Index
10/10 Grundrechte;Norm
ABGB §146;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde des Dr. N in Wien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom 9. Dezember 1991, Zl. 6/1-1131/91-01, betreffend Einkommensteuer 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt. In der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid, mit welchem das Finanzamt seinem Antrag auf Berücksichtigung des Schulgeldes 1988 für die Privatschule "Internationale Schule Wien" (in folgenden VIS) betreffend seine Tochter J (geb. 25. Oktober 1976) und seinen Sohn M (geb. 6. November 1978) in Höhe von 155.800 S nicht entsprochen hatte, brachte er vor, er sei seit 1. Mai 1971 Universitätsassistent am Institut für Völkerrecht und internationale Beziehungen der juridischen Fakultät der Universität Wien gewesen. Seine wissenschaftliche Arbeit habe insbesondere das Abstimmungsverhalten Österreichs bei der UNO betroffen. Er habe auch im Auftrag des österreichischen Außenministeriums gearbeitet. Dieses und das Universitätsinstitut hätten gewollt, daß er für einige Jahre die UNO an Ort und Stelle studiere und somit (in die USA) übersiedle. Im Hinblick darauf habe er im Jahr 1981 die Tochter und im Jahr 1982 den Sohn in der VIS untergebracht. Es habe nämlich Sorge dafür getragen werden müssen, daß beim geplanten Wechsel in das Ausland der Übertritt in eine amerikanische Schule ohne Verlust von Schuljahren erfolgen könne. In der Folge habe aber der Vater des Beschwerdeführers aufgrund einer Erkrankung seine Rechtsanwaltskanzlei zum 1. März 1983 verkaufen müssen; als Käufer sei nur der Beschwerdeführer in Frage gekommen, der deshalb seine Karrierepläne ändern habe müssen. Er sei im April 1985 aus dem Universitätsdienst ausgeschieden.
Nachdem das Finanzamt die Berufung mangels Zwangsläufigkeit der strittigen Aufwendungen mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen hatte, beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. In der Begründung führte er aus, für das Streitjahr 1988 ergebe sich die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen schon daraus, daß der Wechsel in eine öffentliche Schule in Österreich insbesondere aufgrund des unterschiedlichen Lehrplanes mit dem Verlust von Schuljahren verbunden wäre. Darüber hinaus sei aber auch der Einstieg in die VIS bereits zwangsläufig gewesen. Ab 1981 sei ein Forschungsaufenthalt in New York zur Fertigstellung seiner Habilitation über das Abstimmungsverhalten in der UNO erforderlich gewesen. Der Beschwerdeführer habe seinen Kindern eine internationale Erziehung mit Englisch als Unterrichtsfach verschaffen müssen, weil er ansonsten wegen der Unmöglichkeit des Schulwechsels ins Ausland daran gehindert gewesen wäre, für die Dauer der wissenschaftlichen Arbeit im Ausland tätig zu sein; dieser Auslandsaufenthalt wäre aber im Hinblick auf die spätere "Dozentur bzw. Professur" erforderlich gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Dem Beschwerdeführer sei der Aufwand für den Privatschulbesuch seiner Kinder nicht zwangsläufig erwachsen. Die Sittenordnung gebiete es nicht, Kindern den Besuch einer Privatschule zu finanzieren, wenn unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse der Besuch einer öffentlichen Schule mit vergleichbarem Lehrziel, wenn auch anderen Unterrichtsmethoden, möglich wäre. Für das am 26. Oktober 1976 geborene Kind wäre an einer österreichischen Schule das Schuljahr 1983/84 (bzw. bei Altersdispens das Jahr 1982/83) das erste Volksschuljahr gewesen. Für das am 6. November 1978 geborene Kind wäre dies das Schuljahr 1985/86 (bei Altersdispens 1984/85) gewesen. Der Einstieg in die VIS in den Jahren 1981 und 1982 betreffe somit die Kindergartenjahre. Mit Übernahme der Kanzlei des Vaters im Jahre 1983 hätten sich die Zukunftspläne des Beschwerdeführers geändert, die Übersiedlungspläne wären daher offensichtlich nicht mehr vorhanden gewesen. Selbst wenn man eine durch die beruflichen Absichten bedingte Zwangsläufigkeit zur Ausbildung der Kinder im Sinne des englischen Schulsystems annehmen würde, wäre diese Zwangsläufigkeit im gegenständlichen Fall ab 1983, mit Sicherheit aber ab 1985 mit dem Ausscheiden des Beschwerdeführers aus dem Universitätsdienst, nicht mehr gegeben. In diesem Zusammenhang sei bedeutsam, daß das erste Volksschuljahr der Kinder 1983 bzw. 1985 begonnen hätte. Da noch keine Schulpflicht bestanden habe, gehe der Einwand des Beschwerdeführers betreffend den Verlust von Schuljahren im Falle eines Schulwechsels ins Leere. Zudem sei im Volksschulalter der Schulwechsel in Österreich - so eine Auskunft des Stadtschulrates - auch ohne Ablegung von Prüfungen und ohne Schuljahresverlust möglich.
Mit Beschluß vom 15. Juni 1992, B 139/92, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 34 EStG 1972 mindern außergewöhnliche Belastungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, auf Antrag die Einkommensteuerbemessungsgrundlage.
Unbestritten ist, daß die dem Beschwerdeführer im Streitjahr erwachsenen Aufwendungen außergewöhnlich im Sinn der genannten Bestimmung waren. Strittig ist hingegen, ob sie auch zwangsläufig waren.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, daß bei normalem Geschehensablauf für die Kinder des Beschwerdeführers das erste Schuljahr an einer österreichischen Schule im Herbst 1983 bzw. im Herbst 1985 begonnen hätte. Die Übersiedlungspläne des Beschwerdeführers seien ab dem Kauf der Rechtsanwaltskanzlei seines Vaters im März 1983 nicht mehr gegeben gewesen. Aus diesem Grunde wäre weder der Einstieg der Kinder in die Privatschule VIS im Jahr 1983 bzw. 1985 noch die Fortsetzung dieser Schulausbildung im Streitjahr 1988 zwangsläufig gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13. Mai 1992, 92/13/0087, zur VIS ausgeführt, daß diese insbesondere den Bedürfnissen der in Österreich beschäftigten UNO-Bediensteten, Diplomaten und internationalen Geschäftsleuten diene. Diesen Personen sei gemeinsam, daß sie sich in Österreich nur vorübergehend, aber doch so lange aufhielten, daß sie in vielen Fällen von ihren Familien begleitet würden. Für diese Personen sei bezüglich ihrer Kinder neben der englischen Unterrichtssprache die Möglichkeit von besonderer Bedeutung, eine Schule besuchen zu können, die es auch in anderen Ländern in gleicher Form gebe bzw mit deren Abschluß eine auch in anderen Ländern geltende Hochschulreife erworben werden könne. Bei solchen Kindern - so der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis weiter - möge es allenfalls sittlich oder gar rechtlich geboten sein, ihnen den Besuch der schulgeldpflichtigen VIS zu ermöglichen.
Wie im Fall des zitierten Erkenntnisses vertritt der Gerichtshof auch im Beschwerdefall die Auffassung, daß bei in Österreich wohnhaften Personen, die nicht eine vergleichbare Anknüpfung an das Ausland aufweisen, eine Notwendigkeit zum Besuch der VIS oder einer vergleichbaren Schule nicht gegeben ist. Wenn auch der Wunsch der Eltern, den Kindern die bestmögliche Ausbildung angedeihen zu lassen, verständlich erscheint, so ist nicht alles, wozu sich Eltern ihren Kindern gegenüber verpflichtet fühlen, als sittliche oder gar rechtliche Verpflichtung iSd § 34 Abs. 4 EStG 1972 anzusehen (vgl. hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1990, 87/13/0081). Von besonders gelagerten Ausnahmefällen abgesehen genügt das Angebot schulgeldfreier Schulen in Wien dem, was von Eltern bezüglich der Ausbildung ihrer Kinder rechtlich und sittlich zu fordern ist.
Der im Sachverhaltsbereich getroffenen Feststellung der belangten Behörde, daß ab 1983 eine aktuelle Übersiedlungsabsicht des Beschwerdeführers nicht mehr gegeben war, tritt der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich entgegen. Mit dem Beschwerdevorbringen, daß er künftighin seine Habilitationsbestrebungen fortsetzen werde, tut er weder ausdrücklich noch schlüssig kund, daß die Absicht zur Absolvierung eines längerfristigen Auslandsaufenthaltes bestanden habe, zumal im Zeitalter der elektronischen Erfassung und Übermittlung von Daten die Kenntnis von Informationen (als Voraussetzung für ihre wissenschaftlich Verwertung) nicht zwingend von der geographischen Nähe zu ihrer Entstehung abhängt. Zudem bringt der Beschwerdeführer auch nicht vor, daß die Einstellung seiner Wiener Rechtsanwaltskanzlei geplant gewesen wäre.
Ausgehend von dieser Feststellung der belangten Behörde, daß ab dem Jahr 1983 (ab dem Kauf der Rechtsanwaltskanzlei zum 1. März) eine aktuelle Übersiedlungsabsicht - weil durch die Absicht zum Betreiben einer Rechtsanwaltskanzlei in Wien abgelöst - nicht mehr bestanden hat, kann ihre Rechtsansicht, daß es nicht der sittlichen (oder gar rechtlichen) Pflicht des Beschwerdeführers entsprach, seinen Kindern statt der Volksschulausbildung an einer schulgeldfreien Schule in Wien eine Ausbildung in einer Privatschule angedeihen zu lassen, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Für die Frage der Zwangsläufigkeit des Eintrittes in die VIS hat die belangte Behörde zu Recht nicht auf die Verhältnisse vor (Herbst) 1983 bzw. 1985 abgestellt, weil für den Beschwerdeführer keine sittliche (oder gar rechtliche) Pflicht bestand, die Kinder vor dem in Österreich geltenden gesetzlichen Pflichtschulalter einer Schulausbildung zuzuführen.
Wenn sich der Beschwerdeführer darauf stützt, die Zwangsläufigkeit der im Jahr 1988 erwachsenen Aufwendungen ergebe sich aus der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit des Abbruches des bereits eingeschlagenen Ausbildungsweges, weil der Schulwechsel zumindest faktisch mit dem Verlust von Schuljahren für die Kinder verbunden wäre, so ist ihm zu entgegnen, daß eine Zwangsläufigkeit nicht vorliegt, wenn sich die Aufwendungen als Folge einer Verhaltens darstellen, zu dem sich der Abgabepflichtige freiwillig entschlossen hat (vgl. nochmals hg. Erkenntnis 92/13/0087). Schon deshalb kann das diesbezügliche weitwendige Beschwerdevorbringen samt den Ausführungen zu § 140 ABGB nicht zum Erfolg führen, weshalb sich das weitere Eingehen auf dieses erübrigt.
Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Ablehnungsbeschluß vom 15. Juni 1992, B 139/92, ausgesprochen hat, verlangen die Berufsausbildungsfreiheit und das Elternrecht nach Art. 2 des (1.) ZP-EMRK die steuerliche Berücksichtigung der Kosten einer bestimmten, durch die Entscheidung über die private Lebensführung der Eltern nahegelegten Ausbildung nicht. Auf das Vorbringen, der rechtliche Anspruch der Kinder auf die hier strittige Ausbildung ergebe sich daraus, daß "ein Elternteil ein Studium im Ausland absolvieren durfte", war schon deshalb nicht einzugehen, weil es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung handelt.
Da somit der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt wird, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992130191.X00Im RIS seit
07.06.2001