TE Bvwg Erkenntnis 2024/6/24 W117 2277567-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.2024
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Entscheidungsdatum

24.06.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W117 2277567-1 /7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Druckenthaner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2023, Zl. , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Druckenthaner als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2023, Zl. , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, als unbegründet abgewiesen.A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (AsylG 2005) idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:römisch eins.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (infolge: BF), ein syrischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte am 05.03.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 05.03.2023 fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die Erstbefragung des BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Zu seinen Fluchtgründen führte er im Wesentlichen aus, dass er Syrien wegen des Krieges verlassen, außerdem habe er zum Militär einrücken sollen. Da er nicht kämpfe wolle, sei er geflüchtet. Bei einer Rückkehr in sein Heimatland befürchtet der BF eingezogen zu werden.

Am 17.02.2023 erfolgte unter Beziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA oder Bundesamt). Zu seinen Fluchtgründen führte er im Wesentlichen aus, er Syrien 2017 verlassen habe, weil er seinen Militärdienst nicht geleistet habe und weil er einem Gebiet gewohnt habe, wo das syrische Regime meinte, dass sein Gebiet als Oppositionsgebiet gelte und dessen Bewohner gegen das syrische Regime seien. Er habe Angst gehabt, wenn das syrische Regime in sein Dorf gelange, dass die Leute festgenommen oder getötet werden und dasselbe auch mit ihm passiere. Er habe aufgrund des Krieges sein Studium nicht abgeschlossen und habe aufgrund des fehlenden Abschlusses von 2 Fächern vom syrischen Regime einen Aufschub bekommen. Diesen Aufschub habe er am Schluss nicht mehr bekommen und der BF habe den Militärdienst ableisten sollen. Die letzte Einberufung sei im Jahr 2013 gewesen. Seitdem die syrische Armee 2017 das Gebiet kontrolliere habe er Angst nochmal einberufen zu werden.

Im Zuge seiner Einvernahme legte der BF seinen syrischen Personalausweis im Original, ein Familienregister in Kopie, ein Militärbuch in Kopie und einen Einberufungsbefehl ausgestellt am 18.11.2013 in Kopie vor.

Am 08.04.2023 langte beim BFA ein Untersuchungsbericht der Landespolizeidirektion Oberösterreich ein. Laut diesem ist im Hinblick auf den vorgelegten Personalausweis nach dem derzeitigen Wissensstand kein offensichtlicher Hinweis für eine Fälschung oder Verfälschung festgestellt worden.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.06.2023 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.06.2023 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).

Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dem BF in Syrien keine individuelle, persönlich betreffende Verfolgung droht. Festgestellt wurde, dass der BF in seinem Heimatstaat nicht politisch tätig war, kein Mitglied einer Partei war und weder wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, noch wegen seiner Religion mit den Behörden seines Herkunftsstaates Probleme hatte. Es wurde festgestellt, dass der BF eine Einberufung im Jahr 2013 für den Militärdienst erhalten hat und dass der BF Syrien wegen der allgemeinen Sicherheitslage verlassen hat.

3. Gegen Spruchpunkt I. des oben angeführten Bescheides erhob der BF fristgerecht Beschwerde durch seine Rechtsvertretung, in der zusammengefasst vorgebracht wurde, der BF habe 12 Jahre die Schule besucht und studierte anschließend 5 Jahre Mathematik auf der Universität. Er konnte aufgrund des Krieges sein Studium aber nicht abschließen. Der BF habe seinen regulären Wehrdienst nicht geleistet. Bei einer Einziehung zum Militär müsse er sich an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder an anderen Handlungen, der Satzung der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, beteiligen. Im Falle der Weigerung des Militärdienstes drohen dem BF unverhältnismäßig hohe Strafen seitens der syrischen Regierung. Aufgrund der Willkür schütze ihm die rechtliche Vorgabe sich Freikaufen zu können, nicht dauerhaft vor einer Rekrutierung, zudem wolle der BF das syrische Regime nicht unterstützen, auch nicht monetär. Der BF befürchtet die Zwangsrekrutierung durch die syrische Armee. Er wolle an keinen Kampfhandlungen teilnehmen und weder für das syrische Regime noch für die oppositionellen Kräfte kämpfen. Aufgrund seines fortgeschrittenen Alters habe der BF keinen Aufschub mehr für den Militärdienst bekommen und deshalb auch keinen mehr beantragt. Zudem werde ihm aufgrund der Asylantragstellung im Ausland und der illegalen Ausreise seitens der syrischen Regierung eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt.3. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des oben angeführten Bescheides erhob der BF fristgerecht Beschwerde durch seine Rechtsvertretung, in der zusammengefasst vorgebracht wurde, der BF habe 12 Jahre die Schule besucht und studierte anschließend 5 Jahre Mathematik auf der Universität. Er konnte aufgrund des Krieges sein Studium aber nicht abschließen. Der BF habe seinen regulären Wehrdienst nicht geleistet. Bei einer Einziehung zum Militär müsse er sich an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder an anderen Handlungen, der Satzung der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, beteiligen. Im Falle der Weigerung des Militärdienstes drohen dem BF unverhältnismäßig hohe Strafen seitens der syrischen Regierung. Aufgrund der Willkür schütze ihm die rechtliche Vorgabe sich Freikaufen zu können, nicht dauerhaft vor einer Rekrutierung, zudem wolle der BF das syrische Regime nicht unterstützen, auch nicht monetär. Der BF befürchtet die Zwangsrekrutierung durch die syrische Armee. Er wolle an keinen Kampfhandlungen teilnehmen und weder für das syrische Regime noch für die oppositionellen Kräfte kämpfen. Aufgrund seines fortgeschrittenen Alters habe der BF keinen Aufschub mehr für den Militärdienst bekommen und deshalb auch keinen mehr beantragt. Zudem werde ihm aufgrund der Asylantragstellung im Ausland und der illegalen Ausreise seitens der syrischen Regierung eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt.

4. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 05.09.2023 beim Bundesverwaltungsgericht (infolge: BVwG) eingelangt.

5.Mit Schreiben vom 03.06.2024 wurde dem Beschwerdeführer zu den als Grundlage für das beabsichtigte Erkenntnis vorgesehenen Länderinformationsquellen, Themenbericht der Staatendokumentation Syrien – Grenzübergänge Version 1, Datum der Veröffentlichung: 2023-10-25, Länderinformation der Staatendokumentation Syrien, Version 11, Datum der Veröffentlichung: 2024-03-27, Parteiengehör eingeräumt.

7. Der Beschwerdeführer gab dazu eine Stellungnahme ab, bekräftigte darin nochmals seinen Asylanspruch aufgrund seiner Weigerung, den Wehrdienst abzuleisten und betonte in diesem Zusammenhang, dass sich aus dem Länderdokumentationsmaterial nicht ableite, dass man mit der Bezahlung der Gebühr tatsächlich nicht eingezogen würde, abgesehen davon, dass er über keine ausreichenden finanziellen Mittel verfüge, die befreiungsgebühr aufzubringen. Es drohe ihm auch eine Zwangsrekrutierung seitens der oppositionellen HTS. Er könne außerdem die Herkunftsregion auch nicht ohne Kontakt zum syrischen Regime sicher erreichen. Auch habe er alleine schon wegen seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung zu befürchten.

8. Am fand in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch und der Rechtsvertretung des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem BVwG statt, in welcher der BF ausführlich zu seinen persönlichen Lebensumständen in Syrien und seinen Fluchtgründen befragt wurde sowie die Rückkehrsituation erörtert wurde; die Verhandlung nahm folgenden Verlauf:

„(…)

RI befragt die beschwerdeführende Partei ob diese psychisch und physisch in der Lage ist, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen und an sie gerichteten Fragen wahrheitsgemäß beantworten?

BF: Mir geht es gesundheitlich gut.

Eröffnung des Beweisverfahrens:
(…)

Verlesen wird der bisherige Akteninhalt; Festgehalten wird, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs eine Stellungnahme abgab, und nochmals Asyl begehrte.

R: Sie wurden am 05.03.2023 erstbefragt und am 17.02.2023 niederschriftlich von der Verwaltungsbehörde einvernommen?

BF: Ja.

R: Eine Widersprüchlichkeit Ihrer Angaben bestand darin, dass Sie bei der Erstbefragung anführten, im August 2021 Syrien verlassen zu haben und bei der EV 2017 in die Türkei ausgereist zu sein.

BF: Ich war damals, als ich seitens der Polizei angehalten wurde, erschöpft. Aber das auch von der EV beim BFA damals aufgeklärt, dass ich im Jahr 2017 Syrien verließ und im Jahr 2021 bereits versuchte in die EU einzureisen.

R: Wo haben Sie sich zwischen 2017 und 2021 nun tatsächlich aufgehalten?

BF: In der Türkei. Ich wollte aber nur noch bezüglich der Schulausbildung anmerken, dass ich 4 Jahre lang die Uni besucht habe. Ich war aber tatsächlich 6 Jahre in Damaskus, weil ich das Unijahr wiederholen musste aufgrund der ganzen Ereignisse ein Syrien. Ich habe keinen positiven Abschluss.

R: Warum haben Sie das damals nicht gesagt?

BF: ich habe das erst, als ich die NS übersetzt habe, gemerkt, dass statt 6 Jahren, 4 Jahre protokolliert wurden. Bezüglich der Erstbefragung, so haben mir die Polizisten dort gesagt, ich hätte eine weitere Chance von dem BFA, ich müsste keine weiteren Ausführungen machen.

R: Eine weitere Widersprüchlichkeit könnte man auch darin sehen, dass Sie in der Erstbefragung mitgeteilt haben, dass Sie eine syrische ID Card besitzen würden. Auf die entsprechende Frage in der nachfolgenden EV, ob Sie einen Reisepass oder eine ID Card jemals besessen haben, haben Sie dies verneint. Und haben auch gesagt, dass die Angaben in der Erstbefragung nicht stimmen würden.

BF: Dieses verneinen bezieht sich auf einen Reisepass, aber ich habe bereits meine syrische ID Card vorgelegt.

R: Sie haben auch gesagt, dass Sie einen Einberufungsbefehl im Jahr 2013 erhalten hätten und jetzt stellt sich doch die Frage, warum Sie nicht eingezogen wurden, wenn Sie erst 2017 Syrien verlassen haben?

BF: Ich war das letzte Mal im Regierungsgebiet im Jahr 2012. Ich bin dann in weiterer Folge nach Idlib ins Oppositionsgebiet gezogen, bis 2017. Als ich noch im Regierungsgebiet gelebt habe, habe ich mein Militärdienstbuch einer Person anvertraut und Ausbildungsaufschübe erhalten. Als ich dann ins Oppositionsgebiet gezogen bin, habe ich mich dann auch nicht mehr darum gekümmert, weil ich seitens der Regierung nicht mehr aufgreifbar war. Im Jahr 2014 war eine Dame vom Regierungsgebiet ins Oppositionsgebiet unterwegs, aber ich weiß nicht was für Aufgaben sie hatte. Sie hat uns aber im Jahr 2014 Schriftstück übergeben, die bereits ein früheres Ausstellungsdatum hatten.

R: Wenn Sie mir das so sagen, stellt sich für mich schon die Frage, warum sind Sie erst 2017 ausgereist und letztlich warum sind Sie überhaupt ausgereist, wo Sie doch im Oppositionsgebiet waren?

BF: AB 2017 ist die Regierung aggressiv vorgetreten. Sie haben zu der Zeit mehrere Dörfer in Idlib eingenommen und es war der Vorschlag mehrerer Personen, dass die Gesuchten lieber die Ortschaft bzw. das Land verlassen, als seitens der Regierung angehalten und eingezogen zu werden. Es gab auch in Khan Sheikhun (phonetisch) eine Massentötung, dabei sind sehr viele Kinder ums Leben gekommen. Es wurde uns damals berichtet, dass die Regierung uns mit chemischen Waffen beschoss. Zu der Zeit wollte nicht nur die Regierung die Kontrolle über unsere Ortschaft erlangen, sondern auch anderer bewaffnete Gruppierungen. Wie unter anderen die Islamisten. Ich hatte dementsprechend Angst seitens irgendeiner Gruppe eingezogen zu werden. Ich bin ja schließlich gegen die Regierung aufgetreten, in dem ich mich ihnen nicht angeschlossen habe. Ich wollte mich keinem anschließen, wollte an keinen Kriegshandlungen teilnehmen. Aus diesem Grund bin ich illegal schlepperunterstützt in die Türkei eingereist. BF: Ausschussbericht 2017 ist die Regierung aggressiv vorgetreten. Sie haben zu der Zeit mehrere Dörfer in Idlib eingenommen und es war der Vorschlag mehrerer Personen, dass die Gesuchten lieber die Ortschaft bzw. das Land verlassen, als seitens der Regierung angehalten und eingezogen zu werden. Es gab auch in Khan Sheikhun (phonetisch) eine Massentötung, dabei sind sehr viele Kinder ums Leben gekommen. Es wurde uns damals berichtet, dass die Regierung uns mit chemischen Waffen beschoss. Zu der Zeit wollte nicht nur die Regierung die Kontrolle über unsere Ortschaft erlangen, sondern auch anderer bewaffnete Gruppierungen. Wie unter anderen die Islamisten. Ich hatte dementsprechend Angst seitens irgendeiner Gruppe eingezogen zu werden. Ich bin ja schließlich gegen die Regierung aufgetreten, in dem ich mich ihnen nicht angeschlossen habe. Ich wollte mich keinem anschließen, wollte an keinen Kriegshandlungen teilnehmen. Aus diesem Grund bin ich illegal schlepperunterstützt in die Türkei eingereist.

R: Wer von Ihren Familienangehörigen lebt heute noch in Syrien?

BF: Meine Eltern, mein Bruder und 2 Schwestern. Aber sie leben in den Flüchtlingslagern an der Grenze. Nachgefragt: An der Grenze zur Türkei.

R: Aber auf syrischem Staatsgebiet?

BF: Es ist ein Oppositionsgebiet und unter der Kontrolle der HTS. Die Regierung kann dort nicht eingreifen.

R: Wie alt ist Ihr Bruder?

BF: Er ist 1992 geboren.

R: Aber für Ihren Bruder müsste ja eigentlich genau dasselbe gelten, wie für Sie oder?

BF: Er versucht ja ständig auszureisen. Aber die HTS ist etwas streng. Es ist nicht mehr so leicht wie früher, das Land zu verlassen?

R: Musste Ihr Bruder den Wehrdienst ableisten?

BF: Ich nehme an, dass er bei keinem gedient hat.

R: Ihm hätte ja auch ständig die Einziehung gedroht?

BF: Ja, aber das ist ja seine Sache.

R: Von was lebt Ihre Familie in dem Lager?

BF: Durch Unterstützung der Organisationen, die diese Lager fördern. Aber auch durch die Unterstützung meines Bruders. Er arbeitet hin und wieder.

R: Seit wann leben die dort im Lager?

BF: Seit 2019, vor allem seitdem die Regierung die Kontrolle über unsere Ortschaft erlangte. Nachgefragt: Das war 2019.

R: Vorher war die Familie auch in Idlib?

BF: Im Gouvernement Idlib. Im Dorf (…).

R: Von was hat Ihre Familie bis 2019 gelebt?

BF: Wir haben im Dorf eine Landwirtschaftliche Fläche und ein Geschäft. Sie haben durch diese beiden Einnahmen gelebt.

R: Was ist heute damit?

BF: Jetzt ist die Ortschaft unter der Kontrolle der Regierung. Ich habe dementsprechend keinen Zugriff mehr auf unser Eigentum und die Landwirtschaftliche Fläche. Es wurde seitens der Regierung beschlagnahmt worden.

R: Insgesamt leben in dem Lager wie viele Familienangehörige?

BF: Meine Eltern, mein Bruder und eine Schwester. Die andere Schwester lebt mit ihrem Mann. Nachgefragt: Nicht im selben Zelt, in einem anderen Zelt. Aber in demselben Gebiet.

R: Arbeiten die Eltern?

BF: Nein, sie sind über 60, sie arbeiten nicht.

R: Was ist mit den Schwestern?

BF: Sie arbeiten auch nicht.

R: Was macht der Mann der einen Schwester?

BF: Das weiß ich nicht, ich habe keinen Kontakt mehr seit 2019 oder 2020 zu ihnen bzw. ich habe nur geringen Kontakt zu denen.

R: Sie haben eine Kopie des Militärbuches und eine Kopie des Einberufungsbefehls vorgelegt. Sie sagten, dass die Originale durch ein Erbeben zerstört worden seien. Sind die Kopien nicht zerstört worden?

BF: Kurz vor der EV hat mir meine Ehefrau die Kopien des Militärbuches und des Einberufungsbefehls geschickt. Ich hatte eigentlich vor, dass sie mir zukommen lässt. Dann waren aber die Ereignisse des Erdbebens. Das war ungefähr Tage vor der Einvernahme. Das sage ich auch der Leiterin der Befragung, dass meine angehörigen derzeit auf der Straße leben und dass die Originale beim Erdbeben verloren gegangen sind.

R: Warum haben Sie die Originale nicht mitgenommen?

BF: Ich dachte, ich brauche diese Unterlagen bei der Ausreise nicht, bzw. bei der Einreise nach Ö. Ich hatte nur die syrische ID dabei. Erst als ich darauf hingewiesen wurde in Ö, dass diese relevant sind, habe ich meine Frau kontaktiert und gesagt, sie solle mir die Fotos schicken und dann die Originale nachschicken. Dann fanden diese Ereignisse des Erdbebens statt. Meiner Frau ist es in letzter Sekunde gelungen, aus dem Gebäude zu flüchten. Sie hatte nicht die Gelegenheit alles einzupacken und zu gehen. Einige Zeit danach sagte mir meine Frau, dass sie mein Militärbuch gefunden hat. Ich habe es dabei.

R: Wieso haben Sie das bei der EV nicht vorgelegt?

BF: Ich wusste ja nicht, dass sie es gefunden hat. Ich dachte, sie hätte es bei dem Erdbeben verloren.

Das Militärbuch wird im Auszugsweise in Kopie zum Akt genommen. Das Original wird wieder retourniert.

D nimmt Einsicht in das Militärbuch.

R: In allen Staaten der Welt kriegt man einen Einberufungsbefehl, man geht zum Militär, und dort wird einem ein Wehrdienstbuch ausgestellt. Sie haben dieses Militär nie von innen gesehen und legen Ihr Militärbuch vor. Das finde ich etwas überraschend. Das Militärbuch wird eigentlich immer während des Dienstes beim Militär ausgestellt.

BF: Ich verstehe Ihre Frage nicht.

R erläutert die Frage.

D gibt an: Bevor wir den BF fragen. Im arabischen Raum verhält es sich so, dass man zur Musterung vorgeladen ist. Dort erhält man bereits ein Militärbuch, nachdem man die ärztlichen Untersuchungen durchgeführt hat und als tauglich eingestuft wurde. Das ist auch in diesem Militärbuch hier eingetragen. Dann hat man 2 Möglichkeiten: Entweder man gibt an, dass man die Ausbildung (Studium, Matura etc.) fortsetzen möchte und dann bekommt man immer im Militärbuch die Aufschübe eingestempelt. Wie es auch in diesem Militärbuch der Fall ist. Der BF hat konkret Aufschübe von 2006 bis 2013 erhalten. Bis zu einem gewissen Alter, werden solche Ausbildungsaufschübe von der Rekrutierungsstelle genehmigt, danach muss man sich dem Militär stellen. Das alles ist Variante 1. Variante 2 ist, dass man die Schule etc. abbricht und gibt an, dass man seinen Militärdienst ableistet. Man muss immer mit diesem Buch unterwegs sein, denn wenn man an einem Kontrollposten angehalten wird und man im wehrdienstfähigem Alter, dann kann man mit diesen Aufschüben eindeutig beweisen, dass man immer noch in Ausbildung ist und einem der Aufschub genehmigt ist und man nicht eingezogen wird. Wenn man dies nicht vorgelegen kann, dann wird man direkt am Kontrollposten eingezogen. Der BF hat dieses Buch konkret am 06.02.2006 bekommen. Die letzte Eintragung wurde am 01.09.2013 datiert. Da wurde der letzte Aufschub eingetragen. Der ist bis 01.09.2013 gültig.

RV: Dies findet man auch alles im LIB. Regierungsvorlage, Dies findet man auch alles im LIB.

BF: Ab 2012 habe ich bereits im Oppositionsgebiet gelebt und im Jahr 2014 wurde mir durch eine Dam ein Einberufungsbefehl in die Hand gedrückt.

R: Wie hat diese gewusst, dass Sie dort sind?

BF: Ich habe mein Militärbuch einer Person anvertraut und er hat ihr mein Militärbuch und den Einberufungsbefehl gegeben und ihr gesagt „gib das XXXX “ und weil wir uns im Dorf kennen, hat sie mich leicht gefunden. BF: Ich habe mein Militärbuch einer Person anvertraut und er hat ihr mein Militärbuch und den Einberufungsbefehl gegeben und ihr gesagt „gib das römisch 40 “ und weil wir uns im Dorf kennen, hat sie mich leicht gefunden.

R: Warum vertrauen Sie Ihr Militärbuch einer Person an, samt Einberufungsbefehl?

BF: Diese Person hat sich darum gekümmert, dass ich diese Stempel im Militärbuch erhalte. Als die Ortschaft (…) (phonetisch) angegriffen wurde und seitens der Regierung eingenommen wurde, ist der Kontakt zu dieser Person abgebrochen. Und weil ich im Oppositionsgebiet gelebt habe, habe ich mich selbst nicht mehr darum gekümmert, dass ich dieses Militärbuch erhalte. Ich habe ebenso vorhin ausgeführt, dass ich diesen Einberufungsbefehl 2014 erhalten habe, aber dieser ist bereits zuvor ausgestellt worden.

R: Sie wurden auch sonst umfassend im Zuge Ihrer EV am 17.02.2023 befragt und wollen Sie von sich aus noch etwas hinzufügen?

BF: Anfang der Ereignisse habe ich an Demos teilgenommen, gegen die syrische Regierung. Ich bin auch oppositionell eingestellt vorgegangen. Ich habe es abgelehnt, mich der syrischen Regierung anzuschließen und mit ihnen zu kämpfen, damit ich meine eigenen Landsleute nicht töten muss. Das bedeutet, dass ich vom Militärdienst ferngeblieben bin und das Töten auf ihrer Seite abgelehnt habe. Das SR betrachtet mich als Verräter, da ich nicht auf deren Seite gekämpft habe und mich vom Militärdienst entzogen habe. Das sind die Gründe.

R: Aber Ihre oppositionelle Einstellung führen Sie heute zum ersten Mal ins Treffen. Weder bei der EB noch bei der EV am 17.02.2023 führen Sie entsprechend aus, Sie haben die Frage „Sind oder waren sie politisch tätig“ ausdrücklich mit „nein“ beantwortet. Sie haben weiters die Frage „Sind oder waren Sie Mitleid einer politischen Partei“ mit „nein“ beantwortet. Und Sie haben ausdrücklich auf die Aufforderung die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates vollständig und wahrheitsgemäß anzuführen, nur den Militärdienst ins Treffen geführt und ganz wage angeführt „wir sind alle gegen das SR“. Sie haben mit keinem Wort die Teilnahme an Demos erwähnt und haben sogar die Frage, warum Sie den syrischen Militärdienst nicht ableisten wollen, ganz allgemein ohne jeden politischen Bezug wie folgt beantwortet: „Weil ich nicht jemanden umbringen will und ich will auch nicht getötet werden, ich kann kein Blut sehen“. Ich sehe Ihre heutigen Ausführungen unpräjudiziell als massive Steigerung des Vorbingens an und erschient es mir nicht glaubwürdig.

BF: Ich erzähle Ihnen die Wahrheit, ich habe diese Ausführungen bereits beim BFA gemacht, ich sagte auch, dass im Allgemeinen Kafr Nabol zur Gänze gesucht wird, seitens der SR. Die Leiterin der Befragung meinte, ich solle nur Sache erwähnen, die mich persönlich betreffen. Ich habe ich ihr mehrmals gesagt, dass ich Oppositionell eingestellt bin und auch an Demos teilgenommen habe.

R an RV: Haben Sie Fragen an den BF? R an Regierungsvorlage, Haben Sie Fragen an den BF?

RV: Warum flüchtet Ihre Familie vor dem Assad Regime? Regierungsvorlage, Warum flüchtet Ihre Familie vor dem Assad Regime?

BF: Weil wir aus einem Oppositionsgebiet stammen und wir alle Oppositionell eingestellt sind.

RV: Hat sich jemand aus Ihrer Verwandtschaft in Syrien politisch betätigt? Regierungsvorlage, Hat sich jemand aus Ihrer Verwandtschaft in Syrien politisch betätigt?

BF: Wir haben alle an Demos teilgenommen. Wir haben ganz normal an normalen Demos teilgenommen, die friedlich waren: Wir haben Plakate geschrieben. Aber es gab keinen, der sich einer politischen Partei angeschlossen hat.

RV: Besteht für Sie eine Möglichkeit einer Befreiungsgebühr? Wäre das für Sie eine Option? Regierungsvorlage, Besteht für Sie eine Möglichkeit einer Befreiungsgebühr? Wäre das für Sie eine Option?

BF: Ich glaube ich habe diese Frage bereits beantwortet, indem ich ausgeführt habe, dass ich Oppositionell eingestellt bin, aus einem Oppositionsgebiet stamme und ich würde keine Gebühr dem Regime zahlen. Ich habe ja schließlich bereits zuvor abgelehnt, an Kampfhandlungen auf der Seite der Regierung teilzunehmen. Ich werde seitens der Regierung dementsprechend als Verräter angesehen. Dies wird mit der Inhaftierung verbunden mit Folter und der Tötung bestraft. Das ist ja schließlich eine mörderische Regierung, die aus Straftätern besteht. Sie haben unschuldige Zivilisten und Kinder getötet. Wer garantiert mir nach dem Freikauf, dass die Regierung mich nicht bestraft? Es ist allgemein bekannt, dass die Regierung, nachdem sie Oppositionsgebiete eingenommen hat, und obwohl sie den Einheimischen versprach, ihnen nichts anzutun, sie trotzdem inhaftiert und bestraft. Es gibt keine Glaubwürdigkeit.

RV: Keine weiteren Fragen. Regierungsvorlage, Keine weiteren Fragen.

RI: Die RV hat eine Stellungnahme abgegeben und umfassend zur Frage zu Rückkehrer Stellung bezogen. Ausdrücklich wird angemerkt, dass auch das letzte UNHCR Dokument vom Juni 2024 „Latest Country Information on Syria with Focus on Returnees“ verwendet wird. Wollen Sie dazu noch etwas sagen oder eine Stellungnahme abgeben? RI: Die Regierungsvorlage hat eine Stellungnahme abgegeben und umfassend zur Frage zu Rückkehrer Stellung bezogen. Ausdrücklich wird angemerkt, dass auch das letzte UNHCR Dokument vom Juni 2024 „Latest Country Information on Syria with Focus on Returnees“ verwendet wird. Wollen Sie dazu noch etwas sagen oder eine Stellungnahme abgeben?

RV: Ich verweise auf die bereits eingelangte Stellungnahme vom 14.06.2024.Regierungsvorlage, Ich verweise auf die bereits eingelangte Stellungnahme vom 14.06.2024.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF führt den im Erkenntniskopf genannten Namen und das angeführte Geburtsdatum. Seine Identität steht fest. Er ist syrischer Staatsangehöriger, sunnitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Araber an. Seine Muttersprache ist Arabisch.

Der BF ist verheiratet und hat ein gemeinsames Kind. Die Ehefrau des BF, welche im Gouvernement Idlib, geboren wurde, lebt seit 2017 mit dem gemeinsamen Sohn in der Türkei. Der BF hat regelmäßig Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Sein Sohn wurde am 13.12.2021 in der Türkei geboren.

Er hat zwei Brüder und fünf Schwestern. Ein Bruder lebt in Syrien, der andere lebt in der Türkei. Eine Schwester lebt in Deutschland, zwei leben in Syrien und zwei Schwestern leben in der Türkei. Seine Eltern leben in Syrien

Der BF wurde in der Stadt Aldar Alkabira in der Provinz Idlib, geboren und aufgewachsen. Er besuchte in Syrien für 12 Jahre die Schule und studierte 4 Jahre Mathematik an einer syrischen Universität. Der BF hat Berufserfahrung als Arbeiter in der Landwirtschaft, hat als Lehrer in seinem Dorf unterrichtet und arbeitete in einer Boutique.

Der Herkunftsort des BF, die Stadt Aldar Alkabira, in der Provinz Idlib, wird aktuell vom syrischen Regime kontrolliert.

Der BF verließ Im Jänner 2022 die Türkei, wo er seit 2017 lebte und gelangte in weiterer Folge unter Umgehung der Grenzkontrollen über verschiedene Länder schlepperunterstützt nach Österreich und stellte am 05.03.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der BF verließ Syrien im Jahr 2017 wegen der der allgemein schlechten Situation und des Bürgerkrieges. Er in Syrien in der Vergangenheit keiner individuellen Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt.

In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren zum Wehrdienst der syrischen Streitkräfte eingezogen werden. Der Beschwerdeführer ist im wehrdienstpflichtigen Alter, seit einem studienbedingten Aufschub, nicht mehr vom Wehrdienst befreit und hat den Wehrdienst für das syrische Regime noch nicht abgeleistet. Dementsprechend gehört er zu jenem Personenkreis, der zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet ist, und im Fall einer Rückkehr nach Syrien zum Militärdienst eingezogen werden kann. Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2013 einen Einberufungsbefehl erhalten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die syrische Regierung jeden im Ausland lebenden Syrer, der seinen Wehrdienst nicht abgeleistet hat, zwangsläufig einer oppositionellen Gesinnung bezichtigt. Auch hat der Beschwerdeführer kein Verhalten gesetzt, infolge dessen ihm seitens des syrischen Regimes eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden würde. So war der Beschwerdeführer in Syrien bzw. im Ausland nicht politisch aktiv oder außenwirksam tätig und nie Mitglied einer oppositionellen Gruppierung und ist auch sonst nicht in das Blickfeld der syrischen Regierung geraten. Nach dem Beschwerdeführer wurde in Syrien nie gefahndet, er wurde nie festgenommen oder inhaftiert.

Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung aufgrund des nicht abgeleisteten Wehrdienstes, die im Zusammenhang mit einer (unterstellten) politischen Gesinnung steht.

Zudem ist die Wehrdienstverweigerung nicht das einzige Mittel, mit dem der Beschwerdeführer einer Ableistung des Wehrdienstes entgehen kann. Das syrische Gesetz sieht für männliche syrische Staatsbürger, die – wie der Beschwerdeführer – im Ausland niedergelassen sind, die Möglichkeit vor, sich durch die Zahlung einer Gebühr dauerhaft von der Wehrpflicht zu befreien. Es bestehen keine individuellen Gründe, die es dem Beschwerdeführer verunmöglichen würden, von dieser Befreiungsgebühr Gebrauch zu machen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die syrischen Behörden Personen, die sich vom Wehrdienst freigekauft haben (selbst wenn dies nicht zeitnah nach Erreichen des wehrpflichtigen Alters erfolgte), eine oppositionelle Gesinnung unterstellen oder diese trotz der entrichteten Wehrersatzgebühr systematisch bzw. mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dennoch zum Wehrdienst einziehen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass im Fall des Beschwerdeführers erfolgen würde.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

1.3.1. Zur Gebietskontrolle und Sicherheitslage:

Sicherheitslage

Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).

Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach eine politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).

Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 70 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 29.3.2023). Die United Nations Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) veröffentlichte eine Karte mit Stand Dezember 2022, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind. Es gibt Gebiete, in denen mehr als Akteur präsent ist (UNCOI 1.2023).

Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten

Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des UN-Generalsekretärs für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023).

Die CoI stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den Vereinten Nationen benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Mitte des Jahres 2016 hatte die syrische Regierung nur ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der 'wichtigsten' Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt, kontrolliert (Reuters 13.4.2016). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 29.3.2023).

Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind während des Jahres im Land in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Irans unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah. Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).

Auch wenn die militärische Rückeroberung des gesamten Staatsgebietes erklärtes Ziel des Regimes bleibt, zeichnet sich eine Rückeroberung weiterer Landesteile durch das Regime derzeit nicht ab. Im Nordwesten des Landes werden Teile der Gouvernements Lattakia, Idlib und Aleppo durch die von den Vereinten Nationen als Terrororganisation eingestufte Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) sowie Türkei-nahe bewaffnete Gruppierungen kontrolliert. Die Gebiete im Norden und Nordosten entlang der Grenze zur Türkei stehen in Teilen unter Kontrolle der Türkei und der ihr nahestehenden bewaffneten Gruppierungen und in Teilen unter Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) und in einigen Fällen auch des syrischen Regimes (AA 29.11.2021).

Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der Syrischen Demokratischen Kräfte und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022).

Im Gouvernement Dara'a kam es 2022 weiterhin zu Gewalt zwischen Regimekräften und lokalen Aufständischen trotz eines nominellen Siegs der Regierung im Jahr 2018 und eines von Russland vermittelten 'Versöhnungsabkommens'. Eine allgemeine Verschlechterung von Recht und Ordnung trägt in der Provinz auch zu gewalttätiger Kriminalität bei (FH 9.3.2023).

Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022).

Seit Beginn 2023 wurden mit Stand 1.5.2023 auch 258 ZivilistInnen durch andere Akteure (als dem Regime) getötet, somit 75 Prozent aller zivilen Toten in diesem Jahr. Viele von ihnen wurden beim Trüffelsuchen getötet, und dazu kommen auch Todesfälle durch Landminen. Außerdem bietet die Unsicherheit in vielen Gebieten ein passendes Umfeld für Schießereien durch nicht-identifzierte Akteure (SNHR 1.5.2023).

Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS)

Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vgl. DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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