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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art141 Abs1 litaLeitsatz
Keine Stattgebung der Anfechtung einer Gemeinderatswahl; keine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens durch Nichtberücksichtigung von nicht für die ausgeschriebene Wahl bestimmten Unterstützungserklärungen; keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die die Unterfertigung des Wahlvorschlags durch eine bestimmte Anzahl von "Wählern" (und nicht wie in der Wahlordnung zum Landtag vorgesehen: "Wahlberechtigten") anordnenden Bestimmungen der Sbg GdWOSpruch
Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg schrieb im Einvernehmen mit dem Gemeinderat gemäß §4 Abs1 iVm §95 litb Salzburger Gemeindewahlordnung 1974 (GWO), LGBl. 72/1974 idF 79/1989, im Amtsblatt der Landeshauptstadt Salzburg vom 15. Juni 1992 die Wahl zum Gemeinderat der Landeshauptstadt Salzburg aus und setzte als Wahltag den 4. Oktober 1992 fest.
1.2.1. Am 17. Juli 1992 brachte die "wahlwerbende Partei:
Grüner-Freidenker Rupert Reiter" bei der Gemeindewahlbehörde für die Landeshauptstadt Salzburg einen "Wahlvorschlag zur Salzburger Gemeinderatswahl am 4. Oktober 1992" ein, dem "sechs Unterschriftenlisten von 1987" angeschlossen waren. Dazu teilte der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der wahlwerbenden Partei der Gemeindewahlbehörde in einem weiteren Schreiben (vom 1. September 1992) ua. mit: "Da in der GWO kein Zeitpunkt über die Sammlung der Unterstützungsunterschriften angegeben ist, können die 1987 abgegebenen Zustimmungen auch noch für die Gemeinderatswahl 1992 ihre Gültigkeit haben, wenn unter den damaligen Unterzeichnern noch 100 Wahlberechtigte zum Stichtag der Wahl 1992 aufscheinen."
1.2.2.1. In ihrer Sitzung am 25. August 1992 gelangte die Gemeindewahlbehörde zur Auffassung, daß der unter Punkt 1.2.1. bezeichnete Wahlvorschlag als nicht eingebracht gelte. Er wurde daher in der Folge von der Gemeindewahlbehörde nicht veröffentlicht (§50 GWO) und lag somit auch nicht der Wahl zum Gemeinderat der Landeshauptstadt Salzburg vom 4. Oktober 1992 zugrunde.
1.2.2.2. Diese Wahl erbrachte nachstehendes Ergebnis:
Abgegebene (gültige und ungültige) Stimmen 55.756
davon ungültig 1.888
gültig 53.868
Von den gültigen Stimmen entfielen auf die
Österreichische Volkspartei
Dr. Josef Dechant (ÖVP)
13.345 Stimmen (11 Mandate),
Sozialdemokratische Partei Österreichs
Bürgermeister Dr. Harald Lettner (SPÖ)
15.101 Stimmen (12 Mandate),
Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)
7.791 Stimmen (6 Mandate),
Bürgerliste
Liste Herbert Fux (BL)
8.887 Stimmen (7 Mandate),
Österreichische Autofahrer- und Bürgerinteressens-Partei
(ÖABP)
3.136 Stimmen (2 Mandate),
Aktion Bürgerprotest anti-masopust
Liste Kurt Weiß (ALW)
700 Stimmen (0 Mandate),
Die Grünen (GR)
667 Stimmen (0 Mandate),
Die Weissen
Dieter Wörndl (DW)
325 Stimmen (0 Mandate),
Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)
188 Stimmen (0 Mandate),
Stadtrat Dietrich Masopust - Parteiunabhängige
Salzburger
2.835 Stimmen (2 Mandate),
Salzburger Bürgerforum 2000 (SBF)
253 Stimmen (0 Mandate),
Christliche Wählergemeinschaft (CWG)
555 Stimmen (0 Mandate),
Liste Direktwahl für Leute im Land (LDW)
85 Stimmen (0 Mandate).
(Niederschrift vom 6. Oktober 1992)
1.2.2.3. Die Namen der "gewählten Bewerber und der Ersatzgewählten" wurden am 7. Oktober 1992 gemäß §85 GWO durch Anschlag an den Amtstafeln des Magistrats verlautbart.
1.3.1. Mit ihrer am 8. Oktober 1992 zur Post gegebenen und der Sache nach auf Art141 Abs1 B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift begehrte die Liste "GRÜNER-FREIDENKER Rupert Reiter" die Nichtigerklärung der Wahl zum Gemeinderat der Landeshauptstadt Salzburg am 4. Oktober 1992 wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens.
1.3.2. Die Gemeindewahlbehörde für die Landeshauptstadt Salzburg erstattete unter Vorlage der Wahlakten eine Gegenschrift, in der sie für die Abweisung der Wahlanfechtung eintrat.
2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:
2.1.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 8973/1980, 11732/1988). Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.
Kraft §67 Abs2 VerfGG 1953 sind zur Anfechtung der Wahl eines allgemeinen Vertretungskörpers grundsätzlich jene Wählergruppen berechtigt, die der Wahlbehörde rechtzeitig Wahlvorschläge vorlegten. Dazu nimmt der Verfassungsgerichtshof seit dem Erkenntnis VfSlg. 4992/1965 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, daß die Anfechtungslegitimation, jedenfalls soweit die Frage der Gültigkeit des eingereichten Wahlvorschlags das Ergebnis der Wahlanfechtung - wie hier - mitbestimmen kann, nicht zusätzlich davon abhängt, ob dieser Vorschlag rechtswirksam eingereicht wurde (so zB VfSlg. 7387/1974, 10217/1984, 11256/1987, 12287/1990; VfGH 2.10.1992 WI-7/91).
2.1.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheids eingebracht werden.
2.1.2. Nun sieht zwar §86 Abs1 iVm §95 litn GWO administrative Einsprüche - iS eines Instanzenzugs nach §68 Abs1 VerfGG 1953 - vor, doch nur gegen ziffernmäßige Ermittlungen einer Gemeindewahlbehörde.
Zur Geltendmachung aller anderen (ds. alle nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffenden) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht - weil insoweit ein zunächst zu durchlaufender Instanzenzug iS des §68 Abs1 VerfGG 1953 nicht eingerichtet ist - die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (erster Teilsatz des §68 Abs1 VerfGG 1953) offen (vgl. zB VfSlg. 10610/1985, 11732/1988).
2.1.3.1. Im vorliegenden Fall strebt die Einschreiterin in ihrer Anfechtungsschrift nicht die - nach dem Gesagten dem Einspruchsverfahren nach §86 iVm §95 litn GWO vorbehaltene - Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr sonstige Rechtswidrigkeiten, wofür die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eingeräumt ist.
2.1.3.2. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufs der vierwöchigen Frist zur Anfechtung ist in diesem Fall die Beendigung des Wahlverfahrens (s. VfSlg. 9085/1981, 9940/1984), d. i. bei Gemeindevertretungswahlen im Bundesland Salzburg die gemäß §85 GWO der jeweiligen Gemeindewahlbehörde obliegende Kundmachung des Wahlergebnisses in Form der Verlautbarung "der gewählten Bewerber und der Ersatzgewählten" durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel (vgl. VfSlg. 10610/1985, 11732/1988).
Diese Verlautbarung fand hier am 7. Oktober 1992 statt (s. Punkt 1.2.2.3.).
Die am 8. Oktober 1992 zur Post gegebene Wahlanfechtungsschrift wurde darum rechtzeitig eingebracht.
2.1.4. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.
2.2.1. Die Anfechtungswerberin bringt in ihrer Wahlanfechtungsschrift - sinngemäß wiedergegeben - vor, die Gemeindewahlbehörde habe sich bei der Überprüfung des von ihr eingebrachten Wahlvorschlags auf eine verfassungswidrige Bestimmung der GWO (§44 Abs2) gestützt und ihren Vorschlag daher zu Unrecht nicht zugelassen. Die Behörde hätte den Wahlvorschlag "zulassen müssen oder diese Wahl verschieben, bis eine verfassungsgemäße Korrektur des §44 Abs2 GWO erfolgt wäre". "Auch wäre die Bezeichnung 'Wählergruppen' im §44 GWO in 'wahlwerbende Gruppen' abzuändern sowie auch im §47 GWO der Begriff 'Wähler' in 'Wahlberechtigte'".
Der Abs2 des mit "Wahlvorschlag" überschriebenen (§44 iVm) §95 litk GWO lautet:
"(2) Wahlvorschläge müssen von wenigstens drei Mitgliedern des Gemeinderates oder von wenigstens 100 Wählern der Gemeinde unterschrieben sein. ...".
Die behauptete Verfassungswidrigkeit des §44 Abs2 iVm §95 litk Abs2 GWO wird damit begründet, daß nach dieser Bestimmung ein Wahlvorschlag - dem Gebot des Art117 Abs2 Satz 2 B-VG widersprechend - von einer bestimmten Anzahl von "Wählern" und nicht (wie in der "Wahlordnung zum Landtag" vorgesehen) von "Wahlberechtigten" zu unterfertigen sei.
2.2.2.1. Dem ist entgegenzuhalten, daß §44 Abs2 iVm §95 litk Abs2 GWO - gesetzessystematisch interpretiert - (ohnedies) im Sinn der Anfechtungsausführung, ein Wahlvorschlag sei von "Wahlberechtigten" zu unterschreiben, gedeutet und verstanden werden muß (zu §44 Abs2 GWO vgl. etwa VfSlg. 10610/1985 S. 333 f und 12287/1990 S. 182). Dies trifft sinngemäß auch auf den Begriff "Wähler" in §47 Abs3 und 4 iVm §95 litl Abs3 und 4 GWO zu.
Zum weiteren Vorbringen in der Anfechtung ist festzuhalten, daß die GWO der Gemeindewahlbehörde keine Handhabe dafür bietet, eine "Wahl (zu) verschieben", um solcherart ein allfälliges Tätigwerden des Landesgesetzgebers abzuwarten. Aus welchen Überlegungen schließlich "die Bezeichnung 'Wählergruppen' im §44 (Abs1) GWO in 'wahlwerbende Gruppen' abzuändern wäre", blieb unbegründet und ist auch nicht zu ersehen.
2.2.2.2. Sofern die Anfechtungswerberin zum Ausdruck bringen will, sie habe einen gültigen Wahlvorschlag beigebracht, genügt der Hinweis, daß die vorgelegten Unterstützungserklärungen - die begriffsnotwendig eine bestimmte Wahl betreffen müssen - gar nicht der hier ausgeschriebenen Wahl galten und bereits überholt waren. Die Wahlbehörde ließ diese Erklärungen daher zu Recht unbeachtet.
2.3. Da folglich die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens nicht gegeben ist und der Verfassungsgerichtshof ein Wahlverfahren nur innerhalb der durch die Anfechtungserklärung gezogenen Grenzen zu überprüfen hat (VfSlg. 8700/1979, 9011/1981, 11732/1988, 12289/1990; VfGH 2.10.1992 WI-7/91), mußte der unbegründeten Wahlanfechtung ein Erfolg versagt bleiben.
2.4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
Wahlen, Wahlvorschlag, Unterschrift WahlvorschlagEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:WI20.1992Dokumentnummer
JFT_10069685_92W0I020_00