Entscheidungsdatum
05.07.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W204 2275021-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER über die Beschwerde des A XXXX A XXXX H XXXX , geboren am XXXX 1978, Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.04.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER über die Beschwerde des A römisch 40 A römisch 40 H römisch 40 , geboren am römisch 40 1978, Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.04.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Syriens, reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 17.12.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 18.12.2021 wurde der BF von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch erstbefragt. Er gab an, am XXXX 1978 in Idlib, Syrien, geboren worden zu sein. Er gehöre zur Volksgruppe der Araber, sei sunnitischer Muslim und seine Muttersprache sei Arabisch. Seine Ehefrau, seine fünf Töchter, seine fünf Söhne und ein Bruder lebten im Libanon. Seine Mutter sei verstorben, sein Vater und eine Schwester seien in Syrien aufhältig. Ein Bruder und eine weitere Schwester lebten in Kanada, zwei Brüder in Deutschland und ein Bruder in Frankreich. Der BF habe am Heimatort neun Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Verkäufer gearbeitet. 2011 habe er Idlib verlassen und sei in den Libanon gezogen, von dort sei er im August 2021 mit dem Ziel, Deutschland zu erreichen, nach Europa ausgereist. Der BF habe Syrien aufgrund des Krieges verlassen, er habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung. In seiner Heimatregion herrsche noch immer Krieg, weshalb er befürchte, bei einer Rückkehr getötet zu werden.2. Am 18.12.2021 wurde der BF von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch erstbefragt. Er gab an, am römisch 40 1978 in Idlib, Syrien, geboren worden zu sein. Er gehöre zur Volksgruppe der Araber, sei sunnitischer Muslim und seine Muttersprache sei Arabisch. Seine Ehefrau, seine fünf Töchter, seine fünf Söhne und ein Bruder lebten im Libanon. Seine Mutter sei verstorben, sein Vater und eine Schwester seien in Syrien aufhältig. Ein Bruder und eine weitere Schwester lebten in Kanada, zwei Brüder in Deutschland und ein Bruder in Frankreich. Der BF habe am Heimatort neun Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Verkäufer gearbeitet. 2011 habe er Idlib verlassen und sei in den Libanon gezogen, von dort sei er im August 2021 mit dem Ziel, Deutschland zu erreichen, nach Europa ausgereist. Der BF habe Syrien aufgrund des Krieges verlassen, er habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung. In seiner Heimatregion herrsche noch immer Krieg, weshalb er befürchte, bei einer Rückkehr getötet zu werden.
3. Am 06.04.2023 wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) in Anwesenheit einer Dolmetscherin in seiner Muttersprache Arabisch niederschriftlich einvernommen. Der BF führte aus, dass er aus B XXXX , Idlib, Syrien stamme und Syrien am 01.05.2013 wegen des Krieges verlassen habe. Er sei wie alle anderen wegen eines Massakers geflüchtet und in den Libanon gereist. Zu dieser Zeit sei auch dem Dorfvorsteher gesagt worden, dass sie als Reservisten einberufen seien. Einen schriftlichen Befehl gebe es seines Wissens aber nicht. Der BF habe seinen Militärdienst von 1998 bis 2001 abgeleistet. Dabei sei er als gewöhnlicher Soldat für Wachtätigkeiten bei einem Bahnübergang eingesetzt worden, es sei dies eher eine Art ziviler Dienstleistung für das Militär gewesen. 3. Am 06.04.2023 wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) in Anwesenheit einer Dolmetscherin in seiner Muttersprache Arabisch niederschriftlich einvernommen. Der BF führte aus, dass er aus B römisch 40 , Idlib, Syrien stamme und Syrien am 01.05.2013 wegen des Krieges verlassen habe. Er sei wie alle anderen wegen eines Massakers geflüchtet und in den Libanon gereist. Zu dieser Zeit sei auch dem Dorfvorsteher gesagt worden, dass sie als Reservisten einberufen seien. Einen schriftlichen Befehl gebe es seines Wissens aber nicht. Der BF habe seinen Militärdienst von 1998 bis 2001 abgeleistet. Dabei sei er als gewöhnlicher Soldat für Wachtätigkeiten bei einem Bahnübergang eingesetzt worden, es sei dies eher eine Art ziviler Dienstleistung für das Militär gewesen.
Im Libanon habe er sich ganz normal aufgehalten, dies sei damals gar kein Problem gewesen. In Syrien sei er zuletzt 2021 gewesen, weil die Schlepperroute nach Österreich über Syrien verlaufen sei. Seine Ehefrau, seine fünf Töchter und seine fünf Söhne seien im Libanon. Nur der Vater des BF lebe noch in Syrien an der Grenze zur Türkei.
4. Mit Bescheid des BFA vom 29.04.2023 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde ihm für die Dauer von einem Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Das BFA führte aus, der BF könne nicht glaubhaft machen, dass die Ereignisse, die zu seiner Flucht geführt hätten, aus asylrelevanten Gründen individuell gegen seine Person erfolgt seien. Die bloße Möglichkeit einer Einberufung in den Reservedienst sei nicht ausreichend, um eine Asylgewährung zu rechtfertigen.4. Mit Bescheid des BFA vom 29.04.2023 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde ihm für die Dauer von einem Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Das BFA führte aus, der BF könne nicht glaubhaft machen, dass die Ereignisse, die zu seiner Flucht geführt hätten, aus asylrelevanten Gründen individuell gegen seine Person erfolgt seien. Die bloße Möglichkeit einer Einberufung in den Reservedienst sei nicht ausreichend, um eine Asylgewährung zu rechtfertigen.
5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids erhob der BF, vertreten durch die BBU GmbH, mit Schriftsatz vom 25.05.2023 fristgerecht Beschwerde. Vorgebracht wurde im Wesentlichen, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben sei, weshalb Verfahrensvorschriften verletzt worden seien. Relevante, in der Beschwerde näher genannte Länderberichte seien nicht berücksichtigt worden. Die Behörde berücksichtige im Falle des BF die Situation wehrpflichtiger Männer sowie seine durch die Flucht und seinen Asylantrag verdeutlichte regierungsfeindliche Gesinnung und (zumindest unterstellte) oppositionelle Haltung nicht ausreichend.5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheids erhob der BF, vertreten durch die BBU GmbH, mit Schriftsatz vom 25.05.2023 fristgerecht Beschwerde. Vorgebracht wurde im Wesentlichen, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben sei, weshalb Verfahrensvorschriften verletzt worden seien. Relevante, in der Beschwerde näher genannte Länderberichte seien nicht berücksichtigt worden. Die Behörde berücksichtige im Falle des BF die Situation wehrpflichtiger Männer sowie seine durch die Flucht und seinen Asylantrag verdeutlichte regierungsfeindliche Gesinnung und (zumindest unterstellte) oppositionelle Haltung nicht ausreichend.
6. Am 08.11.2023 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, wobei das BFA auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtete. Im Rahmen dieser wurde der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch unter anderem zu seiner Identität und Herkunft, seinen Familienangehörigen sowie seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen ausführlich befragt.
Der BF führte aus, dass er bis Mai 2013 in B XXXX , Idlib, Syrien, gelebt habe. Seinen Militärdienst habe der BF von 1999 bis 2001 als Rekrut abgeleistet. Das Heimatgebiet sei ab 2013 stark umkämpft gewesen, wobei die Kämpfer alles fremde Personen, teils aus dem Ausland, gewesen seien. Der Ortsvorsteher habe dem BF am 01.04.2013 mündlich mitgeteilt, dass er als Reservist eingezogen werde und bei der Rekrutierungsabteilung A XXXX vorsprechen solle. Am 13.04.2013 habe im Heimatdorf ein Massaker, verübt durch die syrische Regierung, stattgefunden, noch am selben Tag habe die Familie des BF das Heimatdorf verlassen, am 01.05.2013 sei diese dann in den Libanon ausgereist. Er selbst habe erst am 05.05.2013 in den Libanon einreisen können, weil er für den Reservedienst gesucht worden sei. Im Libanon seien der BF und seine Familie illegal aufhältig gewesen, UNHCR habe die Familie registriert. Nach ihrer Ausreise seien die Häuser im Heimatdorf wegen dessen strategischer Lage von der Regierung niedergewalzt und dort ein Militärstützpunkt errichtet worden. Aktuell lebe die Schwester der BF als einziges Familienmitglied in Syrien, in A XXXX . Der Vater des BF sei aufgrund der jüngsten Kampfhandlungen in die Türkei ausgereist. In seinem Heimatdorf habe aktuell die syrische Regierung die Kontrolle.Der BF führte aus, dass er bis Mai 2013 in B römisch 40 , Idlib, Syrien, gelebt habe. Seinen Militärdienst habe der BF von 1999 bis 2001 als Rekrut abgeleistet. Das Heimatgebiet sei ab 2013 stark umkämpft gewesen, wobei die Kämpfer alles fremde Personen, teils aus dem Ausland, gewesen seien. Der Ortsvorsteher habe dem BF am 01.04.2013 mündlich mitgeteilt, dass er als Reservist eingezogen werde und bei der Rekrutierungsabteilung A römisch 40 vorsprechen solle. Am 13.04.2013 habe im Heimatdorf ein Massaker, verübt durch die syrische Regierung, stattgefunden, noch am selben Tag habe die Familie des BF das Heimatdorf verlassen, am 01.05.2013 sei diese dann in den Libanon ausgereist. Er selbst habe erst am 05.05.2013 in den Libanon einreisen können, weil er für den Reservedienst gesucht worden sei. Im Libanon seien der BF und seine Familie illegal aufhältig gewesen, UNHCR habe die Familie registriert. Nach ihrer Ausreise seien die Häuser im Heimatdorf wegen dessen strategischer Lage von der Regierung niedergewalzt und dort ein Militärstützpunkt errichtet worden. Aktuell lebe die Schwester der BF als einziges Familienmitglied in Syrien, in A römisch 40 . Der Vater des BF sei aufgrund der jüngsten Kampfhandlungen in die Türkei ausgereist. In seinem Heimatdorf habe aktuell die syrische Regierung die Kontrolle.
7. Mit Schreiben vom 29.11.2023 legte der BF ein Schreiben der UNHCR-Rechtsabteilung vor, wonach der BF am 10.05.2013 von UNHCR Libanon registriert worden war.
8. Mit Schreiben vom 14.05.2024 nahm der BF durch seine Rechtsvertretung Stellung zu den aktuellen, seiner Rechtsvertretung ins Parteiengehör zugesandten Länderberichten. Der BF wies darauf hin, dass er aufgrund einer Bewilligungsquote von fast null für Antragsteller aus Gebieten, die als regierungsfeindliche Hochburgen identifiziert worden seien, nicht in seinen Heimatort zurückkehren könne. Als Reservedienstverweigerer aus einem ehemaligen Oppositionsgebiet, der seine Meinung zum Assad Regime offen äußern würde, wäre er bei einer Rückkehr Verfolgungshandlungen und Repressionen ausgesetzt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
- Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegendem Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF;
- Einsicht in die in das Verfahren eingeführten Länderinformationen;
- Einsicht in die Stellungnahmen und Vorlagen des BF;
- Befragung des BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung am 08.11.2023;
- Einsicht in das Strafregister, in das Grundversorgungssystem und das Zentrale Melderegister.
II. Feststellungen:römisch II. Feststellungen:
II.1. Zur Person des Beschwerdeführers:römisch II.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der BF heißt A XXXX A XXXX H XXXX und ist am XXXX 1978 in B XXXX , Idlib, Syrien geboren. Seine Identität steht fest.Der BF heißt A römisch 40 A römisch 40 H römisch 40 und ist am römisch 40 1978 in B römisch 40 , Idlib, Syrien geboren. Seine Identität steht fest.
Der BF ist syrischer Staatsangehöriger. Er gehört zur Volksgruppe der Araber und gehört der sunnitisch islamischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Muttersprache ist Arabisch. Der BF ist verheiratet und hat zehn Kinder.
Der BF hat bis zu seiner Ausreise im Jahr 2011 in B XXXX , Syrien, gelebt und ging dort 9 Jahre zur Schule. In Syrien hat der BF als Landwirt gearbeitet. Der BF hat bis zu seiner Ausreise im Jahr 2011 in B römisch 40 , Syrien, gelebt und ging dort 9 Jahre zur Schule. In Syrien hat der BF als Landwirt gearbeitet.
Der BF reiste legal im Jahr 2011 in den Libanon und lebte ab dem Jahr 2013 bis zu seiner Ausreise nach Europa im Jahr 2021 dort gemeinsam mit seiner Familie. Er arbeitete in dieser Zeit als Gemüsehändler. Seine Ehefrau und die gemeinsamen zehn Kinder leben nach wie vor im Libanon. Seine Mutter ist verstorben. Der Vater des BF lebt mittlerweile in der Türkei. Eine Schwester und ein Bruder leben in Kanada, zwei Brüder leben in Deutschland und ein Bruder lebt in Frankreich.
Die Kosten der Schleppung des BF nach Österreich betrugen EUR 15.000,00.
Der BF ist grundsätzlich gesund, nimmt jedoch Medikamente gegen Allergien ein.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
II.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:römisch II.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Die Heimatregion des BF wie auch sein Heimatort B XXXX stehen aktuell unter Kontrolle der syrischen Regierung.Die Heimatregion des BF wie auch sein Heimatort B römisch 40 stehen aktuell unter Kontrolle der syrischen Regierung.
Der BF hat seinen Militärdienst für die syrische Regierung von 1999 bis 2001 abgeleistet. Der BF hatte während der Ableistung seines Militärdienstes weder einen besonderen Rang oder eine besondere Position inne noch eine besondere Ausbildung erhalten. Er war Rekrut und als solcher für Wachetätigkeiten an einem Bahnübergang eingesetzt, die einer zivilen Dienstleistung für das Militär entsprachen.
Der BF hat keinen offiziellen schriftlichen Befehl zur Einberufung in die Reserve erhalten und wurde von der syrischen Regierung weder einberufen noch gesucht. Es besteht keine maßgebliche Gefahr für den BF, bei einer Rückkehr als Reservist in die syrische Armee einberufen zu werden.
Der BF weist keine oppositionelle Gesinnung gegenüber der syrischen Regierung auf und ihm wird eine solche auch nicht unterstellt.
Auch sonst droht dem BF aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch den syrischen Staat oder durch Mitglieder regierungsfeindlicher oder –freundlicher (bewaffneter) Gruppierungen.
II.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:römisch II.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren im Wesentlichen auf nachstehenden Quellen:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Syrien, Version 11, Stand: 27.03.2024
EUAA: Country Guidance Syria, April 2024;
EUAA: Syria Country Focus, Oktober 2023;
EUAA: Syria: Targeting of Individuals, September 2022;
EUAA: Syria: Security Situation, September 2022;
UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6, aktualisierte Fassung;
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Syrien: Gefälschte Dokumente bzw echte Dokumente mit wahrheitswidrigem Inhalt (insb. Militär- und Personalausweise, Strafregister, Personenstands- und Familienbuchauszüge); Häufigkeit, Erlangung, Vorgehensweise, Preis, Bezahlung, Aushändigung durch Schlepper) [a-12196], 3. August 2023;
Staatendokumentation: Themenbericht Syrien – Grenzübergänge, Oktober 2023;
ACCORD: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritikerinnen ermöglichen [a-12197], August 2023.
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen
Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst
Letzte Änderung 2024-03-11 06:50
Rechtliche Bestimmungen
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben (PAR 1.6.2011). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 2.2.2024). In der Vergangenheit wurde es auch akzeptiert, sich, statt den Militärdienst in der syrischen Armee zu leisten, einer der bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppierung anzuschließen. Diese werden inzwischen teilweise in die Armee eingegliedert, jedoch ohne weitere organisatorische Integrationsmaßnahmen zu setzen oder die Kämpfer auszubilden (ÖB Damaskus 12.2022). Wehrpflichtige und Reservisten können im Zuge ihres Wehrdienstes bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) auch den Spezialeinheiten (Special Forces), der Republikanischen Garde oder der Vierten Division zugeteilt werden, wobei die Rekruten den Dienst in diesen Einheiten bei Zuteilung nicht verweigern können (DIS 4.2023). Um dem verpflichtenden Wehrdienst zu entgehen, melden sich manche Wehrpflichtige allerdings aufgrund der höheren Bezahlung auch freiwillig zur Vierten Division, die durch die von ihr kontrollierten Checkpoints Einnahmen generiert (EB 17.1.2023). Die 25. (Special Tasks) Division (bis 2019: Tiger Forces) rekrutiert sich dagegen ausschließlich aus Freiwilligen (DIS 4.2023).Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Artikel 4, Litera b, gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben (PAR 1.6.2011). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 2.2.2024). In der Vergangenheit wurde es auch akzeptiert, sich, statt den Militärdienst in der syrischen Armee zu leisten, einer der bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppierung anzuschließen. Diese werden inzwischen teilweise in die Armee eingegliedert, jedoch ohne weitere organisatorische Integrationsmaßnahmen zu setzen oder die Kämpfer auszubilden (ÖB Damaskus 12.2022). Wehrpflichtige und Reservisten können im Zuge ihres Wehrdienstes bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) auch den Spezialeinheiten (Special Forces), der Republikanischen Garde oder der Vierten Division zugeteilt werden, wobei die Rekruten den Dienst in diesen Einheiten bei Zuteilung nicht verweigern können (DIS 4.2023). Um dem verpflichtenden Wehrdienst zu entgehen, melden sich manche Wehrpflichtige allerdings aufgrund der höheren Bezahlung auch freiwillig zur Vierten Division, die durch die von ihr kontrollierten Checkpoints Einnahmen generiert (EB 17.1.2023). Die 25. (Special Tasks) Division (bis 2019: Tiger Forces) rekrutiert sich dagegen ausschließlich aus Freiwilligen (DIS 4.2023).
Die im März 2020, Mai 2021 und Jänner 2022 vom Präsidenten erlassenen Generalamnestien umfassten auch einen Straferlass für Vergehen gegen das Militärstrafgesetz, darunter Fahnenflucht. Die Verpflichtung zum Wehrdienst bleibt davon unberührt (ÖB Damaskus 12.2022).
Seit März 2020 hat es in Syrien keine größeren militärischen Offensiven an den offiziellen Frontlinien mehr gegeben. Scharmützel, Granatenbeschuss und Luftangriffe gingen weiter, aber die Frontlinien waren im Grunde genommen eingefroren. Nach dem Ausbruch von COVID-19 und der Einstellung größerer Militäroperationen in Syrien Anfang 2020 verlangsamten sich Berichten zufolge die militärischen Rekrutierungsmaßnahmen der SAA. Die SAA berief jedoch regelmäßig neue Wehrpflichtige und Reservisten ein. Im Oktober 2021 wurde ein Rundschreiben herausgegeben, in dem die Einberufung von männlichen Syrern im wehrpflichtigen Alter angekündigt wurde. Auch in den wiedereroberten Gebieten müssen Männer im wehrpflichtigen Alter den Militärdienst ableisten (EUAA 9.2022). Der Personalbedarf des syrischen Militärs bleibt aufgrund von Entlassungen langgedienter Wehrpflichtiger und zahlreicher Verluste durch Kampfhandlungen unverändert hoch (AA 2.2.2024).
Rekrutierungspraxis
Es gibt, dem Auswärtigen Amt zufolge, zahlreiche glaubhafte Berichte, laut denen wehrpflichtige Männer, die auf den Einberufungsbescheid nicht reagieren, von Mitarbeitern der Geheimdienste abgeholt und zwangsrekrutiert werden (AA 2.2.2024). Junge Männer werden an Kontrollstellen (Checkpoints) sowie unmittelbar an Grenzübergängen festgenommen und zwangsrekrutiert (AA 2.2.2024; vgl. NMFA 5.2022), wobei es in den Gebieten unter Regierungskontrolle zahlreiche Checkpoints gibt (NMFA 5.2022; vgl. NLM 29.11.2022). Im September 2022 wurde beispielsweise von der Errichtung eines mobilen Checkpoints im Gouvernement Dara'a berichtet, an dem mehrere Wehrpflichtige festgenommen wurden (SO 12.9.2022). In Homs führte die Militärpolizei gemäß einem Bericht aus dem Jahr 2020 stichprobenartig unvorhersehbare Straßenkontrollen durch. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden (EB 6.3.2020). Im Jänner 2023 wurde berichtet, dass Kontrollpunkte in Homs eine wichtige Einnahmequelle der Vierten Division seien (EB 17.1.2023). Glaubhaften Berichten zufolge gibt es Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet (AA 2.2.2024).Es gibt, dem Auswärtigen Amt zufolge, zahlreiche glaubhafte Berichte, laut denen wehrpflichtige Männer, die auf den Einberufungsbescheid nicht reagieren, von Mitarbeitern der Geheimdienste abgeholt und zwangsrekrutiert werden (AA 2.2.2024). Junge Männer werden an Kontrollstellen (Checkpoints) sowie unmittelbar an Grenzübergängen festgenommen und zwangsrekrutiert (AA 2.2.2024; vergleiche NMFA 5.2022), wobei es in den Gebieten unter Regierungskontrolle zahlreiche Checkpoints gibt (NMFA 5.2022; vergleiche NLM 29.11.2022). Im September 2022 wurde beispielsweise von der Errichtung eines mobilen Checkpoints im Gouvernement Dara'a berichtet, an dem mehrere Wehrpflichtige festgenommen wurden (SO 12.9.2022). In Homs führte die Militärpolizei gemäß einem Bericht aus dem Jahr 2020 stichprobenartig unvorhersehbare Straßenkontrollen durch. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden (EB 6.3.2020). Im Jänner 2023 wurde berichtet, dass Kontrollpunkte in Homs eine wichtige Einnahmequelle der Vierten Division seien (EB 17.1.2023). Glaubhaften Berichten zufolge gibt es Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet (AA 2.2.2024).
Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden (DIS 5.2020). Lokale Medien berichteten, dass die Sicherheitskräfte der Regierung während der Fußballweltmeisterschaft der Herren 2022 mehrere Cafés, Restaurants und öffentliche Plätze in Damaskus stürmten, wo sich Menschen versammelt hatten, um die Spiele zu sehen, und Dutzende junger Männer zur Zwangsrekrutierung festnahmen (USDOS 20.3.2023).
Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z. B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara‘a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden (DIS 5.2020; vgl. ICG 9.5.2022, EB 6.3.2020), berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden (DIS 5.2020). Hausdurchsuchungen finden dabei v.a. eher in urbanen Gebieten statt, wo die SAA stärkere Kontrolle hat, als in ruralen Gebieten (DIS 1.2024). Mehrere Quellen berichteten im Jahr 2023 wieder vermehrt, dass Wehr- und Reservedienstpflichtige aus ehemaligen Oppositionsgebieten von der syrischen Regierung zur Wehrpflicht herangezogen wurden, um mehr Kontrolle über diese Gebiete zu erlangen bzw. um potenzielle Oppositionskämpfer aus diesen Gebieten abzuziehen (NMFA 8.2023; vgl. DIS 7.2023). Eine Quelle des Danish Immigration Service geht davon aus, dass Hausdurchsuchungen oft weniger die Rekrutierung als vielmehr eine Erpressung zum Ziel haben (DIS 1.2024).Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z. B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara‘a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden (DIS 5.2020; vergleiche ICG 9.5.2022, EB 6.3.2020), berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden (DIS 5.2020). Hausdurchsuchungen finden dabei v.a. eher in urbanen Gebieten statt, wo die SAA stärkere Kontrolle hat, als in ruralen Gebieten (DIS 1.2024). Mehrere Quellen berichteten im Jahr 2023 wieder vermehrt, dass Wehr- und Reservedienstpflichtige aus ehemaligen Oppositionsgebieten von der syrischen Regierung zur Wehrpflicht herangezogen wurden, um mehr Kontrolle über diese Gebiete zu erlangen bzw. um potenzielle Oppositionskämpfer aus diesen Gebieten abzuziehen (NMFA 8.2023; vergleiche DIS 7.2023). Eine Quelle des Danish Immigration Service geht davon aus, dass Hausdurchsuchungen oft weniger die Rekrutierung als vielmehr eine Erpressung zum Ziel haben (DIS 1.2024).
Die Regierung hat in vormals unter der Kontrolle der Oppositionskräfte stehenden Gebieten, wie zum Beispiel Ost-Ghouta, Zweigstellen zur Rekrutierung geschaffen. Wehrdienstverweigerer und Deserteure können sich in diesen Rekrutierungszentren melden, um nicht länger von den Sicherheitskräften gesucht zu werden. In vormaligen Oppositionsgebieten werden Listen mit Namen von Personen, welche zur Rekrutierung gesucht werden, an lokale Behörden und Sicherheitskräfte an Checkpoints verteilt (DIS 5.2020). Anfang April 2023 wurde beispielsweise von verstärkten Patrouillen der Regierungsstreitkräfte im Osten Dara'as berichtet, um Personen aufzugreifen, die zum Militär- und Reservedienst verpflichtet sind (ETANA 4.4.2023). Glaubhaften Berichten zufolge gab es Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet (AA 4.12.2020).
Im Rahmen sog. lokaler "Versöhnungsabkommen" in den vom Regime zurückeroberten Gebieten sowie im Kontext lokaler Rückkehrinitiativen aus Libanon hat das Regime Männern im wehrpflichtigen Alter eine sechsmonatige Schonfrist zugesichert. Diese wurde jedoch in zahlreichen Fällen, auch nach der Einnahme des Südwestens, nicht eingehalten. Sowohl in Ost-Ghouta als auch in den südlichen Gouvernements Dara‘a und Quneitra soll der Militärgeheimdienst dem Violations Documentation Center zufolge zahlreiche Razzien zur Verhaftung und zum anschließenden Einzug ins Militär durchgeführt haben (AA 2.2.2024).
Rekrutierung von Personen aus Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle
Das Gouvernement Idlib befindet sich außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung, die dort keine Personen einberufen kann (Rechtsexperte 14.9.2022), mit Ausnahme einiger südwestlicher Sub-Distrikte (Nahias) des Gouvernements, die unter Regierungskontrolle stehen (ACLED 1.12.2022; vgl. Liveuamap 17.5.2023). Die syrische Regierung kontrolliert jedoch die Melderegister des Gouvernements Idlib (das von der syrischen Regierung in das Gouvernement Hama verlegt wurde), was es ihr ermöglicht, auf die Personenstandsdaten junger Männer, die das Rekrutierungsalter erreicht haben, zuzugreifen, um sie für die Ableistung des Militärdienstes auf die Liste der "Gesuchten" zu setzen. Das erleichtert ihre Verhaftung zur Rekrutierung, wenn sie das Gouvernement Idlib in Richtung der Gebiete unter Kontrolle der syrischen Regierung verlassen (Rechtsexperte 14.9.2022).Das Gouvernement Idlib befindet sich außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung, die dort keine Personen einberufen kann (Rechtsexperte 14.9.2022), mit Ausnahme einiger südwestlicher Sub-Distrikte (Nahias) des Gouvernements, die unter Regierungskontrolle stehen (ACLED 1.12.2022; vergleiche Liveuamap 17.5.2023). Die syrische Regierung kontrolliert jedoch die Melderegister des Gouvernements Idlib (das von der syrischen Regierung in das Gouvernement Hama verlegt wurde), was es ihr ermöglicht, auf die Personenstandsdaten junger Männer, die das Rekrutierungsalter erreicht haben, zuzugreifen, um sie für die Ableistung des Militärdienstes auf die Liste der "Gesuchten" zu setzen. Das erleichtert ihre Verhaftung zur Rekrutierung, wenn sie das Gouvernement Idlib in Richtung der Gebiete unter Kontrolle der syrischen Regierung verlassen (Rechtsexperte 14.9.2022).
Reservedienst
Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden. Es liegen einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z. B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung) (STDOK 8.2017). Reservisten können laut Gesetz bis zum Alter von 42 Jahren mehrfach zum Militärdienst eingezogen werden. Die syrischen Behörden ziehen weiterhin Reservisten ein (NMFA 5.2022; vgl. NMFA 8.2023; vgl. DIS 1.2024). Die Behörden berufen vornehmlich Männer bis 27 ein, während ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise nach oben angehoben, sodass auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen wurden bzw. Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen können (ÖB Damaskus 12.2022). Manche Quellen berichten, dass ihnen keine Fälle von Rekrutierungen Über-42-Jähriger nach 2016 bzw. 2018 bekannt seien. Gemäß anderen Quellen soll es jedoch zu Einberufungen von über-42-jährigen Rückkehrern aus dem Libanon und Jordanien als Reservisten gekommen sein, wobei es sich nicht um Zwangsrekrutierungen handelte (DIS 5.2020). V.a. weil die SAA derzeit nicht mehr so viele Männer braucht, werden über 42-Jährige derzeit eher selten einberufen. Das syrische Regime verlässt sich vor allem auf Milizen, in deren Dienste sich 42-Jährige einschreiben lassen können (DIS 1.2024).Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden. Es liegen einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z. B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung) (STDOK 8.2017). Reservisten können laut Gesetz bis zum Alter von 42 Jahren mehrfach zum Militärdienst eingezogen werden. Die syrischen Behörden ziehen weiterhin Reservisten ein (NMFA 5.2022; vergleiche NMFA 8.2023; vergleiche DIS 1.2024). Die Behörden berufen vornehmlich Männer bis 27 ein, während ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise nach oben angehoben, sodass auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen wurden bzw. Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen können (ÖB Damaskus 12.2022). Manche Quellen berichten, dass ihnen keine Fälle von Rekrutierungen Über-42-Jähriger nach 2016 bzw. 2018 bekannt seien. Gemäß anderen Quellen soll es jedoch zu Einberufungen von über-42-jährigen Rückkehrern aus dem Libanon und Jordanien als Reservisten gekommen sein, wobei es sich nicht um Zwangsrekrutierungen handelte (DIS 5.2020). römisch fünf.a. weil die SAA derzeit nicht mehr so viele Männer braucht, werden über 42-Jährige derzeit eher selten einberufen. Das syrische Regime verlässt sich vor allem auf Milizen, in deren Dienste sich 42-Jährige einschreiben lassen können (DIS 1.2024).
Das niederländische Außenministerium berichtet unter Berufung au