Entscheidungsdatum
14.08.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
L501 2292083-1/8E
L501 2292092-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von Frau XXXX und Herrn XXXX beide Staatsangehörigkeit Syrien, beide vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2024, Zlen. XXXX nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von Frau römisch 40 und Herrn römisch 40 beide Staatsangehörigkeit Syrien, beide vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Spruchpunkte römisch eins. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2024, Zlen. römisch 40 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die jeweils gegen den Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gerichteten Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.Die jeweils gegen den Spruchpunkt römisch eins. der angefochtenen Bescheide gerichteten Beschwerden werden gemäß Paragraph 28, Absatz eins, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei 1 (in der Folge „bP 1“) sowie ihr Sohn, die beschwerdeführende Partei 2 (in der Folge „bP 2“), beide syrische Staatsangehörige, stellten nach legaler Einreise in das Bundesgebiet jeweils am 06.03.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz. Befragt zu ihrem Fluchtgrund erklärte die bP 1 im Rahmen der Erstbefragung, in ihrem Land herrsche ein Durcheinander, ihre Kinder hätten sich aufgrund der drohenden Rekrutierung verstecken müssen; die bP 2 brachte vor, dass sie zum Dienst an der Waffe gezwungen worden wäre, sie habe ein Militärbuch sowohl von der syrischen Regierung als auch von der kurdischen Partei erhalten.
Am 06.12.2023 wurden die bPen durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge „BFA“ bzw. „belangte Behörde“) niederschriftlich einvernommen. Zum Fluchtgrund befragt, gab die bP 1 an, sie sei geflohen, um ihre Söhne zu schützen, die wegen dem Militärdienst gesucht würden; es herrsche Krieg, es gebe keine Sicherheit mehr. Die bP 2 erklärte, sie sei vor dem Krieg und den Kämpfen zwischen der Regierung, den Kurden und den Türken geflohen, sie müsse den Militärdienst leisten, wolle aber niemanden töten; wenn sie zurückkehre, würde sie verhaftet werden. Sie sei bereits einmal von den Kurden mit 16 Jahren gemeinsam mit einem Freund zwecks Ableistung des Militärdienstes für zwei Stunden festgenommen worden und sei sie, nachdem ihr Vater das Familienbuch vorgelegt habe, wieder freigelassen worden.
Mit den in Beschwerde gezogenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der bPen auf internationalen Schutz jeweils hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab, erkannte jedoch jeweils den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
In ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde behauptet die bP 2 die Zwangsrekrutierung durch die syrische Regierung sowie die Verfolgung und Bestrafung durch diese aufgrund der Verweigerung des Wehrdienstes, der illegalen Ausreise sowie der Stellung eines Asylantrages in Österreich sowie die Rekrutierung durch andere bewaffnete Gruppierungen. Sämtliche Brüder hätten den Wehrdienst bei den kurdischen Einheiten verweigert, sie werde daher wegen ihrer politischen Einstellung aufgrund der Sippenhaft verfolgt werden. Sie stamme aus XXXX , die Region sei von Checkpoints jeder Gruppierung übersät und habe die Regierung auch teilweise die Kontrolle über die Stadt und die Hauptverkehrsverbindungen. Vor ihrer Ausreise habe sie in XXXX gelebt, dieser Stadtteil sei auch vom Regime beeinflusst, die Hauptverbindungsroute laufe durch und sei die Region von Checkpoints umgeben. Auch könne sich die Lage jederzeit ändern und das Regime die Kontrolle übernehmen. Sie erfülle das Risikoprofil von UNHCR. Schließlich drohe ihr auch die Zwangsrekrutierung durch die SDF, welche Kriegsverbrechen begehe. Bei jungen kurdischen Männern liege es auf der Hand, dass eine Verweigerung des Selbstverteidigungsdienstes von den kurdischen Milizen als Ausdruck einer politischen Opposition gewertet werde. Aufgrund der Wehrdienstverweigerung der Brüder der bP 2 drohe zudem Reflexverfolgung.In ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde behauptet die bP 2 die Zwangsrekrutierung durch die syrische Regierung sowie die Verfolgung und Bestrafung durch diese aufgrund der Verweigerung des Wehrdienstes, der illegalen Ausreise sowie der Stellung eines Asylantrages in Österreich sowie die Rekrutierung durch andere bewaffnete Gruppierungen. Sämtliche Brüder hätten den Wehrdienst bei den kurdischen Einheiten verweigert, sie werde daher wegen ihrer politischen Einstellung aufgrund der Sippenhaft verfolgt werden. Sie stamme aus römisch 40 , die Region sei von Checkpoints jeder Gruppierung übersät und habe die Regierung auch teilweise die Kontrolle über die Stadt und die Hauptverkehrsverbindungen. Vor ihrer Ausreise habe sie in römisch 40 gelebt, dieser Stadtteil sei auch vom Regime beeinflusst, die Hauptverbindungsroute laufe durch und sei die Region von Checkpoints umgeben. Auch könne sich die Lage jederzeit ändern und das Regime die Kontrolle übernehmen. Sie erfülle das Risikoprofil von UNHCR. Schließlich drohe ihr auch die Zwangsrekrutierung durch die SDF, welche Kriegsverbrechen begehe. Bei jungen kurdischen Männern liege es auf der Hand, dass eine Verweigerung des Selbstverteidigungsdienstes von den kurdischen Milizen als Ausdruck einer politischen Opposition gewertet werde. Aufgrund der Wehrdienstverweigerung der Brüder der bP 2 drohe zudem Reflexverfolgung.
Am 06.08.2024 führte das erkennende Gericht im Beisein der bPen, ihrer Rechtsvertretung sowie eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch Kurmanci die beantragte mündliche Verhandlung durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:römisch II.1. Feststellungen:
II.1.1. Die am 01.04.1980 in XXXX , Gouvernement Al-Hasaka, geborene bP 1 ist syrische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Kurden an und bekennt sich zum sunnitischen Islam. Sie wuchs in der Stadt XXXX auf und besuchte sechs Jahre lang die Schule, bevor sie mit ungefähr 15 oder 16 Jahren heiratete und mit ihrem Ehegatten in den Stadtteil XXXX von XXXX zog. Dort wohnte sie mit ihm und den vier gemeinsamen Söhnen XXXX und der bP 2, in einem Haus in Eigentum. Im Zuge der Kriegsgeschehnisse wurde dieses Haus im Zusammenhang mit dem IS zerstört und flüchtete die Familie 2013 nach XXXX , wo sie im Haus des Bruders der bP 1 Unterschlupf fand und fortan dort wohnte. Die bP 1 begann einen Kurs als Schneiderin, beendete diesen jedoch nicht. Der Ehegatte der bP 1 starb 2023 an einem Herzinfarkt.römisch II.1.1. Die am 01.04.1980 in römisch 40 , Gouvernement Al-Hasaka, geborene bP 1 ist syrische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Kurden an und bekennt sich zum sunnitischen Islam. Sie wuchs in der Stadt römisch 40 auf und besuchte sechs Jahre lang die Schule, bevor sie mit ungefähr 15 oder 16 Jahren heiratete und mit ihrem Ehegatten in den Stadtteil römisch 40 von römisch 40 zog. Dort wohnte sie mit ihm und den vier gemeinsamen Söhnen römisch 40 und der bP 2, in einem Haus in Eigentum. Im Zuge der Kriegsgeschehnisse wurde dieses Haus im Zusammenhang mit dem IS zerstört und flüchtete die Familie 2013 nach römisch 40 , wo sie im Haus des Bruders der bP 1 Unterschlupf fand und fortan dort wohnte. Die bP 1 begann einen Kurs als Schneiderin, beendete diesen jedoch nicht. Der Ehegatte der bP 1 starb 2023 an einem Herzinfarkt.
Die am 01.01.2005 in der Stadt XXXX geborene bP 2 ist der Sohn der bP 1, ist syrische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Kurden an und bekennt sich zum sunnitischen Islam. Sie wuchs in der Stadt XXXX auf und besuchte dort drei Jahre lang die Schule. 2013 zog sie gemeinsam mit ihrer Familie nach XXXX Zuerst verrichtete sie Hilfsarbeiten, später besuchte einen „Friseurkurs“ und arbeitete dann drei Jahre lang als Friseur. (vgl. VH-NS BFA vom 06.12.2023). Im Hinblick auf die geplante Ausreise beantragte sie bei der zuständigen Behörde der syrischen Regierung ihr Militärbuch, einen Aufschub von der Ableistung des Dienstes für ein Jahr sowie eine Reisegenehmigung. Den Anträgen wurde stattgegeben.Die am 01.01.2005 in der Stadt römisch 40 geborene bP 2 ist der Sohn der bP 1, ist syrische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Kurden an und bekennt sich zum sunnitischen Islam. Sie wuchs in der Stadt römisch 40 auf und besuchte dort drei Jahre lang die Schule. 2013 zog sie gemeinsam mit ihrer Familie nach römisch 40 Zuerst verrichtete sie Hilfsarbeiten, später besuchte einen „Friseurkurs“ und arbeitete dann drei Jahre lang als Friseur. vergleiche VH-NS BFA vom 06.12.2023). Im Hinblick auf die geplante Ausreise beantragte sie bei der zuständigen Behörde der syrischen Regierung ihr Militärbuch, einen Aufschub von der Ableistung des Dienstes für ein Jahr sowie eine Reisegenehmigung. Den Anträgen wurde stattgegeben.
2023 verließen die bP 1 und die bP 2 legal ihren Herkunftsstaat über Damaskus in den Libanon und reisten in das Bundesgebiet ein. Am 06.03.2023 stellten sie die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Mit den angefochtenen Bescheiden wurde ihnen jeweils der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Die bPen leiden an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Erkrankungen, sie bedürfen auch keiner medikamentösen Behandlung.
Der zweitälteste Sohn der bP 1 wohnt mit seiner Familie im Haus des Bruders der bP 1 in XXXX zu Miete, da sich der Bruder der bP 1 im Irak aufhält. Der zweitälteste Sohn ist Gemüseverkäufer. Der älteste Sohn der bP 1 lebt in Deutschland. Die bP 1 lebt mit ihrem zweitjüngsten Sohn und der bP 2 in einem gemeinsamen Haushalt XXXX . Die bP 1 hat in Syrien noch sechs Geschwister; ein Bruder und eine Schwester leben in der Stadt XXXX , zwei Schwestern in XXXX , eine Schwester in XXXX und eine in XXXX .Der zweitälteste Sohn der bP 1 wohnt mit seiner Familie im Haus des Bruders der bP 1 in römisch 40 zu Miete, da sich der Bruder der bP 1 im Irak aufhält. Der zweitälteste Sohn ist Gemüseverkäufer. Der älteste Sohn der bP 1 lebt in Deutschland. Die bP 1 lebt mit ihrem zweitjüngsten Sohn und der bP 2 in einem gemeinsamen Haushalt römisch 40 . Die bP 1 hat in Syrien noch sechs Geschwister; ein Bruder und eine Schwester leben in der Stadt römisch 40 , zwei Schwestern in römisch 40 , eine Schwester in römisch 40 und eine in römisch 40 .
II.1.2. Die bPen stammen aus dem Stadtteil XXXX der Stadt XXXX im Gouvernement Al-Hasakah, welcher sich, ebenso wie der Zufluchtsort in XXXX derzeit – wie auch schon zum Zeitpunkt ihrer Ausreise– unter der Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) bzw. der Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien (AANES, auch unter Rojava bekannt) steht. Die beiden Städte befinden sich mit Ausnahme der sog. „Sicherheitsabschnitte“ außerhalb des Einflussbereichs des syrischen Regimes; die im AANES-Gebiet patrouillierenden Einheiten der SAA dienen der Grenzsicherung. Der „Sicherheitsabschnitt“ innerhalb der Stadt XXXX umfasst weniger als einen Quadratkilometer, er steht unter Regierungskontrolle. (ACCORD 14.06.2023). Der „Sicherheitsabschnitt“ in XXXX umfasst auch den Flughafen. In den „Sicherheitsabschnitten" befinden sich verschiedene staatliche Behörden, darunter auch solche mit Zuständigkeit für die Rekrutierung. Diese Sicherheitsenklaven sind von Straßen umgeben, in denen die Regierung nur über begrenzte Kapazitäten verfügt. Beim Betreten der „Sicherheitsabschnitte“ kann es zu Kontrollen durch die syrischen Sicherheitskräfte kommen. (vgl. DIS 6/2024)römisch II.1.2. Die bPen stammen aus dem Stadtteil römisch 40 der Stadt römisch 40 im Gouvernement Al-Hasakah, welcher sich, ebenso wie der Zufluchtsort in römisch 40 derzeit – wie auch schon zum Zeitpunkt ihrer Ausreise– unter der Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) bzw. der Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien (AANES, auch unter Rojava bekannt) steht. Die beiden Städte befinden sich mit Ausnahme der sog. „Sicherheitsabschnitte“ außerhalb des Einflussbereichs des syrischen Regimes; die im AANES-Gebiet patrouillierenden Einheiten der SAA dienen der Grenzsicherung. Der „Sicherheitsabschnitt“ innerhalb der Stadt römisch 40 umfasst weniger als einen Quadratkilometer, er steht unter Regierungskontrolle. (ACCORD 14.06.2023). Der „Sicherheitsabschnitt“ in römisch 40 umfasst auch den Flughafen. In den „Sicherheitsabschnitten" befinden sich verschiedene staatliche Behörden, darunter auch solche mit Zuständigkeit für die Rekrutierung. Diese Sicherheitsenklaven sind von Straßen umgeben, in denen die Regierung nur über begrenzte Kapazitäten verfügt. Beim Betreten der „Sicherheitsabschnitte“ kann es zu Kontrollen durch die syrischen Sicherheitskräfte kommen. vergleiche DIS 6/2024)
Sowohl der Stadtteil XXXX sind für die bPen ohne Eintreten in den Kontrollbereich des syrischen Regimes erreichbar. Für die Einreise in den Herkunftsstaat steht ihnen insbesondere der nicht von der syrischen Regierung kontrollierte Grenzübergang Semalka/Faysh Khabur (Gouvernement Al-Hasakah, Syrien – Autonome Region Kurdistan, Irak) zur Verfügung und ist es ihr anschließend möglich, die Städte auf dem Landweg zu erreichen, und zwar ohne mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Zwangsrekrutierung oder sonstiger behördlicher Maßnahmen durch das syrische Regime ausgesetzt zu sein. Die bPen verfügen über Reispässe und ID-Cards im Original, sie können sohin ihre Herkunft aus dem AANES-Gebiet gegebenenfalls nachweisen bzw. leben nach wie vor Geschwister in dem von der Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien kontrollierten Gebiet. Es stehen sohin genügend potentielle Sponsoren, Zeugen und Angehörige zur Verfügung, die sich für sie verwenden könnten.Sowohl der Stadtteil römisch 40 sind für die bPen ohne Eintreten in den Kontrollbereich des syrischen Regimes erreichbar. Für die Einreise in den Herkunftsstaat steht ihnen insbesondere der nicht von der syrischen Regierung kontrollierte Grenzübergang Semalka/Faysh Khabur (Gouvernement Al-Hasakah, Syrien – Autonome Region Kurdistan, Irak) zur Verfügung und ist es ihr anschließend möglich, die Städte auf dem Landweg zu erreichen, und zwar ohne mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Zwangsrekrutierung oder sonstiger behördlicher Maßnahmen durch das syrische Regime ausgesetzt zu sein. Die bPen verfügen über Reispässe und ID-Cards im Original, sie können sohin ihre Herkunft aus dem AANES-Gebiet gegebenenfalls nachweisen bzw. leben nach wie vor Geschwister in dem von der Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien kontrollierten Gebiet. Es stehen sohin genügend potentielle Sponsoren, Zeugen und Angehörige zur Verfügung, die sich für sie verwenden könnten.
II.1.3. Die bP 2 befindet sich im wehrpflichtigen Alter, sie hat den verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee noch nicht abgeleistet. Sie besitzt ein Militärbuch der Arabischen Republik Syrien, ihr wurde ein Aufschub für ein Jahr gewährt. Die syrische Regierung ist in der AANES-Region außerhalb der vom syrischem Militär kontrollierten Regierungsenklaven in Qamischli und Hasaka sowie einer Zone beim Flughafen von Qamishli, weiterhin nicht in der Lage, Männer im wehrpflichtigen Alter zum verpflichtenden Wehrdienst bzw. Reservedienst in der syrischen Armee zwangsweise zu rekrutieren. römisch II.1.3. Die bP 2 befindet sich im wehrpflichtigen Alter, sie hat den verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee noch nicht abgeleistet. Sie besitzt ein Militärbuch der Arabischen Republik Syrien, ihr wurde ein Aufschub für ein Jahr gewährt. Die syrische Regierung ist in der AANES-Region außerhalb der vom syrischem Militär kontrollierten Regierungsenklaven in Qamischli und Hasaka sowie einer Zone beim Flughafen von Qamishli, weiterhin nicht in der Lage, Männer im wehrpflichtigen Alter zum verpflichtenden Wehrdienst bzw. Reservedienst in der syrischen Armee zwangsweise zu rekrutieren.
Im Fall einer Rückkehr droht der bP 2 in ihrer Herkunftsregion – weder in XXXX - nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine reale Gefahr zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden.Im Fall einer Rückkehr droht der bP 2 in ihrer Herkunftsregion – weder in römisch 40 - nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine reale Gefahr zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden.
II.1.4. Die dem Board of Defence (entspricht einem Verteidigungsministerium) der AANES unterstehenden Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) sind eine Dachorganisation, die sich aus mehreren bewaffneten Gruppen zusammensetzt, darunter die YPG und das YPJ. Die SDF ist eine professionelle militärische Streitkraft, die an der Front eingesetzt wird und Kampfhandlungen durchführt. (DIS 6/2024)römisch II.1.4. Die dem Board of Defence (entspricht einem Verteidigungsministerium) der AANES unterstehenden Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) sind eine Dachorganisation, die sich aus mehreren bewaffneten Gruppen zusammensetzt, darunter die YPG und das YPJ. Die SDF ist eine professionelle militärische Streitkraft, die an der Front eingesetzt wird und Kampfhandlungen durchführt. (DIS 6/2024)
Die Einstellung in den SDF erfolgt nur auf freiwilliger Basis, zumeist wird ein Vertrag für zwei Jahre geschlossen. Viele Menschen entscheiden sich aufgrund der relativ hohen Löhne für den Beitritt zur SDF, einige um ihr lokales Gebiet zu schützen. Die Rekrutierung für die zwei großen SDF Gruppen, YPG und YPJ, erfolgt gleichfalls freiwillig. Weder die PKK noch ihr militärischer Flügel HPG rekrutiert neue Mitglieder in den AANES Gebieten mit Gewalt. (vgl. DIS 6/2024)Die Einstellung in den SDF erfolgt nur auf freiwilliger Basis, zumeist wird ein Vertrag für zwei Jahre geschlossen. Viele Menschen entscheiden sich aufgrund der relativ hohen Löhne für den Beitritt zur SDF, einige um ihr lokales Gebiet zu schützen. Die Rekrutierung für die zwei großen SDF Gruppen, YPG und YPJ, erfolgt gleichfalls freiwillig. Weder die PKK noch ihr militärischer Flügel HPG rekrutiert neue Mitglieder in den AANES Gebieten mit Gewalt. vergleiche DIS 6/2024)
Der bP 2 droht im Rückkehrfall in ihre Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer (Zwangs-)Rekrutierung durch diese militärischen Gruppierungen.
Im Juni 2019 ratifizierte die AANES ein Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht", das den verpflichtenden Militärdienst regelt, den Männer über 18 Jahre im Gebiet der AANES ableisten müssen. Im Allgemeinen werden die Menschen entlassen, nachdem sie ein Jahr gedient haben, in Notsituationen kann die Dauer des Dienstes verlängert werden (vgl. EB 15.8.2022; vgl. DIS 6.2024). Am 4.9.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit. (vgl. ANHA, 4.9.2021, LIB, Version 11 vom 27.03.2024).Im Juni 2019 ratifizierte die AANES ein Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht", das den verpflichtenden Militärdienst regelt, den Männer über 18 Jahre im Gebiet der AANES ableisten müssen. Im Allgemeinen werden die Menschen entlassen, nachdem sie ein Jahr gedient haben, in Notsituationen kann die Dauer des Dienstes verlängert werden vergleiche EB 15.8.2022; vergleiche DIS 6.2024). Am 4.9.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit. vergleiche ANHA, 4.9.2021, LIB, Version 11 vom 27.03.2024).
Der Versuch, der Selbstverteidigungspflicht zu entgehen, wird mit einer Verlängerung der Selbstverteidigungspflicht um einen Monat sanktioniert, einigen Quellen zufolge auch in Verbindung mit einer Haftstrafe für einen kürzeren Zeitraum von ein bis zwei Wochen. Von Misshandlungen der Inhaftierten berichten die Quellen nicht. Eine Verweigerung des Dienstes bei den kurdischen Selbstverteidigungskräften führt nicht zur Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung seitens der Kurden als Konfliktpartei. (vgl. DIS 6/2024, ÖB Damaskus 12/2022) Im Falle einer Verweigerung würde die "Pflicht zur Selbstverteidigung" als Strafmaßnahme 15 Monate betragen. (vgl. EUAA Syria Country focus)Der Versuch, der Selbstverteidigungspflicht zu entgehen, wird mit einer Verlängerung der Selbstverteidigungspflicht um einen Monat sanktioniert, einigen Quellen zufolge auch in Verbindung mit einer Haftstrafe für einen kürzeren Zeitraum von ein bis zwei Wochen. Von Misshandlungen der Inhaftierten berichten die Quellen nicht. Eine Verweigerung des Dienstes bei den kurdischen Selbstverteidigungskräften führt nicht zur Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung seitens der Kurden als Konfliktpartei. vergleiche DIS 6/2024, ÖB Damaskus 12/2022) Im Falle einer Verweigerung würde die "Pflicht zur Selbstverteidigung" als Strafmaßnahme 15 Monate betragen. vergleiche EUAA Syria Country focus)
Das Nachkommen der Selbstverteidigungspflicht kann aufgrund diverser Gründe, wie etwa Ausbildung, Auslandsaufenthalt oder auch aufgrund medizinischer Gründe verschoben oder aufgehoben werden. (vgl. DIS 6/2024). Die meisten kurdischen jungen Männer melden sich freiwillig bei den SDF und sind daher von der Selbstverteidigungspflicht befreit (ACCORD vom 06.09.2023 [a-12188], konkret Al-Mustafa).Das Nachkommen der Selbstverteidigungspflicht kann aufgrund diverser Gründe, wie etwa Ausbildung, Auslandsaufenthalt oder auch aufgrund medizinischer Gründe verschoben oder aufgehoben werden. vergleiche DIS 6/2024). Die meisten kurdischen jungen Männer melden sich freiwillig bei den SDF und sind daher von der Selbstverteidigungspflicht befreit (ACCORD vom 06.09.2023 [a-12188], konkret Al-Mustafa).
Bei den kurdischen Einheiten dienen Wehrpflichtige in den Selbstverteidigungseinheiten (HXP), eine von den SDF separate Streitkraft, die vom Demokratischen Rat Syriens (Syrian Democratic Council, SDC) verwaltet wird und über eine eigene Militärführung verfügt. Nach der bis zu zwei Monaten dauernden Ausbildungszeit werden Wehrpflichtige verschiedenen Aufgaben in verschiedenen Zentren oder Einheiten zugewiesen, wo sie für den Rest ihres Dienstes dienen. Die Ausbildung oder Qualifikation der Wehrpflichtigen wird dabei oft berücksichtigt; beispielsweise werden Personen mit einem stärkeren Bildungshintergrund und höheren Qualifikationen Aufgaben in Ämtern oder Einrichtungen zugewiesen, die von ihren Fähigkeiten profitieren können. Wehrpflichtige mit niedrigem oder keinem Bildungshintergrund werden häufig Aufgaben im Zusammenhang mit der Bewachung oder dem Schutz öffentlicher Gebäude zugewiesen. (vgl. DIS 6/2024)Bei den kurdischen Einheiten dienen Wehrpflichtige in den Selbstverteidigungseinheiten (HXP), eine von den SDF separate Streitkraft, die vom Demokratischen Rat Syriens (Syrian Democratic Council, SDC) verwaltet wird und über eine eigene Militärführung verfügt. Nach der bis zu zwei Monaten dauernden Ausbildungszeit werden Wehrpflichtige verschiedenen Aufgaben in verschiedenen Zentren oder Einheiten zugewiesen, wo sie für den Rest ihres Dienstes dienen. Die Ausbildung oder Qualifikation der Wehrpflichtigen wird dabei oft berücksichtigt; beispielsweise werden Personen mit einem stärkeren Bildungshintergrund und höheren Qualifikationen Aufgaben in Ämtern oder Einrichtungen zugewiesen, die von ihren Fähigkeiten profitieren können. Wehrpflichtige mit niedrigem oder keinem Bildungshintergrund werden häufig Aufgaben im Zusammenhang mit der Bewachung oder dem Schutz öffentlicher Gebäude zugewiesen. vergleiche DIS 6/2024)
Die HXP ist eine Hilfstruppe mit der Hauptaufgabe, öffentliche Gebäude zu bewachen oder zu schützen und die SDF zu unterstützen, wird daher im Allgemeinen nicht in Kampfsituationen eingesetzt. Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz. Es kann mitunter vorkommen, dass die HXP in Kampfsituationen verwickelt wird, z.B. während der Schlacht um Afrin im Jahr 2018. Diese Fälle sind selten und werden die Rekruten auch diesfalls nicht an vorderster Front eingesetzt. Rekruten droht daher weder mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ein Fronteinsatz, noch ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sich Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an völkerrechtswidrigen Militäraktionen beteiligen müssten. Es finden sich auch keine Berichte über von der HXP begangene völkerrechtswidrige Aktionen. (vgl. DIS 6/2024; ACCORD vom 06.09.2023 [a-12188])Die HXP ist eine Hilfstruppe mit der Hauptaufgabe, öffentliche Gebäude zu bewachen oder zu schützen und die SDF zu unterstützen, wird daher im Allgemeinen nicht in Kampfsituationen eingesetzt. Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz. Es kann mitunter vorkommen, dass die HXP in Kampfsituationen verwickelt wird, z.B. während der Schlacht um Afrin im Jahr 2018. Diese Fälle sind selten und werden die Rekruten auch diesfalls nicht an vorderster Front eingesetzt. Rekruten droht daher weder mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ein Fronteinsatz, noch ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sich Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an völkerrechtswidrigen Militäraktionen beteiligen müssten. Es finden sich auch keine Berichte über von der HXP begangene völkerrechtswidrige Aktionen. vergleiche DIS 6/2024; ACCORD vom 06.09.2023 [a-12188])
Die bP 2 ist dieser in den Gebieten der AANES bestehenden „Selbstverteidigungspflicht“ für Männer aufgrund ihrer damaligen Minderjährigkeit nicht nachgekommen. Sie ist 2005 geboren und gehört folglich nunmehr zum wehrpflichtigen Personenkreis. Die bP 2 wird im Fall der Erfüllung der Selbstverteidigungspflicht nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Fronteinsatz zu gewärtigen haben und auch nicht in Kriegsverbrechen bzw. völkerrechtswidrige Militäraktionen verwickelt werden. Ihr drohen in Syrien keine unverhältnismäßigen Konsequenzen wie Folter, unmenschliche Strafe oder Behandlung bei Verweigerung des Dienstes in der Selbstverteidigungseinheit HXP. (vgl. DIS 6/2024)Die bP 2 ist dieser in den Gebieten der AANES bestehenden „Selbstverteidigungspflicht“ für Männer aufgrund ihrer damaligen Minderjährigkeit nicht nachgekommen. Sie ist 2005 geboren und gehört folglich nunmehr zum wehrpflichtigen Personenkreis. Die bP 2 wird im Fall der Erfüllung der Selbstverteidigungspflicht nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Fronteinsatz zu gewärtigen haben und auch nicht in Kriegsverbrechen bzw. völkerrechtswidrige Militäraktionen verwickelt werden. Ihr drohen in Syrien keine unverhältnismäßigen Konsequenzen wie Folter, unmenschliche Strafe oder Behandlung bei Verweigerung des Dienstes in der Selbstverteidigungseinheit HXP. vergleiche DIS 6/2024)
Die bP 2 wurde mit von ihr vermuteten 16 Jahren von einer Polizeistrafe aufgehalten und auf ein Amt gebracht. Nachdem ihr Vater und ihr Bruder durch Vorlage des Familienbuchs ihr Alter nachgewiesen hatten, wurde von einer Rekrutierung abgesehen. (vgl. VH-NS vor dem BFA vom 06.12.2023).Die bP 2 wurde mit von ihr vermuteten 16 Jahren von einer Polizeistrafe aufgehalten und auf ein Amt gebracht. Nachdem ihr Vater und ihr Bruder durch Vorlage des Familienbuchs ihr Alter nachgewiesen hatten, wurde von einer Rekrutierung abgesehen. vergleiche VH-NS vor dem BFA vom 06.12.2023).
II.1.5. Die bP 1 und 2 sind im Falle ihrer Rückkehr in die Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung, psychischer und/oder physischer Gewalt, Strafverfolgung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt.römisch II.1.5. Die bP 1 und 2 sind im Falle ihrer Rückkehr in die Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung, psychischer und/oder physischer Gewalt, Strafverfolgung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt.
Die bP 1 und 2 waren und sind nicht politisch tätig, sind nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung im Hinblick auf die AANES und auch sonst nicht in das Blickfeld der AANES oder einer anderen Konfliktpartei ihrer Herkunftsregion geraten. Sie unterliegen insbesondere keiner individuellen Gefährdung aufgrund ihrer kurdischen Identität, ihrer Familien- bzw. Stammeszugehörigkeit, wegen politischer Betätigung oder wegen der unrechtmäßigen Ausreise aus Syrien sowie des in Österreich durchlaufenen Asylverfahrens oder des Aufenthaltes in Europa.
Familienangehörige von Personen, die der Selbstverteidigungspflicht nicht nachgekommen sind oder sich dieser entzogen haben, sind keinen Schikanen oder Bestrafungen ausgesetzt (vgl. DIS 6/2024), sodass auch die bP 1 und 2 in ihrer Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer „Sippenhaftung“ aufgrund der Nichtableistung der Selbstverteidigungspflicht der Brüder der bP 2 ausgesetzt sind.Familienangehörige von Personen, die der Selbstverteidigungspflicht nicht nachgekommen sind oder sich dieser entzogen haben, sind keinen Schikanen oder Bestrafungen ausgesetzt vergleiche DIS 6/2024), sodass auch die bP 1 und 2 in ihrer Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer „Sippenhaftung“ aufgrund der Nichtableistung der Selbstverteidigungspflicht der Brüder der bP 2 ausgesetzt sind.
II.1.6. Zur (allgemeinen) Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der der abgekürzt zitierten und gegenüber der bP offen gelegten Quellen getroffen:römisch II.1.6. Zur (allgemeinen) Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der der abgekürzt zitierten und gegenüber der bP offen gelegten Quellen getroffen:
II.1.6.1. Politische Lagerömisch II.1.6.1. Politische Lage
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba’ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.08.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.05.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70% des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime – unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.03.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023).
In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt.
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).
II.1.6.1.1. Syrische Interimsregierung und syrische Heilsregierungrömisch II.1.6.1.1. Syrische Interimsregierung und syrische Heilsregierung
Im März 2013 gab die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte als höchste offizielle Oppositionsbehörde die Bildung der syrischen Interimsregierung (Syrian Interim Government, SIG) bekannt, welche die Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes im ganzen Land verwalten soll. Im Laufe der Zeit schrumpften die der Opposition angehörenden Gebiete jedoch, insbesondere nach den Vereinbarungen von 2018, die dazu führten, dass Damaskus die Kontrolle über den Süden Syriens und die Oppositionsgebiete im Süden von Damaskus und im Umland übernahm. Der Einfluss der SIG ist nun auf die von der Türkei unterstützten Gebiete im Norden Aleppos beschränkt (SD 18.3.2023). Formell erstreckt sich ihr Zuständigkeitsbereich auch auf die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrollierte Zone. Dort wurde sie von der HTS jedoch an den Rand gedrängt (Brookings 27.1.2023). Die von der HTS kontrollierten Gebiete in Idlib und Teile der Provinzen Aleppo und Latakia werden inzwischen von der syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government, SSG), dem zivilen Flügel der HTS, regiert (SD 18.3.2023).
Nicht-staatliche Akteure in Nordsyrien haben systematisch daran gearbeitet, sich selbst mit Attributen der Staatlichkeit auszustatten. Sie haben sich von aufständischen bewaffneten Gruppen in Regierungsbehörden verwandelt. In Gebieten, die von der HTS, einer sunnitischen islamistischen politischen und militärischen Organisation, kontrolliert werden, und in Gebieten, die nominell unter der Kontrolle der SIG stehen, haben bewaffnete Gruppen und die ihnen angeschlossenen politischen Flügel den institutionellen Rahmen eines vollwertigen Staates mit ausgefeilten Regierungsstrukturen wie Präsidenten, Kabinetten, Ministerien, Regulierungsbehörden, Exekutivorganen usw. übernommen (Brookings 27.1.2023).
Die nordwestliche Ecke der Provinz Idlib, an der Grenze zur Türkei, ist die letzte Enklave der traditionellen Opposition gegen Assads Herrschaft. Sie beherbergt Dutzende von hauptsächlich islamischen bewaffneten Gruppen, von denen die HTS die dominanteste ist (MEI 26.4.2022). Mit der im November 2017 gegründeten (NPA 4.5.2023) syrischen Heilsregierung hat die HTS ihre Möglichkeiten zur Regulierung, Besteuerung und Bereitstellung begrenzter Dienstleistungen für die Zivilbevölkerung erweitert. Doch wie jüngste Studien gezeigt haben, sind diese Institutionen Mechanismen, die hochrangige Persönlichkeiten innerhalb der herrschenden Koalitionen ermächtigen und bereichern (Brookings 27.1.2023). In dem Gebiet werden keine organisierten Wahlen abgehalten und die dortigen Lokalräte werden von bewaffneten Gruppen beherrscht oder von diesen umgangen. Die HTS versucht in Idlib, eine autoritäre Ordnung mit einer islamistischen Agenda durchzusetzen. Obwohl die Mehrheit der Menschen in Idlib sunnitische Muslime sind, ist HTS nicht beliebt. Die von der HTS propagierten religiösen Dogmen sind nur ein Aspekt, der den Bürgerinnen und Bürgern missfällt. Zu den anderen Aspekten gehören der Mangel an grundlegenden Dienstleistungen, willkürliche Verhaftungen, Gewalt und Missbrauch (BS 23.2.2022).
In den von der Türkei besetzten und kontrollierten Gebieten in Nordwest- und Nordzentral-Syrien ist die SIG die nominelle Regierungsbehörde. Innerhalb der von der Türkei kontrollierten Zone ist eine von der Türkei unterstützte Koalition bewaffneter Gruppen, die Syrische Nationale Armee (SNA) - nicht zu verwechseln mit Assads Syrischen Streitkräften -, mächtiger als die SIG, die sie routinemäßig ignoriert oder außer Kraft setzt (Brookings 27.1.2023). Beide wiederum operieren de facto unter der Autorität der Türkei (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 18.3.2023). Die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte bildeten nach ihrer Machtübernahme 2016 bzw. 2018 in diesem Gebiet Lokalräte, die administrativ mit den angrenzenden Provinzen der Türkei verbunden sind. Laut einem Forscher des Omran Center for Strategic Studies können die Lokalräte keine strategischen Entscheidungen treffen, ohne nicht die entsprechenden türkischen Gouverneure einzubinden. Gemäß anderen Quellen variiert der Abhängigkeitsgrad der Lokalräte von den türkischen Behörden von einem Rat zum nächsten (SD 18.3.2023). Die Anwesenheit der Türkei bringt ein gewisses Maß an Stabilität, aber ihre Abhängigkeit von undisziplinierten lokalen Vertretern, ihre Unfähigkeit, die Fraktionsbildung unter den Dutzenden bewaffneter Gruppen, die mit der SNA verbunden sind, zu überwinden, und ihre Toleranz gegenüber deren Missbrauch und Ausbeutung der Zivilbevölkerung haben dazu geführt, dass ihre Kontrollzone die am wenigsten sichere und am brutalsten regierte im Norden Syriens ist (Brookings 27.1.2023).In den von der Türkei besetzten und kontrollierten Gebieten in Nordwest- und Nordzentral-Syrien ist die SIG die nominelle Regierungsbehörde. Innerhalb der von der Türkei kontrollierten Zone ist eine von der Türkei unterstützte Koalition bewaffneter Gruppen, die Syrische Nationale Armee (SNA) - nicht zu verwechseln mit Assads Syrischen Streitkräften -, mächtiger als die SIG, die sie routinemäßig ignoriert oder außer Kraft setzt (Brookings 27.1.2023). Beide wiederum operieren de facto unter der Autorität der Türkei (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 18.3.2023). Die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte bildeten nach ihrer Machtübernahme 2016 bzw. 2018 in diesem Gebiet Lokalräte, die administrativ mit den angrenzenden Provinzen der Türkei verbunden sind. Laut einem Forscher des Omran Center for Strategic Studies können die Lokalräte keine strategischen Entscheidungen treffen, ohne nicht die entsprechenden türkischen Gouverneure einzubinden. Gemäß anderen Quellen variiert der Abhängigkeitsgrad der Lokalräte von den türkischen Behörden von einem Rat zum nächsten (SD 18.3.2023). Die Anwesenheit der Türkei bringt ein gewisses Maß an Stabilität, aber ihre Abhängigkeit von undisziplinierten lokalen Vertretern, ihre Unfähigkeit, die Fraktionsbildung unter den Dutzenden bewaffneter Gruppen, die mit der SNA verbunden sind, zu überwinden, und ihre Toleranz gegenüber deren Missbrauch und Ausbeutung der Zivilbevölkerung haben dazu geführt, dass ihre Kontrollzone die am wenigsten sichere und am brutalsten regierte im Norden Syriens ist (Brookings 27.1.2023).
II.1.6.1.2. Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrienrömisch II.1.6.1.2. Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien
2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).
Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für "Westen" (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) (SWP 7.2018). Die von den USA unterstützten SDF (TWI 18.7.2022) sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen (USDOS 20.3.2023), in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist (KAS 4.12.2018). Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des "Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien" (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben (SWP 7.2018). Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).
Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet 'belohnt' zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 20.3.2023). Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen (ICG 18.11.2021). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren (ÖB Damaskus 1