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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über den Antrag der U in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt, ihr gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld, vom 23. Jänner 1995, Zl. 16-94/3245/07, betreffend Einkommensteuer 1987 und 1988, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird gemäß § 46 Abs. 1 VwGG stattgegeben.
Begründung
Die Antragstellerin brachte vor, sie haben ihren Rechtsvertreter Anfang März 1995 beauftragt, gegen die oben genannte Berufungsentscheidung Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu erheben. Sie habe hiezu die Information erteilt, daß ihr die genannte Berufungsentscheidung am 10. Februar 1995 zugestellt worden sei. Die Beschwerde sei in der Woche vom 20. bis 24. März 1995 von einem Mitarbeiter der Kanzlei ausgearbeitet und am 23. März 1995 fertiggestellt worden. Nach geringfügigen Korrekturen sei die Beschwerde dem Rechtsanwalt zur Unterfertigung vorgelegt worden. Ihr Vertreter habe diese Beschwerde am 24. März 1995 im Zuge der allgemeinen Posterledigung an diesem Tag etwa um die Mittagszeit unterfertigt. Die Beschwerde sei gemeinsam mit einer Vielzahl anderer Schriftstücke in einer Unterschriftsmappe, die die Kanzleileiterin ihres Vertreters vorbereitet habe, gelegen. Bereits bei Vorlage zur Unterschrift sei der ausgefüllte Postaufgabeschein über die eingeschriebene Briefaufgabe sowie das für die Absendung vorgesehene Kuvert in der Unterschriftsmappe gelegen. Der Postaufgabeschein sei mit einer Heftklammer an das Kuvert sowie an die drei Beschwerdeausfertigungen angeheftet gewesen. Nach Unterfertigung der drei Beschwerdeausfertigungen habe ihr Rechtsvertreter die Unterschriftsmappe seiner Kanzleileiterin mit dem Auftrag zur Abfertigung der gesamten in der Unterschriftsmappe liegenden Post übergeben. Dies sei in der Folge auch geschehen, wobei der - vermeintlich - gesamte Inhalt der Unterschriftsmappe derselben entnommen und jener Mitarbeiterin übergeben worden sei, die in der Woche vom
20. bis 24. März 1995 für die Abgabe sämtlicher Briefsendungen beim Postamt zuständig gewesen sei. Nach Entleerung der Postmappe sei diese (vermeintlich) leere Postmappe über das Wochenende in die hiefür vorgesehene Ablage auf dem Schreibtisch der Kanzleileiterin gelegt worden. Kurz nachdem die Kanzleileiterin am Montag, dem 27. März 1995 ihren Dienst angetreten und begonnen habe, neu bearbeitete Schrftstücke in die leer geglaubte Postmappe einzulegen, habe sie zu ihrem Entsetzen feststellen müssen, daß die drei Beschwerdeausfertigungen vom 23. März 1995 samt Kuvert und vorbereitetem Einschreibzettel in der Mappe verblieben seien. Es habe sich nämlich die Heftklammer, mittels welcher der Aufgabeschein auf dem vorbereiteten Kuvert befestigt gewesen sei, mit einem Innenblatt der Postmappe "verhakt", sodaß die entsprechende Seite beim Umblättern der Postmappe anläßlich der Herausnahme der einzelnen Schriftstücke offensichtlich "überblättert" worden sei, weshalb es der Kanzleileiterin nicht aufgefallen sei, daß die Beschwerdeausfertigungen in der Postmappe verblieben seien, von denen sie der Auffassung gewesen sei, daß sie sie zur Gänze entleert habe. Die Kanzleileiterin übe diese Funktion seit der Eröffnung der Kanzlei des Vertreters der Antagstellerin aus und sei bereits vorher, als der Rechtsvertreter noch als Dienstnehmer in der Privatwirtschaft tätig gewesen sei, dessen Sekretärin und als besonders gewissenhafte und verläßliche Kraft bekannt gewesen. Das Mißgeschick, welches der Kanzleileiterin unterlaufen sei, sei das erste in mehr als zwölf Jahren Tätigkeit als Kanzleileiterin. Das Hindernis, welches die Versäumung verursacht habe, sei am 27. März 1995 weggefallen. Dem Antrag sind eidesstattliche Erklärungen des Rechtsvertreters der Antragstellerin und dessen Kanzleileiterin angeschlossen, in welchen diese Ausführungen jeweils aus der Sicht des Erklärenden bestätigt werden.
Der Wiedereinsetzungsantrag vom 31. März 1995, welchem die Beschwerde beigelegt war, wurde am 4. April 1995 zur Post gegeben.
Ausgehend vom dargestellten Sachverhalt, den der Verwaltungsgerichtshof durch die vorgelegten Bescheinigungsmittel in ausreichender Weise als glaubhaft gemacht ansieht, erweist sich der gestellte Antrag aus folgenden Erwägungen als berechtigt:
Der als bescheinigt anzusehende Sachverhalt zeigt, daß seitens der Antragstellerin und ihres Rechtsvertreters alles vorgekehrt wurde, was typischerweise geboten war, um die Versendung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu gewährleisten. Der Umstand, daß die Beschwerde dennoch nicht rechtzeitig zur Post gelangt ist, mußte demnach als unvorhergesehen gelten, ohne daß ein gerechtfertigter Grund dafür erkennbar wäre, der Antragstellerin oder ihrem Rechtsvertreter daran ein Verschulden in einem einen minderen Grad des Versehens übersteigenden Ausmaß zuzuschreiben.
Dem Antrag war somit stattzugeben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995130087.X00Im RIS seit
20.11.2000