Entscheidungsdatum
05.08.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W211 2288416-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Barbara SIMMA, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. SYRIEN, vertreten durch die BBU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer Verhandlung zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Barbara SIMMA, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch 40 alias römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. SYRIEN, vertreten durch die BBU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 2024, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer Verhandlung zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. römisch eins. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes römisch eins. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX alias XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt.römisch II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG stattgegeben und römisch 40 alias römisch 40 gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX alias XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt. römisch III. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 wird römisch 40 alias römisch 40 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben. römisch IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte römisch III. bis römisch VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (idF BF) stellte am XXXX 2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer in der Fassung BF) stellte am römisch 40 2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der BF soweit wesentlich an, aus der Provinz Idlib zu stammen und Syrien 2015 verlassen zu haben. Er habe Angst vor dem syrischen Regime.
Am XXXX 2024 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF soweit wesentlich und zusammengefasst an, in Syrien noch über Familienangehörige zu verfügen. Als Fluchtgrund gab er an, dass sein Wohngebiet zerstört worden sei und es keine Arbeit gebe. Wenn die Regierung käme, würden alle getötet werden. Sein Bruder sei 2019 umgebracht worden.
Mit Bescheid des BFA vom XXXX 2024 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Syrien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 2 Wochen ab Rechtskraft festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Am römisch 40 2024 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF soweit wesentlich und zusammengefasst an, in Syrien noch über Familienangehörige zu verfügen. Als Fluchtgrund gab er an, dass sein Wohngebiet zerstört worden sei und es keine Arbeit gebe. Wenn die Regierung käme, würden alle getötet werden. Sein Bruder sei 2019 umgebracht worden.
Mit Bescheid des BFA vom römisch 40 2024 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) sowie gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Dem BF wurde eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.). Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung des BF gemäß Paragraph 46, FPG nach Syrien zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf.). Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG mit 2 Wochen ab Rechtskraft festgesetzt (Spruchpunkt römisch VI.).
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht vollumfänglich Beschwerde erhoben und zusammengefasst ausgeführt, dass der BF in Syrien wehrdienstpflichtig sei und im Falle einer Verweigerung mit hohen Strafen rechnen müsste. Aufgrund seiner Ausreise und seiner Asylantragstellung im Ausland drohe ihm weiter die Unterstellung einer oppositionellen politischen Gesinnung. Der BF lehne die Ableistung des Wehrdienstes ab. Darüber hinaus bestehe in Syrien eine desaströse Sicherheits- und Versorgungslage, und lebe die Familie des BF in einem Flüchtlingslager in Syrien. Sie könnte dem BF dort keine Unterstützung leisten. Bei einer Rückkehr des BF nach Syrien könne eine Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK sowie der Zusatzprotokolle Nr. 6 und 13 zur Konvention nicht ausgeschlossen werden; eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht vollumfänglich Beschwerde erhoben und zusammengefasst ausgeführt, dass der BF in Syrien wehrdienstpflichtig sei und im Falle einer Verweigerung mit hohen Strafen rechnen müsste. Aufgrund seiner Ausreise und seiner Asylantragstellung im Ausland drohe ihm weiter die Unterstellung einer oppositionellen politischen Gesinnung. Der BF lehne die Ableistung des Wehrdienstes ab. Darüber hinaus bestehe in Syrien eine desaströse Sicherheits- und Versorgungslage, und lebe die Familie des BF in einem Flüchtlingslager in Syrien. Sie könnte dem BF dort keine Unterstützung leisten. Bei einer Rückkehr des BF nach Syrien könne eine Verletzung der Artikel 2 und 3 EMRK sowie der Zusatzprotokolle Nr. 6 und 13 zur Konvention nicht ausgeschlossen werden; eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht.
Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom BFA vorgelegt und langten am XXXX 2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom BFA vorgelegt und langten am römisch 40 2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Am XXXX 2024 langte eine schriftliche Stellungnahme des BF in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ein, in der auf die Asylrelevanz der Wehrdienstverweigerung des BF, die Unzumutbarkeit der Zahlung einer Befreiungsgebühr sowie auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 AsylG verwiesen wurde. Am römisch 40 2024 langte eine schriftliche Stellungnahme des BF in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ein, in der auf die Asylrelevanz der Wehrdienstverweigerung des BF, die Unzumutbarkeit der Zahlung einer Befreiungsgebühr sowie auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Paragraph 8, AsylG verwiesen wurde.
Am XXXX 2024 fand am Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an der der BF, sein Vertreter und eine Dolmetscherin für die arabische Sprache teilnahmen. Der BF gab dabei soweit wesentlich und ergänzend an, dass er nicht seitens des Regime kämpfen und seine Landsleute töten wolle. Sein Bruder habe ca. 2018 aus der Türkei nach Syrien zurück wollen und einen Freikauf vorgenommen, sei dann aber trotzdem in Syrien eingezogen und an vorderster Front stationiert worden. Er sei dann ums Leben gekommen. Am römisch 40 2024 fand am Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an der der BF, sein Vertreter und eine Dolmetscherin für die arabische Sprache teilnahmen. Der BF gab dabei soweit wesentlich und ergänzend an, dass er nicht seitens des Regime kämpfen und seine Landsleute töten wolle. Sein Bruder habe ca. 2018 aus der Türkei nach Syrien zurück wollen und einen Freikauf vorgenommen, sei dann aber trotzdem in Syrien eingezogen und an vorderster Front stationiert worden. Er sei dann ums Leben gekommen.
Mit Schreiben vom XXXX 2024 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht ergänzende Länderinformationen insbesondere zu Möglichkeiten des Freikaufs 2018/2019. Innerhalb der gewährten Frist langten keine weiteren Stellungnahmen dazu ein.Mit Schreiben vom römisch 40 2024 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht ergänzende Länderinformationen insbesondere zu Möglichkeiten des Freikaufs 2018/2019. Innerhalb der gewährten Frist langten keine weiteren Stellungnahmen dazu ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF:
Der BF ist Staatsangehöriger Syriens, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben.
Der BF verließ Syrien 2015 in die Türkei, wo er bis 2020 lebte, bevor er über Griechenland, Serbien, die Slowakei nach Österreich reiste und am XXXX 2024 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der BF verließ Syrien 2015 in die Türkei, wo er bis 2020 lebte, bevor er über Griechenland, Serbien, die Slowakei nach Österreich reiste und am römisch 40 2024 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX in der Region Idlib. Der Beschwerdeführer stammt aus römisch 40 in der Region Idlib.
Die Eltern sowie Geschwister des BF leben nach wie vor in Syrien, in Flüchtlingslagern im Norden in der Region Idlib. Der BF hat zwei Brüder XXXX , die die Familienangehörigen in Syrien finanziell unterstützen. Die Eltern sowie Geschwister des BF leben nach wie vor in Syrien, in Flüchtlingslagern im Norden in der Region Idlib. Der BF hat zwei Brüder römisch 40 , die die Familienangehörigen in Syrien finanziell unterstützen.
Der BF besuchte in Syrien 4 Jahre die Grundschule. In der Türkei arbeitete er als Schneider.
Er ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand: 27.03.2024
„Politische Lage
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Sicherheitslage
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen n