Entscheidungsdatum
26.06.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W299 2270550-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. Neuhold als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2023, XXXX nach Durchführung mündlicher Verhandlungen, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. Neuhold als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2023, römisch 40 nach Durchführung mündlicher Verhandlungen, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch: BF) reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 31.10.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am selben Tag fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die Erstbefragung des Beschwerdeführers vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass die Sicherheitslage in Syrien sehr schlecht sei. Es herrsche Krieg und es gäbe keine Arbeit in Syrien. Er wolle, dass seine Familie in Sicherheit sei. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien befürchte er Armut und Unsicherheit. Sein Zielland sei Österreich gewesen, weil Österreich einen guten Ruf habe.
3. Am 09.08.2022 erfolgte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA). Befragt zu seinen Fluchtgründen, gab der Beschwerdeführer an, dass es in Syrien keine Sicherheit gäbe, keine Schule, keinen Strom kein Wasser. Man gehe aus dem Haus und wisse nicht, ob man wieder nach Hause komme oder nicht. Vor drei Tagen hätte es eine Explosion in einer Autowerkstatt in Qamishli gegeben. Er sei persönlich nie an Kriegshandlungen beteiligt gewesen und sei nie persönlich bedroht worden. Zudem gab er an, dass er aus Syrien ausgereist sei, damit seine Kinder hier in die Schule gehen könnten und auch wegen der Sicherheit. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst, dass er befragt werde, warum er ausgereist sei. Seine Ausreise sei illegal erfolgt. Es könne sein, dass das Regime ihn umbringe, weil er Syrien verlassen habe. Im Zuge der Erörterung der Feststellungen zur Situation in seinem Herkunftsland gab er an, dass es in Syrien keine Sicherheit gäbe. Er habe Verwandte in der Umgebung, aber man könne sie nicht besuchen, weil es zu unsicher sei.
Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Personenstandsdokumenten in Kopie samt Übersetzung, eine Wehrdienstbetätigung, eine Wählerkarte sowie ein Wehrdienstbuch im Original vor.
4. Das Wehrdienstbuch wurde in der Folge einer Überprüfung durch die Landespolizeidirektion Steiermark unterzogen, wobei keine Anhaltspunkte für eine Fälschung oder Verfälschung festgestellt wurden.
5. Mit Bescheid vom 16.03.2023, Zl. XXXX , wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AslyG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß §8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).5. Mit Bescheid vom 16.03.2023, Zl. römisch 40 , wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AslyG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm gemäß §8 Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer Syrien auf Grund der allgemeinen Gefahrensituation wegen des Bürgerkrieges verlassen habe. Die Behörde verkenne dabei nicht, dass die überwiegende Mehrheit der syrischen Zivilbevölkerung, in unterschiedlichsten Ausformungen, von den Auseinandersetzungen des syrischen Staates bzw. den verschiedenen Rebellengruppierungen betroffen sei. Es sei daher verständlich und nachvollziehbar, dass er Angst empfunden habe und auch den starken Wunsch hatte, sein weiteres Leben außerhalb eines Landes mit mittlerweile mehrjährigem Bürgerkrieg zu gestalten. Jedoch seien diese allgemeinen, im Wesentlichen alle Bürger seines Landes treffenden Verhältnisse per se nicht fähig, eine asylrelevante Verfolgung zu begründen. Genau jene entscheidende Komponente einer individuellen Betroffenheit, die seiner Situation in den Bereich asylrechtlicher Relevanz rücken würde, habe er nicht glaubhaft geltend gemacht. Eine konkrete gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr auf Grund der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe wäre daher von ihm nicht glaubhaft gemacht bzw. behauptet worden. Auch sonst seien im gesamten Verfahren keinerlei Anhaltspunkte hervorgekommen, die auf eine mögliche Asylrelevanz der behaupteten Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat hindeuten würden.
Subsidiärer Schutz sei dem BF auf Grund der unsicheren Lage in ganz Syrien zuzuerkennen.
6. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der BF am 13.04.2023 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften bei deren Einhaltung ein für den BF günstigerer Bescheid erlassen worden wäre. Dabei führte er aus, dass er den Wehrdienst beim syrischen Militär bereits absolviert habe, weshalb er über militärische Fähigkeiten verfüge. Er sei damals im Zuge der Wehrpflicht bei einer Art Zivilpolizei gewesen und wäre unter anderem gezwungen gewesen, Leute zu foltern. Daher würden ihn viele Gefangene von früher kennen und könnten womöglich Rache nehme. Er wäre auch für den Transport der Gefangenen verantwortlich gewesen und hätte viele Gefangene in Haftanstalten gebracht, wo sie furchtbare Dinge erleben mussten. Es wäre auch jederzeit möglich, dass der BF als Reservist eingezogen werden könnte. Zudem fürchte der BF Verfolgung durch die Asylantragstellung in Österreich und weil er seine Heimat illegal verlassen habe. Er gelte dadurch als Feind des Regimes und drohe ihm im Falle der Rückkehr massive Verfolgung und womöglich eine ungerechtfertigte Strafe. 6. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der BF am 13.04.2023 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften bei deren Einhaltung ein für den BF günstigerer Bescheid erlassen worden wäre. Dabei führte er aus, dass er den Wehrdienst beim syrischen Militär bereits absolviert habe, weshalb er über militärische Fähigkeiten verfüge. Er sei damals im Zuge der Wehrpflicht bei einer Art Zivilpolizei gewesen und wäre unter anderem gezwungen gewesen, Leute zu foltern. Daher würden ihn viele Gefangene von früher kennen und könnten womöglich Rache nehme. Er wäre auch für den Transport der Gefangenen verantwortlich gewesen und hätte viele Gefangene in Haftanstalten gebracht, wo sie furchtbare Dinge erleben mussten. Es wäre auch jederzeit möglich, dass der BF als Reservist eingezogen werden könnte. Zudem fürchte der BF Verfolgung durch die Asylantragstellung in Österreich und weil er seine Heimat illegal verlassen habe. Er gelte dadurch als Feind des Regimes und drohe ihm im Falle der Rückkehr massive Verfolgung und womöglich eine ungerechtfertigte Strafe.
Zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führte der BF aus, dass die Behörde der Pflicht zur amtswegigen Ermittlung und materiellen Wahrheitsforschung nicht im gesetzlich vorgesehenen Ausmaß nachgekommen sei. Eine sorgfältige Auseinandersetzung mit der Situation des BF hätte dessen festgestellte drohende Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime bzw oppositionelle Milizen hervorgebracht. Der BF habe in der Einvernahme vorgebracht, dass er wegen seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung in Österreich Angst habe, ins Visier der Regierung zu kommen. Diesbezüglich seien keine ausreichenden Ermittlungen durchgeführt worden, was einen groben Mangel darstelle. Überhaupt würden Ermittlungen zur Einziehung von Personen, die über eine Ausbildung aus der Zeit des Wehrdienstes verfügen und immer noch ausreichend gesund und fit für die Einberufung als Reservesoldat seien, fehlen. Daher sei die Entscheidung der Behörde falsch, da sie auf einer fehlerhaften Grundlage beruhe. Der BF sei XXXX Jahre alt, gemäß einigen Länderberichten würden auch Personen in seinem Alter als Reservesoldaten einberufen. Das BFA habe kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und die Entscheidung mit Verfahrensfehlern belastet. Zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führte der BF aus, dass die Behörde der Pflicht zur amtswegigen Ermittlung und materiellen Wahrheitsforschung nicht im gesetzlich vorgesehenen Ausmaß nachgekommen sei. Eine sorgfältige Auseinandersetzung mit der Situation des BF hätte dessen festgestellte drohende Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime bzw oppositionelle Milizen hervorgebracht. Der BF habe in der Einvernahme vorgebracht, dass er wegen seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung in Österreich Angst habe, ins Visier der Regierung zu kommen. Diesbezüglich seien keine ausreichenden Ermittlungen durchgeführt worden, was einen groben Mangel darstelle. Überhaupt würden Ermittlungen zur Einziehung von Personen, die über eine Ausbildung aus der Zeit des Wehrdienstes verfügen und immer noch ausreichend gesund und fit für die Einberufung als Reservesoldat seien, fehlen. Daher sei die Entscheidung der Behörde falsch, da sie auf einer fehlerhaften Grundlage beruhe. Der BF sei römisch 40 Jahre alt, gemäß einigen Länderberichten würden auch Personen in seinem Alter als Reservesoldaten einberufen. Das BFA habe kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und die Entscheidung mit Verfahrensfehlern belastet.
Auch sei eine mangelhafte Auswertung der Länderfeststellungen erfolgt. In Syrien sei Wehrdienstentziehung eine Straftat. Unabhängige Beobachter würden darauf hinweisen, dass Wehrdienstentziehung von der Regierung wahrscheinlich als politische, regierungsfeindliche Handlungen angesehen werden, was zur Folge haben könne, dass der Person, die sich dem Wehrdienst entziehen wolle, eine Strafe drohe, die über die regulären Sanktionen für die Straftat der Wehrdienstentziehung hinausgehe, insbesondere durch strengere Behandlung während der Festnahme, beim Verhör und in Haft sowie – nach Einziehung – im Militärdienst. Die UNHCR-Richtlinien ließen keinen Zweifel darüber offen, dass Wehrdienstverweigerern im Falle einer Rückkehr asylrelevante Verfolgung drohe. Auch die Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex der Folgen der Asylantragstellung in Österreich für den Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Syrien sei mangelhaft. In der Folge habe das BFA auf Grund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens des Beschwerdeführers nicht vorgenommen. Die aktuellen Länderberichte der BFA Staatendokumentation würden bestätigen, dass auch Männer im Alter von über 42 Jahren eingezogen werden, wenn dies notwendig sei. Die Behörde habe sich auch nicht mit den Folgen der Asylantragstellung in Österreich befasst.
Zudem sei eine unrichtige rechtliche Beurteilung erfolgt. Aus den Länderberichten ergäbe sich klar, dass die syrische Regierung Wehrdienstverweigerern politische Opposition unterstelle. Selbst wenn der Beschwerdeführer derzeit nicht als Reservist einberufen werde, würde er nicht mehr erneut kämpfen. Auch durch seine Flucht zeige er seine oppositionelle politische Haltung auf. Nach der Rechtsprechung des VwGH genüge es für den Konventionsbezug eines Vorbringens der Verfolgung aus politischen Gründen auch, wenn die Verfolgung drohe, weil dem Betroffenen vom Verfolgungsakteuer eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden. Schließlich sei auch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner unerlaubten Ausreise und Asylantragstellung im Ausland (als Zeichen der Ablehnung der syrischen Regierung) eine oppositionelle Gesinnung bei einer Rückkehr nach Syrien selbst unterstellt werden würde. Es bestehe das reale Risiko, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr eine oppositionelle Gesinnung zumindest unterstellt würde und/oder er von der syrischen Armee oder den Kurden zwangsweise eingezogen werden würde und dabei zu menschen- und völkerrechtswidrigen Handlungen gezwungen und im Falle einer Weigerung allenfalls mit Exekution, jedenfalls mit einer Gefängnisstrafe unter unmenschlichen Bedingungen, bestraft werden würde. Dem Beschwerdeführer wäre internationaler Schutz gemäß § 3 AslyG zu gewähren gewesen. Zudem sei eine unrichtige rechtliche Beurteilung erfolgt. Aus den Länderberichten ergäbe sich klar, dass die syrische Regierung Wehrdienstverweigerern politische Opposition unterstelle. Selbst wenn der Beschwerdeführer derzeit nicht als Reservist einberufen werde, würde er nicht mehr erneut kämpfen. Auch durch seine Flucht zeige er seine oppositionelle politische Haltung auf. Nach der Rechtsprechung des VwGH genüge es für den Konventionsbezug eines Vorbringens der Verfolgung aus politischen Gründen auch, wenn die Verfolgung drohe, weil dem Betroffenen vom Verfolgungsakteuer eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden. Schließlich sei auch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner unerlaubten Ausreise und Asylantragstellung im Ausland (als Zeichen der Ablehnung der syrischen Regierung) eine oppositionelle Gesinnung bei einer Rückkehr nach Syrien selbst unterstellt werden würde. Es bestehe das reale Risiko, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr eine oppositionelle Gesinnung zumindest unterstellt würde und/oder er von der syrischen Armee oder den Kurden zwangsweise eingezogen werden würde und dabei zu menschen- und völkerrechtswidrigen Handlungen gezwungen und im Falle einer Weigerung allenfalls mit Exekution, jedenfalls mit einer Gefängnisstrafe unter unmenschlichen Bedingungen, bestraft werden würde. Dem Beschwerdeführer wäre internationaler Schutz gemäß Paragraph 3, AslyG zu gewähren gewesen.
Beantragt wurde unter anderem die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
8. Die Beschwerde vom 16.03.2023 und der Verwaltungsakt langten am 20.04.2023 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) ein. Auf Grund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 31.05.2023 wurde die gegenständliche Rechtssache der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W299 zugewiesen.
9. Am 8.11.2023 sowie am 11.6.2024 fand vor dem BVwG in Anwesenheit eines Dolmetsch für die Sprache Arabisch, des Beschwerdeführers und seines Vertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Lebensumständen und seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen befragt wurde. Ein Vertreter der belangten Behörde war nicht anwesend. Mit Schreiben vom 18.10.2023 und 26.04.2024 hatte das BFA mitgeteilt, auf die Teilnahme zu verzichten, die Verhandlungsschriften wurden dem BFA übermittelt. Der Beschwerdeführer legte keine weiteren Bescheinigungsmittel vor. Das Bundesverwaltungsgericht legte die aktuellen Länderinformationen vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu eine Stellungnahme abzugeben, wovon auch Gebrauch gemacht wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und wurde am XXXX in XXXX in Syrien geboren. Seine Identität steht nicht fest. Er ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden sowie sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Kurdisch, er spricht aber auch Arabisch.Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch 40 und wurde am römisch 40 in römisch 40 in Syrien geboren. Seine Identität steht nicht fest. Er ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden sowie sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Kurdisch, er spricht aber auch Arabisch.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat sechs Kinder.
Der Beschwerdeführer lebte von seiner Geburt bis zu seiner illegalen Ausreise aus Syrien im Jahr 2021 in der Stadt XXXX in der Provinz Hasaka, wobei er seit 2011 in einem in seinem Eigentum stehenden Haus im Stadtteil XXXX , in der Nähe des XXXX , lebte. In der Folge reiste er schlepperunterstützt über die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Österreich. Der Beschwerdeführer lebte von seiner Geburt bis zu seiner illegalen Ausreise aus Syrien im Jahr 2021 in der Stadt römisch 40 in der Provinz Hasaka, wobei er seit 2011 in einem in seinem Eigentum stehenden Haus im Stadtteil römisch 40 , in der Nähe des römisch 40 , lebte. In der Folge reiste er schlepperunterstützt über die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Österreich.
In Syrien besuchte der Beschwerdeführer bis zur 5./6. Schulstufe die Schule. Eine Berufsausbildung absolvierte er nicht. Den Lebensunterhalt bestritt er durch die Arbeit auf Baustellen in der Stadt XXXX und den umliegenden Dörfern bzw. Orten.In Syrien besuchte der Beschwerdeführer bis zur 5./6. Schulstufe die Schule. Eine Berufsausbildung absolvierte er nicht. Den Lebensunterhalt bestritt er durch die Arbeit auf Baustellen in der Stadt römisch 40 und den umliegenden Dörfern bzw. Orten.
Das Gouvernment Al Hasaka steht großteils unter Kontrolle der Syrian Democratic Forces (in der Folge: SDF; „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“; Autonomous Administration of North and East Syria, in der Folge AANES), der kurdischen Kräfte. Teile im Nordwesten des Gouvernments werden von türkischen Truppen und mit diesen verbündeten Milizen kontrolliert. In einzelnen Stadtteilen und Einrichtungen (sog. „Sicherheitsquadaten“), wie beispielsweise in der Stadt Al-Hasaka, sind Sicherheitskräfte des syrischen Regimes für die öffentliche Sicherheit verantwortlich. Auch in der Heimatstadt des Beschwerdeführers, XXXX , finden sich Stadtteile die unter Kontrolle des syrischen Regimes stehen. Der Stadtteil in XXXX , in dem der Beschwerdeführer wohnhaft war, steht unter Kontrolle der syrischen Regierung.Das Gouvernment Al Hasaka steht großteils unter Kontrolle der Syrian Democratic Forces (in der Folge: SDF; „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“; Autonomous Administration of North and East Syria, in der Folge AANES), der kurdischen Kräfte. Teile im Nordwesten des Gouvernments werden von türkischen Truppen und mit diesen verbündeten Milizen kontrolliert. In einzelnen Stadtteilen und Einrichtungen (sog. „Sicherheitsquadaten“), wie beispielsweise in der Stadt Al-Hasaka, sind Sicherheitskräfte des syrischen Regimes für die öffentliche Sicherheit verantwortlich. Auch in der Heimatstadt des Beschwerdeführers, römisch 40 , finden sich Stadtteile die unter Kontrolle des syrischen Regimes stehen. Der Stadtteil in römisch 40 , in dem der Beschwerdeführer wohnhaft war, steht unter Kontrolle der syrischen Regierung.
Die Ehefrau des Beschwerdeführer, seine drei Töchter und seine drei Söhne leben – ebenso wie seine Mutter, seine zwei Schwestern und drei seiner vier Brüder – nach wie vor in Syrien, wobei seine Kernfamilie weiterhin in XXXX wohnhaft ist. Mit seiner Ehefrau und seinen Kindern steht der Beschwerdeführer regelmäßig in Kontakt. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Zudem verfügt der Beschwerdeführer über einen Bruder in Deutschland.Die Ehefrau des Beschwerdeführer, seine drei Töchter und seine drei Söhne leben – ebenso wie seine Mutter, seine zwei Schwestern und drei seiner vier Brüder – nach wie vor in Syrien, wobei seine Kernfamilie weiterhin in römisch 40 wohnhaft ist. Mit seiner Ehefrau und seinen Kindern steht der Beschwerdeführer regelmäßig in Kontakt. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Zudem verfügt der Beschwerdeführer über einen Bruder in Deutschland.
Der Beschwerdeführer ist gesund, arbeitsfähig und in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. In Syrien besteht ein verpflichtender Wehdienst für männliche Staatsangehörige ab dem Alter von 18 Jahre. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren zum Wehrdienst eingezogen werden. Der im Entscheidungszeitpunkt XXXX -jährige Beschwerdeführer ist nicht mehr im wehrfähigen Alter. Er hat seinen Wehrdienst von XXXX abgeleistet und mit dem Dienstgrad des Rekruten beendet. Der Beschwerdeführer verfügt über kein militärisches Spezialwissen. 1.2.1. In Syrien besteht ein verpflichtender Wehdienst für männliche Staatsangehörige ab dem Alter von 18 Jahre. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren zum Wehrdienst eingezogen werden. Der im Entscheidungszeitpunkt römisch 40 -jährige Beschwerdeführer ist nicht mehr im wehrfähigen Alter. Er hat seinen Wehrdienst von römisch 40 abgeleistet und mit dem Dienstgrad des Rekruten beendet. Der Beschwerdeführer verfügt über kein militärisches Spezialwissen.
1.2.2. Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Einberufung oder Zwangsrekrutierung zum Reservedienst bei der syrischen Armee.
1.2.3. Der Beschwerdeführer ist bei einer Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Einziehung oder Zwangsrekrutierung zur kurdischen Selbstverteidigungspflicht der SDF bzw. AANES ausgesetzt.
1.2.4. Der Beschwerdeführer ist im Falle der Rückkehr keiner persönlichen Bedrohung oder Verfolgung durch staatliche oder nicht-staatliche Stellen ausgesetzt.
1.2.5. Der Beschwerdeführer hat sich weder in Syrien noch in Österreich jemals politisch betätigt und etwa an Demonstrationen teilgenommen. Er wurde auf Grund dessen weder verhaftet noch inhaftiert. Nach ihm wird in Syrien auch nicht aus diesem Grund gefahndet. Der Beschwerdeführer ist nicht oppositionell eingestellt und ihm wird vom syrischen Regime auch keine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
1.2.6. Eine Verfolgung auf Grund der Ausreise des Beschwerdeführers und der Asylantragstellung in Österreich bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung ist nicht maßgeblich wahrscheinlich. Nicht jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und der im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
1.2.7. Dem Beschwerdeführer drohen bei einer Rückkehr nach Syrien auch sonst nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit konkrete und individuelle physische und/oder psychische Eingriffe erheblicher Intensität in seine persönliche Sphäre auf Grund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit und eine solche Gefährdung wurde von ihm auch nicht glaubhaft gemacht.
1.2.8. Der Beschwerdeführer hat Syrien wegen der allgemeinen Bürgerkriegslage verlassen sowie um seine Familie nachzuholen und dieser Sicherheit und eine bessere Zukunft zu ermöglichen.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
1.3.1. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Syrien, Version 11, vom 27.03.2023, wiedergegeben:
„[…]
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-03-08 11:17
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):
Quelle: UNGeo 1.7.2023 (Stand: 6.2023)
Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen [Anm.: zu den Gebieten mit IS-Präsenz siehe Unterkapitel zu den Regionen]:
Quelle: CC 13.12.2023 (Stand: 30.9.2023)
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).
Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).
Die folgende Karte zeigt die verschiedenen internationalen Akteure und deren militärische Interessenschwerpunkte in Syrien:
Quelle: Jusoor 30.7.2023
Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).
Im Gouvernement Dara'a kam es 2022 weiterhin zu Gewalt zwischen Regimekräften und lokalen Aufständischen trotz eines nominellen Siegs der Regierung im Jahr 2018 und eines von Russland vermittelten 'Versöhnungsabkommens'. Eine allgemeine Verschlechterung von Recht und Ordnung trägt in der Provinz auch zu gewalttätiger Kriminalität bei (FH 9.3.2023). In Suweida kam es 2020 und 2022 ebenfalls zu Aufständen, immer wieder auch zu Sicherheitsvorfällen mit Milizen, kriminellen Banden und Drogenhändlern. Dies führte immer wieder zu Militäroperationen und schließlich im August 2023 zu größeren Protesten (CC 13.12.2023). Die Proteste weiteten sich nach Daraa aus. Die Demonstranten in beiden Provinzen forderten bessere Lebensbedingungen und den Sturz Assads (Enab 20.8.2023).
Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022).
Seit Beginn 2023 wurden mit Stand 1.5.2023 auch 258 ZivilistInnen durch andere Akteure (als dem Regime) getötet, somit 75 Prozent aller zivilen Toten in diesem Jahr. Viele von ihnen wurden beim Trüffelsuchen getötet, und dazu kommen auch Todesfälle durch Landminen. Außerdem bietet die Unsicherheit in vielen Gebieten ein passendes Umfeld für Schießereien durch nicht-identifzierte Akteure (SNHR 1.5.2023).
Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS)
Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vgl. DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vgl. CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vgl. BAMF 6.12.2022). Im August 2023 wurde dieser bei Kampfhandlungen mit der HTS getötet und der IS musste zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren einen neuen Führer ernennen. Als Nachfolger wurde Abu Hafs al-Hashimi al-Qurayshi eingesetzt (WSJ 3.8.2023). Die Anit-Terror-Koalition unter der Führung der USA gibt an, dass 98 Prozent des Gebiets, das der IS einst in Syrien und Irak kontrollierte, wieder unter Kontrolle der irakischen Streitkräfte bzw. der SDF sind (CFR 24.1.2024). Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vergleiche DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vergleiche CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vergleiche BAMF 6.12.2022). Im August 2023 wurde dieser bei Kampfhandlungen mit der HTS getötet und der IS musste zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren einen neuen Führer ernennen. Als Nachfolger wurde Abu Hafs al-Hashimi al-Qurayshi eingesetzt (WSJ 3.8.2023). Die Anit-Terror-Koalition unter der Führung der USA gibt an, dass 98 Prozent des Gebiets, das der IS einst in Syrien und Irak kontrollierte, wieder unter Kontrolle der irakischen Streitkräfte bzw. der SDF sind (CFR 24.1.2024).
Der Sicherheitsrat der VN schätzt die Stärke der Gruppe auf 6.000 bis 10.000 Kämpfer in ganz Syrien und im Irak, wobei die operativen Führer der Gruppe hauptsächlich in Syrien stationiert sind (EUAA 9.2022). Die Terrororganisation IS kann in Syrien selbst in ihren Rückzugsgebieten im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien weiterhin keine territoriale Kontrolle mehr ausüben. Mit mehreren Tausend Kämpfern sowie deren Angehörigen, die sich in Gefängnissen und Lagern in Nordostsyrien in Gewahrsam der SDF befinden, sowie einer vermutlich dreistelligen Zahl von im Untergrund aktiven Kämpfern bleibt der IS jedoch ein relevanter asymmetrischer Akteur (AA 2.2.2024). Nach dem Verlust der territorialen Kontrolle verlagerte der IS seine Strategie hin zu aufständischen Methoden, wie gezielte Angriffe, u.a. Autobomben, Überfälle und Attentate (DIS 29.6.2020). Der IS verübte immer wieder Angriffe und Anschläge, insbesondere auf Einheiten der SDF im Nordosten sowie auf Truppen des Regimes in Zentralsyrien (AA 2.2.2024). IS-Kämpfer sind in der Wüste von Deir ez-Zor, Palmyra und Al-Sukhna stationiert und konzentrieren ihre Angriffe auf Deir ez-Zor, das Umland von Homs, Hasakah, Aleppo, Hama und Raqqa (NPA 15.5.2023). In der ersten Jahreshälfte 2023 wurde von 552 Todesopfer durch Angriffe des IS berichtet (NPA 8.7.2023).
Trotz der starken Präsenz syrischer und russischer Streitkräfte in Südsyrien sind mit dem IS verbundene Kämpfer in der Region aktiv und das syrische Regime ist derzeit nicht in der Lage, IS-Aktivisten in Gebieten zurückzudrängen, die vollständig unter der Kontrolle der Regierung stehen (VOA 24.10.2022). Der IS ist im Regimegebiet stärker, weil die syrische Armee weniger kompetent bei Anti-Terror-Operationen auftritt als die SDF (Zenith 11.2.2022). Nach Angaben der International Crisis Group verübten IS-Zellen Ende 2021 durchschnittlich zehn bis 15 Angriffe auf die Regierungsstreitkräfte pro Monat, die meisten davon im Osten von Homs und im ländlichen westlichen Deir Ez-Zour. Dieser Trend setzte sich auch im Jahr 2022 fort (EUAA 9.2022). Mitte 2020 gehörten zu den Zielpersonen des IS vor allem lokale Behörden und Personen, die mit den Behörden, Kräften und Gruppen, die gegen den IS kämpfen, zusammenarbeiten oder als mit ihnen kooperierend wahrgenommen werden (DIS 29.6.2020). Der IS profitierte auch von einem Sicherheitsvakuum, das dadurch entstand, dass die verschiedenen militärischen Kräfte ihre Aktivitäten aufgrund der COVID-19-Pandemie reduzierten (USDOS 30.3.2021).
Zivile Todesopfer landesweit
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London (SOHR), verzeichnete für das Jahr 2023 mit 4.361 getöteten Personen die höchste Todesopferzahl in drei Jahren. Darunter zählten sie 1.889 ZivilistInnen, darunter 307 Kinder und 241 Frauen (SOHR 31.12.2023).
[…]
Das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) dokumentierte im Zeitraum 1.1.2021 bis 30.6