Entscheidungsdatum
24.07.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W207 2290084-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH), gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.02.2024, Zl. 1318587209/222445600, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.06.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA: Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH), gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.02.2024, Zl. 1318587209/222445600, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.06.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger sunnitisch-muslimischen Glaubens und Angehöriger der arabischen Volksgruppe, stellte am 07.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung am 08.08.2022 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, er habe Syrien im April 2021 in Richtung Türkei verlassen, weil er sich in Syrien Assads Truppen anschließen hätte sollen, was er nicht gewollt habe. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab er an, er sei ein Armeeverweigerer, darum fürchte er um sein Leben. Die Frage, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm im Falle einer Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, die Todesstrafe oder sonstige Sanktionen drohen würden, verneinte der Beschwerdeführer.
Am 21.02.2024 wurde der Beschwerdeführer durch die nunmehr belangte Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), in der Sprache Arabisch einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, er sei in Damaskus geboren und zunächst in XXXX , in Damaskus-Stadt aufgewachsen, dann habe er von 2010 bis 2012 in XXXX in Damaskus-Stadt gelebt, bevor er wieder nach XXXX , zurückgekehrt sei, wo er auch bis April 2021 gelebt habe. Anschließend sei er über die Provinz Idlib ausgereist. Er sei ledig und habe keine Kinder. Seine Eltern, seine zwei Brüder und fünf Schwestern seien nach wie vor in XXXX , bei den Großeltern aufhältig. Die Familie habe auch noch eine Wohnung und ein Geschäft in XXXX , sie dürften aber nicht in dieses Gebiet zurück. Sein Vater habe ein Geschäft gemietet und verkaufe Autoreifen. Der Beschwerdeführer sei in Syrien keiner Musterung unterzogen worden, weil er Syrien noch vor seiner Volljährigkeit verlassen habe. Auch habe er nie an Kampfhandlungen teilgenommen. Am 21.02.2024 wurde der Beschwerdeführer durch die nunmehr belangte Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), in der Sprache Arabisch einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, er sei in Damaskus geboren und zunächst in römisch 40 , in Damaskus-Stadt aufgewachsen, dann habe er von 2010 bis 2012 in römisch 40 in Damaskus-Stadt gelebt, bevor er wieder nach römisch 40 , zurückgekehrt sei, wo er auch bis April 2021 gelebt habe. Anschließend sei er über die Provinz Idlib ausgereist. Er sei ledig und habe keine Kinder. Seine Eltern, seine zwei Brüder und fünf Schwestern seien nach wie vor in römisch 40 , bei den Großeltern aufhältig. Die Familie habe auch noch eine Wohnung und ein Geschäft in römisch 40 , sie dürften aber nicht in dieses Gebiet zurück. Sein Vater habe ein Geschäft gemietet und verkaufe Autoreifen. Der Beschwerdeführer sei in Syrien keiner Musterung unterzogen worden, weil er Syrien noch vor seiner Volljährigkeit verlassen habe. Auch habe er nie an Kampfhandlungen teilgenommen.
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, sein Hauptgrund sei, dass er den Militärdienst ableisten hätte müssen. Er wolle nicht mit irgendwelchen Gruppierungen kämpfen und seine Hände nicht mit Blut beschmutzen. Darauf aufmerksam gemacht, dass es Möglichkeiten gebe, eine Ausnahmegenehmigung von der Wehrpflicht zu erhalten, etwa die Zahlung einer Befreiungsgebühr, gab der Beschwerdeführer an, er werde niemals bezahlen, er wolle nicht zurück nach Syrien, er hasse das Land und auch seinen Vater, er habe keine Freunde in Syrien und wolle auch nicht bei einer Geheimdienstabteilung befragt werden, er könne es in Syrien nicht aushalten. Er könne sich nicht vom Militär freikaufen und andererseits werde er von der Geheimdienstabteilung gesucht. Der zweite Grund für seine Flucht sei, dass sein Vater und sein Schwager in XXXX alles verloren hätten. Danach sei sein Vater sehr aggressiv gewesen, weil er dies nicht akzeptiert habe. Sein Vater habe ihn sehr viel geschlagen und schlecht behandelt. Die Narben im Gesicht habe ihm sein Vater zugefügt. Er habe auch ein Bild, auf dem er 14 Jahre alt sei, wie ihn sein Vater geschlagen habe. Sein Vater habe ihm mit 16 Jahren verboten, die Wohnung zu verlassen. An seinem 17. Geburtstag sei eine Psychologin, eine Kollegin seiner Mutter, zu ihnen nach Hause gekommen, welche die Diagnose einer sozialen Phobie gestellt und gesagt habe, dass er mit vielen Leuten Kontakt aufnehmen solle, damit es besser werde. Seine Mutter habe dann beschlossen, dass er Syrien unbedingt verlassen müsse, und habe eine Wohnung verkauft, damit er ausreisen habe können. Er habe seinem Vater verziehen, weil sein Vater gemerkt habe, dass er einen Fehler gemacht habe. Ein weiterer Fluchtgrund sei, dass ihn vermutlich ein Nachbar aufgrund der von ihm auf Facebook geposteten Bilder von seiner Flucht oder ein näher genannter Friseur beim Regime verpetzt habe, weil er Syrien illegal verlassen habe. Sein Vater sei im Juni 2021 von der Geheimdienstabteilung namens ALKHATIB vier Tage lang festgehalten und befragt worden. In der Befragung hätten sie nach dem Beschwerdeführer gefragt und hätten auch wissen wollen, ob der Beschwerdeführer jemanden in Idlib kenne und wie er Syrien illegal verlassen habe können. Nachdem sein Vater einen Rechtsanwalt bevollmächtigt habe, sei er entlassen worden. Der Beschwerdeführer sei in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden und es gebe auch weitere Ermittlungen wegen seines Aufenthaltes in Idlib. Er könne auch keine „Versöhnungskarte“ beim Regime machen, weil sein Vater bei der Befragung gesagt habe, dass er von Syrien geflüchtet sei. Die Frage, ob es jemals irgendwelche Übergriffe gegeben habe oder ob an ihn persönlich jemals irgendwer herangetreten sei, verneinte der Beschwerdeführer. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab er an, er habe Angst vor dem Militär und der Geheimdienstabteilung ALKHATIB. Er würde auch zusätzlich bestraft, weil er so spät eingezogen werde. Die Frage, ob er in seiner Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen sei oder ob er jemals wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt worden sei, verneinte der Beschwerdeführer.Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, sein Hauptgrund sei, dass er den Militärdienst ableisten hätte müssen. Er wolle nicht mit irgendwelchen Gruppierungen kämpfen und seine Hände nicht mit Blut beschmutzen. Darauf aufmerksam gemacht, dass es Möglichkeiten gebe, eine Ausnahmegenehmigung von der Wehrpflicht zu erhalten, etwa die Zahlung einer Befreiungsgebühr, gab der Beschwerdeführer an, er werde niemals bezahlen, er wolle nicht zurück nach Syrien, er hasse das Land und auch seinen Vater, er habe keine Freunde in Syrien und wolle auch nicht bei einer Geheimdienstabteilung befragt werden, er könne es in Syrien nicht aushalten. Er könne sich nicht vom Militär freikaufen und andererseits werde er von der Geheimdienstabteilung gesucht. Der zweite Grund für seine Flucht sei, dass sein Vater und sein Schwager in römisch 40 alles verloren hätten. Danach sei sein Vater sehr aggressiv gewesen, weil er dies nicht akzeptiert habe. Sein Vater habe ihn sehr viel geschlagen und schlecht behandelt. Die Narben im Gesicht habe ihm sein Vater zugefügt. Er habe auch ein Bild, auf dem er 14 Jahre alt sei, wie ihn sein Vater geschlagen habe. Sein Vater habe ihm mit 16 Jahren verboten, die Wohnung zu verlassen. An seinem 17. Geburtstag sei eine Psychologin, eine Kollegin seiner Mutter, zu ihnen nach Hause gekommen, welche die Diagnose einer sozialen Phobie gestellt und gesagt habe, dass er mit vielen Leuten Kontakt aufnehmen solle, damit es besser werde. Seine Mutter habe dann beschlossen, dass er Syrien unbedingt verlassen müsse, und habe eine Wohnung verkauft, damit er ausreisen habe können. Er habe seinem Vater verziehen, weil sein Vater gemerkt habe, dass er einen Fehler gemacht habe. Ein weiterer Fluchtgrund sei, dass ihn vermutlich ein Nachbar aufgrund der von ihm auf Facebook geposteten Bilder von seiner Flucht oder ein näher genannter Friseur beim Regime verpetzt habe, weil er Syrien illegal verlassen habe. Sein Vater sei im Juni 2021 von der Geheimdienstabteilung namens ALKHATIB vier Tage lang festgehalten und befragt worden. In der Befragung hätten sie nach dem Beschwerdeführer gefragt und hätten auch wissen wollen, ob der Beschwerdeführer jemanden in Idlib kenne und wie er Syrien illegal verlassen habe können. Nachdem sein Vater einen Rechtsanwalt bevollmächtigt habe, sei er entlassen worden. Der Beschwerdeführer sei in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden und es gebe auch weitere Ermittlungen wegen seines Aufenthaltes in Idlib. Er könne auch keine „Versöhnungskarte“ beim Regime machen, weil sein Vater bei der Befragung gesagt habe, dass er von Syrien geflüchtet sei. Die Frage, ob es jemals irgendwelche Übergriffe gegeben habe oder ob an ihn persönlich jemals irgendwer herangetreten sei, verneinte der Beschwerdeführer. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab er an, er habe Angst vor dem Militär und der Geheimdienstabteilung ALKHATIB. Er würde auch zusätzlich bestraft, weil er so spät eingezogen werde. Die Frage, ob er in seiner Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen sei oder ob er jemals wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt worden sei, verneinte der Beschwerdeführer.
Im Verfahren vor der belangten Behörde legte der Beschwerdeführer einen syrischen Personalausweis im Original (dieser wurde im Rahmen einer Überprüfung durch das BFA als echt befunden), einen Arbeitsvertrag vom 21.09.2023 und weitere arbeitsbezogene Unterlagen, Fotos seiner Verletzungen sowie integrationsbezeugende Unterlagen vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.02.2024 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.). Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.02.2024 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend führte das BFA zur Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (zu Spruchpunkt I.) im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe seinen Wehrdienst in der syrischen Armee noch nicht abgeleistet und keinen individualisierten Einberufungsbefehl erhalten. Er könne sich durch die Bezahlung einer Befreiungsgebühr vom Wehrdienst freikaufen. Eine Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund der Nicht-Ableistung des Wehrdienstes habe er nicht glaubhaft machen können. Auch weise er keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen das syrische Regime auf und sei er auch nicht ins Blickfeld des syrischen Regimes geraten. Auch drohe ihm in Syrien keine Verfolgung aufgrund der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung. Insbesondere habe nicht festgestellt werden können, dass er vom Geheimdienst ALHKATIB gesucht werde und in seiner Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden wäre bzw. dass er Fotos seiner Flucht in den sozialen Medien verteilt hätte. Er habe auch keine glaubwürdigen Gründe nennen können, weshalb der Geheimdienst ausgerechnet nach ihm so intensiv suchen hätte sollen. Auch sei nicht glaubhaft, dass ihm die Verletzungen im Gesicht von seinem Vater zugefügt worden wären.Begründend führte das BFA zur Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (zu Spruchpunkt römisch eins.) im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe seinen Wehrdienst in der syrischen Armee noch nicht abgeleistet und keinen individualisierten Einberufungsbefehl erhalten. Er könne sich durch die Bezahlung einer Befreiungsgebühr vom Wehrdienst freikaufen. Eine Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund der Nicht-Ableistung des Wehrdienstes habe er nicht glaubhaft machen können. Auch weise er keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen das syrische Regime auf und sei er auch nicht ins Blickfeld des syrischen Regimes geraten. Auch drohe ihm in Syrien keine Verfolgung aufgrund der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung. Insbesondere habe nicht festgestellt werden können, dass er vom Geheimdienst ALHKATIB gesucht werde und in seiner Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden wäre bzw. dass er Fotos seiner Flucht in den sozialen Medien verteilt hätte. Er habe auch keine glaubwürdigen Gründe nennen können, weshalb der Geheimdienst ausgerechnet nach ihm so intensiv suchen hätte sollen. Auch sei nicht glaubhaft, dass ihm die Verletzungen im Gesicht von seinem Vater zugefügt worden wären.
Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Syrien für den Beschwerdeführer die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge der derzeitigen Menschenrechtslage mit sich bringen würde.Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt römisch II.) begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Syrien für den Beschwerdeführer die reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge der derzeitigen Menschenrechtslage mit sich bringen würde.
Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides vom 29.02.2024 erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 02.04.2024 fristgerecht Beschwerde, in welcher er zusammengefasst vorbringt, er sei wehrpflichtig und habe seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet, weshalb ihm bei einer Rückkehr in seine Heimatregion die Einziehung zum Wehrdienst drohe. Es würden keine Befreiungsgründe vorliegen. Er verweigere den Wehrdienst in den syrischen Streitkräften aus politischen Gründen und aus Gewissensgründen, aus diesen Gründen verweigere er auch die Bezahlung einer Befreiungsgebühr, weil er das syrische Regime nicht finanziell unterstützen wolle. Er wolle sich an den Verbrechen im Rahmen des Wehrdienstes nicht beteiligen und habe eine oppositionelle politische Haltung gegenüber dem Regime. Es sei ihm nicht zumutbar, seine Verfolgung durch eine Geldzahlung an das international geächtete und mit Sanktionen belegte syrische Regime abzuwenden. Auch sei der Zugang zum Freikauf nicht ohne Weiteres gegeben. Der Prozess sei langwierig und schwierig und erfordere Beziehungen und die Bezahlung von Bestechungsgeldern. Der erforderliche „Versöhnungsprozess“ werde als sehr komplex und langwierig beschrieben. Die Möglichkeit eines Freikaufs sei daher unrealistisch. Vor dem Hintergrund des hohen Personalbedarfes könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Befreiungstatbestände in der Praxis verlässlich umgesetzt würden und die Bezahlung einer Befreiungsgebühr den Beschwerdeführer vor der Einziehung schützen würde. Aufgrund der Wehrdienstverweigerung würden die syrischen Behörden dem Beschwerdeführer auch eine oppositionelle politische Haltung unterstellen und drohe ihm eine exzessive Bestrafung.Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides vom 29.02.2024 erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 02.04.2024 fristgerecht Beschwerde, in welcher er zusammengefasst vorbringt, er sei wehrpflichtig und habe seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet, weshalb ihm bei einer Rückkehr in seine Heimatregion die Einziehung zum Wehrdienst drohe. Es würden keine Befreiungsgründe vorliegen. Er verweigere den Wehrdienst in den syrischen Streitkräften aus politischen Gründen und aus Gewissensgründen, aus diesen Gründen verweigere er auch die Bezahlung einer Befreiungsgebühr, weil er das syrische Regime nicht finanziell unterstützen wolle. Er wolle sich an den Verbrechen im Rahmen des Wehrdienstes nicht beteiligen und habe eine oppositionelle politische Haltung gegenüber dem Regime. Es sei ihm nicht zumutbar, seine Verfolgung durch eine Geldzahlung an das international geächtete und mit Sanktionen belegte syrische Regime abzuwenden. Auch sei der Zugang zum Freikauf nicht ohne Weiteres gegeben. Der Prozess sei langwierig und schwierig und erfordere Beziehungen und die Bezahlung von Bestechungsgeldern. Der erforderliche „Versöhnungsprozess“ werde als sehr komplex und langwierig beschrieben. Die Möglichkeit eines Freikaufs sei daher unrealistisch. Vor dem Hintergrund des hohen Personalbedarfes könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Befreiungstatbestände in der Praxis verlässlich umgesetzt würden und die Bezahlung einer Befreiungsgebühr den Beschwerdeführer vor der Einziehung schützen würde. Aufgrund der Wehrdienstverweigerung würden die syrischen Behörden dem Beschwerdeführer auch eine oppositionelle politische Haltung unterstellen und drohe ihm eine exzessive Bestrafung.
Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 11.04.2024 vom BFA zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.06.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch und der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung entschuldigt nicht teil. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung nahm die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung und führte zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer habe klar zum Ausdruck gebracht, dass er das syrische Regime ablehne und diese politische Einstellung verinnerlicht habe. Er sei auch schon ins Visier des syrischen Regimes geraten und sei diesem bekannt, dass er das Land illegal verlassen habe, um sich dem Wehrdienst zu entziehen. Die UNHCR-Erwägungen würden klar feststellen, dass Personen – vor allem jungen Männern im wehrfähigen Alter – aus zurückeroberten Gebieten eine politische Gesinnung gegen das Regime unterstellt werde. Personen, die aus „versöhnten“ Gebieten stammen, würden mit minimaler Ausbildung an die Front geschickt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat – im auf die Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten eingeschränkten Verfahren – erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat – im auf die Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten eingeschränkten Verfahren – erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers
Der volljährige Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen und das im Spruch angeführte Geburtsdatum.
Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, er bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und gehört der arabischen Volksgruppe an. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.
Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt Damaskus, konkret wurde er im Stadtteil XXXX geboren, wo er zunächst auch aufwuchs. Im Jahr 2010 zog die Familie in den Stadtteil XXXX , wo sie bis zum Jahr 2012 lebte, bevor sie aufgrund der zunehmenden Kampfhandlungen erneut in den Stadtteil XXXX zurückkehrte. Dort hielt sich der Beschwerdeführer schließlich bis zu seiner Ausreise aus Syrien auf. Die Familie des Beschwerdeführers – seine Eltern, zwei Brüder und fünf Schwestern – lebt nach wie vor in der Stadt Damaskus, konktet im Stadtteil XXXX . Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt Damaskus, konkret wurde er im Stadtteil römisch 40 geboren, wo er zunächst auch aufwuchs. Im Jahr 2010 zog die Familie in den Stadtteil römisch 40 , wo sie bis zum Jahr 2012 lebte, bevor sie aufgrund der zunehmenden Kampfhandlungen erneut in den Stadtteil römisch 40 zurückkehrte. Dort hielt sich der Beschwerdeführer schließlich bis zu seiner Ausreise aus Syrien auf. Die Familie des Beschwerdeführers – seine Eltern, zwei Brüder und fünf Schwestern – lebt nach wie vor in der Stadt Damaskus, konktet im Stadtteil römisch 40 .
Als Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist die Stadt Damaskus und deren umliegende Umgebung anzusehen. Das Herkunftsgebiet steht aktuell unter der Kontrolle der syrischen Zentralregierung.
Der Beschwerdeführer verließ sein Herkunftsgebiet am 10.04.2021 und reiste zunächst nach Idlib, von wo er Ende April 2021 in Richtung Türkei ausreiste, wo er sich bis Juli 2022 aufhielt, bevor er seine Weiterreise in Richtung Europa antrat. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 07.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Syrien nicht die reale Gefahr einer Verfolgung durch die syrische Zentralregierung bzw. durch die Geheimdienstabteilung ALKHATIB aufgrund seiner illegalen Ausreise aus Syrien. Nicht festgestellt werden kann in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer Fotos seiner Flucht in den sozialen Medien gepostet hätte und in weiterer Folge durch Nachbarn oder einen näher genannten Friseur an das Regime verraten worden wäre. Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers – je nach Darstellungsvariante – zwei oder vier Tage vom Geheimdienst festgehalten und nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers befragt worden wäre. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden wäre.
In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Der Beschwerdeführer ist 20 Jahre alt und hat seinen Wehrdienst für die syrische Zentralregierung noch nicht abgeleistet. Die Wehrdienstverweigerung stellt aber nicht das einzige Mittel dar, mit dem der Beschwerdeführer einer Ableistung des Wehrdienstes und einer damit allenfalls verbundenen Beteiligung an Kriegsverbrechen entgehen kann.
Das syrische Gesetz sieht für männliche syrische Staatsbürger, die im Ausland niedergelassen sind, die Möglichkeit vor, sich durch die Zahlung einer Gebühr dauerhaft von der Wehrpflicht zu befreien. Diese Möglichkeit steht auch dem Beschwerdeführer offen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die syrischen Behörden Personen, die sich vom Wehrdienst freigekauft haben (selbst wenn dies nicht zeitnah nach Erreichen des wehrpflichtigen Alters erfolgte), eine oppositionelle Gesinnung unterstellen oder diese Personen trotz der entrichteten Wehrersatzgebühr dennoch systematisch und generell und daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zum Wehrdienst einziehen. Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass dies im Fall des Beschwerdeführers erfolgen würde.
Darüber hinaus und unabhängig davon kann nicht festgestellt werden, dass die syrischen Behörden sämtlichen Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellen und haben sich auch im Fall des Beschwerdeführers keine diesbezüglichen Anhaltspunkte ergeben. Insbesondere weist der Beschwerdeführer keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen die syrische Zentralregierung oder gegen den Dienst an der Waffe an sich auf.
Ebenso droht dem Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund seiner illegalen Ausreise oder seiner Asylantragstellung im Ausland bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung. Nicht jedem Rückkehrer, der ausgereist ist und der im Ausland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen:
? Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien vom 27.03.2024 (LIB)
? UNHCR Erwägungen zum Schutzbedarf von syrischen Staatsangehörigen aus März 2021 (UNHCR)
? EUAA Country Guidance: Syria aus April 2024 (EUAA)
? ACCORD-Anfragebeantwortung zu Syrien: Kontrollen durch Sicherheitsbehörden bei Einreise, Auswirkungen von negativem Asylbescheid [a-12124-5] vom 09.06.2023
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 2024-03-08
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).
Sicherheitslage
„Versöhnungsabkommen“ (auch „Beilegungsabkommen“)
Letzte Änderung 2024-03-08
Individuelle Versöhnungsabkommen
Soweit bekannt, gibt es auch individuelle Versöhnungsabkommen für Syrer, die aus dem Ausland nach Syrien zurückkehren wollen, bzw. für Vertriebene, die in ein Gebiet unter der Kontrolle der Behörden zurückkehren. Der Abschluss eines individuellen Versöhnungsabkommens ist auch hier kein genau definiertes Verfahren und kann von Person zu Person und von Botschaft zu Botschaft variieren; in der Regel beinhaltet es jedoch die Unterzeichnung eines Dokuments in einer Botschaft, in dem die Person ihre „Straftat“ zugibt. Versöhnungsabkommen bieten allerdings keinen Schutz vor Menschenrechtsverletzungen (NMFA 5.2022). Eine vertrauliche Quelle des niederländischen Außenministeriums gibt an, dass der individuelle Versöhnungsprozess entweder aus dem Ausland oder aus einem Gebiet, das nicht unter Regierungskontrolle steht, begonnen werden kann, aber der Abschluss in einem Gebiet unter Regierungskontrolle erfolgen muss. Das Dokument zur Bestätigung dieses individuellen Versöhnungsprozesses kann nur in einem Gebiet unter der Kontrolle der syrischen Regierung ausgestellt werden. Dieselbe Quelle merkt an, dass Personen, die einen solchen individuellen Versöhnungsprozess beginnen, erst recht die Aufmerksamkeit der syrischen Behörden auf sich ziehen (NMFA 8.2023).
Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien
Letzte Änderung 2024-03-08
Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 Prozent (INSS 24.4.2022; vgl. GIS 23.5.2022) und 70 Prozent des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vgl. SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) (Anm.: siehe dazu auch das Überkapitel Sicherheitslage).Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 Prozent (INSS 24.4.2022; vergleiche GIS 23.5.2022) und 70 Prozent des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vergleiche SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) Anmerkung, siehe dazu auch das Überkapitel Sicherheitslage).
Die zivilen Behörden haben nur begrenzten Einfluss auf ausländische militärische oder paramilitärische Organisationen, die in Syrien operieren, darunter russische Streitkräfte, die libanesische Hizbollah, die iranischen Revolutionswächter (IRGC) und regierungsnahe Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defence Forces - NDF), deren Mitglieder zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen haben (USDOS 20.3.2023). Für alle Regionen Syriens gilt dabei, dass eine pauschale ebenso wie eine abschließende Lagebeurteilung nicht möglich ist. Auch innerhalb der verschiedenen Einflussgebiete unterscheidet sich die Lage teilweise von Region zu Region und von Ort zu Ort (AA 2.2.2024).
Die Sicherheitslage zwischen militärischen Entwicklungen und Menschenrechtslage
Ungeachtet der obigen Ausführungen bleibt Syrien bis hin zur subregionalen Ebene territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Die Regierung ist nicht in der Lage, alle von ihr kontrollierten Gebiete zu verwalten und bedient sich verschiedener Milizen, um einige Gebiete und Kontrollpunkte in Aleppo, Lattakia, Tartus, Hama, Homs und Deir ez-Zor zu kontrollieren (DIS/DRC 2.2019). Die Hizbollah und andere von Iran unterstützte schiitische Milizen kontr