Entscheidungsdatum
01.07.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W271 2281033-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, vom 11.10.2023, ZI. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, vom 11.10.2023, ZI. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen. Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischer Moslem, stellte am 08.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei seiner am 09.08.2022 durchgeführten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer, er sei 28 Jahre alt und stamme aus der Stadt XXXX in der Provinz Aleppo. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes gab er an, dass er Syrien aufgrund des Krieges am 29.12.2021 Richtung Türkei verlassen habe und in Österreich bleiben wolle, da hier Frieden herrsche. 2. Bei seiner am 09.08.2022 durchgeführten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer, er sei 28 Jahre alt und stamme aus der Stadt römisch 40 in der Provinz Aleppo. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes gab er an, dass er Syrien aufgrund des Krieges am 29.12.2021 Richtung Türkei verlassen habe und in Österreich bleiben wolle, da hier Frieden herrsche.
3. Am 03.10.2023 erfolgte die Einvernahme zum Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde). Der Beschwerdeführer gab an, er habe zuletzt in XXXX , genau genommen im östlich gelegenen Dorf XXXX gemeinsam mit seiner Familie in einem Eigentumshaus gelebt. Er habe 12 Jahre die Schule besucht und diese mit Matura abgeschlossen. Aufgrund des Krieges habe er nicht studieren können und war deshalb als Tagelöhner auf Baustellen tätig, insbesondere in der Türkei. Außerdem habe seine Familie eine Olivenplantage. In Syrien sei der Beschwerdeführer aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung gesucht. Er habe im Jahr 2011 sechsmal an den Freitagsdemonstrationen teilgenommen, bevor die syrische Armee das Gebiet 2012 verlassen habe. Mit der syrischen Armee habe es dann keine Probleme mehr gegeben, jedoch habe er wegen des IS das Land verlassen müssen. Er sei nicht persönlich vom IS bedroht worden, habe aber Angst gehabt. Es habe grundsätzlich keine Probleme mit den kurdischen Einheiten gegeben und er habe weder versucht, sich vom Wehrdienst freizukaufen, noch einen Aufschub für ein Studium zu bekommen. Bei einer Rückkehr nach Syrien könne es sein, dass er einrücken müsse. Außerdem sei es möglich, dass das Regime wegen der Demos Daten von ihm habe. 3. Am 03.10.2023 erfolgte die Einvernahme zum Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde). Der Beschwerdeführer gab an, er habe zuletzt in römisch 40 , genau genommen im östlich gelegenen Dorf römisch 40 gemeinsam mit seiner Familie in einem Eigentumshaus gelebt. Er habe 12 Jahre die Schule besucht und diese mit Matura abgeschlossen. Aufgrund des Krieges habe er nicht studieren können und war deshalb als Tagelöhner auf Baustellen tätig, insbesondere in der Türkei. Außerdem habe seine Familie eine Olivenplantage. In Syrien sei der Beschwerdeführer aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung gesucht. Er habe im Jahr 2011 sechsmal an den Freitagsdemonstrationen teilgenommen, bevor die syrische Armee das Gebiet 2012 verlassen habe. Mit der syrischen Armee habe es dann keine Probleme mehr gegeben, jedoch habe er wegen des IS das Land verlassen müssen. Er sei nicht persönlich vom IS bedroht worden, habe aber Angst gehabt. Es habe grundsätzlich keine Probleme mit den kurdischen Einheiten gegeben und er habe weder versucht, sich vom Wehrdienst freizukaufen, noch einen Aufschub für ein Studium zu bekommen. Bei einer Rückkehr nach Syrien könne es sein, dass er einrücken müsse. Außerdem sei es möglich, dass das Regime wegen der Demos Daten von ihm habe.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.10.2023, zugestellt am 16.10.2023 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005, ab (Spruchpunkt I), erteilte ihm die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II), und erteilte dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr gemäß § 8 Abs 4 AsylG (Spruchpunkt III). Die belangte Behörde führte im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat drohe, da seine Herkunftsregion nicht unter der Kontrolle des syrischen Regimes stehe und ihm daher keine Verfolgung aufgrund der Wehrdienstverweigerung drohe. Für den „kurdischen Wehrdienst“ sei der Beschwerdeführer schon zu alt.4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.10.2023, zugestellt am 16.10.2023 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005, ab (Spruchpunkt römisch eins), erteilte ihm die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch II), und erteilte dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG (Spruchpunkt römisch III). Die belangte Behörde führte im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat drohe, da seine Herkunftsregion nicht unter der Kontrolle des syrischen Regimes stehe und ihm daher keine Verfolgung aufgrund der Wehrdienstverweigerung drohe. Für den „kurdischen Wehrdienst“ sei der Beschwerdeführer schon zu alt.
5. Am 08.11.2023 erhob der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (in der Folge: BBU GmbH), fristgerecht Beschwerde. Der Beschwerdeführer habe Angst, vom syrischen Regime zum Militärdienst eingezogen zu werden. Zudem bestehe für den Beschwerdeführer auch die Gefahr, von den „kurdischen Streitkräften“ rekrutiert zu werden. Es wurde auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.5. Am 08.11.2023 erhob der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (in der Folge: BBU GmbH), fristgerecht Beschwerde. Der Beschwerdeführer habe Angst, vom syrischen Regime zum Militärdienst eingezogen zu werden. Zudem bestehe für den Beschwerdeführer auch die Gefahr, von den „kurdischen Streitkräften“ rekrutiert zu werden. Es wurde auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
6. Am 21.03.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin sowie ein Dolmetscher für die Sprache Arabisch teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den Namen XXXX und wurde am XXXX geboren. Er ist Staatsangehöriger der Arabischen Republik Syrien, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Arabisch. Der Beschwerdeführer trägt den Namen römisch 40 und wurde am römisch 40 geboren. Er ist Staatsangehöriger der Arabischen Republik Syrien, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Arabisch.
Der Beschwerdeführer ist volljährig, verheiratet und hat zwei Kinder. Er stammt aus der Stadt XXXX im Gouvernement Aleppo. Die Stadt XXXX und deren Umfeld, somit auch das Heimatdorf des Beschwerdeführers, steht unter der gemeinsamen Kontrolle des syrischen Regimes und der Autonomen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens. Die Eltern des Beschwerdeführers und mehrere Geschwister leben in XXXX . Auch die Frau und die zwei Kinder des Beschwerdeführers leben bei den Eltern des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer ist volljährig, verheiratet und hat zwei Kinder. Er stammt aus der Stadt römisch 40 im Gouvernement Aleppo. Die Stadt römisch 40 und deren Umfeld, somit auch das Heimatdorf des Beschwerdeführers, steht unter der gemeinsamen Kontrolle des syrischen Regimes und der Autonomen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens. Die Eltern des Beschwerdeführers und mehrere Geschwister leben in römisch 40 . Auch die Frau und die zwei Kinder des Beschwerdeführers leben bei den Eltern des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer besuchte 12 Jahre die Schule und schloss diese mit Matura ab. In der Folge arbeitete er als Tagelöhner auf Baustellen. Am 25.01.2012 ließ er sich ein Wehrdienstbuch ausstellen, leistete aber keinen Militärdienst, da das syrische Regime die Kontrolle im von ihm bewohnten Gebiet verloren hatte. 2014 hat der Beschwerdeführer Syrien verlassen, um in der Türkei Asyl zu erhalten, bekam aber nur einen begrenzten Aufenthaltstitel. 2018 kehrte er nach Syrien zurück, um seinen Vater zu besuchen und zu heiraten. Ende 2021 reiste der Beschwerdeführer erneut von Syrien in die Türkei aus. Nach einem Aufenthalt in der Dauer von sieben Monaten in der Türkei kam der Beschwerdeführer nach Österreich.
Vor seiner Flucht nach Österreich lebte der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehefrau bei seinem Bruder namens Ammer in der Stadt Jarabulus. Das Gebiet um Jarabulus steht derzeit unter der Kontrolle der Syrian National Army (SNA) und weiteren türkeinahen Milizen. Diese Gebietskontrolle besteht in Jarabulus seit September 2016. Das syrische Regime ist dort nicht präsent. Auch ein weiterer Bruder namens XXXX lebt im von der Opposition kontrollierten Gebiet um Jarabulus, da keiner der Brüder den Wehrdienst absolviert und das Regime dort keine Zugriffsmöglichkeit hat. Vor seiner Flucht nach Österreich lebte der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehefrau bei seinem Bruder namens Ammer in der Stadt Jarabulus. Das Gebiet um Jarabulus steht derzeit unter der Kontrolle der Syrian National Army (SNA) und weiteren türkeinahen Milizen. Diese Gebietskontrolle besteht in Jarabulus seit September 2016. Das syrische Regime ist dort nicht präsent. Auch ein weiterer Bruder namens römisch 40 lebt im von der Opposition kontrollierten Gebiet um Jarabulus, da keiner der Brüder den Wehrdienst absolviert und das Regime dort keine Zugriffsmöglichkeit hat.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich unbescholten.
1.2. Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates
Für männliche syrische Staatsbürger im Alter zwischen 18 und 42 Jahren ist die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend. Die Behörden berufen vornehmlich Männer bis 27 ein, während ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab als von allgemeinen Einberufungsregelungen. Die groß angelegten militärischen Rekrutierungskampagnen der syrischen Regierung wurden in den von ihr kontrollierten Gebieten jedoch verlangsamt und im Jahr 2021 hat die syrische Regierung damit begonnen, Soldaten mit entsprechender Dienstzeit abrüsten zu lassen. Der Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst in Syrien bisher nicht abgeleistet. Er erhielt zwar gemeinsam mit dem Militärbuch im Jahr 2011 zwei Dokumente die bezeugen, dass er im Jahr 2013 einrücken hätte müssen. Weitere Einberufungen hat er seitdem keine erhalten, wobei sich das syrischen Regimes im Jahr 2012 aus XXXX zurückgezogen hat, im Jahr 2019 aufgrund des türkischen Militäreinsatzes aber in mehrere Grenzstädte zurückkehrte. Für männliche syrische Staatsbürger im Alter zwischen 18 und 42 Jahren ist die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend. Die Behörden berufen vornehmlich Männer bis 27 ein, während ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab als von allgemeinen Einberufungsregelungen. Die groß angelegten militärischen Rekrutierungskampagnen der syrischen Regierung wurden in den von ihr kontrollierten Gebieten jedoch verlangsamt und im Jahr 2021 hat die syrische Regierung damit begonnen, Soldaten mit entsprechender Dienstzeit abrüsten zu lassen. Der Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst in Syrien bisher nicht abgeleistet. Er erhielt zwar gemeinsam mit dem Militärbuch im Jahr 2011 zwei Dokumente die bezeugen, dass er im Jahr 2013 einrücken hätte müssen. Weitere Einberufungen hat er seitdem keine erhalten, wobei sich das syrischen Regimes im Jahr 2012 aus römisch 40 zurückgezogen hat, im Jahr 2019 aufgrund des türkischen Militäreinsatzes aber in mehrere Grenzstädte zurückkehrte.
Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden. Seit März 2020 hat es in Syrien keine größeren militärischen Offensiven an den offiziellen Frontlinien mehr gegeben. Scharmützel, Granatenbeschuss und Luftangriffe gingen weiter, aber die Frontlinien waren im Grunde genommen eingefroren.
Zum Zeitpunkt des Erreichens des wehrpflichtigen Alters war der Beschwerdeführer im oppositionellen Gebiet aufhältig. Er hat zwar ein Militärbuch und die Dokumente für die Einberufung, hat aber seitdem keine weiteren Aufforderungen zum Ableisten des Wehrdienstes erhalten. Da er nunmehr bereits XXXX Jahre alt ist, den Wehrdienst noch nicht absolviert hat und über keinerlei Spezialausbildungen verfügt, ist nicht davon auszugehen, dass das syrische Regime ein besonderes Interesse an einer Zwangsrekrutierung des Beschwerdeführers hat. Zudem war der Beschwerdeführer nach der Rückkehr aus der Türkei gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen Kindern bei seinem Bruder in Jarabulus aufhältig, einer Region, wo die syrische Armee schon seit mehreren Jahren nicht mehr präsent ist und somit keine Zwangsrekrutierungen durchführen kann. Es ist aufbauend darauf nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zum Wehrdienst einberufen würde. Ein allfälliger Militärdienst drohte nicht unmittelbar und war kein Grund für die Ausreise des Beschwerdeführers.Zum Zeitpunkt des Erreichens des wehrpflichtigen Alters war der Beschwerdeführer im oppositionellen Gebiet aufhältig. Er hat zwar ein Militärbuch und die Dokumente für die Einberufung, hat aber seitdem keine weiteren Aufforderungen zum Ableisten des Wehrdienstes erhalten. Da er nunmehr bereits römisch 40 Jahre alt ist, den Wehrdienst noch nicht absolviert hat und über keinerlei Spezialausbildungen verfügt, ist nicht davon auszugehen, dass das syrische Regime ein besonderes Interesse an einer Zwangsrekrutierung des Beschwerdeführers hat. Zudem war der Beschwerdeführer nach der Rückkehr aus der Türkei gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen Kindern bei seinem Bruder in Jarabulus aufhältig, einer Region, wo die syrische Armee schon seit mehreren Jahren nicht mehr präsent ist und somit keine Zwangsrekrutierungen durchführen kann. Es ist aufbauend darauf nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zum Wehrdienst einberufen würde. Ein allfälliger Militärdienst drohte nicht unmittelbar und war kein Grund für die Ausreise des Beschwerdeführers.
Darüber hinaus erlaubt das syrische Militärdienstgesetz syrischen Männern und registrierten Palästinensern aus Syrien im Militärdienstalter (18-42 Jahre) und mit Wohnsitz im Ausland, eine Gebühr (‚badal an-naqdi‘) zu entrichten, um von der Wehrpflicht befreit und nicht wieder einberufen zu werden. Wer die Befreiungsgebühr entrichtet hat und offiziell vom Wehrdienst befreit ist, wird nicht eingezogen.
Es besteht die Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer sich vom Wehrdienst der syrischen Armee freikauft.
Für den Beschwerdeführer besteht darüber hinaus keine Gefahr, durch die SDF zwangsrekrutiert zu werden. Einerseits hatte der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben niemals Probleme mit den kurdischen Einheiten, andererseits ist die Wehrpflicht der SDF auf Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren (geboren 1998 oder später) beschränkt. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit. Der Beschwerdeführer fällt mit seinen XXXX Jahren nicht in die Zielgruppe für die „Selbstverteidigungspflicht“ der SDF. Für den Beschwerdeführer besteht darüber hinaus keine Gefahr, durch die SDF zwangsrekrutiert zu werden. Einerseits hatte der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben niemals Probleme mit den kurdischen Einheiten, andererseits ist die Wehrpflicht der SDF auf Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren (geboren 1998 oder später) beschränkt. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit. Der Beschwerdeführer fällt mit seinen römisch 40 Jahren nicht in die Zielgruppe für die „Selbstverteidigungspflicht“ der SDF.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht an Demonstrationen teilgenommen hat und daher einer individuellen Verfolgung ausgesetzt ist.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Syrien nicht wegen des längeren Aufenthalts im Ausland und aufgrund der Stellung eines Asylantrags mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer individuellen Verfolgung ausgesetzt ist.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu der Gruppe der Araber in seiner Herkunftsregion aus ethnischen Gründen verfolgt wird.
1.3. Lage im Herkunftsstaat
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.2.2024): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: Ende Oktober 2023), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/29884854, Zugriff 15.2.2024
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/document/2089904.html, Zugriff 23.6.2023
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 23.6.2023
? Alaraby - New Arab, the (31.5.2023): Why Syria's Kurds and Hayat Tahrir al-Sham are offering to host refugees, https://www.newarab.com/analysis/why-syrias-kurds-and-hts-are-offering-host-refugees, Zugriff 28.6.2023
? Brookings (27.1.2023): Syria’s dissolving line between state and nonstate actors, https://www.brookings.edu/blog/order-from-chaos/2023/01/27/syrias-dissolving-line-between-state-and-nonstate-actors/, Zugriff 27.6.2023
? CMEC - Carnegie Middle East Center (16.5.2023): An Inauspicious Return, https://carnegie-mec.org/diwan/89762, Zugriff 23.6.2023
? FH - Freedom House (9.3.2023): Freedom in the World 2022 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2088564.html, Zugriff 23.6.2023
? HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103131.html, Zugriff 22.1.2024
? IPS - Inter Press Service (20.5.2022): What the Russian Invasion Means for Syria, https://www.ipsnews.net/2022/05/russian-invasion-means-syria/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=russian-invasion-means-syria, Zugriff 27.6.2023
? SOHR - The Syrian Observatory For Human Rights (7.5.2023): Assad will demand high price for return of refugees, https://www.syriahr.com/en/298175/, Zugriff 23.6.2023
? Spiegel, Der (29.8.2016): Die Fakten zum Krieg in Syrien, https://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-alle-wichtigen-fakten-erklaert-endlich-verstaendlich-a-1057039.html#sponfakt=1, Zugriff 23.6.2023
? USIP - United States Institute for Peace (14.3.2023): Syria’s Stalemate Has Only Benefitted Assad and His Backers, https://www.usip.org/publications/2023/03/syrias-stalemate-has-only-benefitted-assad-and-his-backers, Zugriff 27.6.2023
? Wilson - Wilson Center (6.6.2023): Syria and the Arab League, https://www.wilsoncenter.org/blog-post/syria-and-arab-league, Zugriff 23.6.2023
Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 2024-03-08 11:06
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).
Institutionen und Wahlen
Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).
Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vgl. Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Artikel 85, vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vergleiche Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).
Das Parlament hat nicht viel Macht. Dekrete werden meist von Ministern und Ministerinnen vorgelegt, um ohne Änderungen vom Parlament genehmigt zu werden. Sitze im Parlament oder im Kabinett dienen nicht dazu, einzelne Machtgruppen in die Entscheidungsfindung einzubinden, sondern dazu, sie durch die Vorteile, die ihnen ihre Positionen verschaffen, zu kooptieren (BS 23.2.2022). Im Juli 2020 fanden die Wahlen für das "Volksrat" genannte syrische Parlament mit 250 Sitzen statt, allerdings nur in Gebieten, in denen das Regime präsent ist. Auch diese Wahlen wurden durch die weitverbreitete Vertreibung der Bevölkerung beeinträchtigt. Bei den Wahlen gab es keinen nennenswerten Wettbewerb, da die im Exil lebenden Oppositionsgruppen nicht teilnahmen und die Behörden keine unabhängigen politischen Aktivitäten in dem von ihnen kontrollierten Gebiet dulden. Die regierende Ba'ath-Partei und ihre Koalition der Nationalen Progressiven Front erhielten 183 Sitze. Die restlichen 67 Sitze gingen an unabhängige Kandidaten, die jedoch alle als regierungstreu galten (FH 9.3.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 33,7 Prozent (BS 23.2.2022). Es gab Vorwürfe des Betrugs, der Wahlfälschung und der politischen Einflussnahme. Kandidaten wurden in letzter Minute von den Wahllisten gestrichen und durch vom Regime bevorzugte Kandidaten ersetzt, darunter Kriegsprofiteure, Warlords und Schmuggler, welche das Regime im Zuge des Konflikts unterstützten (WP 22.7.2020).
Der Wahlprozess soll so strukturiert sein, dass eine Manipulation des Regimes möglich ist. Syrische Bürger können überall innerhalb der vom Regime kontrollierten Gebiete wählen, und es gibt keine Liste der registrierten Wähler in den Wahllokalen und somit keinen Mechanismus zur Überprüfung, ob Personen an verschiedenen Wahllokalen mehrfach gewählt haben. Aufgrund der Vorschriften bei Reihungen auf Wahllisten sind alternative Kandidaten standardmäßig nur ein Zusatz zu den Kandidaten der Ba'ath-Partei (MEI 24.7.2020). Die vom Regime und den Nachrichtendiensten vorgenommene Reihung auf der Liste ist damit wichtiger als die Unterstützung durch die Bevölkerung oder Stimmen. Wahlen in Syrien dienen nicht dem Finden von Entscheidungsträgern, sondern der Aufrechterhaltung der Fassade von demokratischen Prozessen durch den Staat nach Außen. Sie fungieren als Möglichkeit, relevante Personen in Syrien quasi zu managen und Loyalisten dazu zu zwingen, ihre Hingabe zum Regime zu demonstrieren (BS 23.2.2022). Zudem gilt der Verkauf öffentlicher Ämter an reiche Personen, im Verbund mit entsprechend gefälschten Wahlergebnissen, als zunehmend wichtige Devisenquelle für das syrische Regime (AA 29.3.2023). Entscheidungen werden von den Sicherheitsdiensten oder dem Präsidenten auf Basis ihrer Notwendigkeiten getroffen - nicht durch gewählte Personen (BS 23.2.2022).
Im September 2022 fanden in allen [unter Kontrolle des syrischen Regimes stehenden] Provinzen Wahlen für die Lokalräte statt. Nichtregierungsorganisationen bezeichneten