Entscheidungsdatum
16.08.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L510 2282820-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2023, Zl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.02.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA. Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2023, Zl: römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.02.2024 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. als unbegründet abgewiesen.römisch eins. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte römisch eins. bis römisch III. als unbegründet abgewiesen.
II. Die Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.römisch II. Die Spruchpunkte römisch IV. bis römisch VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang
1. Die beschwerdeführende Partei („bP“) ist Staatsangehöriger der Republik Türkei und stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 24.10.2022 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Zuge ihrer Erstbefragung am selben Tag gab die bP zum Fluchtgrund an, dass sie Kurde sei und aus ethnischen Gründen ausgereist sei. Sie sei von der Polizei geschlagen und schikaniert worden und es würden in der Türkei diktatorische Verhältnisse herrschen. Deshalb habe sie die Türkei verlassen. Weitere Gründe für eine Asylantragstellung habe sie nicht. Im Falle einer Rückkehr in die Türkei befürchte sie, von der Polizei geschlagen oder eingesperrt zu werden.
2. Bei der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl („BFA“) am 25.07.2023 gab die bP zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen folgendes an:
„…
F: Aus welchem Grund suchten Sie in Österreich um Asyl an? Schildern Sie möglichst ausführlich und konkret Ihre Flucht- und Asylgründe! (Freie Erzählung)
A: Da ich Kurde bin, wurde ich und meine Familie ständig seitens der Polizei und vom Staat diskriminiert. Mehrere von uns wurden in U-Haft genommen und wir waren durch die Polizei psychisch und physischer Gewalt ausgesetzt. Aus diesen Gründen mussten mein Bruder und meine Cousins flüchten. Seit 2019 seitdem ich 18 Jahre alt war, bin ich aktiv bei HDP und im Jugendbereich tätig. Ich habe Wahlwerbung gemacht und seitdem wurde ich auch persönlich durch die Polizei und durch den Staat unter Druck gesetzt. Ich wurde von ihnen bedroht und mir wurde die Mitarbeit bei der Polizei angeboten. Ich wurde psychisch fertig gemacht und es gab für mich keine Sicherheit mehr. Deswegen habe ich ab 2020 angefangen Wege zu suchen, um zu flüchten.
F: Haben Sie alle Fluchtgründe erzählt?
A: Ja, da ich psychisch unter Druck war, möchte ich mich nicht an diese Sachen erinnern.
Partei wird auf das Neuerungsverbot erneut hingewiesen.
F: Gibt es sonst noch Gründe, aus denen Sie die Türkei verlassen mussten, jedoch bisher nicht erzählt haben?
A: Nein.
…“
3. Am 27.09.2023 wurde die bP nochmals beim BFA niederschriftlich einvernommen.
4. Mit Bescheid vom 20.10.2023, Zl: XXXX , wies das BFA den Antrag gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). 4. Mit Bescheid vom 20.10.2023, Zl: römisch 40 , wies das BFA den Antrag gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) und gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt römisch II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen die bP gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch VI.).
Das BFA gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben würde ebenso wenig vorliegen.
5. Gegen den genannten Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
6. Am 15.12.2023, 26.01.2024 und 20.02.2024 wurden beim Bundesverwaltungsgericht Dokumente hinsichtlich der Eheschließung der bP in Vorlage gebracht.
7. Mit Schreiben vom 21.02.2024 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht um Bekanntgabe, ob die Ehegattin der bP bislang von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat bzw. einen Antrag auf eine Anmeldebescheinigung gestellt hat.
Mit Antwortschreiben vom selben Tag teilte die XXXX mit, dass die bP bis dato keinen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung gem. § 53 NAG in hiesiger Niederlassungsbehörde gestellt habe.Mit Antwortschreiben vom selben Tag teilte die römisch 40 mit, dass die bP bis dato keinen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung gem. Paragraph 53, NAG in hiesiger Niederlassungsbehörde gestellt habe.
8. Mit Schreiben vom 21.02.2024 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht um Übermittlung eines Auszuges aus der verwaltungsstrafrechtlichen Evidenz betreffend die Ehegattin der bP.
Mit Antwortschreiben vom selben Tag übermittelte die XXXX den angeforderten Auszug aus der verwaltungsstrafrechtlichen Evidenz.Mit Antwortschreiben vom selben Tag übermittelte die römisch 40 den angeforderten Auszug aus der verwaltungsstrafrechtlichen Evidenz.
9. Am 22.02.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP und ihrer Rechtsvertretung eine mündliche Verhandlung durch. Das BFA blieb unentschuldigt fern.
Mit der Ladung wurde der beschwerdeführenden Partei das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Türkei übermittelt, welche das BVwG in die Entscheidung miteinbezieht. Eine schriftliche Stellungnahmefrist bis zum Verhandlungstermin oder eine Stellungnahmemöglichkeit in der Verhandlung wurden dazu eingeräumt. Eine schriftliche Stellungnahme wurde nicht abgegeben und auch in der mündlichen Verhandlung wurde den Länderinformationen nicht entgegengetreten.
10. Am 13.05.2024 wurde der bP von der XXXX ein Aufenthaltstitel „EU-Familienangehöriger“ gültig bis 13.05.2029 erteilt.10. Am 13.05.2024 wurde der bP von der römisch 40 ein Aufenthaltstitel „EU-Familienangehöriger“ gültig bis 13.05.2029 erteilt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Die bP ist Staatsangehöriger der Türkei, führt den im Spruch genannten Namen und das dort angeführte Geburtsdatum. Sie gehört der Volksgruppe der Kurden sowie der muslimischen Glaubensgemeinschaft an. Ihre Identität steht fest.
Die bP stammt aus dem Dorf XXXX , Landkreis XXXX , in der Provinz Adiyaman, wo sie aufwuchs und nahezu ihre gesamte Lebenszeit in der Türkei bis zur Ausreise zubrachte. Die bP besuchte 12 Jahre lang die Schule und absolvierte erfolgreich die Matura. Drei Saisonen zu je sechs Monaten arbeitete die bP im Tourismusbereich in Antalya und Marmaris, wo sie in der Küche, als Kellner sowie als Kofferträger arbeitete. Ansonsten arbeitete die bP in der Landwirtschaft ihrer Familie und lebte im Elternhaus. Die bP war bis zur Ausreise aus der Türkei in der Lage, im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Sie beherrscht die türkische sowie die kurdische Sprache.Die bP stammt aus dem Dorf römisch 40 , Landkreis römisch 40 , in der Provinz Adiyaman, wo sie aufwuchs und nahezu ihre gesamte Lebenszeit in der Türkei bis zur Ausreise zubrachte. Die bP besuchte 12 Jahre lang die Schule und absolvierte erfolgreich die Matura. Drei Saisonen zu je sechs Monaten arbeitete die bP im Tourismusbereich in Antalya und Marmaris, wo sie in der Küche, als Kellner sowie als Kofferträger arbeitete. Ansonsten arbeitete die bP in der Landwirtschaft ihrer Familie und lebte im Elternhaus. Die bP war bis zur Ausreise aus der Türkei in der Lage, im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Sie beherrscht die türkische sowie die kurdische Sprache.
Die beschwerdeführende Partei verfügt im Herkunftsstaat über ein familiäres bzw. verwandtschaftliches Netz. Ihre Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder leben nach wie vor in der Türkei. Darüber hinaus leben auch noch mehrere Onkel und Tanten in der Herkunftsregion der bP. Ihre Eltern sowie die jüngere Schwester leben in der Herkunftsprovinz der bP, im familieneigenen Haus. Die ältere Schwester arbeitet als Lehrerin in XXXX , der Bruder der bP ist verheiratet und lebt in XXXX , wo er als Nachhilfelehrer arbeitet. Die Eltern verfügen über ca. 100.000 m² an eigenen landwirtschaftlichen Feldern, wo sie Baumwolle, Mais, Getreide, Wasser- und Zuckermelonen anbauen. Die bP steht zumindest mit ihrem ältesten Bruder in regelmäßigen Kontakt.Die beschwerdeführende Partei verfügt im Herkunftsstaat über ein familiäres bzw. verwandtschaftliches Netz. Ihre Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder leben nach wie vor in der Türkei. Darüber hinaus leben auch noch mehrere Onkel und Tanten in der Herkunftsregion der bP. Ihre Eltern sowie die jüngere Schwester leben in der Herkunftsprovinz der bP, im familieneigenen Haus. Die ältere Schwester arbeitet als Lehrerin in römisch 40 , der Bruder der bP ist verheiratet und lebt in römisch 40 , wo er als Nachhilfelehrer arbeitet. Die Eltern verfügen über ca. 100.000 m² an eigenen landwirtschaftlichen Feldern, wo sie Baumwolle, Mais, Getreide, Wasser- und Zuckermelonen anbauen. Die bP steht zumindest mit ihrem ältesten Bruder in regelmäßigen Kontakt.
Die bP verließ am 20.10.2022 gemeinsam mit ihrem Cousin die Türkei und reiste auf dem Landweg illegal unter Umgehung der Grenzkontrollen am 24.10.2022 rechtswidrig in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither ununterbrochen aufhält.
Aktuell liegen keine relevanten behandlungsbedürftigen Krankheiten vor. Die bP ist gesund und arbeitsfähig.
Am 19.02.2024 heiratete die bP die ungarische Staatsangehörige XXXX , geb. XXXX , vor dem Standesamt XXXX . Die Ehegattin der bP verfügt über eine Anmeldebescheinigung. Am 13.05.2024 wurde der bP von der XXXX ein Aufenthaltstitel „EU-Familienangehöriger“ gültig bis 13.05.2029 erteilt.Am 19.02.2024 heiratete die bP die ungarische Staatsangehörige römisch 40 , geb. römisch 40 , vor dem Standesamt römisch 40 . Die Ehegattin der bP verfügt über eine Anmeldebescheinigung. Am 13.05.2024 wurde der bP von der römisch 40 ein Aufenthaltstitel „EU-Familienangehöriger“ gültig bis 13.05.2029 erteilt.
Strafrechtliche Verurteilungen liegen in Österreich in Bezug auf die bP nicht vor.
1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:
Die von der bP vorgebrachten Fluchtgründe werden den Feststellungen nicht zugrunde gelegt.
Die bP ist im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret in der Provinz Adiyaman, nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt. Sie hat auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund ihrer Asylantragstellung im Ausland oder ihres Aufenthaltes in Europa zu rechnen.
Insbesondere ist es nicht glaubhaft bzw. kann nicht festgestellt werden, dass die bP in ihrem Herkunftsstaat mehrfach verhaftet oder von den türkischen Behörden als Spion angeworben wurde.
Die bP ist kein Mitglied der HDP („Halklar?n Demokratik Partisi“), oder irgendeiner anderen politischen Partei bzw. Gruppierung und hat sich politisch zu keinem Zeitpunkt in der Türkei besonders exponiert.
Die bP hat nicht glaubhaft dargelegt und kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass sie vor ihrer Ausreise aus ihrer Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder sie im Falle ihrer Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.
Die bP hatte vor ihrer Ausreise auch keine asylrelevanten Nachteile aufgrund ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit. Nicht festgestellt werden kann ferner, dass die bP in der Türkei aus den angeführten Gründen einer individuellen Gefährdung oder psychischen und/oder physischen Gewalt durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt war und/oder im Rückkehrfall ausgesetzt sein wird. Der bP droht auch im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ihr droht ferner keine anderweitige individuelle Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, willkürliche Gewaltausübung, exzessive Bestrafung, Folter oder Strafe.
Die Gefahr einer in der Türkei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung der bP aufgrund sonstiger Gründe liegt gegenständlich nicht vor.
Es kann schließlich auch nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr in die Türkei aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort einer maßgeblichen individuellen Gefährdung oder Bedrohung ausgesetzt wäre oder dort keine hinreichende Existenzgrundlage vorfinden würde.
1.4. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:
COVID-19-Pandemie
Letzte Änderung 20.06.2023
Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/ emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/ situation-reports. Für historische Daten bis zum 10.3.2023 s. die Datenbank der Johns-Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcg is.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6.
Während der Covid-19-Pandemie wurde das staatliche Gesundheitssystem extrem belastet, konnte aber seine Aufgaben bisher weitgehend erfüllen. Es häuften sich Berichte über personelle Erschöpfung und beschränkte Behandlungsmöglichkeiten (AA 28.7.2022, S. 21). Während der Covid-19-Pandemie wurde das staatliche Gesundheitssystem extrem belastet, konnte aber seine Aufgaben bisher weitgehend erfüllen. Es häuften sich Berichte über personelle Erschöpfung und beschränkte Behandlungsmöglichkeiten (AA 28.7.2022, Sitzung 21).
Mit Stand Ende Dezember 2022 verzeichnete die Türkei offiziell rund 101.200 Menschen, die an den Folgen von COVID-19 verstarben, wobei für die letzten vier Wochen des Jahres 2022 kein einziger Todesfall verzeichnet wurde (JHU 29.12.2022). Bereits Mitte April 2022 sah die türkische Ärztekammer (TTB) die Zahl der COVID-19-Toten nach zwei Jahren Pandemie, im Widerspruch zu den zu jenem Zeitpunkt offiziell vermeldeten rund 98.000 Verstorbenen (bei insgesamt circa 14,78 Millionen Fällen), bei geschätzten 274.000. Die Berechnungen der Ärztekammer erfolgten anhand der Übersterblichkeitsrate (Ahval 14.4.2022). Angesichts der erneuten Sommerwelle im Juli 2022, zurückzuführen auf das Ende fast aller Maßnahmen, erneuerte die Ärztekammer den Vorwurf falscher COVID-19-Infektionszahlen. Die tatsächliche Infektionszahl wäre mit 235.000 demnach doppelt so hoch wie die vom Gesundheitsministerium angegebene (Ahval 16.7.2022).
Beginnend mit 1.6.2022 wurde das Tragen von Masken sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen sowie im öffentlichen Verkehr aufgehoben. In Gesundheitseinrichtungen wird das Tragen von Masken aber weiterhin empfohlen. Seit 1.6.2022 wird für die Einreise aus Österreich in die Türkei kein Nachweis über eine Impfung oder Genesung bzw. kein negativer PCR-Test oder negativer Antigen-Schnelltest mehr verlangt (WKO 15.2.2023).
Politische Lage
Letzte Änderung 20.06.2023
Die politische Lage in der Türkei war in den letzten Jahren geprägt von den Folgen des Putschversuchs vom 15.7.2016 und den daraufhin ausgerufenen Ausnahmezustand, von einem „Dauerwahlkampf“ sowie vom Kampf gegen den Terrorismus. Aktuell steht die Regierung wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der hohen Anzahl von Flüchtlingen und Migranten unter Druck. Unter der Bevölkerung nimmt die Unzufriedenheit mit Präsident Erdo?an und der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) zu, insbesondere als Folge der Teuerung und des damit verbundenen Kaufkraftverlustes und der einhergehenden, zunehmenden Verarmung von Teilen der Bevölkerung. Die Opposition versucht, die Regierung in der Migrationsfrage mit scharfen Tönen in Bedrängnis zu bringen, und fördert eine migrantenfeindliche Stimmung. Die einst gegenüber Flüchtlingen mehrheitlich freundlich eingestellte Bevölkerung ist mittlerweile nicht mehr bereit, weitere Menschen aufzunehmen (ÖB 30.11.2022, S. 4). Die Gesellschaft bleibt stark polarisiert (WZ 7.5.2023; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 4, EC 12.10.2022, S.11) zwischen den Anhängern der AKP und denjenigen, die für ein demokratischeres und sozial gerechteres Regierungssystem eintreten (BS 23.2.2022, S. 43). Das hat u. a. mit der Politik zu tun, die sich auf sogenannte Identitäten festlegt. Nationalistische Politiker, beispielsweise, propagierten ein „stolzes Türkentum“, islamischen Wertvorstellungen wurde zusehends mehr Gewicht verliehen, Kurden, deren Kultur und Sprache Jahrzehnte lang unterdrückt wurden, kämpften um ihr Dasein (WZ 7.5.2023).Die politische Lage in der Türkei war in den letzten Jahren geprägt von den Folgen des Putschversuchs vom 15.7.2016 und den daraufhin ausgerufenen Ausnahmezustand, von einem „Dauerwahlkampf“ sowie vom Kampf gegen den Terrorismus. Aktuell steht die Regierung wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der hohen Anzahl von Flüchtlingen und Migranten unter Druck. Unter der Bevölkerung nimmt die Unzufriedenheit mit Präsident Erdo?an und der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) zu, insbesondere als Folge der Teuerung und des damit verbundenen Kaufkraftverlustes und der einhergehenden, zunehmenden Verarmung von Teilen der Bevölkerung. Die Opposition versucht, die Regierung in der Migrationsfrage mit scharfen Tönen in Bedrängnis zu bringen, und fördert eine migrantenfeindliche Stimmung. Die einst gegenüber Flüchtlingen mehrheitlich freundlich eingestellte Bevölkerung ist mittlerweile nicht mehr bereit, weitere Menschen aufzunehmen (ÖB 30.11.2022, Sitzung 4). Die Gesellschaft bleibt stark polarisiert (WZ 7.5.2023; vergleiche ÖB 30.11.2022, Sitzung 4, EC 12.10.2022, S.11) zwischen den Anhängern der AKP und denjenigen, die für ein demokratischeres und sozial gerechteres Regierungssystem eintreten (BS 23.2.2022, Sitzung 43). Das hat u. a. mit der Politik zu tun, die sich auf sogenannte Identitäten festlegt. Nationalistische Politiker, beispielsweise, propagierten ein „stolzes Türkentum“, islamischen Wertvorstellungen wurde zusehends mehr Gewicht verliehen, Kurden, deren Kultur und Sprache Jahrzehnte lang unterdrückt wurden, kämpften um ihr Dasein (WZ 7.5.2023).
Präsident Recep Tayyip Erdo?an und seine Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), die die Türkei seit 2002 regieren, sind in den letzten Jahren zunehmend autoritär geworden und haben ihre Macht durch Verfassungsänderungen und die Inhaftierung von Gegnern und Kritikern gefestigt. Eine sich verschärfende Wirtschaftskrise und die Wahlen im Jahr 2023 haben der Regierung neue Anreize gegeben, abweichende Meinungen zu unterdrücken und den öffentlichen Diskurs einzuschränken. Freedom House fügt die Türkei mittlerweile in die Kategorie „nicht frei“ ein (FH 10.3.2023). Das Funktionieren der demokratischen Institutionen ist weiterhin stark beeinträchtigt. Der Demokratieabbau hat sich fortgesetzt (EC 12.10.2022, S. 3, 11; vgl. WZ 7.5.2023).Präsident Recep Tayyip Erdo?an und seine Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), die die Türkei seit 2002 regieren, sind in den letzten Jahren zunehmend autoritär geworden und haben ihre Macht durch Verfassungsänderungen und die Inhaftierung von Gegnern und Kritikern gefestigt. Eine sich verschärfende Wirtschaftskrise und die Wahlen im Jahr 2023 haben der Regierung neue Anreize gegeben, abweichende Meinungen zu unterdrücken und den öffentlichen Diskurs einzuschränken. Freedom House fügt die Türkei mittlerweile in die Kategorie „nicht frei“ ein (FH 10.3.2023). Das Funktionieren der demokratischen Institutionen ist weiterhin stark beeinträchtigt. Der Demokratieabbau hat sich fortgesetzt (EC 12.10.2022, Sitzung 3, 11; vergleiche WZ 7.5.2023).
Die Türkei wird heute als „kompetitives autoritäres“ Regime eingestuft (MEI 10.2022, S. 6; vgl. DE 31.12.2023, Günay 2016, Esen/Gumuscu 19.2.2016), in dem zwar regelmäßig Wahlen abgehalten werden, der Wettbewerb zwischen den politischen Parteien aber nicht frei und fair ist. Solche Regime, zu denen die Türkei gezählt wird, weisen vordergründig demokratische Elemente auf: Oppositionsparteien gewinnen gelegentlich Wahlen oder stehen kurz davor; es herrscht ein harter politischer Wettbewerb; die Presse kann verschiedene Meinungen und Erklärungen von Oppositionsparteien veröffentlichen; und die Bürger können Proteste organisieren. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch ehedem Risse in der demokratischen Fassade: Regierungsgegner werden mit legalen oder illegalen Mitteln unterdrückt, unabhängige Justizorgane werden von regierungsnahen Beamten kontrolliert und die Presse- und Meinungsfreiheit gerät unter Druck. Wenn diese Maßnahmen nicht zu einem für die Regierungspartei zufriedenstellenden Ergebnis führen, müssen Oppositionsmitglieder mit gezielter Gewalt oder Inhaftierung rechnen - eine Realität, die für die türkische Opposition immer häufiger anzutreffen ist (MEI 10.2022, S. 6; vgl. Esen/Gumuscu 19.2.2016).Die Türkei wird heute als „kompetitives autoritäres“ Regime eingestuft (MEI 10.2022, Sitzung 6; vergleiche DE 31.12.2023, Günay 2016, Esen/Gumuscu 19.2.2016), in dem zwar regelmäßig Wahlen abgehalten werden, der Wettbewerb zwischen den politischen Parteien aber nicht frei und fair ist. Solche Regime, zu denen die Türkei gezählt wird, weisen vordergründig demokratische Elemente auf: Oppositionsparteien gewinnen gelegentlich Wahlen oder stehen kurz davor; es herrscht ein harter politischer Wettbewerb; die Presse kann verschiedene Meinungen und Erklärungen von Oppositionsparteien veröffentlichen; und die Bürger können Proteste organisieren. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch ehedem Risse in der demokratischen Fassade: Regierungsgegner werden mit legalen oder illegalen Mitteln unterdrückt, unabhängige Justizorgane werden von regierungsnahen Beamten kontrolliert und die Presse- und Meinungsfreiheit gerät unter Druck. Wenn diese Maßnahmen nicht zu einem für die Regierungspartei zufriedenstellenden Ergebnis führen, müssen Oppositionsmitglieder mit gezielter Gewalt oder Inhaftierung rechnen - eine Realität, die für die türkische Opposition immer häufiger anzutreffen ist (MEI 10.2022, Sitzung 6; vergleiche Esen/Gumuscu 19.2.2016).
Trotz der Aufhebung des zweijährigen Ausnahmezus