Entscheidungsdatum
31.07.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W275 2280108-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Äthiopien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2023, Zahl 1240421300/221256604, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 , StA. Äthiopien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2023, Zahl 1240421300/221256604, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste im September 2019 legal mittels Aufenthaltstitel für studentische Zwecke in das österreichische Bundesgebiet ein.
Am 15.04.2022 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Er wurde am 16.04.2022 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab dabei im Wesentlichen an, Äthiopien wegen der Ausbildung verlassen zu haben. Die politische Situation sei dort irrational; deshalb würde er nicht zurückkehren wollen.
Am 12.05.2023 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. In dieser gab er zu seinem Fluchtgrund zusammengefasst an, in Äthiopien nur mit der Ausbildung Probleme gehabt zu haben. Im Jahr 2020 habe ein Krieg begonnen und die Regierung habe gegen die Tigray gekämpft. Gleichzeitig habe ein Krieg in der Region Oromo begonnen und zwei Verwandte seien getötet sowie zwei Freunde verhaftet worden. Damals sei die Lage in Äthiopien sehr angespannt und gefährlich gewesen; niemand habe gewusst, wie es weitergeht. Sein Fluchtgrund sei aber hauptsächlich die Ausbildung gewesen.
Ergänzend legte der Beschwerdeführer Integrationsunterlagen und (äthiopische) Unterstützungsschreiben vor.
Mit oben genanntem Bescheid vom 14.06.2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Äthiopien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).Mit oben genanntem Bescheid vom 14.06.2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.) und gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) sowie gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß Paragraph 46, FPG nach Äthiopien zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Für die freiwillige Ausreise wurde gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt römisch VI.).
Am 28.08.2023 wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der Österreichischen Post AG um Übermittlung des Rückscheines gebeten, da dieser bisher nicht eingelangt sei.
Am 27.09.2023 erging ein Bericht der zuständigen Landespolizeidirektion, wonach der Beschwerdeführer in der gemeldeten Asylunterkunft angetroffen werden konnte und angab, keinen RSa-Brief oder Abholschein erhalten zu haben.
Am 28.09.2023 nahm der Beschwerdeführer im Beisein seines Vertreters beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Akteneinsicht; im Zuge dessen wurden ihm eine Ausfertigung des Bescheides sowie dessen Beiblätter ausgehändigt.
Mit Schriftsatz vom 04.10.2023 wurde unter anderem Beschwerde gegen den Bescheid vom 14.06.2023 erhoben.
Am 19.12.2023 erging seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eine Aufforderung an den Beschwerdeführer, den am 28.09.2023 persönlich übernommenen Bescheid in Kopie vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer am 03.01.2024 nach.
Mit Schreiben vom 21.05.2024 legte der Beschwerdeführer Integrationsunterlagen vor.
Am 24.05.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen persönlichen Lebensumständen sowie zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Er legte überdies eine Kursbestätigung vor.
Mit Schreiben vom 07.06.2024 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den Länderberichten.
Mit Schriftsätzen vom 02.07.2024 sowie vom 10.07.2024 legte der Beschwerdeführer Zertifikate über die Absolvierung der Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 sowie den Besuch einer Bildungsveranstaltung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX ; seine Identität steht fest. Er ist Staatsangehöriger von Äthiopien. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Oromo an und bekennt sich zur Glaubensgemeinschaft der Pfingstgemeinde. Seine Erstsprache ist Amharisch, er beherrscht diese in Wort und Schrift; er spricht zudem Englisch.Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 ; seine Identität steht fest. Er ist Staatsangehöriger von Äthiopien. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Oromo an und bekennt sich zur Glaubensgemeinschaft der Pfingstgemeinde. Seine Erstsprache ist Amharisch, er beherrscht diese in Wort und Schrift; er spricht zudem Englisch.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er stammt aus Addis Abeba (Äthiopien) und hat in seinem Heimatstaat die Schule sowie die Universität besucht und Civil Engineering studiert. In den Jahren 2016 bis 2019 arbeitete der Beschwerdeführer als Büroingenieur und Junior-Bauleiter. Bis zu seiner Ausreise lebte er gemeinsam mit seiner Mutter und einer seiner beiden Schwestern in einem im Eigentum der Familie stehenden Haus in Addis Abeba. Die Mutter und eine Schwester des Beschwerdeführers leben nach wie vor in der Heimatstadt, die andere Schwester des Beschwerdeführers studiert in Awassa (Äthiopien). Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seinen Familienangehörigen; er verfügt über einen Freundes- und Bekanntenkreis im Herkunftsstaat. Der Lebensunterhalt der Familie war durch die Tätigkeit der Mutter als Chefsekretärin vor der Ausreise gesichert. Der Beschwerdeführer hat in Äthiopien überdies durch seine Berufstätigkeit ein eigenes Einkommen erwirtschaftet und ist zum Studieren nach Österreich gereist. Die jüngere Schwester des Beschwerdeführers wird aktuell bei ihrem Studium durch die Mutter des Beschwerdeführers finanziell unterstützt; die andere Schwester des Beschwerdeführers arbeitet im IT-Bereich. Der Beschwerdeführer verfügt zudem über Onkel und Tanten im Herkunftsstaat.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer war bei seiner Ausreise im Besitz eines Reisepasses von Äthiopien. Er reiste im September 2019 in das österreichische Bundesgebiet ein und erhielt eine „Aufenthaltsbewilligung Student“ mit Gültigkeit bis zum XXXX 2020. Der am XXXX 2020 gestellte Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels wurde mit Bescheid vom 30.12.2021 abgewiesen. Der Beschwerdeführer stellte am 15.04.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der Beschwerdeführer war bei seiner Ausreise im Besitz eines Reisepasses von Äthiopien. Er reiste im September 2019 in das österreichische Bundesgebiet ein und erhielt eine „Aufenthaltsbewilligung Student“ mit Gültigkeit bis zum römisch 40 2020. Der am römisch 40 2020 gestellte Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels wurde mit Bescheid vom 30.12.2021 abgewiesen. Der Beschwerdeführer stellte am 15.04.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen im österreichischen Bundesgebiet. Er besuchte eine etwa sechsmonatige XXXX -Ausbildung sowie Onlinekurse; er geht derzeit keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, sondern bezieht Leistungen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer verbringt seine Freizeit mit Freunden, besucht die Kirche und liest. Während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet besuchte er Deutschkurse und absolvierte die Integrationsprüfung auf dem Sprachniveau A2. Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen im österreichischen Bundesgebiet. Er besuchte eine etwa sechsmonatige römisch 40 -Ausbildung sowie Onlinekurse; er geht derzeit keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, sondern bezieht Leistungen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer verbringt seine Freizeit mit Freunden, besucht die Kirche und liest. Während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet besuchte er Deutschkurse und absolvierte die Integrationsprüfung auf dem Sprachniveau A2.
1.2. Zu den Fluchtgründen und einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Dem Beschwerdeführer droht in seinem Herkunftsstaat weder aufgrund der dort herrschenden Sicherheitslage noch sonst eine (asylrelevante) Verfolgung.
Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, ethnischer Zugehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wurde nicht konkret vorgebracht; Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch amtswegig nicht hervorgekommen.
Der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr nach Äthiopien, konkret in seine Heimatstadt Addis Abeba, die über den internationalen Flughafen sicher erreichbar ist, nicht in eine existenzgefährdende Notlage geraten und es wäre ihm auch nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Äthiopien:
Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Äthiopien:
Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen
Der Bürgerkrieg weitet sich aus – Äthiopien verhängt den Ausnahmezustand
In Äthiopien droht sich der Konflikt der Regierung mit den rebellischen Tigray auf den Rest des Landes auszuweiten (TS 2.11.2021). Tigrayische Rebellen rücken in Richtung Addis Abeba vor (SC 4.11.2021). Die Regierung in Addis Abeba rief angesichts des Vormarschs der Rebellen am 2.11.2021 einen landesweiten Ausnahmezustand aus. Dieser soll vorerst für sechs Monate gelten (TS 2.11.2021; vgl. SC 4.11.2021, AS 4.11.2021). Zuvor hatten die tigrayischen Kämpfer in den letzten Tagen Gebietsgewinne tief in der Region Amhara erzielen können. Sie haben außerdem damit gedroht, gegen die Hauptstadt Addis Abeba zu marschieren (AJ 4.11.2021; vgl. TS 2.11.2021). Zudem haben sich die Tigray mit einer weiteren Rebellengruppe, der Oromo Liberation Army (OLA), verbündet, welche den Vormarsch verstärkt hat (SC 4.11.2021). Die äthiopische Armee musste sich aus wichtigen Städten in der Region Amhara zurückziehen. Gemeinsam mit Rebellen der OLA konnten sich die Tigray Zugang zu einer der wichtigsten Autobahnen im Land verschaffen (ORF 2.11.2021). Derweil riefen die Behörden in Addis Abeba die Bevölkerung zur Verteidigung der Hauptstadt auf. Präsident Abiy hat die Bevölkerung zur Gewalt gegen die Rebellen aufgerufen (TS 2.11.2021). Der nun ausgerufene Ausnahmezustand gibt der äthiopischen Regierung die Möglichkeit, Kritiker zu verhaften, Medien zu schließen und Ausgangssperren zu verhängen, um die Bewegungsfreiheit einzuschränken (SC 4.11.2021; vgl. TS 2.11.2021). Im Rahmen des Ausnahmezustands kann jede Person, die der Verbindungen zu "terroristischen" Gruppen verdächtigt wird, ohne richterlichen Beschluss inhaftiert werden. Dies hat die Besorgnis der ethnischen Tigrayer noch verstärkt (AJ 4.11.2021). Weiters ermöglicht der Ausnahmezustand unter anderem die Errichtung von Straßensperren, die Unterbrechung von Verkehrs- und Kommunikationsverbindungen sowie die Übernahme der Verwaltung durch das Militär in bestimmten Bereichen (TS 2.11.2021). Eine gemeinsame Untersuchung des UN-Menschenrechtsbüros und der äthiopischen Menschenrechtskommission hat Beweise dafür gefunden, dass alle Konfliktparteien in der Region Tigray in unterschiedlichem Maße Übergriffe begangen haben, von denen einige auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. Der UN-Menschenrechtsbeauftragte spricht beim anhaltenden Krieg in Äthiopien von extremer Brutalität auf allen beteiligten Seiten (AJ 3.11.2021). Im Krieg in und um Tigray wurden bislang Tausende von Menschen getötet und mehr als 2,5 Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben. In den letzten Monaten hatte sich der Konflikt auf die benachbarten Regionen Amhara und Afar ausgeweitet. Die Zivilbevölkerung hat unter den Folgen des Krieges zu leiden – einschließlich Massakern und Vergewaltigungen. Hunderttausende von Menschen sind von einer Hungersnot betroffen (AJ 4.11.2021). Gleichzeitig warnen die USA vor einer weiteren Verschlechterung der humanitären Lage. Durch den Konflikt wurde eine humanitäre Krise ausgelöst. UN-Schätzungen zufolge leben etwa 400.000 Menschen in Tigray in einer Hungersnot. Rund 5,2 Millionen Menschen brauchen humanitäre Hilfe, um zu überleben. In den Regionen Afar und Amhara haben demnach 1,7 Millionen Menschen nicht genug zu essen (TS 2.11.2021).In Äthiopien droht sich der Konflikt der Regierung mit den rebellischen Tigray auf den Rest des Landes auszuweiten (TS 2.11.2021). Tigrayische Rebellen rücken in Richtung Addis Abeba vor (SC 4.11.2021). Die Regierung in Addis Abeba rief angesichts des Vormarschs der Rebellen am 2.11.2021 einen landesweiten Ausnahmezustand aus. Dieser soll vorerst für sechs Monate gelten (TS 2.11.2021; vergleiche SC 4.11.2021, AS 4.11.2021). Zuvor hatten die tigrayischen Kämpfer in den letzten Tagen Gebietsgewinne tief in der Region Amhara erzielen können. Sie haben außerdem damit gedroht, gegen die Hauptstadt Addis Abeba zu marschieren (AJ 4.11.2021; vergleiche TS 2.11.2021). Zudem haben sich die Tigray mit einer weiteren Rebellengruppe, der Oromo Liberation Army (OLA), verbündet, welche den Vormarsch verstärkt hat (SC 4.11.2021). Die äthiopische Armee musste sich aus wichtigen Städten in der Region Amhara zurückziehen. Gemeinsam mit Rebellen der OLA konnten sich die Tigray Zugang zu einer der wichtigsten Autobahnen im Land verschaffen (ORF 2.11.2021). Derweil riefen die Behörden in Addis Abeba die Bevölkerung zur Verteidigung der Hauptstadt auf. Präsident Abiy hat die Bevölkerung zur Gewalt gegen die Rebellen aufgerufen (TS 2.11.2021). Der nun ausgerufene Ausnahmezustand gibt der äthiopischen Regierung die Möglichkeit, Kritiker zu verhaften, Medien zu schließen und Ausgangssperren zu verhängen, um die Bewegungsfreiheit einzuschränken (SC 4.11.2021; vergleiche TS 2.11.2021). Im Rahmen des Ausnahmezustands kann jede Person, die der Verbindungen zu "terroristischen" Gruppen verdächtigt wird, ohne richterlichen Beschluss inhaftiert werden. Dies hat die Besorgnis der ethnischen Tigrayer noch verstärkt (AJ 4.11.2021). Weiters ermöglicht der Ausnahmezustand unter anderem die Errichtung von Straßensperren, die Unterbrechung von Verkehrs- und Kommunikationsverbindungen sowie die Übernahme der Verwaltung durch das Militär in bestimmten Bereichen (TS 2.11.2021). Eine gemeinsame Untersuchung des UN-Menschenrechtsbüros und der äthiopischen Menschenrechtskommission hat Beweise dafür gefunden, dass alle Konfliktparteien in der Region Tigray in unterschiedlichem Maße Übergriffe begangen haben, von denen einige auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. Der UN-Menschenrechtsbeauftragte spricht beim anhaltenden Krieg in Äthiopien von extremer Brutalität auf allen beteiligten Seiten (AJ 3.11.2021). Im Krieg in und um Tigray wurden bislang Tausende von Menschen getötet und mehr als 2,5 Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben. In den letzten Monaten hatte sich der Konflikt auf die benachbarten Regionen Amhara und Afar ausgeweitet. Die Zivilbevölkerung hat unter den Folgen des Krieges zu leiden – einschließlich Massakern und Vergewaltigungen. Hunderttausende von Menschen sind von einer Hungersnot betroffen (AJ 4.11.2021). Gleichzeitig warnen die USA vor einer weiteren Verschlechterung der humanitären Lage. Durch den Konflikt wurde eine humanitäre Krise ausgelöst. UN-Schätzungen zufolge leben etwa 400.000 Menschen in Tigray in einer Hungersnot. Rund 5,2 Millionen Menschen brauchen humanitäre Hilfe, um zu überleben. In den Regionen Afar und Amhara haben demnach 1,7 Millionen Menschen nicht genug zu essen (TS 2.11.2021).
Ethnische Unruhen
Nach der Ermordung des Musikers und Aktivisten Hachalu Hundessa am 29.6.2020 ist es in Äthiopien in mehreren Städten zu gewalttätigen Unruhen gekommen (BAMF 6.7.2020; vgl. Spiegel 3.7.2020, DW 5.7.2020, HRW 1.7.2020). Mindestens 166 Menschen wurden bei den Protesten getötet. Im Bundesstaat Oromia wurden 145 Zivilisten und 11 Sicherheitskräfte getötet, zehn weitere Menschen, darunter zwei Polizisten, starben in der Hauptstadt Addis Abeba. Die Zahl der Todesopfer könnte steigen, da viele Menschen ins Krankenhaus eingeliefert wurden (DW 5.7.2020; vgl. BAMF 6.7.2020, FAZ 5.7.2020, AN 6.7.2020). Zudem wurden rund 2.300 Personen festgenommen (BAMF 6.7.2020; vgl. FAZ 5.7.2020, AN 6.7.2020). In Addis Abeba wurde von mehreren Explosionen berichtet, Geschäfte wurden in Brand gesetzt (BAMF 6.7.2020; vgl. IPN 1.7.2020). Der ermordete Sänger Hachalu wird von vielen als ein Verfechter der Rechte der Oromo angesehen, dessen Lieder die Kämpfe und Frustrationen der Oromo während der Protestbewegung 2014-2018 wiedergaben und vor allem von Jugendlichen gehört wurden (BAMF 6.7.2020; vgl. DW 5.7.2020, HRW 1.7.2020). Noch kurz vor seinem Tod hatte Hachalu die Politik Abiys stark kritisiert, weil er nicht die Interessen der Oromo vertrete. Gleichzeitig berichtete Hachalu von Morddrohungen gegen ihn. Obwohl sie die größte Bevölkerungsgruppe Äthiopiens bilden, fühlten sich die Oromo über Jahre von der Regierung diskriminiert (BAMF 6.7.2020). Inzwischen habe sich die Lage – so die Polizei – wieder beruhigt. Drei Verdächtige des Mordes am Sänger seien in Untersuchungshaft, die Hintergründe des Anschlages sind jedoch bislang noch unklar (BAMF 6.7.2020). Premierminister Abiy Ahmed rief die Bewohner der Region zur Einheit auf und versicherte ihnen, dass strenge Maßnahmen gegen die Täter ergriffen würden (Regnum 3.7.2020). Abiy Ahmed machte „interne und externe Kräfte“ für die Ausschreitungen verantwortlich und bezog sich dabei auch auf die anhaltenden Spannungen mit Ägypten im Zusammenhang mit dem Bau des Staudamms am Nil (BAMF 6.7.2020; vgl. Regnum 3.7.2020). Als Reaktion auf die Unruhen blockierte die äthiopische Regierung alle Internetverbindungen im Land. Auch die Telefonverbindungen wurden unterbrochen (BAMF 6.7.2020; vgl. AN 6.7.2020). Am Wochenende (4./5.7.2020) war die Lage in Oromia weiter angespannt. In der Hauptstadt hatte sich die Lage bis zum 5.7.2020 wieder entspannt, allerdings bleibt das Internet weiter ausgeschalten (FAZ 5.7.2020; vgl. BAMF 6.7.2020, AN 6.7.2020). Human Rights Watch befürchtet, dass die Abschaltung des Internets durch die Behörden, die offensichtlich exzessive Anwendung von Gewalt und die Verhaftung von politischen Oppositionellen die instabile Situation noch verschlimmern könne, anstatt die staatliche Ordnung wieder herzustellen (HRW 1.7.2020). Schwere Unruhen gab es auch in Halachus Heimatstadt Ambo im Zusammenhang mit dessen Begräbniszeremonie (AN 2.7.2020; vgl. BAMF 6.7.2020). Im Umfeld der Beisetzung führte die Inhaftierung des Medienunternehmers Jawar Mohammed zu einer weiteren Eskalation (B