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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §357;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der Vlbg GKK in Dornbirn, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des LH von Vlbg vom 9. Juli 1993, Zl. IVb-69-51/1991, betreffend Verjährung des Rechtes auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden nach § 68 Abs. 2 ASVG (mP: Dr. H S, Rechtsanwalt, als Masseverwalter im Konkurs des W H), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren des Mitbeteiligten wird abgewiesen.
Begründung
Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 13. Juni 1991, 4 S n1, wurde über das Vermögen des W H (im folgenden: H.) der Konkurs eröffnet und der Mitbeteiligte zum Masseverwalter bestellt. In diesem Verfahren meldete die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse S 151.836,28 an offenen Sozialversicherungsbeiträgen als Konkursforderung an. Da diese Forderung Beitragsrückstände aus den Jahren 1978 und 1979 betraf, stellte der mitbeteiligte Masseverwalter mit Schreiben vom 17. September 1991 den Antrag, diese Forderung wegen Verjährung als nicht mehr zu Recht bestehend festzustellen.
Mit Bescheid vom 22. Oktober 1991 stellte die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse gemäß den §§ 68, 410 ASVG fest, daß die im genannten Konkursverfahren angemeldete Forderung mit einem Betrag von S 90.608,07 noch nicht verjährt sei. Begründend wurde ausgeführt, daß H. jedenfalls bis einschließlich November 1979 einen Stickereibetrieb in L, S-Straße 9a, geführt habe, in dem er auch Dienstnehmer, für die er sozialversicherungsbeitragspflichtig gewesen sei, beschäftigt habe. Da er die fälligen Sozialversicherungsbeiträge nicht rechtzeitig bezahlt habe, hätten gegen ihn seit 1978 Exekutionen geführt werden müssen (und zwar beim Bezirksgericht Dornbirn in den Jahren 1978 bis 1980 vier Exekutionsverfahren und beim Exekutionsgericht Wien in den Jahren 1978 bis 1981 drei Exekutionsverfahren). H. habe in der Folge seinen Wohnsitz nach Wien verlegt, ohne daß er der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse hierüber eine Meldung erstattet habe. Um die Verjährung gemäß § 68 Abs. 2 ASVG hintanzuhalten, habe die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse H. in Abständen von 22 Monaten regelmäßig hinsichtlich eines Betrages von S 90.608,07 gemahnt, und zwar mit den Schreiben vom 11. Jänner 1982, 10. November 1983, 9. September 1985, 9. Juli 1987, 11. Mai 1989 und schließlich vom 11. März 1991. Aufgelaufene Verzugszinsen seien nicht mehr eingemahnt worden, sodaß diesbezüglich Verjährung eingetreten sei. Der Betrag von S 90.608,07 sei jedoch noch nicht verjährt.
Dem dagegen vom mitbeteiligten Masseverwalter erhobenen Einspruch gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge und stellte fest, daß die offene Beitragsforderung der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse gegen H., welche aus dessen Dienstgebereigenschaft gegenüber im Rahmen seines in L, S-Straße 9a, bis November 1979 betriebenen Stickereibetriebes beschäftigten Dienstnehmern resultiere, verjährt sei.
In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, daß der mitbeteiligte Masseverwalter im Einspruch zwar zugestanden habe, daß die strittigen Sozialversicherungsbeiträge bis einschließlich November 1979 rechtskräftig festgestellt worden seien, die behaupteten Mahnschreiben der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse allein aber seiner Auffassung nach zur Hintanhaltung der Verjährung nach § 68 Abs. 2 ASVG nicht genügten. Die Verjährung werde nur durch jede vollendete Maßnahme zur Hereinbringung unterbrochen, wobei das Gesetz ausdrücklich die Zustellung einer solchen Mahnung als Beispiel anführe. Wesentlich sei, daß der Rückstand dem Beitragsschuldner nachweislich zur Kenntnis gelange. Darüber und über die ordnungsgemäße Zustellung lasse der bekämpfte Bescheid jedoch jede Ausführung vermissen, sodaß die Frage der Verjährung nicht überprüfbar und die Bescheidbegründung zumindest in dieser Hinsicht mangelhaft erscheine.
In mehreren ergänzenden Stellungnahmen habe die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse im wesentlichen ausgeführt, daß H. zwischen dem 5. März 1979 und dem 10. April 1985 ständig in L, S-Straße 9a, gemeldet gewesen sei. Laut Meldeauskunft der Bundespolizeidirektion Wien sei H. bereits am 21. Mai 1980 von Wien, Landesgerichtsstraße 11, nach "unbekannt" verzogen, sodaß die der beschwerdeführenden Gebietskrankenasse letzte bekannte Adresse jene in L gewesen sei. Um die Verjährung des Rechtes auf Einforderung der Beitragsschulden hintanzuhalten, seien an H. unter dieser Adresse seit 12. Jänner 1982 regelmäßig Mahnungen ergangen. Zwar sei H. im Jahre 1985 auch von seinem Wohnsitz in L nach "unbekannt" verzogen, die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse habe aber, weil H. keine neue Adresse bekanntgegeben habe, keine andere Möglichkeit gehabt, als die Mahnungen an die letztbekannte Adresse zuzustellen. Gemäß § 68 Abs. 2 ASVG komme es jedoch nicht darauf an, daß der Rückstand dem Beitragsschuldner nachweislich zur Kenntnis gelange, die behauptete Unterbrechungshandlung müsse lediglich aus dem Amtsbereich der Behörde hinaustreten, irgendwie nach außen wirksam werden und aus den Verwaltungsakten nachweisbar sein. Insbesondere sei eine Mahnung, auf deren Zustellung § 68 Abs. 2 ASVG zur Unterbrechung der Verjährung verweise, entsprechend der Bestimmung des § 64 Abs. 3 ASVG zuzustellen, welche hinsichtlich der Zustellung eine gesetzliche Vermutung enthalte. Zudem müsse der Sozialversicherungsträger die Möglichkeit haben, die Verjährung auch in jenen Fällen zu unterbrechen, in denen sich der Zahlungspflichtige, dessen Zahlungspflicht außer Streit stehe, seiner Zahlungspflicht zu entziehen versuche, indem er den Wohnsitz wechsle, ohne dies dem Sozialversicherungsträger zu melden.
Der mitbeteiligte Masseverwalter habe dazu ergänzend ausgeführt, daß zwischen einer Mahnung, die einem Rückstandsauweis vorausgehe, und einer solchen, die alle notwendigen Voraussetzungen erfülle, um die Verjährung zu verhindern, zu unterscheiden sei. Letztere sei, wie in § 68 Abs. 2 ASVG verankert, dem Zahlungspflichtigen zuzustellen. Des weiteren sei die letzte der der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse bekannte Adresse des H. Wien XIV, gewesen, an welche Adresse die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse nachweislich ihren letzten Exekutionsantrag gerichtet habe. Selbst wenn das bloße Absenden von Mahnungen, was vom mitbeteiligten Masseverwalter ausdrücklich bestritten werde, als ausreichend erachtet werden sollte, so habe dieses Absenden an eine dem Sozialversicherungsträger bekannte aufrechte Anschrift zu erfolgen. Um diese zu eruieren, seien vom Sozialversicherungsträger seit 1983 gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG zumutbare Nachforschungen zu betreiben gewesen.
Aufgrund der Aktenlage sowie der im Rahmen des ergänzenden Ermittlungsverfahrens erfolgten Einvernahme eines Vertreters der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse stehe folgender Sachverhalt als erwiesen fest: Vom mitbeteiligten Masseverwalter sei in seiner abschließenden Stellungnahme die Beitragsforderung der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse gegen H. als bis zum 10. Juni 1981 zu Recht bestehend außer Streit gestellt worden. Er habe lediglich ab diesem Zeitpunkt die Vollstreckungsverjährung geltend gemacht. An diesem Tag sei die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse vom Nichtvollzug der mit Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom 26. Mai 1981 gegen H. unter der Adresse Wien XIV, bewilligten Fahrnisexekution benachrichtigt worden. Zwischen 1978 und 1980 seien fünf weitere, von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse gegen H. unter der Adresse L, S-Straße 9a, geführte Fahrnisexekutionen erfolglos geblieben. Am 12. Jänner 1982, 11. November 1983. 10. September 1985, 10. Juli 1987, 12. Mai 1989 und 12. März 1991 seien von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse mittels einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage Mahnungen, in welchen offene Sozialversicherungsbeiträge inkl. Nebengebühren von jeweils S 90.608,07 aufgeschienen seien, erstellt und diese ohne weitere Bearbeitung an H. unter der L Adresse versandt worden. H. sei bis Februar 1978 und zwischen 5. März 1979 und 10. April 1985 an der angeführten Adresse in L polizeilich gemeldet gewesen, von der er sich am 10. April 1985 als nach "unbekannt" verzogen abgemeldet habe. Bis 21. Mai 1980, als er sich nach "unbekannt" verzogen abgemeldet habe, sei H. in Wien I, Landesgerichtsstraße 11, aufrecht polizeilich gemeldet gewesen.
In rechtlicher Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes ergebe sich folgendes: Streitgegenständlich sei der Eintritt der Einforderungsverjährung der festgestellten Beitragsschuld ab Juni 1981. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse die Beitragsschuld samt Nebengebühren und Verzugszinsen durch zahlreiche beantragte Exekutionen, welche jeweils in Ermangelung pfändbarer Gegenstände nicht hätten vollzogen werden können, einzutreiben versucht und sohin die Verjährung des Rechts auf Einforderung nach § 68 Abs. 2 ASVG - vom mitbeteiligten Masseverwalter außer Streit gestellt - hintangehalten. Zu prüfen sei daher, ob die von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse erfolgte Absendung der Mahnschreiben, deren vollzogene Zustellung an H. vom mitbeteiligten Masseverwalter bestritten werde, geeignet gewesen sei, den Ablauf der Vollstreckungsverjährung nach § 68 Abs. 2 zweiter Satz ASVG zu unterbrechen. Ein Vollzug der Zustellung und die daraus resultierende verjährungsunterbrechende Wirkung sei für den Zeitraum nach 1985 mangels Zusendung der Mahnschreiben an die Abgabestelle auszuschließen, könne jedoch auch für den davor liegenden Zeitraum nicht nachgewiesen werden, weil die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse die Zustellform ohne Zustellnachweis gewählt habe. Dadurch, daß § 68 Abs. 2 ASVG beispielhaft die Zustellung einer Zahlungsaufforderung anführe, werde zwar auf das Mahnschreiben nach § 64 Abs. 3 ASVG verwiesen, daraus folge jedoch nicht, daß auch das dort festgelegte vereinfachte Zustellverfahren zur Anwendung komme; die verjährungsunterbrechende Wirkung der Mahnschreiben sei daher an den Kriterien des § 68 Abs. 2 ASVG zu messen. Hinsichtlich der verjährungsunterbrechenden Wirkung von zum Zwecke der Hereinbringung getroffenen Maßnahmen werde in der zur vergleichbaren Bestimmung des § 238 Abs. 2 BAO ergangenen Judikatur festgestellt, daß sich die Behörde auf die Unterbrechung einer Verjährung dann mit Recht berufen könne, wenn die behauptete Unterbrechungshandlung aus dem Amtsbereich der Behörde hinausgetreten, irgendwie nach außen wirksam geworden und einwandfrei aus den Verwaltungsakten nachweisbar sei (vgl. das Erkenntnis vom 30. September 1985, Zl. 81/08/0186). Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse könne nunmehr eindeutig die Ausstellung der strittigen Mahnschreiben nachweisen. Daß sie auch ausgesandt worden seien, möge ihr trotz des Fehlens eines Abfertigungsvermerkes unter Hinweis auf das dabei übliche Prozedere zugebilligt werden. Jedoch genüge nach der zitierten Rechtsprechung nicht, daß die Unterbrechungshandlung aus dem Amtsbereich der Behörde hinausgetreten sei, sie müsse auch nach außen wirksam werden. An der Erfüllung dieser Voraussetzung mangle es jedoch beim streitgegenständlichen Sachverhalt. Insbesondere für den Zeitraum nach 1985 sei anzunehmen (jedenfalls habe von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse, basierend auf der Aktenlage, Gegenteiliges nicht nachgewiesen werden können), daß die Mahnschreiben, weil H. nach "unbekannt" verzogen sei, wiederum der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse retourniert worden seien. Der Umstand, daß der bloße Nachweis des Absendens von Mahnschreiben als für die Verjährungsunterbrechung nicht ausreichend erachtet werde, habe nun nicht zur Konsequenz, daß, wie von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse eingewendet worden sei, ein Beitragsschuldner, um der Zahlung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge zu entgehen, lediglich - ohne entsprechende Meldung - seinen Wohnsitz verlegen und dann das Ablaufen der Verjährungsfrist abwarten müsse. Denn eine verjährungsunterbrechende Maßnahme im Sinne des § 68 Abs. 2 ASVG werde nicht nur in jenen Fällen nach außen wirksam, in denen das Mahnschreiben dem Beitragsschuldner selbst zur Kenntnis gelange. Es sei jedoch eine Publizitätswirkung erforderlich, die über das bloße Versenden von Zahlungsaufforderungen hinausgehe, ohne daß sie nachweislich von jemandem inhaltlich wahrgenommen würden. Auch eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung entsprechend den Bestimmungen des ZustellG könnte der erforderlichen Wirksamkeit nach außen Genüge tun. Da sohin von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse lediglich das Hinaustreten der verjährungsunterbrechenden Maßnahme aus ihrem Amtsbereich, nicht jedoch deren Wirksamkeit nach außen habe nachgewiesen werden können, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt erachtet, gemäß den §§ 58, 64 und 68 Abs. 2 ASVG nicht rechtzeitig entrichtete Beitragsschulden festzustellen und einzutreiben. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes wendet sie unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften Nachstehendes ein: Die belangte Behörde bejahe zwar (rechtsrichtig) die Verweisung bezüglich der im § 68 Abs. 2 ASVG genannten Zahlungsaufforderung an den Zahlungspflichtigen auf § 64 Abs. 3 ASVG, verneine jedoch in der Folge ohne jede Begründung dessen Gültigkeit für die Zustellung nach § 68 Abs. 2 ASVG. Dagegen spreche vor allem, daß sowohl § 64 als auch § 68 ASVG systematisch zusammengehörten, § 68 Abs. 2 ASVG ausdrücklich die Zustellung einer Zahlungsaufforderung (Mahnung) erwähne, diese aber in § 64 Abs. 3 ASVG geregelt sei. Soweit die belangte Behörde einen Vollzug der Zustellung und die daraus resultierende verjährungsunterbrechende Wirkung für den Zeitraum nach 1985 ausschließe, sei darauf zu verweisen, daß H. die Änderung seiner Abgabenstelle der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse nicht mitgeteilt habe, er dazu aber gemäß § 8 Abs. 1 des ZustellG verpflichtet gewesen sei und § 8 Abs. 2 ZustellG für den Fall der Unterlassung einer solchen Mitteilung die Möglichkeit der weiteren Zustellung an die bisherige Abgabestelle vorsehe. Schließlich verweise die belangte Behörde bezüglich der verjährungsunterbrechenden Wirkung von zum Zwecke der Hereinbringung getroffenen Maßnahmen selbst auf die vergleichbare Bestimmung des § 238 Abs. 2 BAO und die dazu ergangene Judikatur, unterstelle ihr aber einen falschen Inhalt, indem sie von einer erforderlichen "Publizitätswirkung" für die Rechtswirksamkeit der Unterbrechungshandlung ausgehe. Nach der Rechtsprechung der Abgabensenate des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 28. März 1990, Zl. 89/13/0189) sei es nicht notwendig, daß der Abgabenschuldner von der Amtshandlung Kenntnis erlange. Es komme auch nicht darauf an, ob die Amtshandlung konkret geeignet sei, den angestrebten Erfolg, nämlich die Durchsetzung des Anspruches zu erreichen. Es genüge vielmehr, daß die Amtshandlung nach außen in Erscheinung trete und erkennbar den Zweck verfolge, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie der mitbeteiligte Masseverwalter eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 68 Abs. 2 ASVG verjährt das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden binnen zwei Jahren nach Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung. Die Verjährung wird durch jede zum Zwecke der Hereinbringung getroffene Maßnahme, wie z.B. durch Zustellung einer an den Zahlungspflichtigen gerichteten Zahlungsaufforderung (Mahnung) unterbrochen; sie wird durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung gehemmt. Bezüglich der Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung im Falle des Konkurses oder Ausgleiches des Beitragsschuldners gelten die einschlägigen Vorschriften der Konkursordnung und der Ausgleichsordnung.
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, daß die verfahrensgegenständlichen Beitragsschulden des H. "festgestellte Beitragsschulden" im Sinne des § 68 Abs. 2 erster Satz ASVG sind (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse vom 30. Jänner 1986, Zl. 85/08/0116, und vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0117) und jedenfalls bis 10. Juni 1981 zufolge der jeweils über Antrag der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse eingeleiteten Exekutionsverfahren das Recht auf Einforderung dieser Schulden nicht verjährt war. Strittig ist, ob die jeweilige Absendung eines Mahnschreibens an H. unter der Adresse in L als Maßnahme im Sinne des zweiten Satzes des § 68 Abs. 2 ASVG zu werten ist.
Den diesbezüglich unterschiedlichen Standpunkten liegt die gemeinsame Auffassung zugrunde, daß einerseits ab der Beendigung des letzten (unstrittig eine Maßnahme im genannten Sinn darstellenden) Exekutionsverfahrens (offensichtlich im Jahre 1981) die Verjährungsfrist des § 68 Abs. 2 erster Satz ASVG wieder zu laufen begann und es zur Unterbrechung der Verjährung einer neuerlichen Maßnahme im genannten Sinn innerhalb der Verjährungsfrist bedurfte und daß andererseits auch dann, wenn die jeweilige Absendung eines Mahnschreibens als Unterbrechungsmaßnahme nach § 68 Abs. 2 ASVG zu qualifizieren sein sollte, zwar die jeweilige Versendung die Verjährung unterbrochen, die Verjährungsfrist aber (mangels sich an die jeweilige Versendung anschließender weiterer Maßnahmen) sogleich (oder doch nach Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist) wieder neu zu laufen begonnen hat. Diese (logisch notwendigen) impliziten Voraussetzungen treffen zu (vgl. in diesem Sinne: Kerber, Die gewerbliche Sozialversicherung, zur Vorgängerbestimmung des § 90 GSVG 1935, Seite 156, sowie das Erkenntnis vom 24. November 1971, Zl. 1191/70).
Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse vermochten aber aus nachstehenden Gründen zumindest die Mahnschreiben ab 9. bzw. 10. Juli 1987 keine Unterbrechung der Einforderungsverjährung mehr zu bewirken:
Was unter einer "zum Zwecke der Hereinbringung getroffenen Maßnahme" im Sinne des § 68 Abs. 2 zweiter Satz zu verstehen ist und ob es insbesondere für ihre Wirksamkeit (wie - entsprechend dem eindeutigen Wortlaut - für eine die Feststellungsverjährung unterbrechende Maßnahme nach § 68 Abs. 1 oder für den Beginn des Laufes der Einforderungsverjährungsfrist nach § 68 Abs. 2 erster Satz ASVG) erforderlich ist, daß der Zahlungspflichtige "in Kenntnis gesetzt" bzw. verständigt wird, sagt das Gesetz nicht. Klar ist, daß nicht nur die "Zustellung einer an den Zahlungspflichtigen gerichteten Zahlungsaufforderung (Mahnung)" die Einforderungsverjährung unterbricht, weil sie im Gesetz nur als Beispiel einer solchen Maßnahme angeführt ist. Wegen des Beispielcharakters kann daraus auch nicht abgeleitet werden, es sei für die Wirksamkeit jeder solchen Maßnahme die Inkenntnissetzung bzw. Verständigung des Zahlungspflichtigen erforderlich; der diesbezüglich unterschiedliche Wortlaut der Regelung über die Unterbrechung nach § 68 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG einerseits und des ersten und zweiten Satzes des § 68 Abs. 2 ASVG andererseits und die unterschiedlichen Regelungszwecke der beiden ersten Absätze des § 68 ASVG stehen vielmehr einer diesbezüglich unbesehenen Gleichsetzung der Anforderungen an eine Unterbrechungsmaßnahme und dementsprechend der Heranziehung der zu Unterbrechungsmaßnahmen nach § 68 Abs. 1 ergangenen Judikatur entgegen. Diese Frage wurde auch nicht im mehrfach zitierten Erkenntnis vom 30. September 1985, Zl. 81/08/0186, umfassend beantwortet; es wurde darin vielmehr nur ausgesprochen, daß eine dem zahlungspflichtigen Dienstgeber durch Zustellung zur Kenntnis gebrachte "Nachbelastungsanzeige" eine Maßnahme im Sinne des § 68 Abs. 2 zweiter Satz ASVG darstelle und im übrigen "auch" auf die "vergleichbare Bestimmung des § 238 BAO" verwiesen. Eine solche allgemeine Beantwortung, insbesondere auch der Frage, ob und inwiefern § 238 Abs. 2 BAO (vgl. dazu Stoll, BAO-Kommentar, Band 3, Seite 2463 ff) bei der Interpretation des § 68 Abs. 2 zweiter Satz ASVG angewendet werden kann, braucht auch im Beschwerdefall nicht vorgenommen zu werden. Wählt nämlich - so wie im Beschwerdefall - der Krankenversicherungsträger als Unterbrechungsmaßnahme die Postversendung von Mahnschreiben an den Zahlungspflichtigen, so bedarf es - wegen und entsprechend dem angeführten Beispiel - zur Wirksamkeit als Unterbrechungsmaßnahme zwar nicht der Kenntnis des Zahlungspflichtigen hievon, wohl aber einer rechtlich wirksamen Zustellung. Da es sich sowohl bei der (die Ausstellung eines Rückstandsausweises voraussetzenden) Mahnung im Sinne des § 64 Abs. 3 ASVG als auch bei der (die Unterbrechung der Einforderungsverjährung bewirkenden) Mahnung im Sinne des § 68 Abs. 2 zweiter Satz ASVG um Maßnahmen zum Zwecke der Hereinbringung von Beitragsschulden handelt, ist der Auffassung der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse beizupflichten, daß es auch hinsichtlich der zuletzt genannten Mahnung keines Nachweises der Zustellung bedarf, diese vielmehr bei Postversand am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post vermutet wird. Diese Vermutung stellt aber - mangels eines eindeutigen Hinweises darauf (wie etwa im § 58 Abs. 1 zweiter Satz ASVG oder § 106 zweiter Satz BAO) keine unwiderlegliche Vermutung dar; es steht dem Zahlungspflichtigen daher der Gegenbeweis offen. Diesbezüglich hat die belangte Behörde aber hinsichtlich der Mahnschreiben nach 1985 wegen der Ortsabwesenheit des H. einen "Vollzug der Zustellung" ausgeschlossen. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse bestreitet dies nicht, mißt dem aber wegen § 8 ZustellG keine Bedeutung bei, sondern meint, daß sie wegen der Unterlassung einer Mitteilung der Änderung der bisherigen Abgabestelle durch H. berechtigt gewesen sei, die Mahnschreiben an die bisherige Abgabestelle zu adressieren. Dem kann schon deshalb nicht beigepflichtet werden, weil es nach dem Abschluß der Exekutionsverfahren im Jahre 1981 an der nach § 8 Abs. 1 ZustellG geforderten Voraussetzung, daß eine Person "während eines Verfahrens" ihre bisherige Abgabenstelle ändert, fehlte. Da die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse nach 1985 außer der Absendung der genannten Mahnschreiben keine anderen, zum Zwecke der Hereinbringung der festgestellten Beitragsschulden geeigneten Maßnahmen gesetzt hat und auch keine Hemmung durch "Bewilligung einer Zahlungserleichterung" bewirkte (anders als nach § 231 BAO stellt die Aussetzung der Einbringung festgestellter Beitragsschulden im Falle erfolglosen Versuchs von Einbringungsmaßnahmen keinen Hemmungsgrund dar), hat die belangte Behörde - im Ergebnis - zu Recht die Einforderungsverjährung der obgenannten festgestellten Beitragsschulden bejaht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren auf Stempelgebührenersatz war wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 Abs. 1 Z. 2 ASVG) abzuweisen.
Schlagworte
freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993080201.X00Im RIS seit
11.07.2001