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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §3;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):94/10/0193Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerden des WT in H, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in E, 1. gegen den Bescheid des Bezirksschulrates Jennersdorf vom 19. September 1994, Zl. BSR-H-9/40-1994, und 2. gegen den Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 26. September 1994, Zl. 58/93, jeweils betreffend Erfüllung der Schulpflicht, zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid des Bezirksschulrates für Jennersdorf wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. Der zweitangefochtene Bescheid des Stadtschulrates für Wien wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 15. Dezember 1984 geborene Sohn des Beschwerdeführers, DT, erfüllte im Schuljahr 1993/1994 seine Schulpflicht durch "Teilnahme am häuslichen Unterricht" im Sinne des § 11 Abs. 2 SchPflG. Mit seinem an einen Lehrer der öffentlichen Volksschule in Wien 8, X-Gasse, gerichteten Schreiben vom 21. Juni 1994 erklärte der Beschwerdeführer, seinen Sohn für die Externistenprüfung der 3. Schulstufe anzumelden. Mit Schreiben vom 24. Juni 1994 teilte die Schule mit, daß die Externistenprüfungen für das laufende Schuljahr bereits abgehalten worden seien. Mit einem von einem Beamten des Schulaufsichtsdienstes gefertigten, keine Behördenbezeichnung tragenden Schreiben vom 12. Juli 1994 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, seinen Sohn D betreffend bis 13. September 1994 den Nachweis des zureichenden Erfolges des häuslichen Unterrichtes zu erbringen. Mit einem an den "Stadtschulrat für Wien, 7. Inspektionsbezirk" gerichteten Schreiben vom 8. Juli 1994 ersuchte der Beschwerdeführer, seinen Sohn "zum nächstmöglichen Prüfungstermin" zur Externistenprüfung zuzulassen.
Am 5. September 1994 legte DT an der Volksschule in Wien 8, X-Gasse, die Externistenprüfung der 3. Schulstufe ab. Nach dem Inhalt des von der Vorsitzenden der Prüfungskommission und der Prüferin gefertigten Prüfungsprotokolls waren entgegen der Aufforderung der Prüfungskommission keine Materialien (Hefte, Bücher, Arbeitsmappen) beigebracht worden, die die Ausgangsbasis für ein Prüfungsgespräch über die Lernfortschritte hätten bilden können. Den Gegenstand Deutsch, Lesen betreffend, wird dargelegt, D könne fließend und der Schulstufe entsprechend lesen. Beim freien Aufsatzthema habe sich jedoch herausgestellt, daß er lediglich die Blockschrift beherrsche; Groß- und Kleinschreibung seien ihm nicht geläufig. "Weitere" Rechtschreibkenntnisse seien nicht vorhanden. Einer Stellungnahme der Prüferin ist den Gegenstand Deutsch, Lesen betreffend weiters folgendes zu entnehmen: Die Begriffe Zeitwörter, Namenwörter und Eigenschaftswörter seien dem Kind unbekannt. Es sei nicht festzustellen, daß es einen einigermaßen rechtschreibmäßig gesicherten Wortschatz beherrsche. Außer dem Punkt kenne es keine Satzzeichen. Rufzeichen, Fragezeichen, einfache Beistrichsetzung, Zeichen der einfachsten Form der wörtlichen Rede seien unbekannt. Der im Lehrplan geforderte erste Einblick in Funktion und Bau von Sätzen könne in keiner Weise festgestellt werden. Es seien keine Kenntnisse des Prüfungsgebietes (Lehrplan der 3. Klasse Volksschule), sowie keine Eigenständigkeit im Denken und in der Anwendung des Lehrstoffes nachgewiesen. Es fehle eine sprachlich und sachlich richtige Ausdrucksweise. Beim durch das Kind gewählten freien Aufsatzthema seien die schon bei der mündlichen Prüfung festgestellten Mängel (Interpunktion, stark begrenzter Wortschatz, fehlende Groß- und Kleinschreibung) deutlich zutage getreten. Das Schriftbild habe nicht einmal dem Lehrplan der Grundstufe 1 entsprochen. D beherrsche lediglich die Blockschrift. Von der Lateinschrift kenne er einige wenige Buchstaben in sehr wackeliger Form. Das Schriftbild zeige kein formgerechtes und geordnetes Schreiben. Es weise keine gleichen Wort- und Zeilenabstände auf. Das Kind wirke während des Schreibens sehr angespannt und untrainiert im Bewegungsablauf. Der bei der Prüfung anwesende Vater habe erklärt, wegen einer langwierigen Übersiedlung seien ihm schriftliche Arbeiten mit dem Kind nicht möglich gewesen. Er lehne das österreichische Schulsystem ab. In der freien Natur lernten die Kinder mehr als durch sinnlose Übungen.
Nach Ausweis des über die Externistenprüfung ausgestellten Zeugnisses wurde diese nicht bestanden. Die Beurteilung im Gegenstand Deutsch, Lesen lautete auf Nicht genügend (5).
In einem Schreiben vom 13. September 1994 an die Vorsitzende der Prüfungskommission forderte der Beschwerdeführer "eine ausreichende Begründung für die Beurteilung der Externistenprüfung". Die Benotung für den Gegenstand Deutsch, Lesen sei völlig ungerechtfertigt und unverständlich. Das Lesen sei in einer mehr oder weniger flüssigen Weise gezeigt worden; die Benotung im Gegenstand Deutsch, Lesen lasse sich nicht ausschließlich auf ersteres reduzieren.
Zuvor (mit Schreiben vom 30. August 1994) hatte der Beschwerdeführer gegenüber dem Bezirksschulrat Jennersdorf erklärt, seinen Sohn für die 4. Schulstufe "zum häuslichen Unterricht abzumelden"; das Zeugnis werde er nachreichen.
Mit dem erstangefochtenen, an den Beschwerdeführer gerichteten Bescheid vom 19. September 1994 untersagte der Bezirksschulrat für Jennersdorf die Teilnahme von DT am häuslichen Unterricht und ordnete an, daß dieser seine Schulpflicht im Sinne des § 5 SchPflG zu erfüllen habe. Begründend wurde nach Hinweis auf § 11 Abs. 4 SchPflG dargelegt, der Nachweis des zureichenden Erfolges sei nicht erbracht worden. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 21. September 1994 zugestellt.
Mit dem zweitangefochtenen, an den Beschwerdeführer gerichteten Bescheid vom 26. September 1994 sprach der Stadtschulrat für Wien aus, DT habe ab sofort seine Schulpflicht an einer öffentlichen oder an einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu erfüllen. Begründend wurde nach Hinweisen auf die Rechtslage dargelegt, das Kind habe die Prüfung über die 3. Schulstufe nicht positiv abgelegt.
Eine gegen den erstangefochtenen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies der Landesschulrat für Burgenland mit Bescheid vom 25. Oktober 1994 gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück.
Gegen die oben erwähnten Bescheide des Bezirksschulrates Jennersdorf und des Stadtschulrates für Wien erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerden mit seinen Beschlüssen vom 5. Dezember 1994, B 2228/94 und B 2291/94, ab und trat die Beschwerden antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof wird in beiden Beschwerden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aus folgenden Gründen geltend gemacht: Der zureichende Erfolg des häuslichen Unterrichts sei durch das Prüfungszeugnis über die Externistenprüfung nachgewiesen worden. DT sei trotz eines gegen das Prüfungsergebnis erhobenen Rechtsmittels nicht zu einer Wiederholung der Externistenprüfung zugelassen worden. Bei der Externistenprüfung sei nur der Prüfer, nicht aber der Vorsitzende der Prüfungskommission anwesend gewesen.
Die belangten Behörden haben die Akten vorgelegt und jeweils eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren über die Beschwerden wegen des persönlichen und sachlichen
Zusammenhanges verbunden und erwogen:
Zum erstangefochtenen Bescheid:
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 94/10/0187, hat der Gerichtshof eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Bezirksschulrates für Jennersdorf, mit dem für HK die Teilnahme am häuslichen Unterricht untersagt und angeordnet wurde, daß diese ihre Schulpflicht im Sinne des § 5 SchPflG zu erfüllen habe, als unbegründet abgewiesen. Dem dort zu entscheidenden Beschwerdefall lag ein dem vorliegenden Beschwerdefall in allen wesentlichen Punkten gleicher Sachverhalt zugrunde. Die vorliegende Beschwerde stimmt mit der zur Zl. 94/10/0187 protokollierten Beschwerde vollkommen überein. Es genügt daher, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des soeben erwähnten Erkenntnisses zu verweisen; die vorliegende Beschwerde ist aus den dort dargelegten Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf
§§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Zum zweitangefochtenen Bescheid:
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Unzuständigkeit der belangten Behörde auch dann wahrzunehmen, wenn sie vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht wird.
Auf das behördliche Verfahren der Landes- und Bezirksschulbehörden findet das AVG Anwendung (Art. II Abs. 2 Z. 8 EGVG).
Im Verfahren nach § 11 SchPflG richtet sich die örtliche Zuständigkeit im Sinne des § 3 lit. c AVG nach dem Wohnsitz des Beteiligten, dann nach seinem Aufenthalt (vgl. hiezu Jonak-Kövesi, Das österreichische Schulrecht5, 469 FN 6). Nach der Aktenlage war der Wohnsitz des DT (und des Beschwerdeführers) während des gesamten Verfahrens (insbesondere im Zeitpunkt der Entscheidung) im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Bezirksschulrates Jennersdorf; dieser
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und nicht der Stadtschulrat für Wien - war daher zur Erlassung des Bescheides nach § 11 Abs. 4 SchPflG zuständig. Der Hinweis in der Gegenschrift, daß die Abmeldung zum häuslichen Unterricht (gemeint offenbar: jene vor Beginn des Schuljahres 1993/1994) in "dieser Inspektionskanzlei" unter Angabe einer Anschrift in Wien 5 erfolgt sei, vermag daran nichts zu ändern. Nach der Aktenlage war im gesamten zur Erlassung des zweitangefochtenen Bescheides führenden Verfahren
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jedenfalls ab dem Schreiben vom 21. Juni 1994 - der Wohnsitz des Beschwerdeführers und seines Sohnes im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Bezirksschulrates Jennersdorf offenkundig. Maßgebend für die Zuständigkeit zur Erlassung eines Bescheides ist - sofern das Gesetz nicht an anderes anknüpft - die Sachlage im Zeitpunkt seiner Erlassung. Im Beschwerdefall besteht keine Grundlage dafür, auch nach einem Wechsel des Wohnsitzes die Zuständigkeit für die Anordnung nach § 11 Abs. 4 SchPflG weiterhin an die zur Zeit der Anzeige des häuslichen Unterrichts im vergangenen Schuljahr gegebene Sachlage anzuknüpfen. Der zweitangefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Instanzenzug Zuständigkeit AllgemeinMaßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseAllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994100188.X00Im RIS seit
03.04.2001Zuletzt aktualisiert am
24.10.2010