TE Vwgh Erkenntnis 1995/5/30 95/05/0049

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Veröffentlicht am 30.05.1995
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Index

L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Kärnten;
L70702 Theater Veranstaltung Kärnten;
L82000 Bauordnung;
L82002 Bauordnung Kärnten;
L82252 Garagen Kärnten;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO Krnt 1992 §15 Abs1;
BauO Krnt 1992 §15 Abs2;
BauO Krnt 1992 §17 Abs1;
BauO Krnt 1992 §21 Abs1;
BauO Krnt 1992 §21 Abs2;
BauO Krnt 1992 §21 Abs5;
BauRallg;
BauvorschriftenG Krnt 1985 §16 Abs5;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des HE in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 22. Dezember 1994, Zl. 8 BauR1-329/3/1994, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien:

1.

P in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L,

2.

Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 1. April 1957 beantragte Josef G. die Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines Zubaues beim Wohnhaus in S Nr. 18. Laut Baubeschreibung sollte der bestehende Schuppen an der Westseite des Wohnhauses abgetragen und an dieser Stelle der Zubau laut Plan hergestellt werden. Im beiliegenden Plan war die Nordseite nicht dargestellt. In der Niederschrift über die am 11. April 1957 durchgeführte "Kommissionierung" hieß es unter anderem, der Bauwerber beabsichtige außerdem, an der Nordseite des Zimmers ein Fenster einzubauen. Hiezu brachte der Anrainer JE in seiner Eingabe vom 16. April 1957 unter anderem vor, daß er mit der Anbringung eines Fensters an der Nordfront des Zubaues nicht einverstanden sei. Mit Bescheid vom 17. April 1957 erteilte sodann der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem damaligen Bauwerber Josef G. die Baubewilligung zur Errichtung eines Zubaues mit der Auflage, daß "an der Nordseite ein Fenster nicht angebracht werden dürfe". Gegen diesen Bescheid erhob der damalige Bauwerber Josef G. Berufung. Mit Eingabe vom 3. Juli 1957 brachte der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers vor, daß der Bauwerber entgegen der Auflage des Baubewilligungsbescheides an der Nordseite ein Fenster angebracht habe und sich nunmehr weigere, dieses Fenster wieder zuzumauern. Mit Bescheid vom 25. Juli 1957 wurde der Berufung des Bauwerbers Folge gegeben und aufgrund der vorgelegten neuen Pläne diesem neuerdings die Baubewilligung zur Errichtung eines Zubaues erteilt, wobei eine Auflage unter Punkt 6 wie folgt lautete: "Anstelle des nordseitigen Fensters hat in der neu zu errichtenden Außenmauer eine Lichtöffnung im Ausmaß von 100 x 100 cm zu entstehen, die mit Glasbausteinen, 7 cm stark, Format 20 x 20 cm oder 22 x 22 cm, voll auszumauern ist. Die Glasbausteine sind mit der Außenmauer bindig zu setzen, so daß um die Öffnung eine Putzpalette entsteht." Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit Eingabe vom 21. August 1992 teilte der Beschwerdeführer der Marktgemeinde S mit, daß die Erstmitbeteiligte in ihrem Haus nordwärts einige Fenster zu seinem Garten errichtet habe. Da ihm von keiner Kommissionierung oder Kollaudierung etwas bekannt sei, müsse er nahezu annehmen, daß diese "Gebilde", von denen er erst vor wenigen Tagen Kenntnis erhalten habe, widerrechtlich entstanden seien. Er sei für eine Verfolgung dieser Sache dankbar und verlange, wenn seine Vermutungen bzw. Befürchtungen zutreffen sollten, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Dazu brachte die Erstmitbeteiligte vor, daß der Fenstereinbau in der Nordwand des Gebäudes nicht durch sie, sondern durch ihren Vater Josef G., erfolgt sei. Laut Auskunft ihrer Mutter könne als Zeitpunkt der Baumaßnahmen das Jahr 1935 angegeben werden. In einem Aktenvermerk vom 2. Dezember 1992 ist festgehalten, daß im Beisein des Beschwerdeführers und der Erstmitbeteiligten ein Ortsaugenschein durchgeführt worden sei, wobei festgestellt worden sei, daß an der gemauerten Nordfassade des Hauses zwei Fenster mit den Ausmaßen 40 x 50 bzw. 70 x 120 cm vorhanden seien.

Die Erstmitbeteiligte wurde aufgefordert, innerhalb einer Frist von 3 Wochen nach Aufnahme einer Niederschrift vom 14. April 1993 um baupolizeiliche Bewilligung zur Errichtung dieser Fenster anzusuchen. Mit Eingabe vom 3. Mai 1993 ersuchte die Erstmitbeteiligte um die nachträgliche Erteilung der Baubewilligung der zwei Fenster in der Nordwand des Hauses "laut beiliegendem Plan". Anläßlich der über dieses Ansuchen am 25. Mai 1994 durchgeführten mündlichen Verhandlung stellte der beigezogene hochbautechnische Sachverständige fest, daß gegen die nachträgliche Erteilung der Baubewilligung keine Einwände bestünden. Der Beschwerdeführer wendete ein, daß es hier nicht nur um die beiden Fenster, sondern auch die mit Glasziegeln hergestellte Öffnung gehe, welche ebenfalls erheblich größer ausgeführt worden sei, als es der seinerzeitige Baubescheid vorschreibe. Weiters hielt er fest, daß schon im ursprünglichen Bauantrag der Fünfzigerjahre um die Bewilligung zur Errichtung der Fenster angesucht und dieser Bauantrag nach erfolgter Berufung durch den Bauwerber durch die zweite Instanz abgelehnt worden sei. Es liege daher nicht ein Schwarzbau im herkömmlichen Sinne vor, sondern ein offensichtliches Beharren auf einem bereits einmal infolge des Einspruches des Grundnachbarn abgelehnten Bauantrages. Der Beschwerdeführer erhebe daher gegen die nachträgliche Bewilligung der beiden Fenster Einspruch.

Mit Bescheid vom 7. Juni 1994 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde der Erstbeteiligten gemäß §§ 14 bis 16 der Kärntner Bauordnung 1992 die Baubewilligung zum Einbau von zwei Fenstern an der Nordseite ihres Wohnhauses. Die dagegen eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 5. Juli 1994 abgewiesen. Der dagegen eingebrachten Vorstellung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörd mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22. Dezember 1994 keine Folge. Zur Begründung führte die belangte Behörde nach ausführlicher Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen aus, gemäß § 21 Abs. 4 der Kärntner Bauordnung 1992 könnten Parteien im Sinne des Abs. 1 und 2 gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in ihren subjektiven Rechten verletzt würden, die im öffentlichen Recht begründet seien. Nach Abs. 5 seien öffentlich-rechtliche Einwendungen der Parteien (Abs. 4) im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf die Bestimmung eines Baurechtes oder der Bebauungspläne stützten, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienten. Hiezu gehörten insbesondere alle Bestimmungen über die Bebauungsweise, die Ausnutzbarkeit des Baugrundstückes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken, die Gebäudehöhe, sowie jene Bestimmungen, die dem Schutz der Nachbarschaft in gesundheitlichen Belangen, im Interesse der Brandsicherheit oder gegen Immissionen dienten. Die Behörden auf der Gemeindeebene seien von vornherein von der Parteistellung des Beschwerdeführers im Verfahren ausgegangen. Hiezu sei aber festzustellen, daß bei der Prüfung der Parteistellung die Behörden auch zu einem anderen Ergebnis hätten kommen können, da nicht zu erkennen sei, inwiefern durch die Errichtung von lediglich zwei Fenstern eine Möglichkeit der Beeinträchtigung von subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten gegeben sein sollte. Abgesehen davon sei aus dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren nicht zu entnehmen, in welchem subjektiven öffentlichen Recht er sich als verletzt erachtet. Ein von der Behörde ausgesprochenes Verbot des Inhaltes, wie im Bescheid des Bürgermeisters vom 17. April 1957, daß an der Nordseite ein Fenster nicht angebracht werden dürfe, bestehe aufgrund der Berufungsentscheidung vom 25. Juli 1957 nicht mehr. Dem Verwaltungsakt könne nicht entnommen werden, daß der Erstmitbeteiligten bzw. deren Rechtsvorgänger eine beantragte Bewilligung zur Errichtung der gegenständlichen Fenster schon einmal versagt worden wäre, und es bestehe kein Verbot der Baubehörde, in dieser Außenwand Fenster zu errichten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, wonach gemäß § 68 AVG eine Sache, die rechtskräftig entschieden worden sei, nicht neuerlich behandelt werden dürfe. Der Sinn der materiellen Rechtskraft sei darin gelegen, daß eine Angelegenheit bei unverändertem Sachverhalt nicht neuerlich aufgerollt werden dürfe.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 21 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung 1992 ist im Verfahren nach §§ 14 bis 17 dem Eigentümer, jener Servitutsberechtigten, deren Recht durch das Vorhaben beeinträchtigt werden könnte, und den Anrainern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern gleichgestellt. Zufolge § 21 Abs. 2 leg. cit. sind Anrainer die Eigentümer der im Einflußbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke. Abs. 5 dieser Bestimmung zählt die subjektiv-öffentlichen Rechte beispielsweise auf, hiezu gehören insbesondere auch jene Bestimmungen, die dem Schutz der Nachbarschaft in gesundheitlichen Belangen, im Interesse der Brandsicherheit oder gegen Immissionen dienen.

Der belangten Behörde ist zuzustimmen, daß zwar eine gemeinsame Grundgrenze für die Qualifikation der Liegenschaft als "benachbart" nicht erforderlich ist, die gemeinsame Grundgrenze steht aber der Eigenschaft als Anrainer nicht entgegen. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des an das Bauvorhaben unmittelbar angrenzenden Grundstückes. Da nicht auszuschließen ist, daß durch das Durchbrechen einer Wand, die unmittelbar an der Grundstücksgrenze errichtet ist, und den Einbau von Fenstern in dieser Wand grundsätzlich Interessen der Brandsicherheit berührt werden, ist im Beschwerdefall von der Parteistellung des Beschwerdeführers auszugehen, was die Gemeindebehörden auch mit Recht getan haben.

Der Beschwerdeführer hat sich im Verwaltungsverfahren stets gegen die Bewilligung der beiden Fenster ausgesprochen, hiezu stützte er sich auf die Bestimmung des § 68 Abs. 1 AVG, nicht jedoch auf ein durch die Kärntner Bauordnung 1992 eingeräumtes subjektives öffentliches Recht.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Zutreffend weist der Beschwerdeführer darauf hin, daß der Nachbar grundsätzlich berechtigt ist, in einem baubehördlichen Bewilligungsverfahren das Vorliegen der res judicata einzuwenden, dies allerdings nur insoweit, als er dadurch in einem durch die materielle Rechtslage eingeräumten subjektiv-öffentlichen Recht berührt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 1995, Zl. 94/06/0214).

Nun enthält die Kärntner Bauordnung 1992 keine Bestimmung, wonach die Errichtung von Fenstern an der Grundgrenze grundsätzlich unzulässig wäre. Ein Anhaltspunkt dafür, daß aus den in § 16 Abs. 5 der Kärntner Bauvorschriften genannten Gründen im Interesse der Brandsicherheit die Ausgestaltung als Brandmauer erforderlich wäre, ist dem Akt nicht zu entnehmen. Die Beeinträchtigung von Interessen der Brandsicherheit hat der Beschwerdeführer auch während des Verwaltungsverfahrens nicht geltend gemacht, sodaß darauf von den Baubehörden nicht einzugehen war.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Beurteilung der belangten Behörde, es sei dem Rechtsvorgänger der Erstmitbeteiligten eine beantragte Bewilligung zur Errichtung von Fenstern zur Grundgrenze des Beschwerdeführers nicht versagt worden, weil Gegenstand der Baubewilligung vom 25. Juli 1957 der Einbau von Glasziegelsteinen war. Ein Verbot, an der Nordseite Fenster zu errichten, war im Berufungsbescheid nicht enthalten. Überdies ist mit dem Hinweis des Beschwerdeführers auf die seiner Ansicht nach abschließende Regelung des Fensterproblems an der Nordseite des Gebäudes der Erstmitbeteiligten auch deshalb nichts gewonnen, weil die formellen Rechte einer Partei nie weiter gehen als ihre materiellen. Da aber durch die Kärntner Bauordnung 1992 das Verbot der Anordnung von Fenstern unmittelbar an der Grundstücksgrenze nicht grundsätzlich normiert ist, der Beschwerdeführer die Verletzung anderer subjektiv-öffentlicher Rechte nicht geltend gemacht hat, ist er im Ergebnis durch den angefochtenen Bescheid in keinen Rechten verletzt worden. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, hinsichtlich der Erstmitbeteiligten im Rahmen des Kostenbegehrens.

Schlagworte

Zurückweisung wegen entschiedener SacheMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete BaurechtBaurecht Nachbar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995050049.X00

Im RIS seit

28.09.2001

Zuletzt aktualisiert am

28.06.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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