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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. März 1995, Zl. SD 25/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. März 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und 2 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der im Mai 1985 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer habe zuletzt über einen Sichtvermerk mit Gültigkeitsdauer bis 31. Jänner 1989 verfügt und sei vor Juli 1988 im Besitz von nur zwei jeweils auf ca. ein halbes Jahr ausgestellten Sichtvermerken gewesen. Seit diesem Zeitpunkt halte er sich ohne Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet auf. In den Jahren 1990 und 1991 sei er jeweils wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes, im März 1992 wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholbeeinträchtigtem Zustand gemäß § 5 Abs. 1 StVO rechtskräftig bestraft worden. Nach einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung wegen § 36 Abs. 1 Z. 5 des Waffengesetzes im August 1992, sei er im Dezember 1994 wegen Übertretung des Fremdengesetzes (§ 82 Abs. 1 Z. 3 iVm § 2 Abs. 1) rechtskräftig bestraft worden. Schließlich sei der Beschwerdeführer am 12. Dezember 1994 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten, davon 13 Monate bedingt auf drei Jahre Probezeit, verurteilt worden.
Damit seien die Tatbestände des § 18 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 FrG verwirklicht. Das (Gesamt)Fehlverhalten des Beschwerdeführers sowie die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung rechtfertigten auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme.
Im Hinblick darauf, daß auch die Ehegattin des Beschwerdeführers in Österreich lebe, sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen (§ 19 FrG). Dessen ungeachtet sei die Maßnahme zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen (zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer) dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig. Auch die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung gehe zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus. Seien schon die Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO und der mehrfache Verstoß gegen fremdenrechtliche Bestimmungen hoch zu veranschlagen, so komme noch hinzu, daß sich der Beschwerdeführer zuletzt auch noch zu einer Mißachtung strafrechtlicher Normen habe hinreißen lassen. Auf der anderen Seite könne sich der Beschwerdeführer aufgrund seines überwiegend unerlaubten Aufenthaltes in Österreich nicht mit Erfolg auf einen hohen Grad seiner Integration berufen. Jedenfalls seien die für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen weitaus höher zu bewerten als die damit verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde läßt die auf den unbestritten gebliebenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen beruhende rechtliche Beurteilung, es seien sowohl die Z. 1 als auch die Z. 2 des § 18 Abs. 2 FrG verwirklicht, die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt und das Aufenthaltsverbot, da zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen dringend geboten, im Grunde des § 19 FrG zulässig, unbekämpft. Der Gerichtshof hegt gegen diese Beurteilung keine Bedenken.
2.1. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, daß die Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG zu seinen Gunsten hätte ausgehen müssen. Die belangte Behörde habe kein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Sie verweise im angefochtenen Bescheid lediglich darauf, daß auch die Ehegattin des Beschwerdeführers in Österreich lebe. Tatsächlich lebe der Beschwerdeführer mit seiner nunmehrigen Ehefrau schon acht Jahre zusammen; überdies hätten sie zwei gemeinsame, in Wien in den Jahren 1990 und 1992 geborene Kinder. Der Geburtsort des Beschwerdeführers, Brcko, in dem auch sein inzwischen zerstörtes Elternhaus stehe, befinde sich in der "engsten Kriegszone"; es sei praktisch unmöglich, in dieses Gebiet zurückzukehren. Seine aus Serbien stammende Ehefrau stehe seit ihrer Ankunft ununterbrochen in einem Beschäftigungsverhältnis in Österreich; sie habe für sich und die beiden Kinder um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht. Aus all dem ergebe sich, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
2.2.1. Selbst wenn es sich bei der Geltendmachung des Umstandes, daß der Beschwerdeführer mit seiner (laut der vorgelegten Heiratsurkunde am 23. März 1993 geehelichten) Gattin zwei in den Jahren 1990 und 1992 in Wien geborene Kinder habe und alle zusammen lebten, um keine unbeachtliche Neuerung handeln sollte (§ 41 Abs. 1 VwGG), die belangte Behörde sohin im Rahmen der von ihr vorgenommenen Abwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG zu Unrecht nicht auf den Aufenthalt der beiden Kinder in Österreich Bedacht genommen hätte, führte dieser Verfahrensmangel die Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn auch dann, wenn das Gewicht der für einen Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden privaten und familiären Interessen höher zu veranschlagen wäre als dies die belangte Behörde getan hat, würde sich nichts daran ändern, daß die durch das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers hervorgerufene Beeinträchtigung der maßgeblichen öffentlichen Interessen an der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes stärker zu gewichten wäre. Die aufgrund der von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehende große Gefahr für die Allgemeinheit, die in der gerichtlichen Verurteilung zum Ausdruck kommende Mißachtung von fremdem Vermögen, vor allem aber die durch den sechsjährigen ununterbrochenen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet (dem schon ein mehrjähriger, zum Großteil unerlaubter Aufenthalt vorangegangen war) herbeigeführte gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) sind sehr hoch zu veranschlagen. Da auf der anderen Seite das Gewicht der zu berücksichtigenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers - von der belangten Behörde zutreffend erkannt - deutlich dadurch vermindert wird, daß nur eine rechtmäßige Dauer des Aufenthaltes zugunsten des Fremden zu Buche schlägt und der Integration des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Unerlaubtheit nahezu der ganzen Dauer seines Aufenthaltes kein hoher Stellenwert zukommt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. März 1995, Zl. 95/18/0301), hätten die somit nicht als stark ausgeprägt einzuschätzenden privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers durch die allenfalls gebotene Bedachtnahme auf den Aufenthalt auch von zwei Kindern des Beschwerdeführers in Österreich zwar eine Höherbewertung erfahren, aber doch keine solche, die - bei zusammenfassender Betrachtung - dazu geführt hätte, die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie als schwerer wiegend erscheinen zu lassen als die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen bzw. als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme. Daß die Gattin des Beschwerdeführers für sich und die beiden Kinder behauptetermaßen um die österreichische Staatsbürgerschaft angesucht hat, ist für das Gewicht der gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Interessen ohne wesentlichen Einfluß. Im übrigen sei festgehalten, daß der an sich durchaus beachtliche Umstand einer aufrechten Ehe dadurch nicht unerheblich an Bedeutung verliert, daß der Beschwerdeführer die Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen hat, zu dem er sich bereits mehr als vier Jahre ununterbrochen in Österreich aufgehalten hatte und auch rechtens nicht mit einem weiteren (längeren) Aufenthalt rechnen durfte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0342).
2.2.2. Soweit die Beschwerde meint, die belangte Behörde hätte bei der Abwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG auf die Verhältnisse in der Heimat des Beschwerdeführers (Bosnien) und die "praktische Unmöglichkeit", dorthin zurückzukehren, Rücksicht nehmen müssen, verkennt sie die Rechtslage: Mit dem Aufenthaltsverbot ist (lediglich) die Verpflichtung zur Ausreise verbunden (§ 22 FrG); nicht jedoch wird damit ausgesprochen, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder (allenfalls) in ein bestimmtes Land abgeschoben werde.
3. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995180863.X00Im RIS seit
20.11.2000