäßig zu Kampfhandlungen zwischen Einheiten des Regimes und seiner Verbündeten und regimefeindlichen bewaffneten Oppositionsgruppen (AA 2.2.2024; vgl. UNSC 20.4.2023), inklusive schwerer Artillerieangriffe durch das syrische Regime und Luftschläge der russischen Luftwaffe (AA 2.2.2024; vgl. USDOS 20.3.2023). In der Region ist es beispielsweise im November (SOHR 2.12.2022) und Dezember 2022 (CC 1.5.2023) sowie Juni 2023 (Reuters 25.6.2023) zu einer spürbaren Eskalation der Militäroperationen durch russische und regimetreue Kräfte und den ihnen nahestehenden Milizen gekommen (CC 1.5.2023, SOHR 2.12.2022, Reuters 25.6.2023), einschließlich des täglichen Bombardements mit Dutzenden von Raketen und Artilleriegranaten und russischen Luftangriffen, die alle zu erheblichen menschlichen Verlusten und Sachschäden geführt haben (SOHR 2.12.2022). Die syrischen Weißhelme meldeten Ende 2022, dass sie im Laufe des Jahres auf mehr als 800 Angriffe des Assad-Regimes, russischer Streitkräfte und verbündeter Milizen im Nordwesten Syriens reagiert haben. Dabei wurden 165 Personen, darunter 55 Kinder und 14 Frauen, bei Luftangriffen sowie Artillerie- und Raketenangriffen auf mehr als 200 öffentliche Einrichtungen, darunter Wohnhäuser, landwirtschaftliche Felder, öffentliche Gebäude, Märkte, Schulen und ein Krankenhaus, getötet (USDOS 20.3.2023). Die HTS-Kämpfer greifen die Regierungskräfte dagegen vor allem mit Flugabwehrgeschossen an und sind hauptsächlich mit Maschinengewehren und Panzerfäusten ausgerüstet. Die Miliz hat jedoch auch improvisierte Sprengsätze gegen Assads Streitkräfte gelegt (Wilson 13.7.2022) und Selbstmordattentäter eingesetzt (Wilson 13.7.2022; vgl. CC 1.5.2023).Insbesondere im Süden der DEZ kommt es unverändert regelmäßig zu Kampfhandlungen zwischen Einheiten des Regimes und seiner Verbündeten und regimefeindlichen bewaffneten Oppositionsgruppen (AA 2.2.2024; vergleiche UNSC 20.4.2023), inklusive schwerer Artillerieangriffe durch das syrische Regime und Luftschläge der russischen Luftwaffe (AA 2.2.2024; vergleiche USDOS 20.3.2023). In der Region ist es beispielsweise im November (SOHR 2.12.2022) und Dezember 2022 (CC 1.5.2023) sowie Juni 2023 (Reuters 25.6.2023) zu einer spürbaren Eskalation der Militäroperationen durch russische und regimetreue Kräfte und den ihnen nahestehenden Milizen gekommen (CC 1.5.2023, SOHR 2.12.2022, Reuters 25.6.2023), einschließlich des täglichen Bombardements mit Dutzenden von Raketen und Artilleriegranaten und russischen Luftangriffen, die alle zu erheblichen menschlichen Verlusten und Sachschäden geführt haben (SOHR 2.12.2022). Die syrischen Weißhelme meldeten Ende 2022, dass sie im Laufe des Jahres auf mehr als 800 Angriffe des Assad-Regimes, russischer Streitkräfte und verbündeter Milizen im Nordwesten Syriens reagiert haben. Dabei wurden 165 Personen, darunter 55 Kinder und 14 Frauen, bei Luftangriffen sowie Artillerie- und Raketenangriffen auf mehr als 200 öffentliche Einrichtungen, darunter Wohnhäuser, landwirtschaftliche Felder, öffentliche Gebäude, Märkte, Schulen und ein Krankenhaus, getötet (USDOS 20.3.2023). Die HTS-Kämpfer greifen die Regierungskräfte dagegen vor allem mit Flugabwehrgeschossen an und sind hauptsächlich mit Maschinengewehren und Panzerfäusten ausgerüstet. Die Miliz hat jedoch auch improvisierte Sprengsätze gegen Assads Streitkräfte gelegt (Wilson 13.7.2022) und Selbstmordattentäter eingesetzt (Wilson 13.7.2022; vergleiche CC 1.5.2023).

Zwar rechtfertigt insbesondere das syrische Regime sein militärisches Vorgehen als Einsatz gegen terroristische Akteure. Ziele der Angriffe des Regimes und seiner Verbündeten bleiben jedoch neben Stellungen der bewaffneten Opposition (AA 2.2.2024) nicht zuletzt die zivile Infrastruktur in den Zielgebieten, darunter auch für die humanitäre Versorgung kritische Einrichtungen (AA 2.2.2024; vgl. HRW 12.1.2023). Diese wurden teilweise mit Präzisionsraketen und zielgenauen Waffensystemen von Kampfflugzeugen unter Beschuss genommen. In ihrem Bericht vom September 2022 dokumentiert die vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNHRC) eingerichtete internationale unabhängige Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Syrien (CoI = Commission of Inquiry) acht Angriffe, u.a. auf eine Wasserstation, mit insgesamt 39 getöteten oder verletzten Zivilpersonen (AA 2.2.2024). Im November 2022 dokumentierte die CoI den Einsatz von Streumunition durch die Regierungskräfte in einem dicht besiedelten Flüchtlingslager in Idlib, wodurch mindestens sieben Zivilisten getötet wurden (UNHRC 7.2.2023; vgl. AA 2.2.2024). Die CoI sieht zudem begründeten Anlass zu der Annahme, dass HTS-Mitglieder Menschen weiterhin willkürlich ihrer Freiheit beraubten und einige von ihnen in Isolationshaft und andere in einer Weise festhielten, die einem erzwungenen Verschwinden gleichkam. Darüber hinaus haben HTS-Mitglieder möglicherweise die Kriegsverbrechen der Folter und grausamen Behandlung sowie der Verhängung von Strafen ohne vorheriges Urteil eines regulär konstituierten Gerichts begangen (UNHRC 7.2.2023).Zwar rechtfertigt insbesondere das syrische Regime sein militärisches Vorgehen als Einsatz gegen terroristische Akteure. Ziele der Angriffe des Regimes und seiner Verbündeten bleiben jedoch neben Stellungen der bewaffneten Opposition (AA 2.2.2024) nicht zuletzt die zivile Infrastruktur in den Zielgebieten, darunter auch für die humanitäre Versorgung kritische Einrichtungen (AA 2.2.2024; vergleiche HRW 12.1.2023). Diese wurden teilweise mit Präzisionsraketen und zielgenauen Waffensystemen von Kampfflugzeugen unter Beschuss genommen. In ihrem Bericht vom September 2022 dokumentiert die vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNHRC) eingerichtete internationale unabhängige Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Syrien (CoI = Commission of Inquiry) acht Angriffe, u.a. auf eine Wasserstation, mit insgesamt 39 getöteten oder verletzten Zivilpersonen (AA 2.2.2024). Im November 2022 dokumentierte die CoI den Einsatz von Streumunition durch die Regierungskräfte in einem dicht besiedelten Flüchtlingslager in Idlib, wodurch mindestens sieben Zivilisten getötet wurden (UNHRC 7.2.2023; vergleiche AA 2.2.2024). Die CoI sieht zudem begründeten Anlass zu der Annahme, dass HTS-Mitglieder Menschen weiterhin willkürlich ihrer Freiheit beraubten und einige von ihnen in Isolationshaft und andere in einer Weise festhielten, die einem erzwungenen Verschwinden gleichkam. Darüber hinaus haben HTS-Mitglieder möglicherweise die Kriegsverbrechen der Folter und grausamen Behandlung sowie der Verhängung von Strafen ohne vorheriges Urteil eines regulär konstituierten Gerichts begangen (UNHRC 7.2.2023).

Im Oktober 2023 kam es zu einer erneuten Eskalation, die vom Vorsitzenden der CoI als größte Eskalation von Kampfhandlungen in Syrien in vier Jahren bezeichnet (UNHRC 24.10.2023).

Angefangen hat die Gewaltperiode am 5.10.2023 durch einen Drohnenangriff auf die Ausmusterungsveranstaltung der Militärakademie in Homs, bei dem 89 Personen getötet und 270 verletzt wurden. Die Hay’at Tahrir ash-Sham wird verdächtigt, hinter dem Anschlag zu stehen. Noch am selben Tag reagierten die syrische Regierung gemeinsam mit russischen Streitkräften vor Ort mit intensivem Beschuss der Provinzen Idlib und Aleppo. Weitere Drohnenangriffe folgten zwischen 7.10.2023 auf einen russisch geführten Militärflughafen in der Provinz Lattakia und 18.10. in der Stadt Aleppo. Die russischen Streitkräfte intensivierten ihre Luftangriffe und die Syrische Armee den Beschuss. Die HTS und ihre Verbündeten reagierten wiederum mit Artilleriebeschuss, Scharfschützen, Lenkflugkörpern und mutmaßlich auch weiteren Drohnenangriffen. Die Situation in Nordwestsyrien beruhigte sich im November wieder und die Kampfhandlungen gingen auf das Niveau vor der Eskalation im Oktober 2023 zurück, waren aber auch im Dezember 2023 noch unverändert evident (ICG 10.2023).

Im Februar 2023 wurde die Region von verheerenden Erdbeben heimgesucht, bei denen Tausende von Menschen ums Leben kamen [Anm.: s. Karte des betroffenen Gebiets samt Gebietskontrolle unten] (AJ 15.3.2023). Daraufhin wurde in Nordsyrien ein signifikanter, wenn auch zeitlich begrenzter, Rückgang der Kampfhandlungen verzeichnet (CC 12.6.2023; vgl. UNSC 20.4.2023). Der gegenseitige Beschuss und begrenzte Zusammenstöße zwischen nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, der syrischen Regierung und regierungsnahen Kräften über die Front hinweg im Nordwesten der Arabischen Republik Syrien hielten jedoch an, wobei es in einigen Fällen zu Opfern unter der Zivilbevölkerung kam (UNSC 20.4.2023). Auch im Juni 2023 wurde ein Wiederaufflammen der Kampfhandlungen zwischen Regierungskräften und Rebellengruppen in den Provinzen Aleppo und Idlib vermeldet (NPA 2.7.2023; vgl. AN 28.6.2023).Im Februar 2023 wurde die Region von verheerenden Erdbeben heimgesucht, bei denen Tausende von Menschen ums Leben kamen [Anm.: s. Karte des betroffenen Gebiets samt Gebietskontrolle unten] (AJ 15.3.2023). Daraufhin wurde in Nordsyrien ein signifikanter, wenn auch zeitlich begrenzter, Rückgang der Kampfhandlungen verzeichnet (CC 12.6.2023; vergleiche UNSC 20.4.2023). Der gegenseitige Beschuss und begrenzte Zusammenstöße zwischen nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, der syrischen Regierung und regierungsnahen Kräften über die Front hinweg im Nordwesten der Arabischen Republik Syrien hielten jedoch an, wobei es in einigen Fällen zu Opfern unter der Zivilbevölkerung kam (UNSC 20.4.2023). Auch im Juni 2023 wurde ein Wiederaufflammen der Kampfhandlungen zwischen Regierungskräften und Rebellengruppen in den Provinzen Aleppo und Idlib vermeldet (NPA 2.7.2023; vergleiche AN 28.6.2023).

[…]

5 Rechtsschutz / Justizwesen

[…]

5.2 Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes unter HTS- oder SNA-Dominanz

Letzte Änderung 2024-03-08 19:52

In Gebieten außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes ist die Lage von Justiz und Verwaltung von Region zu Region und je nach den örtlichen Herrschaftsverhältnissen unterschiedlich (AA 2.2.2024). In von oppositionellen Gruppen kontrollierten Gebieten wurden unterschiedlich konstituierte Gerichte und Haftanstalten aufgebaut, mit starken Unterschieden bei der Organisationsstruktur und bei der Beachtung juristischer Normen. Manche Gruppen folgen dem (syrischen) Strafgesetzbuch, andere folgen dem Entwurf eines Strafgesetzbuches auf Grundlage der Scharia, der von der Arabischen Liga aus dem Jahr 1996 stammt, während wiederum andere eine Mischung aus Gewohnheitsrecht und Scharia anwenden. Erfahrung, Expertise und Qualifikation der Richter in diesen Gebieten sind oft sehr unterschiedlich und häufig sind diese dem Einfluss der dominanten bewaffneten Gruppierungen unterworfen (USDOS 11.3.2020). Auch die Härte des angewandten islamischen Rechts unterscheidet sich, sodass keine allgemeinen Aussagen getroffen werden können (ÖB Damaskus 1.10.2021).

Doch werden insbesondere jene religiösen Gerichte, welche in (vormals) vom Islamischen Staat (IS) und von Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) [Anm.: HTS wird von den Vereinigten Staaten aufgrund ihrer Verbindungen zu Al Qa’ida als ausländische Terrororganisation eingestuft (CRS 8.11.2022)] kontrollierten Gebieten Recht sprechen, als nicht mit internationalen Standards im Einklang stehend charakterisiert (ÖB Damaskus 1.10.2021). Die Gerichte extremistischer Gruppen verhängen in ihren religiösen Gerichten harte Strafen wegen in ihrer Wahrnehmung religiösen Verfehlungen (FH 9.3.2023). Urteile von Scharia-Räten der Opposition resultieren manchmal in öffentlichen Hinrichtungen,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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