TE Vwgh Erkenntnis 1995/5/30 95/11/0069

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Veröffentlicht am 30.05.1995
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Index

43/01 Wehrrecht allgemein;
43/02 Leistungsrecht;

Norm

HGG 1992 §28 Abs1;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Dr. B in T, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 10. Jänner 1995, Zl. 634.625/13-2.5/94, betreffend Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, Zurückziehung eines Einberufungsbefehles und Bekanntgabe eines Einberufungstermines, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes II wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der im Jahre 1961 geborene Beschwerdeführer, der im Jahre 1980 für tauglich befunden worden war, war - nach vorher erfolgten Aufschüben des Antrittes des ordentlichen Präsenzdienstes - bis 30. Juni 1993 von Amts wegen von der Präsenzdienstpflicht befreit gewesen; der Grund hiefür lag in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit an den Universitäten Graz und Tokio.

Mit Antrag vom 1. April 1994 begehrte er "die Zurückziehung" eines an ihn ergangenen Einberufungsbefehles für den 5. April 1994, seine befristete Freistellung "zunächst bis 31. März 1995" sowie daß ihm ein allfälliger Einberufungstermin "mindestens ein halbes Jahr vorher mitgeteilt" werde.

Mit Bescheid der Erstbehörde, des Militärkommandos Wien, vom 2. August 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf befristete Befreiung von der Präsenzdienstpflicht gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den genannten Bescheid vom 2. August 1994 keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt (Spruchpunkt I); im übrigen wurden die Anträge auf Zurückziehung des Einberufungsbefehles und auf Bekanntgabe des Einberufungstermines abgewiesen (Spruchpunkt II).

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Was die Verweigerung der befristeten Befreiung von der Präsenzdienstpflicht anlangt, hat der Beschwerdeführer den Antrag vom 1. April 1994 mit seiner Unabkömmlichkeit von dem Forschungsprojekt im Ausland, an dem er mitarbeite, begründet. Diese Unabkömmlichkeit liege "gleichermaßen in meinem persönlichen existenziellen beruflichen, wie im öffentlichen Interesse". In seiner Berufung gegen den Erstbescheid führte er u. a. aus, daß es für ihn "persönlich ... um meine berufliche Entwicklung als Wissenschaftler und um einmalige, nicht wiederkehrende Möglichkeiten dazu, sowie finanziell um meinen und meines Kindes Unterhalt" gegangen sei.

Die belangte Behörde führt zur Begründung der Abweisung des Befreiungsantrages aus, daß die Verlängerung des Auslandsaufenthaltes "aus freien Stücken", obwohl er damit rechnen mußte, zur Ableistung des Grundwehrdienstes herangezogen zu werden, und nach einem Heimataufenthalt, bei dem er über die Zustellung eines Einberufungsbefehles informiert worden sei, eine Verletzung der Harmonisierungspflicht darstelle, sodaß die Interessen des Beschwerdeführers nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne des Gesetzes gewertet werden könnten.

Diese Argumentation ist nicht schlüssig. Die belangte Behörde läßt es offen, ob die Annahme des Auslandsstipendiums im Jahr 1992 eine Verletzung der Harmonisierungspflicht dargestellt hat; sie hat sich der Beantwortung dieser Frage u. a. dadurch entzogen, daß sie ein im Jahr 1993 gestelltes, darauf gestütztes Begehren des Beschwerdeführers auf befristete Befreiung bis 31. März 1994 nicht bescheidmäßig erledigt hat. Sie behauptet auch im angefochtenen Bescheid derartiges nicht. Sollte jedoch die erstmalige Annahme des Stipendiums und die Aufnahme der entsprechenden Tätigkeit im Ausland nicht als Verletzung der Harmonisierungspflicht zu werten sein, so wäre der bloße Umstand der Absolvierung eines Heimaturlaubes vor der Fortsetzung der Tätigkeit, die nach den Behauptungen des Beschwerdeführers nicht von vornherein vorhersehbar gewesen sei, nicht geeignet, eine Verletzung der Harmonisierungspflicht zu bewirken.

Der Beschwerde ist dessenungeachtet in diesem Umfang der Erfolg zu versagen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nämlich kein Interesse des Beschwerdeführers an seiner Befreiung von der Präsenzdienstpflicht zu erkennen, welches als besonders rücksichtswürdig im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 2 WG 1990 zu qualifizieren wäre. Der Beschwerdeführer geht im Rahmen eines ausländischen Forschungsstipendiums einer beruflichen Tätigkeit nach und bezieht daraus ein Einkommen zur Bestreitung des Unterhaltes für sich und Angehörige. Daß er bei Unterbrechung oder Beendigung dieser Tätigkeit in echte existentielle Schwierigkeiten geriete, hat er - von einer bloßen, mit keiner Begründung versehenen Behauptung abgesehen - nicht dargetan. Davon abgesehen hätte er im Hinblick auf Unterhaltsverpflichtungen entsprechende Ansprüche nach dem Heeresgebührengesetz 1992. Der Wert der Mitarbeit an dem Forschungsprojekt sowie der Wert der Ergebnisse der Arbeiten berühren nicht die subjektive Interessensphäre des Beschwerdeführers, wie sie durch das Gesetz geschützt wird.

Der Beschwerdeführer ist daher im Ergebnis durch den Spruchpunkt I. in seinen Rechten nicht verletzt. Die Beschwerde war in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2. Die im oben wiedergegebenen Spruchpunkt II enthaltenen Absprüche ergingen in Erledigung von an die Erstbehörde gerichteten Anträgen. Diese Anträge wurden von der Erstbehörde nicht bescheidmäßig erledigt, sie waren insbesondere nicht Gegenstand ihres Bescheides vom 2. August 1994. Die belangte Behörde überschritt als Berufungsbehörde ihre Zuständigkeit, wenn sie diese Anträge erstmals anstelle der Erstbehörde einer bescheidmäßigen Erledigung zuführte.

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich seines Spruchpunktes II wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

3. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Stempelgebührenersatz nur in der Höhe von S 270,-- (S 240,-- für zwei Beschwerdeausfertigungen und S 30,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zuzusprechen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995110069.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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