Entscheidungsdatum
29.07.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W182 2280107-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Jemen, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.09.2023, Zl. 1297477908-220505029, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBI. I. Nr 33/2013 (VwGVG) idgF, zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Jemen, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.09.2023, Zl. 1297477908-220505029, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Paragraph 28, Absatz 2, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBI. römisch eins. Nr 33/2013 (VwGVG) idgF, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.A) Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (AsylG 2005) idgF, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG) idgF, nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, Bundes-Verfassungsgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 1 aus 1930, (B-VG) idgF, nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: BF), ein jemenitischer Staatsangehöriger, gehört der arabischen Volksgruppe an, ist Sunnit und reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein, wo er am 16.03.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
In einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.03.2023 gab der BF zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass es Krieg im Jemen gebe.
Er sei Sunnit und habe Angst vor der schiitischen Gruppe der Houthi. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst vor dieser Gruppe.
In einer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 11.08.2023 brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er ausgereist sei, da er gegen die Houthi geschrieben habe. Er sei als aktiver, freier und unabhängiger Journalist bei der Onlinezeitung XXXX , beim Portal XXXX und beim Fernsehkanal XXXX tätig gewesen und habe auf Facebook gegen die Houthi gepostet. Er habe sie kritisiert, weil sie den jemenitischen Staat geputscht haben. Ein Freund habe ihm eine Verständigung geschickt, dass er von den Houthi gesucht werde. Deshalb sei er nach XXXX geflüchtet und von dort nach XXXX geflohen. Seine Freunde seien getötet worden. Einer, der mit ihm geflüchtet sei, habe kein Geld für die Ausreise gehabt und sei deshalb zurückgegangen und ebenso getötet worden. Der BF habe gegen die Houthi geschrieben und habe in einem Fernsehinterview über sie erzählt, dass sie den Staat geputscht haben. Er habe XXXX verlassen, da er Probleme mit XXXX bekommen habe. Auf der Homepage XXXX sei ein Drohbrief, dass er von den Houthi gesucht werde, veröffentlicht worden. Er werde im Jemen von allen Ämtern der Houthi gesucht. Ihm drohe seitens der Houthi die Todesstrafe.In einer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 11.08.2023 brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er ausgereist sei, da er gegen die Houthi geschrieben habe. Er sei als aktiver, freier und unabhängiger Journalist bei der Onlinezeitung römisch 40 , beim Portal römisch 40 und beim Fernsehkanal römisch 40 tätig gewesen und habe auf Facebook gegen die Houthi gepostet. Er habe sie kritisiert, weil sie den jemenitischen Staat geputscht haben. Ein Freund habe ihm eine Verständigung geschickt, dass er von den Houthi gesucht werde. Deshalb sei er nach römisch 40 geflüchtet und von dort nach römisch 40 geflohen. Seine Freunde seien getötet worden. Einer, der mit ihm geflüchtet sei, habe kein Geld für die Ausreise gehabt und sei deshalb zurückgegangen und ebenso getötet worden. Der BF habe gegen die Houthi geschrieben und habe in einem Fernsehinterview über sie erzählt, dass sie den Staat geputscht haben. Er habe römisch 40 verlassen, da er Probleme mit römisch 40 bekommen habe. Auf der Homepage römisch 40 sei ein Drohbrief, dass er von den Houthi gesucht werde, veröffentlicht worden. Er werde im Jemen von allen Ämtern der Houthi gesucht. Ihm drohe seitens der Houthi die Todesstrafe.
Der BF legte u.a. einen jemenitischen Reisepass im Original sowie in Kopie eine Drohschrift eines XXXX , einen Dienstausweis als Journalist, ein für den BF abgegebenes Unterstützungsschreiben des Generalsekretärs des XXXX , ein behördeninternes Schreiben eines Offiziers aus der Generaldirektion des (von den Houthi geführten) Innenministeriums an die Provinzpolizei mit der Anweisung zur Festnahme von zwei Personen, darunter des BF, und Fotos, die ihm bei einem Fernsehinterview zeigen, vor.Der BF legte u.a. einen jemenitischen Reisepass im Original sowie in Kopie eine Drohschrift eines römisch 40 , einen Dienstausweis als Journalist, ein für den BF abgegebenes Unterstützungsschreiben des Generalsekretärs des römisch 40 , ein behördeninternes Schreiben eines Offiziers aus der Generaldirektion des (von den Houthi geführten) Innenministeriums an die Provinzpolizei mit der Anweisung zur Festnahme von zwei Personen, darunter des BF, und Fotos, die ihm bei einem Fernsehinterview zeigen, vor.
2. Mit dem bekämpften Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte diesem aber den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm für ein Jahr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 leg. cit (Spruchpunkt III.). 2. Mit dem bekämpften Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte diesem aber den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm für ein Jahr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 8, Absatz 4, leg. cit (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend wurde zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF eine individuelle Verfolgungsgefahr in seinem Herkunftsstaat nicht glaubhaft darzulegen vermocht habe. Der BF sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in seinem Herkunftsstaat Jemen keiner Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Sinne der GFK ausgesetzt gewesen, noch wäre er einer Gefahr im Falle einer Rückkehr ausgesetzt. Zu den Problemen wegen seiner beruflichen Tätigkeit als Journalist habe der BF kein glaubhaftes Vorbringen darstellen können, da der BF keine einzige spezifische und charakteristische Tätigkeit eines Journalisten anführen habe können, sondern allgemeine Angaben gemacht habe. Das Schreiben der Houthi stelle keinen tauglichen Beweis dar, da es sich bloß um eine Kopie handle und derartige Schreiben jeglichen Manipulationsmöglichkeiten unterliegen. Der BF sei im Fernsehinterview als Mitarbeiter der Firma XXXX aufgetreten und habe keine Tätigkeit als Journalist ausgeübt. Die Verfolgung sowie der Drohbrief durch den XXXX sei nicht glaubhaft. Weiters sei eine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur Religionsgruppe der sunnitischen Muslime nicht aufzuzeigen gewesen, da er nicht zu einer religiösen Minderheit im Jemen gehöre. Eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner illegalen Ausreise und der Asylantragstellung in Österreich sei nicht gegeben.Begründend wurde zu Spruchpunkt römisch eins. im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF eine individuelle Verfolgungsgefahr in seinem Herkunftsstaat nicht glaubhaft darzulegen vermocht habe. Der BF sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in seinem Herkunftsstaat Jemen keiner Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Sinne der GFK ausgesetzt gewesen, noch wäre er einer Gefahr im Falle einer Rückkehr ausgesetzt. Zu den Problemen wegen seiner beruflichen Tätigkeit als Journalist habe der BF kein glaubhaftes Vorbringen darstellen können, da der BF keine einzige spezifische und charakteristische Tätigkeit eines Journalisten anführen habe können, sondern allgemeine Angaben gemacht habe. Das Schreiben der Houthi stelle keinen tauglichen Beweis dar, da es sich bloß um eine Kopie handle und derartige Schreiben jeglichen Manipulationsmöglichkeiten unterliegen. Der BF sei im Fernsehinterview als Mitarbeiter der Firma römisch 40 aufgetreten und habe keine Tätigkeit als Journalist ausgeübt. Die Verfolgung sowie der Drohbrief durch den römisch 40 sei nicht glaubhaft. Weiters sei eine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur Religionsgruppe der sunnitischen Muslime nicht aufzuzeigen gewesen, da er nicht zu einer religiösen Minderheit im Jemen gehöre. Eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner illegalen Ausreise und der Asylantragstellung in Österreich sei nicht gegeben.
3. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhob der BF über seine Rechtsvertretung innerhalb offener Frist wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen das Vorbringen des BF wiederholt und dazu ausgeführt, dass er wegen der angespannten Situation begonnen habe, sich politisch gegen die Houthi-Miliz zu engagieren, wobei er in verschiedenen Medien kritische Artikel verfasst und auch Interviews gegeben habe. Die Houthi seien auf seine kritischen Artikel aufmerksam geworden. Im Jahr 2015 habe er von einem Schreiben erfahren, dass er von den Houthi gesucht und festgenommen werden soll. Er habe sich 2015 zur Ausreise entschlossen und sei ihm die Flucht nach XXXX gelungen. In XXXX sei er für die XXXX , eine NGO, welche XXXX unterstütze, politisch tätig gewesen. Der XXXX , gegen den der BF sich ebenfalls stark gemacht habe, habe versucht, Spenden, die zur Unterstützung der NGO dienen sollte, an sich zu nehmen. Daraufhin habe der XXXX den BF unter Drohungen aufgefordert, die negative Berichterstattung einzustellen. Ende 2018 sei der BF in die Türkei geflüchtet, wo er sich zwei Jahre aufgehalten habe. Der BF sei aufgrund seiner oppositionellen Gesinnung und seiner Tätigkeit als Journalist, der sich in Interviews, Zeitungsartikeln und Facebook-Posts gegen die Houthi ausgesprochen habe, besonders gefährdet, verfolgt zu werden bzw. massive Menschenrechtsverletzungen zu erfahren. Er werde als politischer Gegner angesehen, wobei ihm bei einer Rückkehr nach Jemen deshalb Verfolgung, Inhaftierung, Folter und andere Formen unmenschlicher Behandlungen drohen.3. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides erhob der BF über seine Rechtsvertretung innerhalb offener Frist wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen das Vorbringen des BF wiederholt und dazu ausgeführt, dass er wegen der angespannten Situation begonnen habe, sich politisch gegen die Houthi-Miliz zu engagieren, wobei er in verschiedenen Medien kritische Artikel verfasst und auch Interviews gegeben habe. Die Houthi seien auf seine kritischen Artikel aufmerksam geworden. Im Jahr 2015 habe er von einem Schreiben erfahren, dass er von den Houthi gesucht und festgenommen werden soll. Er habe sich 2015 zur Ausreise entschlossen und sei ihm die Flucht nach römisch 40 gelungen. In römisch 40 sei er für die römisch 40 , eine NGO, welche römisch 40 unterstütze, politisch tätig gewesen. Der römisch 40 , gegen den der BF sich ebenfalls stark gemacht habe, habe versucht, Spenden, die zur Unterstützung der NGO dienen sollte, an sich zu nehmen. Daraufhin habe der römisch 40 den BF unter Drohungen aufgefordert, die negative Berichterstattung einzustellen. Ende 2018 sei der BF in die Türkei geflüchtet, wo er sich zwei Jahre aufgehalten habe. Der BF sei aufgrund seiner oppositionellen Gesinnung und seiner Tätigkeit als Journalist, der sich in Interviews, Zeitungsartikeln und Facebook-Posts gegen die Houthi ausgesprochen habe, besonders gefährdet, verfolgt zu werden bzw. massive Menschenrechtsverletzungen zu erfahren. Er werde als politischer Gegner angesehen, wobei ihm bei einer Rückkehr nach Jemen deshalb Verfolgung, Inhaftierung, Folter und andere Formen unmenschlicher Behandlungen drohen.
4. Anlässlich der vom Bundesverwaltungsgericht anberaumten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 03.07.2024 wurde Beweis erhoben durch Einvernahme des BF unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch und Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Behörde sowie des Bundesverwaltungsgerichts.
Der BF brachte im Wesentlichen wie bisher zu seinen Fluchtgründen vor. Er legte u.a. im Original ein Schreiben XXXX , einen Internetauszug über ein Fernsehprogramm, wo er angeführt wird, einen Ausdruck über Postings des BF auf Facebook, einen Ausdruck einer Reaktion eines Facebook-Users, der den BF bedroht, einen Ausdruck einer Facebookseite mit Posting-Austausch zwischen dem BF und einem jemenitischen Journalisten namens XXXX , einen Ausdruck einer Facebookseite mit Postings des BF über XXXX , einen Ausdruck einer Website mit einem Artikel des BF, die Kopie eines Zeitungsartikels der Zeitung „September“ mit einem Beitrag des BF sowie einen Screenshot der Facebookseite des BF vor. Der BF brachte im Wesentlichen wie bisher zu seinen Fluchtgründen vor. Er legte u.a. im Original ein Schreiben römisch 40 , einen Internetauszug über ein Fernsehprogramm, wo er angeführt wird, einen Ausdruck über Postings des BF auf Facebook, einen Ausdruck einer Reaktion eines Facebook-Users, der den BF bedroht, einen Ausdruck einer Facebookseite mit Posting-Austausch zwischen dem BF und einem jemenitischen Journalisten namens römisch 40 , einen Ausdruck einer Facebookseite mit Postings des BF über römisch 40 , einen Ausdruck einer Website mit einem Artikel des BF, die Kopie eines Zeitungsartikels der Zeitung „September“ mit einem Beitrag des BF sowie einen Screenshot der Facebookseite des BF vor.
Dem BF wurden im Anschluss aktuelle Länderinformationen zu seinem Herkunftsland dargetan und ihm dazu für eine schriftliche Stellungnahme eine Frist von 21 Tagen eingeräumt.
Mit Schreiben vom 08.07.2024 wurden Fotografien zum Beweis des Vorbringens des BF in der Beschwerdeverhandlung, dass seine Frau in der Zwischenzeit Übergriffen seitens einer den Houthi zugehörigen Frauengruppe ausgesetzt gewesen sei, nachgereicht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und den Fluchtgründen des BF
1.1. Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Jemen, gehört der arabischen Volksgruppe an und ist Sunnit. Seine Identität steht fest. Er ist gesund und arbeitsfähig.
Er hat zwölf Jahre die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen. Er ist verheiratet.
Der BF war im Jemen im Wesentlichen in seinem Heimatdorf XXXX im Gebiet XXXX im Gouvernement Taiz sowie in der Stadt Sanaa wohnhaft. Der BF war im Jemen im Wesentlichen in seinem Heimatdorf römisch 40 im Gebiet römisch 40 im Gouvernement Taiz sowie in der Stadt Sanaa wohnhaft.
Sowohl das Heimatdorf, wo er geboren wurde, als auch Sanaa stehen unter der Kontrolle der Houthi.
Im Jemen halten sich u.a. seine Eltern, seine Frau, Kinder und Geschwister auf. Ein Bruder lebt in Holland.
Der BF konnte glaubhaft dartun, dass er sich u.a. als Journalist in Interviews, Zeitungsartikel und Facebook-Posts öffentlich gegen die Houthi ausgesprochen hat. Der BF hat den Jemen 2015 aus Angst vor den Houthi, die ihn deswegen zur Festnahme ausgeschrieben haben, verlassen.
Er hat seit August 2015 in XXXX gelebt, von wo er Ende 2018 in die Türkei und von dort aus weiter illegal bis nach Österreich gereist ist, wo er am 16.03.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.Er hat seit August 2015 in römisch 40 gelebt, von wo er Ende 2018 in die Türkei und von dort aus weiter illegal bis nach Österreich gereist ist, wo er am 16.03.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Im Fall der Rückkehr in seine Heimatregion besteht für den BF die reale Gefahr, von der Houthi-Bewegung wegen seiner oppositionellen Gesinnung inhaftiert und schwer misshandelt sowie gefoltert zu werden.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zur entscheidungsrelevanten Situation in der Republik Jemen
Politische Lage
Die heutige Republik Jemen entstand im Mai 1990 durch den Zusammenschluss der Arabischen Republik Jemen (Nordjemen) mit der Demokratischen Volksrepublik Jemen (Südjemen) (EB 28.7.2023; vgl WHH 24.3.2023). Gemäß dem Einigungsvertrag fungiert Sana’a, die frühere Hauptstadt des Nordjemen als die politische Hauptstadt des Landes, während Aden, die frühere Hauptstadt des Südjemen, als wirtschaftliches Zentrum dient. Die beiden Teile des Jemen haben eine unterschiedliche Geschichte: Während der Nordjemen nie unter kolonialer Verwaltung durch eine europäische Macht stand, war der Südjemen von 1839 bis 1967 Teil des Britischen Weltreichs. Die heutigen Grenzen sind weitgehend das Ergebnis der außenpolitischen Ziele und Maßnahmen Großbritanniens, des Osmanischen Reichs und Saudi-Arabiens. Seit der Wiedervereinigung leidet der Jemen unter chronischer Korruption und wirtschaftlicher Not. Spaltungen aufgrund von Religion, Stammeszugehörigkeit und Geografie spielen in der jemenitischen Politik weiterhin eine wichtige Rolle und führen bisweilen zu Gewalt (EB 28.7.2023). Im Mai 1994 mündete der Versuch des Südens, die staatliche Unabhängigkeit wieder herzustellen, in einen kurzen, aber heftigen Bürgerkrieg, der die Hegemonie des Nordens im vereinten Jemen bestätigte und zementierte (BPB 3.1.2020; vgl. WHH 24.3.2023). Im Jahr 2014 übernahmen die Huthi – Schiitischen, die sich in der Vergangenheit immer wieder gegen die sunnitische Regierung erhoben hatten – die Kontrolle über Sana’a und forderten eine neue Regierung (CRF 31.7.2023; vgl. WHH 24.3.2023).Die heutige Republik Jemen entstand im Mai 1990 durch den Zusammenschluss der Arabischen Republik Jemen (Nordjemen) mit der Demokratischen Volksrepublik Jemen (Südjemen) (EB 28.7.2023; vergleiche WHH 24.3.2023). Gemäß dem Einigungsvertrag fungiert Sana’a, die frühere Hauptstadt des Nordjemen als die politische Hauptstadt des Landes, während Aden, die frühere Hauptstadt des Südjemen, als wirtschaftliches Zentrum dient. Die beiden Teile des Jemen haben eine unterschiedliche Geschichte: Während der Nordjemen nie unter kolonialer Verwaltung durch eine europäische Macht stand, war der Südjemen von 1839 bis 1967 Teil des Britischen Weltreichs. Die heutigen Grenzen sind weitgehend das Ergebnis der außenpolitischen Ziele und Maßnahmen Großbritanniens, des Osmanischen Reichs und Saudi-Arabiens. Seit der Wiedervereinigung leidet der Jemen unter chronischer Korruption und wirtschaftlicher Not. Spaltungen aufgrund von Religion, Stammeszugehörigkeit und Geografie spielen in der jemenitischen Politik weiterhin eine wichtige Rolle und führen bisweilen zu Gewalt (EB 28.7.2023). Im Mai 1994 mündete der Versuch des Südens, die staatliche Unabhängigkeit wieder herzustellen, in einen kurzen, aber heftigen Bürgerkrieg, der die Hegemonie des Nordens im vereinten Jemen bestätigte und zementierte (BPB 3.1.2020; vergleiche WHH 24.3.2023). Im Jahr 2014 übernahmen die Huthi – Schiitischen, die sich in der Vergangenheit immer wieder gegen die sunnitische Regierung erhoben hatten – die Kontrolle über Sana’a und forderten eine neue Regierung (CRF 31.7.2023; vergleiche WHH 24.3.2023).
In der Verfassung wurden die Rechte und Institutionen festgeschrieben, die im Regelfall mit jenen einer liberalen parlamentarischen Demokratie verbunden sind (EB 28.7.2023). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der den Vizepräsidenten und den Premierminister ernennt (Art. 106). Der in direkter Volkswahl gewählte Präsident (Art. 108) wird für höchstens zwei Amtszeiten von je sieben Jahren gewählt (Art. 112) und von einem Kabinett unterstützt (Art. 119). Die Legislative besteht aus zwei Kammern (EB 28.7.2023): dem Repräsentantenhaus, dessen Mitglieder alle sechs Jahre in allgemeinen Wahlen gewählt werden (Art. 65), und dem al-Sh?r?-Rat (Beirat), dessen Mitglieder vom Präsidenten ernannt werden (Art. 126). Das Repräsentantenhaus ist die gesetzgebende Behörde des Staates. Er erlässt Gesetze, billigt die allgemeine Staatspolitik, genehmigt den Staatshaushalt und die Wirtschaftspläne und kontrolliert die Exekutive gemäß der Verfassung (Art. 62). Die Verfassung (ausgenommen Kapitel 1 und 2) kann mit einer Dreiviertelmehrheit des Repräsentantenhauses geändert werden (Art. 158) (JEME 1991).In der Verfassung wurden die Rechte und Institutionen festgeschrieben, die im Regelfall mit jenen einer liberalen parlamentarischen Demokratie verbunden sind (EB 28.7.2023). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der den Vizepräsidenten und den Premierminister ernennt (Artikel 106,). Der in direkter Volkswahl gewählte Präsident (Artikel 108,) wird für höchstens zwei Amtszeiten von je sieben Jahren gewählt (Artikel 112,) und von einem Kabinett unterstützt (Artikel 119,). Die Legislative besteht aus zwei Kammern (EB 28.7.2023): dem Repräsentantenhaus, dessen Mitglieder alle sechs Jahre in allgemeinen Wahlen gewählt werden (Artikel 65,), und dem al-Sh?r?-Rat (Beirat), dessen Mitglieder vom Präsidenten ernannt werden (Artikel 126,). Das Repräsentantenhaus ist die gesetzgebende Behörde des Staates. Er erlässt Gesetze, billigt die allgemeine Staatspolitik, genehmigt den Staatshaushalt und die Wirtschaftspläne und kontrolliert die Exekutive gemäß der Verfassung (Artikel 62,). Die Verfassung (ausgenommen Kapitel 1 und 2) kann mit einer Dreiviertelmehrheit des Repräsentantenhauses geändert werden (Artikel 158,) (JEME 1991).
Das Land ist in Gouvernements (mu??fa??t) gegliedert (LGY 7.8.2023; vgl. CP 25.9.2022), deren Gouverneure vom Präsidialrat (Presidential Leadership Council, PLC) ernannt werden (HRITC 7.4.2022; vgl CEIP 9.6.2022). Die Gouvernements haben ihren eigenen Rat (ISPI 13.7.2022; vgl. EB 28.7.2023). Sowohl im Norden als auch im Süden ging der Trend dahin, den Gouvernements ein hohes Maß an Autonomie einzuräumen. Allerdings fehlen im Jemen die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Durchführung effizienter Kommunalwahlen (EB 28.7.2023).Das Land ist in Gouvernements (mu??fa??t) gegliedert (LGY 7.8.2023; vergleiche CP 25.9.2022), deren Gouverneure vom Präsidialrat (Presidential Leadership Council, PLC) ernannt werden (HRITC 7.4.2022; vergleiche CEIP 9.6.2022). Die Gouvernements haben ihren eigenen Rat (ISPI 13.7.2022; vergleiche EB 28.7.2023). Sowohl im Norden als auch im Süden ging der Trend dahin, den Gouvernements ein hohes Maß an Autonomie einzuräumen. Allerdings fehlen im Jemen die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Durchführung effizienter Kommunalwahlen (EB 28.7.2023).
Auf nationaler Ebene gibt es eine Reihe aktiver politischer Parteien, deren Zusammensetzung und Mitgliedschaft jedoch gesetzlich geregelt ist. Parteien, die sich auf Faktoren wie regionale, stammesbezogene, konfessionelle oder ethnische Zugehörigkeit stützen, sind ausdrücklich verboten. Jede Partei muss eine Lizenz von einem staatlichen Ausschuss beantragen, um legal zu existieren (EB 28.7.2023). Nach 1990 wurden 22 Parteien zugelassen. Darunter zählen der Allgemeine Volkskongress (AVK), die Jemenitische Sozialistische Partei (JSP), die al-Islah (?die Jemenitische Versammlung für Reformen’, eine sunnitisch-islamistische Partei, lokaler Ableger der Muslimbruderschaft mit salafistischen Einflüssen), die Nasseritische Unionistische Partei (NUP) und weitere sozialistische Organisationen (SCSS 7.2.2022; vgl. EB 28.7.2023; BAMF 7.3.2023). Die in den 1990er Jahren aktive Al-?aqq-Partei (?Die wahre Partei’) vertrat die Interessen einer in den 1980er Jahren entstandenen Wiederbelebungsbewegung der Zaiditen (schiitischer Zweig des Islam); sie führte zum Aufstieg der Huthi-Bewegung, deren Rebellion in den 2010er Jahren zu einem Bürgerkrieg eskalierte (EB 28.7.2023; vgl. BAMF 7.3.2022).Auf nationaler Ebene gibt es eine Reihe aktiver politischer Parteien, deren Zusammensetzung und Mitgliedschaft jedoch gesetzlich geregelt ist. Parteien, die sich auf Faktoren wie regionale, stammesbezogene, konfessionelle oder ethnische Zugehörigkeit stützen, sind ausdrücklich verboten. Jede Partei muss eine Lizenz von einem staatlichen Ausschuss beantragen, um legal zu existieren (EB 28.7.2023). Nach 1990 wurden 22 Parteien zugelassen. Darunter zählen der Allgemeine Volkskongress (AVK), die Jemenitische Sozialistische Partei (JSP), die al-Islah (?die Jemenitische Versammlung für Reformen’, eine sunnitisch-islamistische Partei, lokaler Ableger der Muslimbruderschaft mit salafistischen Einflüssen), die Nasseritische Unionistische Partei (NUP) und weitere sozialistische Organisationen (SCSS 7.2.2022; vergleiche EB 28.7.2023; BAMF 7.3.2023). Die in den 1990er Jahren aktive Al-?aqq-Partei (?Die wahre Partei’) vertrat die Interessen einer in den 1980er Jahren entstandenen Wiederbelebungsbewegung der Zaiditen (schiitischer Zweig des Islam); sie führte zum Aufstieg der Huthi-Bewegung, deren Rebellion in den 2010er Jahren zu einem Bürgerkrieg eskalierte (EB 28.7.2023; vergleiche BAMF 7.3.2022).
Das Gesetz gibt den Bürgern die Möglichkeit, ihre Regierung friedlich durch freie und faire regelmäßige Wahlen auf der Grundlage des allgemeinen und gleichen Wahlrechts zu wählen (USDOS 20.3.2023). Die letzten Parlamentswahlen fanden im Jahr 2003 statt (WC 6.1.2022; IPS 16.3.2023). Mehr als zwanzig Parteien nahmen daran teil. Die AVK gewann die überwältigende Mehrheit der Sitze (WC 6.1.2022). Aktuell leben dutzende Vertreter politischer Parteien im Exil in Ägypten, Saudi-Arabien, der Türkei, Jordanien und Malaysia (IPS 16.3.2023).
Es gibt keine Gesetze, die die Beteiligung von Frauen oder Angehörigen von Minderheitengruppen am politischen Prozess einschränken, und sie haben an vergangenen Wahlen teilgenommen. Personen der LGBTQI+-Gemeinschaft haben nicht offen am politischen Prozess teilgenommen. Im Laufe des Jahres 2022 bekleidete keine Frau einen Ministerposten in der Regierung. Sie sind weiterhin in der Zivilgesellschaft aktiv (USDOS 20.3.2023).
Im Jahr 2015 setzten die Huthi die Verfassung außer Kraft, lösten das Parlament auf und kündigten die Bildung eines ernannten obersten Revolutionskomitees als höchstes Regierungsorgan an. Mit den Huthi verbündete Mitglieder des Allgemeinen Volkskongresses kündigten die Bildung eines obersten politischen Rates und die Wiedereinberufung des Parlaments in Sana’a an, gefolgt von der Ankündigung einer „Regierung der nationalen Rettung“. Die Huthi-Regierung und ihre Institutionen werden international nicht anerkannt – Parlamentswahlen haben nicht stattgefunden. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Jahr 2003 statt (USDOS 20.3.2023).
Die international anerkannte Regierung Jemens hat das Parlament 2019 in Sayoun zum ersten Mal seit 2015 wieder einberufen, aber seitdem ist das Parlament nicht wieder zusammengetreten (USDOS 20.3.2023).
Am 7.4.2022 übergab Präsident Abd Rabbo Mansour Hadi die Macht an einen neuen achtköpfigen Präsidialrat (PLC) unter der Leitung des ehemaligen Innenministers Rashad Muhammad al-Alimi (USDOS 20.3.2023; vgl. BMZ 28.3.2023a). Der PLC ist die derzeitige international anerkannte Regierung des Jemen (PGN 11.3.2023), fungiert als Exekutivorgan (USDOS 20.3.2023) und stellt sich gegen die De-facto-Behörden der Huthi (AI 27.3.2023). Dem Präsidialrat gehören Vertreter einer Reihe wichtiger militärischer und politischer Persönlichkeiten an (AI 27.3.2023) – eine Kombination von Vertretern international anerkannter Institutionen und Anführern bewaffneter Gruppen mit territorialer Kontrolle (CEIP 9.6.2022). Das sind der Gouverneur von Mar’ib, der Präsident des Südlichen Übergangsrats (Southern Transitional Council, STC), der Anführer der National Resistance Forces (NRF), der Stabschef des Präsidialamts, der Gouverneur von Hadramaut, der Kommandeur der Giantes Brigades (GB) und der Parlamentsabgeordnete Othman al-Mujali (SCSS 3.5.2022).Am 7.4.2022 übergab Präsident Abd Rabbo Mansour Hadi die Macht an einen neuen achtköpfigen Präsidialrat (PLC) unter der Leitung des ehemaligen Innenministers Rashad Muhammad al-Alimi (USDOS 20.3.2023; vergleiche BMZ 28.3.2023a). Der PLC ist die derzeitige international anerkannte Regierung des Jemen (PGN 11.3.2023), fungiert als Exekutivorgan (USDOS 20.3.2023) und stellt sich gegen die De-facto-Behörden der Huthi (AI 27.3.2023). Dem Präsidialrat gehören Vertreter einer Reihe wichtiger militärischer und politischer Persönlichkeiten an (AI 27.3.2023) – eine Kombination von Vertretern international anerkannter Institutionen und Anführern bewaffneter Gruppen mit territorialer Kontrolle (CEIP 9.6.2022). Das sind der Gouverneur von Mar’ib, der Präsident des Südlichen Übergangsrats (Southern Transitional Council, STC), der Anführer der National Resistance Forces (NRF), der Stabschef des Präsidialamts, der Gouverneur von Hadramaut, der Kommandeur der Giantes Brigades (GB) und der Parlamentsabgeordnete Othman al-Mujali (SCSS 3.5.2022).
Allerdings herrscht im Präsidialrat (PLC) Uneinigkeit (ICG 4.5.2023; vgl. SCSS 9.2022). Da die hier vertretenen Kräfte alle ihre eigene Agenda haben und zum Teil miteinander verfeindetet sind, gestaltet sich ihre Zusammenarbeit als schwierig (WHH 24.3.2023). Der STC, der einige südliche Landesteile – vor allem rund um die Hafenstadt Aden – kontrolliert, setzt sich für eine Unabhängigkeit des Südens ein (BMZ 28.3.2023a). Einige weitere im Präsidialrat vertretene Fraktionen fordern wirtschaftliche Autonomie, welche der STC ablehnt. Nicht zuletzt konkurrieren selbst Mitglieder des Präsidialrates wegen politischer und wirtschaftlicher Interessen um Ministerposten. Schließlich sind alle Fraktionen des PLC von der wichtigsten diplomatischen Initiative, von den vom Oman vermittelten Gesprächen zwischen den Huthi und Riad, ausgeschlossen (ICG 4.5.2023) [s. Kapitel 4.3.].Allerdings herrscht im Präsidialrat (PLC) Uneinigkeit (ICG 4.5.2023; vergleiche SCSS 9.2022). Da die hier vertretenen Kräfte alle ihre eigene Agenda haben und zum Teil miteinander verfeindetet sind, gestaltet sich ihre Zusammenarbeit als schwierig (WHH 24.3.2023). Der STC, der einige südliche Landesteile – vor allem rund um die Hafenstadt Aden – kontrolliert, setzt sich für eine Unabhängigkeit des Südens ein (BMZ 28.3.2023a). Einige weitere im Präsidialrat vertretene Fraktionen fordern wirtschaftliche Autonomie, welche der STC ablehnt. Nicht zuletzt konkurrieren selbst Mitglieder des Präsidialrates wegen politischer und wirtschaftlicher Interessen um Ministerposten. Schließlich sind alle Fraktionen des PLC von der wichtigsten diplomatischen Initiative, von den vom Oman vermittelten Gesprächen zwischen den Huthi und Riad, ausgeschlossen (ICG 4.5.2023) [s. Kapitel 4.3.].
Auch das Huthi-Lager ist fraktioniert. Die Huthi üben Macht durch Subgruppen aus, die alle auch wirtschaftliche Interessen haben (DS 11.4.2023).
Das Königreich Saudi-Arabien an der Spitze einer Koalition aus sunnitisch regierten arabischen Staaten griff im März 2015 in den Konflikt ein. Wichtigster Partner in dieser Allianz sind die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), welche andererseits auch den Südlichen Übergangsrat (STC) unterstützen und mittelfristig die Unabhängigkeit des Südjemens vom Nordjemen anstreben. Die saudisch-geführte Koalition wird auf internationaler Ebene insbesondere von den USA und auch Großbritannien militärisch unterstützt. Andererseits werden die Huthi schon seit vielen Jahren vom Iran unterstützt, u.a. finanziell, logistisch und auch in zunehmendem Maße durch die Lieferung von Waffen (WHH 24.3.2023).
Auf dem Index der fragilen Staaten 2023 (der NGO Fund for Peace) steht der Jemen auf dem zweiten Rang (FSI 2023). Seit der Einnahme der Hauptstadt Sana’a durch die Huthi im September 2014, in manchen Regionen jedoch schon seit 2011 und davor, tobt im?Jemen?ein gewaltsamer Konflikt um die politische Macht und den Zugang zu Ressourcen (WHH 24.3.2023). Die Hauptkriegsparteien, die Huthi und die international anerkannte Regierung, an deren Seite Saudi-Arabien steht, setzen Gespräche im Rahmen eines informellen Waffenstillstands fort (ICG 4.5.2023). Eine der dringlichsten Herausforderungen im Jemen ist die Notwendigkeit einer stabilen und effektiven staatlichen Struktur (CIPE 11.2.2023). Ein einheitlicher Nationalstaat existiert im Jemen nicht mehr – die Regierung hat die Kontrolle über weite Teile des Landes verloren. Reformen, insbesondere in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und politische Teilhabe, sind erforderlich (BMZ 28.3.2023b). Der Konflikt im Land hat dazu geführt, dass es in vielen Gebieten keine funktionierenden Regierungsinstitutionen gibt, was zu einem Machtvakuum und einer Verbreitung bewaffneter Gruppen geführt hat (CIPE 11.2.2023).
Anfang April 2022 wurde im Jemen ein von der UNO ausgehandelter Waffenstillstand zwischen der bewaffneten Huthi-Gruppe und der von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführten Koalition vereinbart, der ursprünglich auf zwei Monate begrenzt, jedoch verlängert wurde. Im Oktober 2022 konnten sich die Konfliktparteien auf keine weitere Verlängerung einigen (Wiener Zeitung, 28.04.2022, HRW 2023), doch blieb die Lage seither relativ ruhig. Infolge der Wiederaufnahme der ausgesetzten diplomatischen Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien auf Initiative Chinas im März 2023 kam es im April zu einem Gefangenenaustausch zwischen den Konfliktparteien sowie den offiziellen Besuch einer saudischen Delegation in Sanaa zu Gesprächen, die mit einem „vorläufigen Abkommen“ über einen Waffenstillstand endeten (ORF April 2023).
Quellen:
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- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.3.2022): Länderreport 49; Jemen: Die Houthis, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069073/Deutschland._Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Jemen_-_Die_Houthis%2C_01.02.2022._%28L%C3%A4nderreport___49%29.pdf, Zugriff 9.8.2023
- BMZ – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland] (28.3.2023a): Politische Situation, In konkurrierende Machtlager zerfallen, https://www.bmz.de/de/laender/jemen/politische-situation-86892, Zugriff 9.8.2023
- BMZ – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland] (28.3.2023b): Land in humanitärer Krise, https://www.bmz.de/de/laender/jemen, Zugriff 9.8.2023
- BPB – Bundeszentrale für politische Bidlung [Deutschland]: Kleine Geschichte des Jemen, https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/302920/kleine-geschichte-des-jemen/, Zugriff 9.8.2023
- CEIP – Carnegie Endowment for International Peace (9.6.2022): Yemen’s Post-Hybrid Balance: The New Presidential Council, https://carnegieendowment.org/sada/87301, Zugriff 9.8.2023
- CFR – Council on Foreign Relations (31.7.2023): War in Yemen, https://www.cfr.org/global-conflict-tracker/conflict/war-yemen, Zugriff 9.8.2023
- CIPE – The Center for International Private Enterprise (11.2.2023): Why the Private Sector’s Role in the Reconstruction of Yemen Is Crucial, https://www.cipe.org/blog/2023/02/11/why-the-private-sectors-role-in-the-reconstruction-of-yemen-is-crucial/, Zugriff 9.8.2023- CIPE – The Center for International Private Enterprise (11.2.2023): Why the Private Sector’s Role in the Reconstruction of Yemen römisch eins s Crucial, https://www.cipe.org/blog/2023/02/11/why-the-private-sectors-role-in-the-reconstruction-of-yemen-is-crucial/, Zugriff 9.8.2023
- CP – Citypopulation (25.9.2022): Yemen, https://www.citypopulation.de/en/yemen/, Zugriff 9.8.2023
- DS – Der Standard (11.4.2023): Saudischer Besuch im Jemen bedeutet Anerkennung für Huthi-Rebellen, https://www.derstandard.at/story/2000145365733/saudischer-besuch-im-jemen-bedeutet-anerkennung-fuer-huthi-rebellen, Zugriff 9.8.2023
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- FSI – Fragile States Index (2023): Country Dashboard, Yemen, https://fragilestatesindex.org/country-data/, Zugriff 9.8.2023
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- JEME – Die jemenitische Verfassung [Jemen] (1991): Yemen's Constitution of 1991 with Amendments through 2015, zitiert in: Comparative Constitutions Project am 28.11.2022, https://www.constituteproject.org/constitution/Yemen_2015.pdf?lang=en, Zugriff 9.8.2023
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- PGN – Political Geography Now (11.3.2023): Yemen Control Map & Report – March 2023 (Subscription), file:///tmp/pid-9239/Yemen%20Control%20Map%20&%20Report%20-%20March%202023%20(Subscription)%20-%20PolGeoNow%20Control%20Maps%20(13.3.2023%2013_40_04).html, kostenplichtiger Newsletter, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
- SCSS – The Sana’a Center for Strategic Studies (9.2022): Truce Expires as Internal Divisions Deepen, https://sanaacenter.org/files/TYR_September_2022_en.pdf, Zugriff 9.8.2023
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- WHH – Welt Hunger Hilfe (24.3.2023): Bürgerkrieg im Jemen: Hintergründe des Konflikts, https://www.welthungerhilfe.de/aktuelles/gastbeitrag/2019/hintergrundanalyse-jemen-konflikt, Zugriff 9.8.2023
Sicherheitslage
Nicht-staatliche Akteure wie die Huthi, Stammesmilizen und terroristische Gruppen (darunter al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel und ein lokaler Ableger vom Islamischen Staat (IS)), begehen ungestraft Übergriffe. Vor dem von den Vereinten Nationen vermittelten Waffenstillstand setzte Saudi-Arabien seine Militäroperationen zur Unterstützung der international anerkannten Regierung des Jemen gegen die Huthi fort (USDOS 20.3.2023). Der sechsmonatige vereinbarte Waffenstillstand lief zwar offiziell im Oktober 2022 aus, wurde aber für den Rest des Jahres inoffiziell fortgesetzt; auch schränkte er die Aktivitäten an der Front ein und führte zu einer vollständigen Einstellung der Luftangriffe (CIMP 3.2023; vgl. USDOS 20.3.2023).Nicht-staatliche Akteure wie die Huthi, Stammesmilizen und terroristische Gruppen (darunter al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel und ein lokaler Ableger vom Islamischen Staat (IS)), begehen ungestraft Übergriffe. Vor dem von den Vereinten Nationen vermittelten Waffenstillstand setzte Saudi-Arabien seine Militäroperationen zur Unterstützung der international anerkannten Regierung des Jemen gegen die Huthi fort (USDOS 20.3.2023). Der sechsmonatige vereinbarte Waffenstillstand lief zwar offiziell im Oktober 2022 aus, wurde aber für den Rest des Jahres inoffiziell fortgesetzt; auch schränkte er die Aktivitäten an der Front ein und führte zu einer vollständigen Einstellung der Luftangriffe (CIMP 3.2023; vergleiche USDOS 20.3.2023).
Wirksame Mechanismen zur Untersuchung und Verfolgung von Übergriffen seitens der Sicherheitskräfte fehlen (USDOS 20.3.2023).
Die militärischen Entwicklungen während des Jahres 2022 lassen sich im Großen und Ganzen in drei Phasen unterteilen: Im ersten Quartal kam es zu verstärkten grenzüberschreitenden Angriffen der Huthi-Truppen, die von der Koalition zur Wiederherstellung der Legitimität im Jemen militärisch beantwortet wurden. Die zweite Phase war eine fragile sechsmonatige Waffenruhe, die am 2.10.2022 endete. In der dritten Phase nach dem Waffenstillstand wurde der Frieden erneut gestört, und die Verhandlungen zur Verlängerung des Waffenstillstands gestalteten sich schwierig (UNSC 21.2.2023).
Am 2. April 2022 stimmten die Konfliktparteien einem UN-Vorschlag für einen zweimonatigen landesweiten Waffenstillstand zu, der anschließend alle zwei Monate bis zum 2.10.2022 verlängert wurde (AI 27.3.2023). Während des Waffenstillstands und nach dessen Ende verübten die Konfliktparteien jedoch sporadisch Angriffe auf zivile Gebiete und Frontlinien in den Gouvernements Ma?rib, al-Hudaida, Ta’izz und Ad-D?li? (AI 27.3.2023; vgl. UNSC 21.2.2023). Zu den positiven Ergebnissen des Waffenstillstands gehörten die Wiederaufnahme der Einfuhr von Öl und Ölderivaten über den Hafen von al-Hudaida, wodurch der Bedarf der Menschen, in den von den Huthi kontrollierten Gebieten gedeckt werden konnte, sowie die Wiederaufnahme einer begrenzten Anzahl kommerzieller Flüge von Sanaa aus. Die Regierung erlaubte die internationale Reise von Personen mit von den Huthi ausgestellten Reisepässen, wodurch Personen aus humanitären Gründen ins Ausland reisen konnten (UNSC 21.2.2023).Am 2. April 2022 stimmten die Konfliktparteien einem UN-Vorschlag für einen zweimonatigen landesweiten Waffenstillstand zu, der anschließend alle zwei Monate bis zum 2.10.2022 verlängert wurde (AI 27.3.2023). Während des Waffenstillstands und nach dessen Ende verübten die Konfliktparteien jedoch sporadisch Angriffe auf zivile Gebiete und Frontlinien in den Gouvernements Ma?rib, al-Hudaida, Ta’izz und Ad-D?li? (AI 27.3.2023; vergleiche UNSC 21.2.2023). Zu den positiven Ergebnissen des Waffenstillstands gehörten die Wiederaufnahme der Einfuhr von Öl und Ölderivaten über den Hafen von al-Hudaida, wodurch der Bedarf der Menschen, in den von den Huthi kontrollierten Gebieten gedeckt werden konnte, sowie die Wiederaufnahme einer begrenzten Anzahl kommerzieller Flüge von Sanaa aus. Die Regierung erlaubte die internationale Reise von Personen mit von den Huthi ausgestellten Reisepässen, wodurch Personen aus humanitären Gründen ins Ausland reisen konnten (UNSC 21.2.2023).