Entscheidungsdatum
02.07.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W275 2276652-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.07.2023, Zahl 1314832002/222147735, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.07.2023, Zahl 1314832002/222147735, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.römisch eins. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.römisch II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer eines Jahres erteilt.römisch III. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 wird römisch 40 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer eines Jahres erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.römisch IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte römisch III., römisch IV., römisch fünf. und römisch VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin stellte nach illegaler Einreise am 10.07.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 11.07.2022 wurde die Beschwerdeführerin vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab dabei im Wesentlichen an, ihre somalische Heimatstadt sei von Al Shabaab übernommen worden. Sie hätte gegen ihren Willen ein Mitglied der Al Shabaab heiraten müssen. Auch ihr Vater sei gegen die Heirat gewesen und aus diesem Grund umgebracht worden.
Am 02.02.2023 fand die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Im Rahmen dieser Einvernahme gab die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, Somalia wegen einer drohenden Zwangsheirat verlassen zu haben. In ihrer Heimatstadt habe Al Shabaab die Macht und sie hätten Regeln zur Heirat aufgestellt. Ihr Vater habe ihr geholfen, das Land zu verlassen, weshalb er getötet worden sei.
Ergänzend legte die Beschwerdeführerin eine Deutschkursbestätigung vor.
Mit Schreiben vom 12.05.2023 übermittelte die Beschwerdeführerin den Befundbericht einer gynäkologischen Ambulanz.
Mit oben genanntem Bescheid vom 14.07.2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).Mit oben genanntem Bescheid vom 14.07.2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.) und gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) sowie gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 46, FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Für die freiwillige Ausreise wurde gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt römisch VI.).
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Am 07.05.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhand-lung statt, in welcher die Beschwerdeführerin zu ihren persönlichen Lebensumständen sowie zu ihren Fluchtgründen befragt wurde. Ergänzend legte die Beschwerdeführerin Unterlagen ihre Integration sowie Medikation betreffend vor.
Mit Schreiben vom 27.05.2024 erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Sie ist Staatsangehörige von Somalia, ledig und hat keine Kinder. Ihre Identität steht nicht fest. Die Beschwerdeführerin gehört dem Clan der Gaaljecel, Sub-Clan XXXX , Sub-Sub-Clan XXXX , an und bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Islam. Ihre Erstsprache ist Somali, sie beherrscht diese in Wort und Schrift.Die Beschwerdeführerin führt den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 . Sie ist Staatsangehörige von Somalia, ledig und hat keine Kinder. Ihre Identität steht nicht fest. Die Beschwerdeführerin gehört dem Clan der Gaaljecel, Sub-Clan römisch 40 , Sub-Sub-Clan römisch 40 , an und bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Islam. Ihre Erstsprache ist Somali, sie beherrscht diese in Wort und Schrift.
Die Beschwerdeführerin ist in XXXX , Region Lower Shabelle (Somalia), geboren und aufgewachsen. In Somalia hat sie unregelmäßig Unterricht erhalten, Haushaltsarbeiten erledigt und nicht gegen Entgelt gearbeitet. Bis zu ihrer Ausreise lebte die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Vater, ihrer Stiefmutter und ihren zwei Halbbrüdern und zwei Halbschwestern in der familieneigenen Hütte. Die Beschwerdeführerin hat keinen Kontakt zu ihrer leiblichen Mutter. Der Vater der Beschwerdeführerin kam mit seinem Einkommen als Angestellter in der Landwirtschaft alleine für den Lebensunterhalt der Familie auf. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Vater der Beschwerdeführerin noch am Leben ist. Die Stiefmutter der Beschwerdeführerin lebt nach wie vor im Heimatort; die Beschwerdeführerin hat keinen Kontakt zu ihr.Die Beschwerdeführerin ist in römisch 40 , Region Lower Shabelle (Somalia), geboren und aufgewachsen. In Somalia hat sie unregelmäßig Unterricht erhalten, Haushaltsarbeiten erledigt und nicht gegen Entgelt gearbeitet. Bis zu ihrer Ausreise lebte die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Vater, ihrer Stiefmutter und ihren zwei Halbbrüdern und zwei Halbschwestern in der familieneigenen Hütte. Die Beschwerdeführerin hat keinen Kontakt zu ihrer leiblichen Mutter. Der Vater der Beschwerdeführerin kam mit seinem Einkommen als Angestellter in der Landwirtschaft alleine für den Lebensunterhalt der Familie auf. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Vater der Beschwerdeführerin noch am Leben ist. Die Stiefmutter der Beschwerdeführerin lebt nach wie vor im Heimatort; die Beschwerdeführerin hat keinen Kontakt zu ihr.
Die Beschwerdeführerin stellte am 10.07.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Die Beschwerdeführerin wurde im Kindesalter Opfer einer Genitalverstümmelung Typ II. Die Beschwerdeführerin wurde im Kindesalter Opfer einer Genitalverstümmelung Typ römisch II.
Die Beschwerdeführerin leidet an keinen schwerwiegenden Krankheiten und ist arbeitsfähig.
Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Die Beschwerdeführerin hat in Österreich Deutschkurse besucht, nimmt an Integrationsprojekten teil und unterstützt Bekannte regelmäßig bei der Gartenarbeit.
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin war und ist in Somalia nicht der Gefahr ausgesetzt, gegen ihren Willen mit einem Mitglied der Al Shabaab verheiratet zu werden.
Der Beschwerdeführerin droht bei einer Rückkehr nach Somalia nicht konkret und individuell die Gefahr, Opfer einer weiteren Genitalverstümmelung zu werden.
Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit wurde nicht konkret vorgebracht; Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch amtswegig nicht hervorgekommen.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat:
Der Beschwerdeführerin würde bei einer Rückkehr in ihren Heimatort aufgrund der dort herrschenden schlechten allgemeinen Sicherheitslage, der schwierigen Versorgungslage und der individuellen Umstände mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit drohen.
Der Beschwerdeführerin ist eine Rückkehr in eine andere Region Somalias aufgrund der individuellen Umstände in Verbindung mit der – auf sie bezogen angespannten – Versorgungslage aktuell nicht zumutbar.
1.4. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Somalia (Version 6, Stand 08.01.2024):
Politische Lage
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 28.6.2022, S. 4f). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2022, S. 4).Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 28.6.2022, Sitzung 4f). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2022, Sitzung 4).
Staatlichkeit: Trotz massiver militärischer, diplomatischer und finanzieller Unterstützung hat die Regierung in Mogadischu kaum Fortschritte gemacht (Meservey 19.10.2021). Nach anderen Angaben hat Somalia in den vergangenen Jahren auf vielen Gebieten große Fortschritte erzielt. Der Staat ist etwa bei Steuereinnahmen effektiver geworden. Junge Somalis und Angehörige der Diaspora sind in der Zivilgesellschaft aktiv, und Mogadischu selbst hat sich stark verändert (BBC 18.1.2021). Somalia ist nun zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind demnach sehr schwach, wesentliche Staatsfunktionen können von ihnen nicht ausgeübt werden. Es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (AA 28.6.2022, S. 4/6). Die Bundesregierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (FH 2022a, C1), da sie nur wenige Gebiete kontrolliert (BS 2022, S. 33). Zudem hängt die Existenz des somalischen Staates zum größten Teil von der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft ab (HIPS 3.2021, S. 9). Dies gilt natürlich auch für die Umsetzung von Aktivitäten seitens der Regierung (FH 2022a, C1).Staatlichkeit: Trotz massiver militärischer, diplomatischer und finanzieller Unterstützung hat die Regierung in