TE Vfgh Erkenntnis 1993/3/16 G273/92

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Veröffentlicht am 16.03.1993
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
GehG 1956 §26 Abs3
ASVG §311

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit der Beschränkung der Verpflichtung des Dienstgebers zur Leistung eines Überweisungsbetrages bei freiwilligem Austritt aus einem nach dem ASVG pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis und Gewährung einer eine bestimmte Höhe nicht überschreitenden Abfertigung auf weibliche Beamte; Abfertigungsanspruch bei freiwilligem Austritt aus dem Dienstverhältnis nach dem GehG 1956 unter bestimmten Voraussetzungen sowohl für weibliche als auch männliche Beamte

Spruch

In §311 Abs3 litb des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, in der Fassung des ArtXVII des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 656/1983, werden die sublit. aa und bb als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 1993 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. §311 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. 189/1955, in der - hier maßgeblichen - Fassung des ArtXVII des Bundesgesetzes BGBl. 656/1983, hat, soweit er hier von Bedeutung ist, folgenden Wortlaut:

"Überweisungsbeträge.

§311. (1) Ist ein Dienstnehmer aus einem nach diesem Bundesgesetz pensionsversicherungsfreien oder nach früherem Recht rentenversicherungsfreien Dienstverhältnis ausgeschieden oder scheidet er aus einem solchen Dienstverhältnis aus, ohne daß aus diesem ein Anspruch auf einen laufenden Ruhe(Versorgungs)genuß erwachsen ist und ohne daß ein außerordentlicher Ruhe(Versorgungs)genuß in der Höhe des normalmäßigen Ruhe(Versorgungs)genusses unwiderruflich gewährt wird, so hat der Dienstgeber, soweit in den nachstehenden Abs3 und 4 nichts anderes bestimmt wird, dem Pensionsversicherungsträger, der aus dem Dienstverhältnis zuletzt zuständig gewesen wäre, einen Überweisungsbetrag zu leisten.

(2) ...

(3) Die Verpflichtung des Dienstgebers nach Abs1 entfällt,

a)

wenn beim Ausscheiden des Dienstnehmers durch Tod keine im Sinne der pensionsrechtlichen Bestimmungen des Dienstgebers versorgungsberechtigten Hinterbliebenen vorhanden sind oder

              b)              aa) wenn eine verheiratete Beamtin innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Eheschließung oder

bb)

wenn eine Beamtin innerhalb von 18 Jahren nach der Geburt eines eigenen Kindes, das im Zeitpunkt des Ausscheidens noch lebt, oder

cc)

wenn eine Beamtin innerhalb von sechs Monaten nach der Annahme eines Kindes, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat und das im Zeitpunkt des Ausscheidens noch lebt, an Kindes Statt (§15 Abs5 Z1 des Mutterschutzgesetzes 1979) oder innerhalb von sechs Monaten nach der Übernahme eines solchen Kindes in unentgeltliche Pflege (§15 Abs5 Z2 des Mutterschutzgesetzes 1979)

freiwillig aus dem Dienstverhältnis austritt und ihr aus diesem Anlaß eine Abfertigung gewährt wird, die mindestens 20 vH höher ist als die Summe der vom Dienstgeber nach Abs5, nach §175 Abs1 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes oder nach §167 Abs1 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes zu leistenden bzw. zurückzuzahlenden Überweisungsbeträge oder

c)

wenn der Dienstnehmer beim Ausscheiden aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis nach den Dienst- und Besoldungsvorschriften für seine laufenden Versorgungsansprüche entfertigt wurde.

In den Fällen der litb und c kann der Dienstnehmer oder sein anspruchsberechtigter Hinterbliebener innerhalb der im §312 angegebenen Frist den Überweisungsbetrag in der in Abs5 angegebenen Höhe, den Überweisungsbetrag, den der Dienstnehmer aus Anlaß der Aufnahme in das pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnis erhalten hat, sowie auch Beiträge, die dem Dienstnehmer nach §308 Abs3 erstattet wurden, an den Versicherungsträger leisten bzw. zurückzahlen. Innerhalb der gleichen Frist kann auch ein Dienstnehmer, für den ein Überweisungsbetrag nach Abs1 geleistet wird, oder sein anspruchsberechtigter Hinterbliebener einen Überweisungsbetrag, den der Dienstnehmer aus Anlaß der Aufnahme in das pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnis erhalten hat, wie auch Beiträge, die dem Dienstnehmer nach §308 Abs3 erstattet wurden, an den Versicherungsträger zurückzahlen. Der vom Dienstnehmer erhaltene Überweisungsbetrag und die erstatteten Beiträge, die vom Dienstnehmer oder seinem anspruchsberechtigten Hinterbliebenen zurückgezahlt werden, sind mit dem für das Jahr der Zahlung des Überweisungsbetrages bzw. der Erstattung der Beiträge geltenden Aufwertungsfaktor (§108 c) aufzuwerten.

(4) ...

(5) ..."

II. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B552/90 eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

Die Beschwerdeführerin war im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen und somit nach dem ASVG pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnisses zum Bund an der Universität Wien beschäftigt. Nachdem sie aus diesem Dienstverhältnis mit Ablauf des 28. Februar 1988 innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Eheschließung und der Geburt einer Tochter ausgetreten war, ohne daß ihr ein Anspruch auf einen laufenden Ruhe(Versorgungs)genuß erwachsen und ohne daß ihr ein außerordentlicher Ruhe(Versorgungs)genuß gewährt worden wäre, stellte sie an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten den Antrag auf bescheidmäßige Feststellung, daß der Bund verpflichtet ist, an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten gemäß §311 Abs1 ASVG einen Überweisungsbetrag im gesetzlichen Ausmaß zu leisten und daß durch die der Beschwerdeführerin gewährte Abfertigung iS des §26 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. 54 (im folgenden: GG 1956), keine Versicherungszeiten abgegolten wurden.

Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten wies diesen Antrag unter Berufung auf §311 Abs3 litb ASVG der Sache nach mit der Begründung ab, daß nach dieser Vorschrift im Falle der Beschwerdeführerin eine Verpflichtung des Dienstgebers zur Leistung eines Überweisungsbetrages nach §311 Abs1 ASVG nicht bestehe, weil der Beschwerdeführerin aus Anlaß ihres freiwilligen Austrittes aus dem Dienstverhältnis eine Abfertigung gewährt worden sei, die um mehr als 20 vH höher gewesen sei als die Summe der vom Dienstgeber an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zu leistenden Überweisungsbeträge.

Dem Einspruch der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid gab der gemäß §73 Abs2 AVG zuständig gewordene Bundesminister für Arbeit und Soziales keine Folge, und zwar im wesentlichen mit der Begründung, daß der bekämpfte Bescheid dem Gesetz entsprochen habe, die mit dem Einspruch (ausschließlich) geltend gemachte Verfassungswidrigkeit der diesem Bescheid zugrundeliegenden gesetzlichen Vorschrift aber von der zur Entscheidung über den Einspruch berufenen Behörde nicht wahrgenommen werden könne.

Dieser Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales ist Gegenstand der erwähnten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines infolge Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat in der

vorläufigen Annahme, daß die Beschwerde zulässig sei und daß er bei der Entscheidung über diese Beschwerde sowohl die sublit. aa als auch die sublit. bb in §311 Abs3 litb ASVG (jeweils idF des Bundesgesetzes BGBl. 656/1983) anzuwenden hätte, beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesstellen einzuleiten.

Er hat die gegen diese Bestimmungen entstandenen verfassungsrechtlichen Bedenken, die ihn zu diesem Beschluß bewogen haben, im wesentlichen folgendermaßen umschrieben:

"a) Der Verfassungsgerichtshof dürfte, da gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, den angefochtenen Bescheid an den im Zeitpunkt seiner Erlassung in Geltung gestandenen Rechtsvorschriften zu messen haben, er wird daher von §311 Abs3 litb ASVG in der seit 1. Jänner 1984 geltenden Fassung auszugehen haben, die diese Bestimmung durch ArtXVII des Bundesgesetzes BGBl. 656/1983 erhalten hat (s. dazu ArtXXI Abs1 Z4 dieses Bundesgesetzes).

b) §311 Abs3 litb ASVG steht in einem sachlichen Zusammenhang mit der Vorschrift des §26 Abs3 GG 1956, die unter bestimmten Voraussetzungen einem Beamten, der freiwillig aus dem Dienstverhältnis austritt, den Anspruch auf eine Abfertigung einräumt. Diese Bestimmung hat durch die 41. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. 656/1983, mit 1. Jänner 1984 folgenden Wortlaut erhalten:

'(3) Eine Abfertigung gebührt außerdem,

1. einer verheirateten Beamtin, wenn sie innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Eheschließung,

2. einer Beamtin, wenn sie innerhalb von 18 Jahren nach der Geburt eines eigenen Kindes, das im Zeitpunkt des Ausscheidens noch lebt,

3. einer Beamtin, wenn sie innerhalb von sechs Monaten nach der Annahme eines Kindes, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat und das im Zeitpunkt des Ausscheidens noch lebt, an Kindes Statt (§15 Abs5 Z1 des Mutterschutzgesetzes 1979) oder innerhalb von sechs Monaten nach der Übernahme eines solchen Kindes in unentgeltliche Pflege (§15 Abs5 Z2 des Mutterschutzgesetzes 1979),

freiwillig aus dem Dienstverhältnis austritt.'

c) Der Verfassungsgerichtshof hat mit dem Erkenntnis VfSlg. 11383/1987 die Z2 des §26 Abs3 GG 1956 (in der wiedergegebenen Fassung der 41. Gehaltsgesetz-Novelle) als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung ist mit Ablauf des 31. Mai 1988 in Kraft getreten (vgl. dazu die Kundmachung des Bundeskanzlers BGBl. 395/1987). Daraufhin erhielt §26 Abs3 GG 1956 durch ArtI Z9 der 47. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. 288/1988 (die gemäß ArtXIII Abs1 Z2 dieses Bundesgesetzes mit 1. Juni 1988 in Kraft getreten ist), folgenden Wortlaut:

'(3) Eine Abfertigung gebührt außerdem

1. einem verheirateten Beamten, wenn er innerhalb von zwei Jahren nach seiner Eheschließung,

2. einem Beamten, wenn er innerhalb von sechs Jahren nach der Geburt

a) eines eigenen Kindes

b) eines von ihm allein oder gemeinsam mit seinem Ehegatten an Kindes Statt angenommenen Kindes oder

c) eines von ihm in unentgeltliche Pflege übernommenen Kindes (§15 Abs5 Z2 des Mutterschutzgesetzes 1979),

das im Zeitpunkt des Ausscheidens noch lebt,

freiwillig aus dem Dienstverhältnis austritt. Aus dem Anlaß seiner Eheschließung kann nur einer der beiden Ehegatten - und auch das nur einmal - die Abfertigung in Anspruch nehmen. Die Abfertigung nach der Z2 kann für ein und dasselbe Kind nur einmal in Anspruch genommen werden. Stehen beide Ehepartner bzw. beide Elternteile (Adoptivelternteile) in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft und hätten beide Anspruch auf Abfertigung aus Anlaß derselben Eheschließung oder wegen desselben Kindes, so geht der früher entstandene Anspruch dem später entstandenen vor. Bei gleichzeitgem Entstehen der Ansprüche geht im Falle der Z1 der Anspruch des älteren Beamten, in den Fällen der Z2 der Anspruch der Mutter (Adoptivmutter) vor.'

d) Es scheint nun keine sachliche Rechtfertigung dafür zu geben, daß einerseits §26 Abs3 Z1 und 2 lita GG 1956 unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Abfertigung sowohl weiblichen als auch männlichen Beamten gewährt, daß andererseits aber die korrespondierenden Bestimmungen des §311 Abs3 litb sublit. aa und sublit. bb den Dienstgeber von der Verpflichtung zur Leistung eines Überweisungsbetrages an den Pensionsversicherungsträger nur dann befreien, wenn der Anspruch auf Abfertigung (in bestimmter Mindesthöhe) einem weiblichen Beamten zusteht, nicht aber auch dann, wenn er einem männlichen Beamten zukommt.

e) Auch gegen §311 Abs3 litb sublit. bb ASVG besteht ferner jenes Bedenken, das den Verfassungsgerichtshof bewogen hat, mit dem Erkenntnis VfSlg. 11155/1986 in ArtII Z4 der

23. Ergänzung zum (OÖ) Landesbeamtengesetz und Landesbeamtengesetz-Novelle 1985, LGBl. für OÖ Nr. 41/1985, die Z2 in dem als landesgesetzliche Vorschrift in Geltung stehenden §26 Abs3 GG 1956 und mit dem Erkenntnis VfSlg. 11383/1987 die Z2 in §26 Abs3 GG 1956 (idF der 41. Gehaltsgesetz-Novelle) als verfassungswidrig aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof vertrat in beiden Erkenntnissen - kurz zusammengefaßt - die Auffassung, daß die jeweils aufgehobene Regelung nicht dem im Gesetzeswortlaut angedeuteten Zweck - Übernahme der Obsorge für das Kind - sondern allgemeinen arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen diene und daß es deshalb nicht einzusehen sei, weshalb die Vorschrift auf weibliche Beamte beschränkt ist. Zu beiden Vorschriften bildete, wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 11155/1986 (755) ausdrücklich hervorhob, §311 Abs3 litb (sublit. bb) ASVG eine komplementäre - in jenen Fällen allerdings nicht präjudizielle - Regelung, die nicht die Ursache, sondern die Folge der - gleichheitswidrigen - besoldungsrechtlichen Differenzierung sei und diese daher nicht zu rechtfertigen vermöge. Der Verfassungsgerichtshof geht im Rahmen einer vorläufigen Beurteilung davon aus, daß die Bedenken gegen die Gleichheitskonformität der mit den angeführten Erkenntnissen aufgehobenen Regelungen auch gegen §311 Abs3 litb sublit. bb ASVG bestehen."

IV. Die Bundesregierung hat erklärt, im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 11383/1987 von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand zu nehmen. Für den Fall der Aufhebung der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen hat die Bundesregierung den Antrag gestellt, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr bestimmen, um allenfalls erforderliche legistische Vorkehrungen zu ermöglichen.

V. Im Verfahren ist weder vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen, daß die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der Beschwerde und über die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen unzutreffend wären. Da alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

VI. 1. Schon das im Beschluß über die Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens dargelegte Bedenken, das gegen die Verfassungsmäßigkeit sowohl der sublit. aa als auch der sublit. bb des §311 Abs3 litb ASVG spricht, ist begründet.

Nach §26 Abs3 GG 1956 (in der hier maßgeblichen Fassung der 47. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. 288/1988) gebührt sowohl einem weiblichen als auch einem männlichen Beamten, der innerhalb von zwei Jahren nach seiner Eheschließung (Z1) oder innerhalb von sechs Jahren nach der Geburt eines eigenen Kindes (Z2 lita) ohne Anspruch auf einen laufenden Ruhegenuß freiwillig aus dem - nach dem ASVG pensionsversicherungsfreien - Dienstverhältnis austritt, eine Abfertigung.

Falls diese eine bestimmte Höhe nicht überschreitet, hat der Dienstgeber dem Pensionsversicherungsträger, der aus dem Dienstverhältnis zuletzt zuständig gewesen wäre, einen Überweisungsbetrag zu leisten (§311 Abs3 litb sublit. aa und sublit. bb iVm Abs1 ASVG). Während jedoch nach §26 Abs3 Z1 und 2 lita GG 1956 unter den dort umschriebenen Voraussetzungen der Anspruch auf Abfertigung sowohl weiblichen als auch männlichen Beamten zusteht, ist in §311 Abs3 litb sublit. aa und sublit. bb unter eben diesen Voraussetzungen (daß §26 Abs3 Z2 GG 1956 auf einen Zeitraum von sechs Jahren, §311 Abs3 litb sublit. bb ASVG aber auf einen Zeitraum von 18 Jahren nach der Geburt eines eigenen Kindes abstellt, ist im gegebenen Zusammenhang ohne Bedeutung) ein Überweisungsbetrag nur zu leisten, wenn es sich um einen weiblichen Beamten handelt. Während der Gesetzgeber die unterschiedliche Behandlung weiblicher und männlicher Beamter in bezug auf den Abfertigungsanspruch bei freiwilligem Austritt aus dem Dienstverhältnis mit der Novellierung des §26 Abs3 GG 1956 durch die 47. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. 288/1988, beseitigt hat, ist eine entsprechende Gleichstellung von weiblichen und männlichen Beamten auch im Geltungsbereich des §311 ASVG - also in bezug auf den vom Dienstgeber an den zuständigen Pensionsversicherungsträger zu leistenden Überweisungsbetrag - bisher unterblieben. Auch in diesem Bereich ist jedoch ein sachlicher Grund für diese Differenzierung nicht zu erkennen. Die Beschränkung der in §311 Abs3 litb sublit. aa und sublit. bb ASVG enthaltenen Regelung auf weibliche Beamte verstößt somit gegen das auch den Gesetzgeber bindende, ihm sachlich nicht begründbare Differenzierungen verwehrende Gleichheitsgebot (s. zB VfSlg. 11155/1986).

Die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen waren darum als verfassungswidrig aufzuheben, ohne daß zu prüfen war, ob §311 Abs3 litb sublit. bb ASVG auch aus dem weiteren im Beschluß über die Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens angeführten Grund verfassungswidrig ist.

2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesbestimmungen gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG idF des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. 276/1992.

3. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und aus §65 VerfGG.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Sozialversicherung, Überweisung (Sozialversicherung), Dienstrecht, Abfertigung (Dienstrecht), geschlechtsspezifische Differenzierungen, Gleichheit Frau-Mann, VfGH / Anlaßfall, VfGH / Aufhebung Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:G273.1992

Dokumentnummer

JFT_10069684_92G00273_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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