Entscheidungsdatum
09.07.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W140 2277665-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (infolge: BF), ein syrischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte am 30.05.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 31.05.2022 erfolgte eine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Als Geburtsort wurde Idlib angeführt. Der BF begründete seine Fluchtgründe im Wesentlichen damit, dass er wegen des Krieges Syrien verlassen habe. Ihr Haus sei bombardiert worden und er sei am XXXX verletzt worden. Auch seine Mutter sei durch einen Splitter verletzt worden. Sie seien in ein Lager nahe der Grenze zur Türkei geflüchtet. Es gebe keine Sicherheit mehr in Syrien. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat habe der BF Angst um sein Leben und um das seiner Mutter. Der Beschwerdeführer (infolge: BF), ein syrischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte am 30.05.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 31.05.2022 erfolgte eine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Als Geburtsort wurde Idlib angeführt. Der BF begründete seine Fluchtgründe im Wesentlichen damit, dass er wegen des Krieges Syrien verlassen habe. Ihr Haus sei bombardiert worden und er sei am römisch 40 verletzt worden. Auch seine Mutter sei durch einen Splitter verletzt worden. Sie seien in ein Lager nahe der Grenze zur Türkei geflüchtet. Es gebe keine Sicherheit mehr in Syrien. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat habe der BF Angst um sein Leben und um das seiner Mutter.
Am 13.04.2023 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA). Zu seinen Fluchtgründen befragt führte er im Wesentlichen aus, dass er nach Österreich gekommen sei, um seinen Körper wieder aufzubauen. Er wolle, dass sein XXXX behandelt werde. Er wolle in Österreich eine Zukunft und eine Familie haben. In Syrien gebe es keine Menschenrechte und er wolle zu seinen Rechten kommen. Ein weiterer Grund sei, wenn man in Syrien nicht beten würde, werde man ins Gefängnis gebracht und dann werde man ausgepeitscht. Die Terroristen würden einen mitnehmen und einsperren. Es gebe auch Fotos von seinem Körper, auf denen zu sehen ist, dass sein Rücken bis zu den Beinen „blau“ ist. Im Zuge der Einvernahme legte der BF einen Auszug aus dem Personenregister, einen Auszug aus dem Familienregister im Original sowie diverse medizinische Unterlagen vor.Am 13.04.2023 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA). Zu seinen Fluchtgründen befragt führte er im Wesentlichen aus, dass er nach Österreich gekommen sei, um seinen Körper wieder aufzubauen. Er wolle, dass sein römisch 40 behandelt werde. Er wolle in Österreich eine Zukunft und eine Familie haben. In Syrien gebe es keine Menschenrechte und er wolle zu seinen Rechten kommen. Ein weiterer Grund sei, wenn man in Syrien nicht beten würde, werde man ins Gefängnis gebracht und dann werde man ausgepeitscht. Die Terroristen würden einen mitnehmen und einsperren. Es gebe auch Fotos von seinem Körper, auf denen zu sehen ist, dass sein Rücken bis zu den Beinen „blau“ ist. Im Zuge der Einvernahme legte der BF einen Auszug aus dem Personenregister, einen Auszug aus dem Familienregister im Original sowie diverse medizinische Unterlagen vor.
Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom XXXX wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 für ein Jahr (Spruchpunkt III.). Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom römisch 40 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).
Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der BF fristgerecht Beschwerde aufgrund der Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Er wiederholte hierbei im Wesentlichen sein Fluchtvorbringen und führte aus, dass er sich im wehrfähigen Alter befinde und seinen verpflichtenden Wehrdienst in Syrien noch nicht abgeleistet habe. Auch seine eingeschränkte Sehkraft ändere dabei nichts. Der BF sei aus seinem Heimatland aufgrund der Angst vor einer Einberufung zum Wehrdienst auf Seiten des syrischen Regimes und der damit im Zusammenhang stehenden Gefahr an schweren Kriegsverbrechen teilnehmen zu müssen, geflüchtet. Dem BF drohe bei einer nunmehrigen Rückkehr die reale Gefahr als junger Mann im wehrfähigen Alter die Einberufung zum Wehrdienst. Der BF wolle sich nicht am syrischen Bürgerkrieg beteiligen und an Kriegshandlungen teilnehmen. Durch die Teilnahme am Krieg in Syrien wäre der BF einer erheblichen Gefahr für sein Leben ausgesetzt und es sei davon auszugehen, dass er zur Beteiligung an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder an anderen Handlungen, die der Satzung der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, gezwungen wäre. Bei einer Rückkehr in sein Heimatland drohe dem BF die unmittelbare Einberufung zum Wehrdienst bzw. bei Weigerung müsse der BF mit einer Verfolgung und unverhältnismäßigen Strafen, bis hin zu seiner Hinrichtung, rechnen. Aufgrund seiner Weigerung, sich auf Seiten des syrischen Regimes am Bürgerkrieg zu beteiligen sowie aufgrund seiner illegalen Ausreise und seiner Asylantragstellung im Ausland werde ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine oppositionelle politische Gesinnung vonseiten des syrischen Regimes unterstellt. Insbesondere habe sich der BF bei der freien syrischen Armee (infolge: FSA) verpflichtet, nicht auszureisen und habe eine Erklärung hierzu unterschrieben. Bereits zuvor habe der BF versucht, illegal auszureisen, er sei dabei von Angehörigen der FSA angehalten und gefoltert worden. Trotz der abgegebenen schriftlichen Erklärung, dass er Syrien nicht verlassen werde, sei der BF illegal ausgereist, aus Angst vor Verfolgungshandlungen. Der BF habe seine Religion auch nicht streng nach den dort vorherrschenden Regeln ausgeübt. Daher drohe ihm bei einer Rückkehr Verfolgung vonseiten der FSA bzw. von oppositionellen Gruppierungen. Weiters werde dem BF aufgrund der Herkunft aus Idlib, eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt. Die Verfolgung des BF in Syrien stehe damit im Zusammenhang mit einem Konventionsgrund. Im Zuge der Beschwerde legte der BF Fotos des Zeltlagers der Familie in Syrien vor. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der BF fristgerecht Beschwerde aufgrund der Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Er wiederholte hierbei im Wesentlichen sein Fluchtvorbringen und führte aus, dass er sich im wehrfähigen Alter befinde und seinen verpflichtenden Wehrdienst in Syrien noch nicht abgeleistet habe. Auch seine eingeschränkte Sehkraft ändere dabei nichts. Der BF sei aus seinem Heimatland aufgrund der Angst vor einer Einberufung zum Wehrdienst auf Seiten des syrischen Regimes und der damit im Zusammenhang stehenden Gefahr an schweren Kriegsverbrechen teilnehmen zu müssen, geflüchtet. Dem BF drohe bei einer nunmehrigen Rückkehr die reale Gefahr als junger Mann im wehrfähigen Alter die Einberufung zum Wehrdienst. Der BF wolle sich nicht am syrischen Bürgerkrieg beteiligen und an Kriegshandlungen teilnehmen. Durch die Teilnahme am Krieg in Syrien wäre der BF einer erheblichen Gefahr für sein Leben ausgesetzt und es sei davon auszugehen, dass er zur Beteiligung an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder an anderen Handlungen, die der Satzung der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, gezwungen wäre. Bei einer Rückkehr in sein Heimatland drohe dem BF die unmittelbare Einberufung zum Wehrdienst bzw. bei Weigerung müsse der BF mit einer Verfolgung und unverhältnismäßigen Strafen, bis hin zu seiner Hinrichtung, rechnen. Aufgrund seiner Weigerung, sich auf Seiten des syrischen Regimes am Bürgerkrieg zu beteiligen sowie aufgrund seiner illegalen Ausreise und seiner Asylantragstellung im Ausland werde ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine oppositionelle politische Gesinnung vonseiten des syrischen Regimes unterstellt. Insbesondere habe sich der BF bei der freien syrischen Armee (infolge: FSA) verpflichtet, nicht auszureisen und habe eine Erklärung hierzu unterschrieben. Bereits zuvor habe der BF versucht, illegal auszureisen, er sei dabei von Angehörigen der FSA angehalten und gefoltert worden. Trotz der abgegebenen schriftlichen Erklärung, dass er Syrien nicht verlassen werde, sei der BF illegal ausgereist, aus Angst vor Verfolgungshandlungen. Der BF habe seine Religion auch nicht streng nach den dort vorherrschenden Regeln ausgeübt. Daher drohe ihm bei einer Rückkehr Verfolgung vonseiten der FSA bzw. von oppositionellen Gruppierungen. Weiters werde dem BF aufgrund der Herkunft aus Idlib, eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt. Die Verfolgung des BF in Syrien stehe damit im Zusammenhang mit einem Konventionsgrund. Im Zuge der Beschwerde legte der BF Fotos des Zeltlagers der Familie in Syrien vor.
Mit Schreiben vom 18.06.2024 brachte das Bundesverwaltungsgericht das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11, vom 27.03.2024 in das Verfahren ein und gab eine angemessene Frist zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 24.06.2024 brachte der BF im Wege seiner Vertretung eine Stellungnahme ein und führte im Wesentlichen aus, dass bezüglich der Möglichkeit, eine Befreiung vom Wehrdienst zu erlangen, die in den Länderberichten angeführten Ausnahmen in der Praxis nicht umgesetzt werden würden und das Risiko von Willkür immer gegeben sei. Selbst wenn man daher unterstelle, der BF könne sich theoretisch von der Wehrpflicht befreien lassen, würde dieser erst um eine Befreiung ansuchen müssen. Dem BF könne jedoch nicht zugemutet werden sich dieser Willkür des syrischen Regimes auszusetzen. Selbst im Falle einer Befreiung würde der BF keine Sicherheit haben, nicht trotz der Befreiung einberufen und rekrutiert zu werden. Nach einer zitierten Anfragebeantwortung sei die Schwelle, als wehruntauglich eingestuft zu werden, sehr hoch. Befreit würden Männer werden, die eine Gliedmaße verlieren oder sehr krank seien. Wobei selbst in diesen Fällen möglicherweise Bestechungsgelder für eine Befreiung bezahlt werden müssten. Aus den verschiedenen Quellen gehe auch hervor, dass die Kriterien, um zu beurteilen, ob eine bestimmte Behinderung eine Person zur Befreiung vom Militärdienst berechtige oder nicht, sehr intransparent seien und es nicht möglich sei zu wissen, aus welchen anderen medizinischen Gründen eine Person befreit werden könne. Weiters sei aus den zitierten Länderberichten zu entnehmen, dass wehruntaugliche Personen um die Befreiung aktiv ansuchen müssten. Aus den Länderberichten gehe unzweifelhaft hervor, dass nur ganz schwerwiegende Behinderungen zu einer Befreiung vom Militärdienst berechtigen würden und dass die Entscheidung darüber von medizinischen Ausschüssen abhängen würde. Die Sehschwäche des BF sei keinesfalls so schwerwiegend, um die Annahme zu rechtfertigen, dass dieser mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vom Militärdienst befreit werden würde. Er sei auch in der Lage ohne Weiteres eine Waffe zu bedienen und definitiv nicht „auf Begleitung angewiesen“. Selbst wenn man unterstelle, dass der BF wehruntauglich sein würde, würde er erst um eine Befreiung ansuchen müssen, um nicht eingezogen zu werden. Dem BF könne jedoch nicht zugemutet werden, sich dieser Willkür des syrischen Regimes auszusetzen. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die angebliche Möglichkeit der Befreiung vom Militärdienst aufgrund der Sehschwäche des BF nur in der Theorie bestehe, allerdings in der Praxis nicht so umgesetzt werde. Die Umsetzung der Befreiungen aus medizinischen Gründen sei in der Praxis völlig intransparent und greife nur in ganz extremen Fällen, wie dem Verlust von Gliedmaßen, tatsächlich. Der BF würde daher mit seiner Sehschwäche mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Befreiung erhalten. Aus dem aktuellen LIB gehe eindeutig hervor, dass nach wie vor Rekrutierungskampagnen durch die syrische Armee stattfinden würden. Die syrische Regierung betrachte Wehrdienstverweigerung als Nähe zur Opposition und als Ausdruck illoyalen Verhaltens, geschweige denn, dass der BF aus dem Oppositionsgebiet stamme. Bei der Umsetzung des Wehrdienstes lege das Regime besonderes Augenmerk auf Rekrutierungen in Oppositionsgebieten, wo Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen durchgeführt würden. Wie sich aus dem LIB ergebe, drohe Rückkehrern im wehrfähigen Alter bei der Einreise über einen Grenzübergang, der von der syrischen Regierung kontrolliert werde, die sofortige Verhaftung bzw. Einziehung in den Militärdienst. Die Grenzregion zwischen der Türkei, dem HTS-Gebiet und dem Gebiet, wo die SNA bzw. türkische Truppen die Kontrolle ausüben würden, zähle zu den gefährlichsten Regionen. Die Türkei sei für systematische Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Dem BF sei aus den genannten Gründen gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Mit Schreiben vom 18.06.2024 brachte das Bundesverwaltungsgericht das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11, vom 27.03.2024 in das Verfahren ein und gab eine angemessene Frist zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 24.06.2024 brachte der BF im Wege seiner Vertretung eine Stellungnahme ein und führte im Wesentlichen aus, dass bezüglich der Möglichkeit, eine Befreiung vom Wehrdienst zu erlangen, die in den Länderberichten angeführten Ausnahmen in der Praxis nicht umgesetzt werden würden und das Risiko von Willkür immer gegeben sei. Selbst wenn man daher unterstelle, der BF könne sich theoretisch von der Wehrpflicht befreien lassen, würde dieser erst um eine Befreiung ansuchen müssen. Dem BF könne jedoch nicht zugemutet werden sich dieser Willkür des syrischen Regimes auszusetzen. Selbst im Falle einer Befreiung würde der BF keine Sicherheit haben, nicht trotz der Befreiung einberufen und rekrutiert zu werden. Nach einer zitierten Anfragebeantwortung sei die Schwelle, als wehruntauglich eingestuft zu werden, sehr hoch. Befreit würden Männer werden, die eine Gliedmaße verlieren oder sehr krank seien. Wobei selbst in diesen Fällen möglicherweise Bestechungsgelder für eine Befreiung bezahlt werden müssten. Aus den verschiedenen Quellen gehe auch hervor, dass die Kriterien, um zu beurteilen, ob eine bestimmte Behinderung eine Person zur Befreiung vom Militärdienst berechtige oder nicht, sehr intransparent seien und es nicht möglich sei zu wissen, aus welchen anderen medizinischen Gründen eine Person befreit werden könne. Weiters sei aus den zitierten Länderberichten zu entnehmen, dass wehruntaugliche Personen um die Befreiung aktiv ansuchen müssten. Aus den Länderberichten gehe unzweifelhaft hervor, dass nur ganz schwerwiegende Behinderungen zu einer Befreiung vom Militärdienst berechtigen würden und dass die Entscheidung darüber von medizinischen Ausschüssen abhängen würde. Die Sehschwäche des BF sei keinesfalls so schwerwiegend, um die Annahme zu rechtfertigen, dass dieser mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vom Militärdienst befreit werden würde. Er sei auch in der Lage ohne Weiteres eine Waffe zu bedienen und definitiv nicht „auf Begleitung angewiesen“. Selbst wenn man unterstelle, dass der BF wehruntauglich sein würde, würde er erst um eine Befreiung ansuchen müssen, um nicht eingezogen zu werden. Dem BF könne jedoch nicht zugemutet werden, sich dieser Willkür des syrischen Regimes auszusetzen. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die angebliche Möglichkeit der Befreiung vom Militärdienst aufgrund der Sehschwäche des BF nur in der Theorie bestehe, allerdings in der Praxis nicht so umgesetzt werde. Die Umsetzung der Befreiungen aus medizinischen Gründen sei in der Praxis völlig intransparent und greife nur in ganz extremen Fällen, wie dem Verlust von Gliedmaßen, tatsächlich. Der BF würde daher mit seiner Sehschwäche mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Befreiung erhalten. Aus dem aktuellen LIB gehe eindeutig hervor, dass nach wie vor Rekrutierungskampagnen durch die syrische Armee stattfinden würden. Die syrische Regierung betrachte Wehrdienstverweigerung als Nähe zur Opposition und als Ausdruck illoyalen Verhaltens, geschweige denn, dass der BF aus dem Oppositionsgebiet stamme. Bei der Umsetzung des Wehrdienstes lege das Regime besonderes Augenmerk auf Rekrutierungen in Oppositionsgebieten, wo Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen durchgeführt würden. Wie sich aus dem LIB ergebe, drohe Rückkehrern im wehrfähigen Alter bei der Einreise über einen Grenzübergang, der von der syrischen Regierung kontrolliert werde, die sofortige Verhaftung bzw. Einziehung in den Militärdienst. Die Grenzregion zwischen der Türkei, dem HTS-Gebiet und dem Gebiet, wo die SNA bzw. türkische Truppen die Kontrolle ausüben würden, zähle zu den gefährlichsten Regionen. Die Türkei sei für systematische Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Dem BF sei aus den genannten Gründen gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der BF führt die im Spruch genannte Identität (Name und Geburtsdatum). Er ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Der BF wurde in dem Dorf XXXX (alternative Schreibweise: XXXX ), im Gouvernement Idlib, geboren und ist dort aufgewachsen. Aufgrund des Krieges und der Bombardements auf das Haus seiner Familie flüchtete der BF mit seiner Familie in ein Zeltlager in das Dorf XXXX , im Gouvernement Idlib. Der BF konnte in dem Ort XXXX , wo er sich mit seiner Familie neu ansiedelte, nicht Fuß fassen. Er besuchte mindestens fünf Jahre die Grundschule, verfügt über keine Berufsausbildung und arbeitete in seinem Herkunftsstaat als Hilfsarbeiter. Der BF wurde in dem Dorf römisch 40 (alternative Schreibweise: römisch 40 ), im Gouvernement Idlib, geboren und ist dort aufgewachsen. Aufgrund des Krieges und der Bombardements auf das Haus seiner Familie flüchtete der BF mit seiner Familie in ein Zeltlager in das Dorf römisch 40 , im Gouvernement Idlib. Der BF konnte in dem Ort römisch 40 , wo er sich mit seiner Familie neu ansiedelte, nicht Fuß fassen. Er besuchte mindestens fünf Jahre die Grundschule, verfügt über keine Berufsausbildung und arbeitete in seinem Herkunftsstaat als Hilfsarbeiter.
Im Jahr 2021 verließ der BF Syrien erstmalig und hielt sich ungefähr sieben Monate in der Türkei auf. Anschließend reiste er wieder nach Syrien zurück. Im Jahr 2022 verließ der BF Syrien endgültig und hielt sich eine Woche in der Türkei auf bis er – unter Umgehung der Grenzkontrollen – in das österreichische Bundesgebiet reiste und am 30.05.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte. Dem BF kommt in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu.
Der BF ist ledig und kinderlos. Seine Eltern sowie zwei Brüder und zwei Schwestern leben aktuell noch im Herkunftsstaat des BF.
Der BF leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Er wurde im Jahr 2015 in Syrien im Zuge von Bombardierungen am XXXX und am XXXX verletzt. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.Der BF leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Er wurde im Jahr 2015 in Syrien im Zuge von Bombardierungen am römisch 40 und am römisch 40 verletzt. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der im Nordwesten Syriens gelegene Herkunftsort des BF, das Dorf XXXX , im Gouvernement Idlib, befindet sich derzeit im Einfluss- und Kontrollbereich oppositioneller Kräfte. Er beherbergt Dutzende von hauptsächlich islamischen bewaffneten Gruppen, von denen die Hay'at Tahrir ash-Sham (infolge: HTS; ehemals Jabhat al-Nusra) dominiert. Die von der HTS kontrollierten Gebiete in Idlib werden von der syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government, SSG), dem zivilen Flügel der HTS, regiert.Der im Nordwesten Syriens gelegene Herkunftsort des BF, das Dorf römisch 40 , im Gouvernement Idlib, befindet sich derzeit im Einfluss- und Kontrollbereich oppositioneller Kräfte. Er beherbergt Dutzende von hauptsächlich islamischen bewaffneten Gruppen, von denen die Hay'at Tahrir ash-Sham (infolge: HTS; ehemals Jabhat al-Nusra) dominiert. Die von der HTS kontrollierten Gebiete in Idlib werden von der syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government, SSG), dem zivilen Flügel der HTS, regiert.
Für männliche syrische Staatsangehörige zwischen 18 und 42 Jahren ist die Ableistung des Wehrdienstes in Syrien gesetzlich verpflichtend. Der BF befindet sich im Entscheidungszeitpunkt mit seinen XXXX Jahren im wehrdienstpflichtigen Alter. Der BF hat weder einen Einberufungsbefehl vom syrischen Regime noch ein Militärbuch erhalten. Die Tauglichkeitskriterien der syrischen Armee werden intransparent gehandhabt. Den Militärdienst in der syrischen Armee hat er nicht abgeleistet. Für männliche syrische Staatsangehörige zwischen 18 und 42 Jahren ist die Ableistung des Wehrdienstes in Syrien gesetzlich verpflichtend. Der BF befindet sich im Entscheidungszeitpunkt mit seinen römisch 40 Jahren im wehrdienstpflichtigen Alter. Der BF hat weder einen Einberufungsbefehl vom syrischen Regime noch ein Militärbuch erhalten. Die Tauglichkeitskriterien der syrischen Armee werden intransparent gehandhabt. Den Militärdienst in der syrischen Armee hat er nicht abgeleistet.
Der BF hat durch seine Ausreise aus Syrien im Jahr 2022, im wehrfähigen Alter ( XXXX Jahre), die Ableistung des Militärdienstes verweigert und würde daher bei einer Rückkehr als Wehrdienstverweigerer und somit als Regimegegner angesehen werden. Die syrische Regierung betrachtet nach den Länderberichten Wehrdienstverweigerung als Nähe zur Opposition und als Ausdruck illoyalen Verhaltens. Der BF lehnt einen Militärdienst bei der syrischen Armee ab.Der BF hat durch seine Ausreise aus Syrien im Jahr 2022, im wehrfähigen Alter ( römisch 40 Jahre), die Ableistung des Militärdienstes verweigert und würde daher bei einer Rückkehr als Wehrdienstverweigerer und somit als Regimegegner angesehen werden. Die syrische Regierung betrachtet nach den Länderberichten Wehrdienstverweigerung als Nähe zur Opposition und als Ausdruck illoyalen Verhaltens. Der BF lehnt einen Militärdienst bei der syrischen Armee ab.
Im Falle einer Rückkehr besteht für den BF daher die Gefahr, etwa an Checkpoints angehalten und wegen der Ausreise und damit einhergehenden Wehrdienstverweigerung verhaftet zu werden und zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft zu werden, die mit der Anwendung von Folter verbunden wäre.
Auch die illegale Ausreise des BF, die Asylantragstellung im Ausland und die dadurch bewirkte Entziehung von der Ableistung des Wehrdienstes sowie die Abstammung aus einem stark umkämpften Oppositionsgebiet wird vom syrischen Regime als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung gesehen.
Es besteht die Gefahr, dass der BF bei einer Rückkehr aufgrund seines Alters von XXXX Jahren zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen wird, was er jedoch ablehnt. Der BF hat seinen Wehrdienst bis dato nicht abgeleistet und eine Einziehung zum Wehrdienst ist aufgrund seines wehrdienstpflichtigen Alters und angesichts des willkürlichen Verhaltens der syrischen Behörden sowie des Bedarfs an kampffähigen Soldaten sehr wahrscheinlich. Es besteht grundsätzlich die Möglichkeit sich vom Militärdienst durch Zahlung einer Befreiungsgebühr „freizukaufen“, wobei nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Zahlung jener Befreiungsgebühr zur tatsächlichen Befreiung des Militärdienstes führt. Es besteht die Gefahr, dass der BF bei einer Rückkehr aufgrund seines Alters von römisch 40 Jahren zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen wird, was er jedoch ablehnt. Der BF hat seinen Wehrdienst bis dato nicht abgeleistet und eine Einziehung zum Wehrdienst ist aufgrund seines wehrdienstpflichtigen Alters und angesichts des willkürlichen Verhaltens der syrischen Behörden sowie des Bedarfs an kampffähigen Soldaten sehr wahrscheinlich. Es besteht grundsätzlich die Möglichkeit sich vom Militärdienst durch Zahlung einer Befreiungsgebühr „freizukaufen“, wobei nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Zahlung jener Befreiungsgebühr zur tatsächlichen Befreiung des Militärdienstes führt.
Die Herkunftsregion des BF liegt zum Entscheidungszeitpunkt rund XXXX Kilometer zur Frontlinie des Gebiets, welches von der syrischen Regierung kontrolliert wird, und liegt damit in der stetig wechselnden Kampfzone. Bei einer Rückkehr nach Syrien läuft der BF somit Gefahr, Gewalthandlungen, erheblichen Eingriffen in seine Unversehrtheit und/oder gravierenden Bedrohungen durch das – nur wenige Kilometer vom Herkunftsort des BF präsente – syrische Militär ausgesetzt zu sein. Es besteht einerseits die Gefahr, dass die Herkunftsregion wegen der sich stetig ändernden Frontlinie ins Einflussgebiet der syrischen Armee fällt; andererseits, dass der BF im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion im Rahmen einer Kontrolle, an einen der Checkpoints, im Rahmen eines Behördenkontakts oder bei einem Aufgriff der syrischen Armee im Kampfgebiet vom syrischen Regime zwangsrekrutiert wird.Die Herkunftsregion des BF liegt zum Entscheidungszeitpunkt rund römisch 40 Kilometer zur Frontlinie des Gebiets, welches von der syrischen Regierung kontrolliert wird, und liegt damit in der stetig wechselnden Kampfzone. Bei einer Rückkehr nach Syrien läuft der BF somit Gefahr, Gewalthandlungen, erheblichen Eingriffen in seine Unversehrtheit und/oder gravierenden Bedrohungen durch das – nur wenige Kilometer vom Herkunftsort des BF präsente – syrische Militär ausgesetzt zu sein. Es besteht einerseits die Gefahr, dass die Herkunftsregion wegen der sich stetig ändernden Frontlinie ins Einflussgebiet der syrischen Armee fällt; andererseits, dass der BF im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion im Rahmen einer Kontrolle, an einen der Checkpoints, im Rahmen eines Behördenkontakts oder bei einem Aufgriff der syrischen Armee im Kampfgebiet vom syrischen Regime zwangsrekrutiert wird.
Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Syrien auch die Verfolgung von oppositionellen Gruppierungen. Der BF wurde von der freien syrischen Armee (FSA) aufgrund seiner versuchten illegalen Ausreise aus Syrien bereits XXXX in Haft genommen und hat sich durch seine schriftliche Erklärung verpflichtet, nicht aus Syrien auszureisen. Aufgrund des Umstandes, dass der BF trotz dieser Erklärung aus Syrien ausgereist ist, läuft er somit Gefahr, von der FSA unmittelbar persönlich verfolgt zu werden.Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Syrien auch die Verfolgung von oppositionellen Gruppierungen. Der BF wurde von der freien syrischen Armee (FSA) aufgrund seiner versuchten illegalen Ausreise aus Syrien bereits römisch 40 in Haft genommen und hat sich durch seine schriftliche Erklärung verpflichtet, nicht aus Syrien auszureisen. Aufgrund des Umstandes, dass der BF trotz dieser Erklärung aus Syrien ausgereist ist, läuft er somit Gefahr, von der FSA unmittelbar persönlich verfolgt zu werden.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Im Verfahren wurden u.a. folgende Quellen zum Herkunftsstaat des BF herangezogen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (COI-CMS) – Syrien, Version 11 vom 27.03.2024
- Anfragebeantwortung zu Syrien: Menschenrechtsverletzungen durch SNA mit Schwerpunkt Bezirk Jarabulus, Nordsyrien vom 03.03.2023
- Anfragebeantwortung zu Syrien: Sicherheitslage und Rekrutierungspraktiken mit Schwerpunkt Bezirk Jarabulus vom 03.03.2023
- Anfragebeantwortung zu Syrien: Wehrpflicht in Gebieten außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung (ergänzende AFB) vom 14.10.2022
- Anfragebeantwortung zu Syrien: HTS und SIG vom 19.06.2023
- ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Zwangsrekrutierung von Erwachsenen durch die Syrische Nationale Armee (SNA) oder andere oppositionelle militärische Gruppierungen in Dscharabulus; Personengruppen mit höherer Wahrscheinlichkeit von derartigen Rekrutierungen;. Sanktionen gegen Personen, die eine Rekrutierung verweigern; Unterstellung oppositioneller Gesinnung im Falle einer Verweigerung; Zugriffsmöglichkeiten der syrischen Armee auf wehrdienstpflichtige Personen in Dscharabulus [a-12101] vom 20.03.2023
- ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Tauglichkeitskriterien der syrischen Armee; Einsatz von Wehrpflichtigen mit starker Sehschwäche [a-11869] vom 05.05.2022
- ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Wehrdienst für Männer mit Schizophrenie in den syrischen Streitkräften; Behandlung von Zahnärzten hinsichtlich der Einberufung; Einberufung von Ärzten mit psychischen Erkrankungen [a-12223-1] vom 06.10.2023
- EUAA: Country Guidance Syria vom April 2024
- UNHCR Latest Country Information on Syria with Focus on Returnees vom Juni 2024
- UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Fassung vom März 2021
- BFA Staatendokumentation, Themenbericht Syrien – Grenzübergänge vom 25.10.2023
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus der vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformation der Staatendokumentation Syrien, Version 11 vom 27.03.2024, auszugsweise wiedergegeben:
„[…]
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
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Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 2024-03-08 11:06
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).
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Syrische Interimsregierung und syrische Heilsregierung
Letzte Änderung 2023-07-11 09:24
Im März 2013 gab die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte als höchste offizielle Oppositionsbehörde die Bildung der syrischen Interimsregierung (Syrian Interim Government, SIG) bekannt, welche die Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes im ganzen Land verwalten soll. Im Laufe der Zeit schrumpften die der Opposition angehörenden Gebiete jedoch, insbesondere nach den Vereinbarungen von 2018, die dazu führten, dass Damaskus die Kontrolle über den Süden Syriens und die Oppositionsgebiete im Süden von Damaskus und im Umland übernahm. Der Einfluss der SIG ist nun auf die von der Türkei unterstützten Gebiete im Norden Aleppos beschränkt (SD 18.3.2023). Formell erstreckt sich ihr Zuständigkeitsbereich auch auf die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrollierte Zone. Dort wurde sie von der HTS jedoch an den Rand gedrängt (Brookings 27.1.2023). Die von der HTS kontrollierten Gebiete in Idlib und Teile der Provinzen Aleppo und Latakia werden inzwischen von der syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government, SSG), dem zivilen Flügel der HTS, regiert (SD 18.3.2023).
Nicht-staatliche Akteure in Nordsyrien haben systematisch daran gearbeitet, sich selbst mit Attributen der Staatlichkeit auszustatten. Sie haben sich von aufständischen bewaffneten Gruppen in Regierungsbehörden verwandelt. In Gebieten, die von der HTS, einer sunnitischen islamistischen politischen und militärischen Organisation, kontrolliert werden, und in Gebieten, die nominell unter der Kontrolle der SIG stehen, haben bewaffnete Gruppen und die ihnen angeschlossenen politischen Flügel den institutionellen Rahmen eines vollwertigen Staates mit ausgefeilten Regierungsstrukturen wie Präsidenten, Kabinetten, Ministerien, Regulierungsbehörden, Exekutivorganen usw. übernommen (Brookings 27.1.2023).
Die nordwestliche Ecke der Provinz Idlib, an der Grenze zur Türkei, ist die letzte Enklave der traditionellen Opposition gegen Assads Herrschaft. Sie beherbergt Dutzende von hauptsächlich islamischen bewaffneten Gruppen, von denen die HTS die dominanteste ist (MEI 26.4.2022). Mit der im November 2017 gegründeten (NPA 4.5.2023) syrischen Heilsregierung hat die HTS ihre Möglichkeiten zur Regulierung, Besteuerung und Bereitstellung begrenzter Dienstleistungen für die Zivilbevölkerung erweitert. Doch wie jüngste Studien gezeigt haben, sind diese Institutionen Mechanismen, die hochrangige Persönlichkeiten innerhalb der herrschenden Koalitionen ermächtigen und bereichern (Brookings 27.1.2023). In dem Gebiet werden keine organisierten Wahlen abgehalten und die dortigen Lokalräte werd