TE Bvwg Erkenntnis 2024/2/20 W168 2260853-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.2024
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Entscheidungsdatum

20.02.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W168 2260853-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag.Dr. MACALKA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.09.2022, Zl. 1285454100/211395852, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.12.2023 zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag.Dr. MACALKA über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.09.2022, Zl. 1285454100/211395852, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.12.2023 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (AsylG 2005) idgF, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG) idgF, nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, Bundes-Verfassungsgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 1 aus 1930, (B-VG) idgF, nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

1. Der gegnewärtig 43-jährige Beschwerdeführer (BF), ein syrischer Staatsangehöriger und Angehöriger der arabischen Volksgruppe, sunnitisch-islamischen Glaubens, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen schlepperunterstützt unberechtigt nach Österreich ein, wo er am 23.09.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Am 24.09.2021 fand unter Beiziehung eines geprüften Dolmetschers für die Sprache Arabisch die Erstbefragung des BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der BF zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass in Syrien Krieg herrsche und er nach dem geleisteten Militärdienst als Reservist verlängern hätte sollen. Seine Herkunftsregion Idlib sei unter kurdischer Kontrolle. Er habe nicht kämpfen und sterben wollen und es gebe für ihn und seine Familie keine Sicherheit. In Griechenland habe er kein Asyl erhalten und sei auch die Unterbringung nicht menschenwürdig. Im Fall der Rückkehr würde er als Fahnenflüchtiger sofort ins Gefängnis kommen, wo ihm Folter sowie die Todesstrafe drohe.

Der BF gab an in Syrien, in Idlib geboren zu sein und in XXXX gewohnt zu habe. Seine Eltern, Ehefrau, drei Söhne und eine Tochter seien noch in Syrien. Er habe 9 Jahre die Grundschule besucht und zuletzt in einer Autofabrik gearbeitet. Er sei am 27.09.2019 illegal in die Türkei und nach 20 Tagen weiter nach Griechenland gereist, wo er ein Jahr und 10 Monate gelebt habe, ehe er über Albanien, Kosovo, Serbien und Ungarn am 23.09.2021 schlepperunterstützt nach Österreich gelangt sei. Nach Griechenland wolle er nicht zurück, es sei sehr hart für Flüchtlinge in Griechenland.Der BF gab an in Syrien, in Idlib geboren zu sein und in römisch 40 gewohnt zu habe. Seine Eltern, Ehefrau, drei Söhne und eine Tochter seien noch in Syrien. Er habe 9 Jahre die Grundschule besucht und zuletzt in einer Autofabrik gearbeitet. Er sei am 27.09.2019 illegal in die Türkei und nach 20 Tagen weiter nach Griechenland gereist, wo er ein Jahr und 10 Monate gelebt habe, ehe er über Albanien, Kosovo, Serbien und Ungarn am 23.09.2021 schlepperunterstützt nach Österreich gelangt sei. Nach Griechenland wolle er nicht zurück, es sei sehr hart für Flüchtlinge in Griechenland.

Der Mitteilung der griechischen Dublin-Behörden im Rahmen einer Auskunft nach Art. 34 der Dublin III-VO vom 07.12.2021 ist eine Antragstellung des BF in Griechenland am 15.07.2020 sowie eine als „unzulässige Antragstellung“ getroffene Beurteilung vom 23.09.2020 zu entnehmen sowie dass der BF weder über einen Aufenthaltstitel noch ein Reisedokument verfügte.Der Mitteilung der griechischen Dublin-Behörden im Rahmen einer Auskunft nach Artikel 34, der Dublin III-VO vom 07.12.2021 ist eine Antragstellung des BF in Griechenland am 15.07.2020 sowie eine als „unzulässige Antragstellung“ getroffene Beurteilung vom 23.09.2020 zu entnehmen sowie dass der BF weder über einen Aufenthaltstitel noch ein Reisedokument verfügte.

Am 24.05.2022 erfolgte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Eingangs legte er Auszüge aus dem syrischen Familienbuch vor, der Personalausweis befinde sich bereits bei der Behörde. Ein Militärdienstbuch oder weitere Beweismittel besitze er infolge der Bombardierung seines Hauses nicht, dabei sei alles verbrannt. Der Übersetzung dieser Auszüge ist zu entnehmen, dass der BF und seine Familie aus XXXX stammt, der Geburtsort des 2016 geborenen vierten Kindes ist jedoch unleserlich. Eingangs gab der BF auf Befragen an, gesund zu sein. Er habe am 30.06.2006 in Edlib geheiratet und bis 2019 in seinem Heimatort XXXX gemeinsam mit seiner Ehefrau gelebt, aktuell lebe seine Frau bei ihren Eltern im Dorf XXXX in der Provinz Aleppo. Er habe außerdem fünf Brüder in Syrien, einer sei noch im reservedienstfähigem Alter, den regulären Dienst habe dieser bereits abgeleistet. Der BF habe Kontakt mit seinen Famlienangehörigen, welche ihren Lebensunterhalt von der Unterstützung durch verschiedene Organisationen bestreiten würden. Er habe in Syrien 9 Jahre die Schule besucht und sei in einer Textilfabrik tätig gewesen. Auf Befragen zu seinen Fluchtgründen verneinte er Probleme mit den syrischen Behörden oder eine staatliche Verfolgung, eine politische Tätigkeit oder Schwierigkeiten wegen seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit oder mit Privatpersonen. Er habe auch an keinen bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen. Er habe in einem Gebiet gelebt, in welchem die Regierung nicht die Kontrolle gehabt habe, und sei dann geflohen, weil die Regierung immer nähergekommen sei. Er komme aus Idlib. Sie würden umgebracht werden, weil sie ein bekanntes Anti-Regime-Gebiet seien. Seit 10 Jahren seien sie vom unmenschlichen kriminellen Regime bombardiert worden, es sei kein Leben mehr dort. Daher sei er geflüchtet, dies seien all seine Fluchtgründe. Seinen Wehrdienst habe er von 2000 bis 2002 in Damaskus-Land als Rekrut abgeleistet, er sei Funker gewesen und habe eine Grundausbildung an der Waffe (Schießen) erhalten. Den Reservedient habe er nicht abgeleistet und sei dazu auch nicht einberufen worden. Durch die oppositionellen Gruppen seien seine Brüder und er zur Teilnahme am Kampf gegen das Regime aufgefordert, jedoch nicht dazu gezwungen worden. Vom Regime sei er persönlich nicht bedroht worden, alle Bewohner von Idlib seien bedroht worden. Auf die Frage nach seiner Rückkehrbefürchtung brachte er vor, er werde nicht zurückkehren. Er würde am Flughafen vom Regime getötet werden, nur weil er aus Idlib sei. Zu den ihm zur Kenntnis gebrachten Länderberichten (LIB Version 6 vom 24.05.2022) gab er keine Stellungnahme ab. Österreich sei sein Ziel gewesen, weil es hier leichter sei, die Familie nachzuholen. Er lebe von der staatlichen Grundversorgung, lerne Deutsch und spiele Fußball. Ehrenamtliche oder gemeinnützige Tätigkeien verrichte er nicht. Er wolle zuerst Deutsch lernen und dann arbeiten. In Syrien besitze sein Vater ein Grundstück, 7 ha und arbeite noch in der Landwirtschaft. Der BF hoffe einen Aufenthaltstitel zu bekommen, damit er seine Familie nachholen und die Kinder hier die Schule besuchen könnten. Syrien sei die Hölle. Nach der Übersetzung des vorgelegten Personalausweises stammt der BF aus XXXX .Am 24.05.2022 erfolgte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Eingangs legte er Auszüge aus dem syrischen Familienbuch vor, der Personalausweis befinde sich bereits bei der Behörde. Ein Militärdienstbuch oder weitere Beweismittel besitze er infolge der Bombardierung seines Hauses nicht, dabei sei alles verbrannt. Der Übersetzung dieser Auszüge ist zu entnehmen, dass der BF und seine Familie aus römisch 40 stammt, der Geburtsort des 2016 geborenen vierten Kindes ist jedoch unleserlich. Eingangs gab der BF auf Befragen an, gesund zu sein. Er habe am 30.06.2006 in Edlib geheiratet und bis 2019 in seinem Heimatort römisch 40 gemeinsam mit seiner Ehefrau gelebt, aktuell lebe seine Frau bei ihren Eltern im Dorf römisch 40 in der Provinz Aleppo. Er habe außerdem fünf Brüder in Syrien, einer sei noch im reservedienstfähigem Alter, den regulären Dienst habe dieser bereits abgeleistet. Der BF habe Kontakt mit seinen Famlienangehörigen, welche ihren Lebensunterhalt von der Unterstützung durch verschiedene Organisationen bestreiten würden. Er habe in Syrien 9 Jahre die Schule besucht und sei in einer Textilfabrik tätig gewesen. Auf Befragen zu seinen Fluchtgründen verneinte er Probleme mit den syrischen Behörden oder eine staatliche Verfolgung, eine politische Tätigkeit oder Schwierigkeiten wegen seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit oder mit Privatpersonen. Er habe auch an keinen bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen. Er habe in einem Gebiet gelebt, in welchem die Regierung nicht die Kontrolle gehabt habe, und sei dann geflohen, weil die Regierung immer nähergekommen sei. Er komme aus Idlib. Sie würden umgebracht werden, weil sie ein bekanntes Anti-Regime-Gebiet seien. Seit 10 Jahren seien sie vom unmenschlichen kriminellen Regime bombardiert worden, es sei kein Leben mehr dort. Daher sei er geflüchtet, dies seien all seine Fluchtgründe. Seinen Wehrdienst habe er von 2000 bis 2002 in Damaskus-Land als Rekrut abgeleistet, er sei Funker gewesen und habe eine Grundausbildung an der Waffe (Schießen) erhalten. Den Reservedient habe er nicht abgeleistet und sei dazu auch nicht einberufen worden. Durch die oppositionellen Gruppen seien seine Brüder und er zur Teilnahme am Kampf gegen das Regime aufgefordert, jedoch nicht dazu gezwungen worden. Vom Regime sei er persönlich nicht bedroht worden, alle Bewohner von Idlib seien bedroht worden. Auf die Frage nach seiner Rückkehrbefürchtung brachte er vor, er werde nicht zurückkehren. Er würde am Flughafen vom Regime getötet werden, nur weil er aus Idlib sei. Zu den ihm zur Kenntnis gebrachten Länderberichten (LIB Version 6 vom 24.05.2022) gab er keine Stellungnahme ab. Österreich sei sein Ziel gewesen, weil es hier leichter sei, die Familie nachzuholen. Er lebe von der staatlichen Grundversorgung, lerne Deutsch und spiele Fußball. Ehrenamtliche oder gemeinnützige Tätigkeien verrichte er nicht. Er wolle zuerst Deutsch lernen und dann arbeiten. In Syrien besitze sein Vater ein Grundstück, 7 ha und arbeite noch in der Landwirtschaft. Der BF hoffe einen Aufenthaltstitel zu bekommen, damit er seine Familie nachholen und die Kinder hier die Schule besuchen könnten. Syrien sei die Hölle. Nach der Übersetzung des vorgelegten Personalausweises stammt der BF aus römisch 40 .

Eine kriminaltechnische Überprüfung ergab keine Verfälschungen an dem vorgelegten syrischen Personalausweis.

2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 09.09.2022 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.). Demgegenüber wurde ihm gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) sowie unter einem eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 leg. cit. für die Dauer eines Jahres erteilt (Spruchpunkt III.).2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 09.09.2022 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.). Demgegenüber wurde ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, leg. cit. der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) sowie unter einem eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 8, Absatz 4, leg. cit. für die Dauer eines Jahres erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Das BFA ging davon aus, dass die Identität des BF feststehe und er aus dem Ort XXXX in der Provinz Idlib stamme. Der gesunde BF habe den regulären Militärdienst von 2000 bis 2002 in Damaskus-Land abgeleistet. Eine Verfolgung durch die syrische Regierung habe er nicht darlegen können und sei auch keiner Verfolgung durch regierungsfeindliche Gruppierungen ausgesetzt gewesen. Er habe auch keine Probleme aus Gründen der GFK dargelegt. Eine Verfolgung im Fall der Rückkehr durch die syrische Regierung könne nicht festgestellt werden, eine Generalmobilmachung liege nicht vor und sei auch nicht von einer persönlichen Verfolgung durch oppositionelle Gruppierungen auszugehen. Auf Grund der derzeitigen Lage in Syrien sei jedoch von einer nicht ausrechenden Lebenssicherheit auszugehen. Beweiswürdigend führte die Behörde aus, dass der BF nach Beginn der Unruhen im Jahr 2011 noch bis 2019 in Syrien geblieben und demnach niemals der reellen Gefahr einer Rekrutierung von irgendeinem der Kontrahenden ausgesetzt gewesen sei. Probleme aus Gründen der GFK habe er ausdrücklich verneint. Im Fall der Rückkehr sei in Anbetracht seines numehrigen Alters von beinahe 42 Jahren und ohne besondere militärische Ausbildung davon auszugehen, dass der BF für den Reservedienst nicht mehr herangezogen würde, zumal er niemals einberufen worden sei und eine Generalmobilmachung in Syrien aktuell nicht stattfinde. Seine Familienangehörigen seien nach wie vor in Syrien, jedoch stehe die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien seiner Rückkehr nach Syrien entgegen.Das BFA ging davon aus, dass die Identität des BF feststehe und er aus dem Ort römisch 40 in der Provinz Idlib stamme. Der gesunde BF habe den regulären Militärdienst von 2000 bis 2002 in Damaskus-Land abgeleistet. Eine Verfolgung durch die syrische Regierung habe er nicht darlegen können und sei auch keiner Verfolgung durch regierungsfeindliche Gruppierungen ausgesetzt gewesen. Er habe auch keine Probleme aus Gründen der GFK dargelegt. Eine Verfolgung im Fall der Rückkehr durch die syrische Regierung könne nicht festgestellt werden, eine Generalmobilmachung liege nicht vor und sei auch nicht von einer persönlichen Verfolgung durch oppositionelle Gruppierungen auszugehen. Auf Grund der derzeitigen Lage in Syrien sei jedoch von einer nicht ausrechenden Lebenssicherheit auszugehen. Beweiswürdigend führte die Behörde aus, dass der BF nach Beginn der Unruhen im Jahr 2011 noch bis 2019 in Syrien geblieben und demnach niemals der reellen Gefahr einer Rekrutierung von irgendeinem der Kontrahenden ausgesetzt gewesen sei. Probleme aus Gründen der GFK habe er ausdrücklich verneint. Im Fall der Rückkehr sei in Anbetracht seines numehrigen Alters von beinahe 42 Jahren und ohne besondere militärische Ausbildung davon auszugehen, dass der BF für den Reservedienst nicht mehr herangezogen würde, zumal er niemals einberufen worden sei und eine Generalmobilmachung in Syrien aktuell nicht stattfinde. Seine Familienangehörigen seien nach wie vor in Syrien, jedoch stehe die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien seiner Rückkehr nach Syrien entgegen.

3. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der BF Beschwerde über seine Rechtsvertretung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Dabei wurde das Vorbringen des BF im Wesentlichen wiederholt und vorgebracht, dass sich die Herkunftsprovinz des BF nicht unter der Kontrolle der Regierung befinde. Da er nicht als Reservist im Krieg habe kämpfen und sterben wollen, fürchte er nach einer Rückkehr nach Syrien als Fahnenflüchtiger inhaftiert, gefoltert und sogar getötet zu werden. Diese Region werde seit 10 Jahren von der syrischen Regierung bombardiert. 2019 sei der BF infolge des Heranrückens der Regierungstruppen gelfüchtet. Der BF habe seinen Militärdienst von 2000 bis 2002 abgeleistet, seinen Reservedienst jedoch nicht. Der BF würde nach einer Rückkehr wegen Verweigerung des Reservedienstes verolgt werden, da männliche Syrer bis zum Alter von 42 Jahren einberufen würden, was jedoch mit einer erheblichen Gefahr für sein Leben verbuden wäre. Es sei davon auszugehen, dass er zur Beteiligung an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlickeit oder anderen Handlungen, die der Satzung er Vereinten Nationen zuwiderliefen, gegen seinen Willen gezwungen wäre. Nach den (nicht näher bezeichneten) UNHCR-Erwägungen zu Syrien erfülle der BF das Risikoprofil der „Wehrdientsentzieher und Deserteure der Streifkräfte“. Außerdem ergebe sich aus einer Anfragebeantwortung vom 04.11.2021, dass infolge des Personalmangels in der syrischen Armee weiterhin laufend rekrutiert werde und ein hoher Personalbedarf bestehe, was die Wahrscheinlichkeit, an Kriegsverbrechen teilnehmen zu müssen, in sich berge. Wehrdienstentzieher hätten mit Inhaftierungen und direkter Entsehndung an die Front zu rechnen. Militärdienstverweigerung werde von den syrischen Behörden als Ausdruck von politischem Dissens gewertet und würden Personen, die das Land verlassen hätten, als illoyal bzw. Unterstützer der Opposition angesehen. Darüber hinaus stamme der BF aus Idlib und werde solchen Personen von der syrischen Regierung eine oppositonelle Gesinnung unterstellt, sodass ihm schon auf Grund seiner Herkunft Verfolgung wegen einer ihm zumindest unterstellten politischen Gesinnung drohe. Schon wegen der illegalen Ausreise und Asylantragstellung drohe dem BF nach einem (undatierten) UNCHR-Bericht asylrelevante Verfolgung. Die Beweiswürdigung sei mangelhaft. Eine mündliche Verhandlung werde beantragt.3. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der BF Beschwerde über seine Rechtsvertretung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Dabei wurde das Vorbringen des BF im Wesentlichen wiederholt und vorgebracht, dass sich die Herkunftsprovinz des BF nicht unter der Kontrolle der Regierung befinde. Da er nicht als Reservist im Krieg habe kämpfen und sterben wollen, fürchte er nach einer Rückkehr nach Syrien als Fahnenflüchtiger inhaftiert, gefoltert und sogar getötet zu werden. Diese Region werde seit 10 Jahren von der syrischen Regierung bombardiert. 2019 sei der BF infolge des Heranrückens der Regierungstruppen gelfüchtet. Der BF habe seinen Militärdienst von 2000 bis 2002 abgeleistet, seinen Reservedienst jedoch nicht. Der BF würde nach einer Rückkehr wegen Verweigerung des Reservedienstes verolgt werden, da männliche Syrer bis zum Alter von 42 Jahren einberufen würden, was jedoch mit einer erheblichen Gefahr für sein Leben verbuden wäre. Es sei davon auszugehen, dass er zur Beteiligung an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlickeit oder anderen Handlungen, die der Satzung er Vereinten Nationen zuwiderliefen, gegen seinen Willen gezwungen wäre. Nach den (nicht näher bezeichneten) UNHCR-Erwägungen zu Syrien erfülle der BF das Risikoprofil der „Wehrdientsentzieher und Deserteure der Streifkräfte“. Außerdem ergebe sich aus einer Anfragebeantwortung vom 04.11.2021, dass infolge des Personalmangels in der syrischen Armee weiterhin laufend rekrutiert werde und ein hoher Personalbedarf bestehe, was die Wahrscheinlichkeit, an Kriegsverbrechen teilnehmen zu müssen, in sich berge. Wehrdienstentzieher hätten mit Inhaftierungen und direkter Entsehndung an die Front zu rechnen. Militärdienstverweigerung werde von den syrischen Behörden als Ausdruck von politischem Dissens gewertet und würden Personen, die das Land verlassen hätten, als illoyal bzw. Unterstützer der Opposition angesehen. Darüber hinaus stamme der BF aus Idlib und werde solchen Personen von der syrischen Regierung eine oppositonelle Gesinnung unterstellt, sodass ihm schon auf Grund seiner Herkunft Verfolgung wegen einer ihm zumindest unterstellten politischen Gesinnung drohe. Schon wegen der illegalen Ausreise und Asylantragstellung drohe dem BF nach einem (undatierten) UNCHR-Bericht asylrelevante Verfolgung. Die Beweiswürdigung sei mangelhaft. Eine mündliche Verhandlung werde beantragt.

4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 07.12.2023 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch im Beisein der Rechtsberatung eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der BF wurde hierbei ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt. Ebenso wurde ihm umfassend die Gelegenheit eingeräumt, sämtliche Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates, die Erhebung der gegenständlichen Beschwerde, als auch seine aktuellen Rückkehrbefürchtungen umfassend und detailliert darzulegen und diese glaubhaft zu machen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und dem Fluchtvorbringen des BF:

Der gegenwärtig 43-jährige Beschwerdeführer (BF) ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

Der BF hat in Syrien bis 2016 in der Ortschaft XXXX im Gouvernement Idlib gelebt. Der konkrete Herkunftsort des BF befand sich ab Juni 2014 unter der Kontrolle der syrischen Opposition, befindet sich aktuell, bzw. seit spätestens April 2000 jedoch durchgehend wieder unter der Kontrolle des syrischen Regimes. Der BF hat in Syrien bis 2016 in der Ortschaft römisch 40 im Gouvernement Idlib gelebt. Der konkrete Herkunftsort des BF befand sich ab Juni 2014 unter der Kontrolle der syrischen Opposition, befindet sich aktuell, bzw. seit spätestens April 2000 jedoch durchgehend wieder unter der Kontrolle des syrischen Regimes.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er hat in Syrien nach 9-jähriger Schulausbildung als Schneider in einer Textilfabrik gearbeitet und ist in der familieneigenen Landwirtschaft tätig gewesen.

Der BF hat von 2000 bis 2002 seinen Militärdienst bei der syrischen Armee als Funker vollständig abgeleistet und hierbei eine Schießausbildung erhalten.

Der BF hat ausreichend glaubhaft nicht darlegen können, dass dieser im Jahr 2011 / 2012 an Demonstrationen gegen das syrische Regieme teilgenommen hat und deswegen unmittelbar konkret durch das syrische Regime asylrelevant bedroht wurde oder wird. Der BF hat nicht glaubhaft machen können, dass dieser deshalb vor seiner Ausreise aus Syrien einer ihn unmittelbar konkret persönlich betreffenden asylrelevanten Gefährdung in Syrien ausgesetzt war, bzw. eine solche asylrelevante Bedrohung zukünftig mit verfahrensrelevanter Wahrscheinlichkeit zu erwarten hätte.

Der BF hat nicht ausreichend konkret dargelegt, bzw. hat dieser nicht glaubhaft machen können, dass dieser eine ihn konkret betreffende Einberufung zum Reservedienst bei der syrischen Armee bis zu seiner letzmaligen Ausreise aus Syrien im Jahr 2019 erhalten hat. Der BF hat nicht dargleget bzw. nicht glaubhaft machen können, dass er sich konkret der Einberufung zum Reservedienst bei der syrischen Armee entzogen hat und deshalb einer ihn unmittelbar konkreten aylrlelevanten Bedrohung oder Bestrafung im Herkunftsgebiet ausgesetzt war oder zukünftig ausgesetzt sein würde.

Den Länderinformationen kann entnommen werden, dass eine Möglichkeit im Gebiet des syrischen Regimes besteht bis zum 42 Lebensjahr zum Reservedienst bei der syrischen Armee einberufen zu werden. Der BF hat als als nunmehr 43-Jähriger Mann die Altersgrenze für die Einberufung zum Reservedienst bei der syrischen Armee im Altersbereich von bis zu 42 Jahren aktuell bereits überschritten. Der BF weist kein besonderes Wissen, Fähigkeiten oder Kenntnisse auf, die ihn für eine konkrete Einberufung zum Reservedienst nach Überschreitung der Altersgrenze von 42 Jahren besonders qualifizieren würden. Konkrete Hinweise auf eine ihn unmittelbar konkret betreffende Einberufung zum Reservedienst bei der syrischen Armee hatte der BF weder bei seiner Ausreise aus Syrien, noch hat dieser gegenwärtig konkrete Hinweise auf eine ihn unmittelbar konkret betreffende Einberufung zum Reservedienst. Es besteht zurzeit keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für den BF von syrischen Armee gegen seinen Willen zum Reservedienst eingezogen zu werden.

Dem BF droht alleine wegen des auch unberechtigten Verlassens seines Herkunftsortes keine asylrelevante Verfolgung mit verfahrensmaßgeblicher Wahrscheinlichkeit.

Der BF hat Syrien aufgrund der im Jahr 2019 in seinem Herkunftsort stattfindeneden allgemeinen Kampfhandlungen (Bombardierungen) und dem Heranrücken der syrischen Regierung an seinen Heimatort im September 2019 über die Türkei illegal verlassen.

In Syrien halten sich aktuell die Eltern und Geschwister sowie die Ehefrau samt vier minderjährigen Kindern des BF in einem Zeltlager in Idlib auf. Davor hielt sich die Ehefrau des BF in Aleppo auf.

Der BF kann sein Herkunftsgebiet und seinen Herkunftsort sicher und legal erreichen.

Der BF konnte auch im gegenständlichen Verfahren ausreichend konkret und nachvollziehbar keine ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit unmittelbar konkret persönlich betreffende asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung, etwa aufgrund einer unterstellten oppositionellen Gesinnung oder auch sonstiger asylrelevanter Gründe, aufzeigen und glaubhaft machen.

Im Übrigen werden die Ausführungen im Verfahrensgang den Feststellungen zugrunde gelegt.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Politische Lage

Letzte Änderung 2023-07-10 12:22

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).

Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 % des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Interne Akteure haben das Kernmerkmal eines Staates - sein Gewaltmonopol - infrage gestellt und ausgehöhlt. Externe Akteure, die Gebiete besetzen, wie die Türkei in den kurdischen Gebieten, oder sich in innere Angelegenheiten einmischen, wie Russland und Iran, sorgen für Unzufriedenheit bei den Bürgern vor Ort (BS 23.2.2022). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus. In anderen Gebieten ist die zivile Politik im Allgemeinen den lokal dominierenden bewaffneten Gruppen untergeordnet, darunter die militante islamistische Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) und mit dem türkischen Militär verbündete Kräfte (FH 9.3.2023). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg, der nun in sein zwölftes Jahr geht, hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).

Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht (AA 29.3.2023). Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht (HRW 12.1.2023; vgl. AA 29.3.2023). Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (AA 29.3.2023). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden (HRW 12.1.2023).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht (AA 29.3.2023). Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht (HRW 12.1.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (AA 29.3.2023). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden (HRW 12.1.2023).

Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon - (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen, wenngleich sich die Bewahrung der EU-Einheit in dieser Sache zunehmend herausfordernd gestaltet (AA 29.3.2023).Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon - (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen, wenngleich sich die Bewahrung der EU-Einheit in dieser Sache zunehmend herausfordernd gestaltet (AA 29.3.2023).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/document/2089904.html, Zugriff 23.6.2023

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 23.6.2023

?        Alaraby - New Arab, the (31.5.2023): Why Syria's Kurds and Hayat Tahrir al-Sham are offering to host refugees, https://www.newarab.com/analysis/why-syrias-kurds-and-hts-are-offering-host-refugees, Zugriff 28.6.2023, ua.

Sicherheitslage

Letzte Änderung 2023-07-11 09:42 Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).

Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse. Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach eine politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).

Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 70 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 29.3.2023).

Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten

Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des UN-Generalsekretärs für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023).

Die CoI stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den Vereinten Nationen benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Mitte des Jahres 2016 hatte die syrische Regierung nur ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der 'wichtigsten' Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt, kontrolliert (Reuters 13.4.2016). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 29.3.2023).

Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind während des Jahres im Land in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Irans unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah. Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).

Auch wenn die militärische Rückeroberung des gesamten Staatsgebietes erklärtes Ziel des Regimes bleibt, zeichnet sich eine Rückeroberung weiterer Landesteile durch das Regime derzeit nicht ab. Im Nordwesten des Landes werden Teile der Gouvernements Lattakia, Idlib und Aleppo durch die von den Vereinten Nationen als Terrororganisation eingestufte Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) sowie Türkei-nahe bewaffnete Gruppierungen kontrolliert. Die Gebiete im Norden und Nordosten entlang der Grenze zur Türkei stehen in Teilen unter Kontrolle der Türkei und der ihr nahestehenden bewaffneten Gruppierungen und in Teilen unter Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) und in einigen Fällen auch des syrischen Regimes (AA 29.11.2021).

Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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