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44 Zivildienst;Norm
ZDG 1986 §14 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Jänner 1995, Zl. 182060/3-IV/10/94, betreffend Aufschub des Antrittes des ordentlichen Zivildienstes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des im Jahre 1975 geborenen Beschwerdeführers vom 14. September 1994 auf Aufschub des Antrittes des ordentlichen Zivildienstes bis zur Beendigung der Schulausbildung an der Malerschule Baden-Leesdorf (einer Fachschule) im Juni 1997 gemäß § 14 Z. 1 des Zivildienstgesetzes 1986, BGBl. Nr. 679 (ZDG), abgewiesen.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat dazu eine Gegenäußerung eingebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 14 Z. 1 ZDG ist Zivildienstpflichtigen, die Schüler der beiden obersten Jahrgänge einer öffentlichen höheren Schule oder einer höheren Schule mit Öffentlichkeitsrecht sind, sowie Zivildienstpflichtigen, die sonst in einer Berufsvorbereitung stehen und durch eine Unterbrechung dieser Vorbereitungszeit bedeutenden Nachteil erleiden würden oder die andere rücksichtswürdige Umstände nachweisen, - sofern Erfordernisse des Zivildienstes nicht entgegenstehen - auf deren Antrag der Antritt des ordentlichen Zivildienstes bis längstens 1. Oktober des Jahres, in dem sie das 25. Lebensjahr vollenden, aufzuschieben.
Die belangte Behörde stützte ihre - ohne ein Ermittlungsverfahren ergangene - Entscheidung auf die dem Antrag vom 14. September 1994 angeschlossene Bestätigung der Leitung der in Rede stehenden Fachschule, wonach der Beschwerdeführer vom Schuljahr 1990/91 an zunächst drei Klassen der Fachschule, sodann ein Praxisjahr (1993/94) absolviert habe; im laufenden Schuljahr 1994/95 besuche er die zweite Klasse der Meisterschule, welche mit der Meisterprüfung abschließe. In den Schuljahren 1995/96 und 1996/1997 werde der Beschwerdeführer voraussichtlich den HTL-Aufbaulehrgang besuchen und sich für die Reifeprüfung am Ende des Schuljahres 1996/97 vorbereiten. Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, daß nach Abschluß der dreijährigen Fachschule und der einjährigen Tätigkeit im erlernten Beruf eine weitere Ausbildung für eine höhere Qualifikation im Beruf einen Aufschub nicht rechtfertige. Die bloße Absicht zum Besuch eines HTL-Aufbaulehrganges ab Herbst 1995 könne als ungewisses, weil zukünftiges Ereignis keine Berücksichtigung finden.
Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, die Annahme, er habe bereits ein Jahr Berufstätigkeit hinter sich, sei unzutreffend. Das Praxisjahr sei Bestandteil der Berufsausbildung und als solcher Voraussetzung für die Zulassung zur Lehrabschlußprüfung (der dann noch ein weiteres Schuljahr voranzugehen habe).
Der Verwaltungsgerichtshof vermag auf Grund des Inhaltes der Verwaltungsakten nicht zu beurteilen, ob diese Behauptung richtig ist oder nicht. Die belangte Behörde hat dazu keinerlei Ermittlungen angestellt; sie hat dem Beschwerdeführer ihre Auffassung betreffend die Beurteilung des in Rede stehenden Praxisjahres nicht vorgehalten und ihm keine Gelegenheit zur Stellungnahme im Verwaltungsverfahren gegeben. Diese Verfahrensmängel sind insofern wesentlich, als bei Zutreffen der Beschwerdebehauptungen die Verweigerung des beantragten Aufschubes bis zur Erreichung des Lehrabschlusses jedenfalls rechtswidrig wäre.
Vergleichbares gilt für die weiteren Absichten des Beschwerdeführers in Ansehung der Ablegung einer Reifeprüfung. Weder hat die belangte Behörde diesbezüglich geprüft, unter welchen Tatbestand des § 14 Z. 1 ZDG diese Ausbildung zu subsumieren sei (ob nämlich eine höhere Schule im Sinne des ersten Tatbestandes vorliegt oder nicht) noch hat sie die für die Erfüllung der jeweiligen Tatbestände erforderlichen Ermittlungen angestellt. Ihre Aussage, es handle sich bloß um zukünftige Ereignisse, die als solche keine Berücksichtigung finden könnten, geht ins Leere, handelt es sich bei den Aufschiebungstatbeständen doch insofern immer um zukünftige Ereignisse, deren Eintritt durch den Aufschub ermöglicht werden soll (wie den Abschluß einer bestimmten Ausbildung). Dazu kommt, daß das von ihr zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (23. Februar 1993, Zl. 93/11/0001) einen wesentlich anders gelagerten Sachverhalt betraf, weil es dort um die beabsichtigte Ausbildung in einem völlig anderen Beruf als den ging, den der damalige Beschwerdeführer bereits ausgeübt hatte. Die Behörde hätte sich unter diesem Gesichtspunkt - unter der Voraussetzung, daß das Anstreben der Ablegung einer Reifeprüfung nicht im Rahmen einer höheren Schule erfolgen sollte - mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob ihm aus einer Unterbrechung der Ausbildung durch die Zivildienstleistung ein bedeutender Nachteil erwachsen würde oder ob sonstige rücksichtswürdige Umstände im Sinne des zweiten Tatbestandes des § 14 Z. 1 ZDG für den Aufschub sprächen.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich im gegebenen Zusammenhang zur Feststellung veranlaßt, daß er es nicht als seine Aufgabe erblickt, anstelle der Behörde (erster Instanz) erstmals die zur Erledigung eines Antrags erforderlichen Erwägungen anzustellen.
Da der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften verletzt wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 im Rahmen des gestellten Begehrens.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995110052.X00Im RIS seit
20.11.2000