Entscheidungsdatum
01.08.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W191 2187514-3/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mario Züger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2023, Zahl 1119626307/221222925, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.04.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mario Züger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2023, Zahl 1119626307/221222925, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.04.2024 zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang:
1.1. Vorverfahren:
1.1.1 Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 21.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).1.1.1 Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 21.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).
1.1.2. In seiner Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari gab der BF an, dass er aus der Provinz Wardak (Afghanistan) stamme, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Moslem sei. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er als Fahrer für die Amerikaner gearbeitet habe und jetzt von den Taliban bedroht werde, weil er mit den „Ungläubigen“ zusammengearbeitet habe.
1.1.3. Mit Verfahrensanordnung vom 21.06.2016 wurde dem BF zur Kenntnis gebracht, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) Konsultationen gemäß dem Dublin Übereinkommen mit Ungarn führe.
1.1.4. Mit Verfahrensanordnung vom 03.08.2016 wurde dem BF gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Mitgliedstaates Ungarn für sein Asylverfahren angenommen werde.1.1.4. Mit Verfahrensanordnung vom 03.08.2016 wurde dem BF gemäß Paragraph 29, Absatz 3, AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Mitgliedstaates Ungarn für sein Asylverfahren angenommen werde.
1.1.5. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 19.08.2016 im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari bestätigte der BF im Wesentlichen die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben zu seiner Person und zu seinen Lebensumständen. Er gab an, seine Muttersprache sei Paschtu und er spreche auch ein wenig Dari. Sein Geburtsdatum sei der XXXX und nicht der XXXX , er sei also 25 und nicht 23 Jahre alt. Dazu legte der BF eine Kopie seiner Tazkira (afghanisches Personaldokument) vor. Bezüglich eines Nachweises, dass er in Kandahar bei der amerikanischen Armee gearbeitet habe, wurde ihm mitgeteilt, dass dieses Beweismittel seinen Fluchtgrund betreffe und er es erst vorlegen müsse, wenn sein Antrag inhaltlich geprüft werde.1.1.5. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 19.08.2016 im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari bestätigte der BF im Wesentlichen die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben zu seiner Person und zu seinen Lebensumständen. Er gab an, seine Muttersprache sei Paschtu und er spreche auch ein wenig Dari. Sein Geburtsdatum sei der römisch 40 und nicht der römisch 40 , er sei also 25 und nicht 23 Jahre alt. Dazu legte der BF eine Kopie seiner Tazkira (afghanisches Personaldokument) vor. Bezüglich eines Nachweises, dass er in Kandahar bei der amerikanischen Armee gearbeitet habe, wurde ihm mitgeteilt, dass dieses Beweismittel seinen Fluchtgrund betreffe und er es erst vorlegen müsse, wenn sein Antrag inhaltlich geprüft werde.
1.1.6. Mit Bescheid vom 13.10.2016, Zahl 1119626307/160867152, wies das BFA den Antrag des BF vom 21.06.2016 auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG zurück (Spruchpunkt I.), ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) die Außerlandesbringung an und sprach aus, dass die Abschiebung nach Ungarn gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der BF am 01.06.2016 in Ungarn im Zuge einer Asylantragstellung erkennungsdienstlich behandelt worden und Ungarn durch Verfristung nach der Dublin Verordnung zuständig geworden sei.1.1.6. Mit Bescheid vom 13.10.2016, Zahl 1119626307/160867152, wies das BFA den Antrag des BF vom 21.06.2016 auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 5, Absatz eins, AsylG zurück (Spruchpunkt römisch eins.), ordnete gemäß Paragraph 61, Absatz eins, Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) die Außerlandesbringung an und sprach aus, dass die Abschiebung nach Ungarn gemäß Paragraph 61, Absatz 2, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch II.). Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der BF am 01.06.2016 in Ungarn im Zuge einer Asylantragstellung erkennungsdienstlich behandelt worden und Ungarn durch Verfristung nach der Dublin Verordnung zuständig geworden sei.
1.1.7. Der BF erhob gegen diesen Bescheid mit Schreiben seines Vertreters vom 19.10.2016 das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG). Zusammengefasst wurde vorgebracht, dass er aufgrund der schlechten Behandlung durch die dortige Exekutive und der dortigen Umstände in Ungarn keinen Asylantrag einbringen habe wollen. Er sei bestrebt, sich in Österreich zu integrieren. Beantragt wurde unter anderem, den Bescheid zu beheben und sein Asylverfahren in Österreich zuzulassen.
1.1.8. Mit Erkenntnis vom 14.02.2017 gab das BVwG der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG statt, ließ das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz zu und behob den bekämpften Bescheid. Zwar sei Ungarn unzweifelhaft zur Führung des Verfahrens zuständig gewesen, da der BF am 01.06.2016 in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe und nach einem Wiederaufnahmegesuch Österreichs nach Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung EU Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (in der Folge Dublin-III-VO) Ungarn durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO zuständig geworden wäre. Da aber die Überstellung des BF nicht innerhalb der sechsmonatigen Frist des Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO erfolgt sei, sei Österreich gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO zuständig geworden.1.1.8. Mit Erkenntnis vom 14.02.2017 gab das BVwG der Beschwerde gemäß Paragraph 21, Absatz 3, erster Satz BFA-VG statt, ließ das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz zu und behob den bekämpften Bescheid. Zwar sei Ungarn unzweifelhaft zur Führung des Verfahrens zuständig gewesen, da der BF am 01.06.2016 in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe und nach einem Wiederaufnahmegesuch Österreichs nach Artikel 18, Absatz eins, Litera b, der Verordnung EU Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (in der Folge Dublin-III-VO) Ungarn durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort gemäß Artikel 25, Absatz 2, Dublin-III-VO zuständig geworden wäre. Da aber die Überstellung des BF nicht innerhalb der sechsmonatigen Frist des Artikel 29, Absatz eins, Dublin-III-VO erfolgt sei, sei Österreich gemäß Artikel 29, Absatz 2, Dublin-III-VO zuständig geworden.
1.1.9. In einem Aktenvermerk vom 04.12.2017 wurde festgehalten, dass der BF einer Ladung zur niederschriftlichen Einvernahme für diesen Tag Folge geleistet habe, jedoch keine Einvernahme erfolgen habe können, da erhebliche sprachliche Differenzen bestanden hätten. Der BF spreche nur seine Muttersprache Paschtu und der Dolmetscher sei für Dari bestellt worden.
1.1.10. In seiner Einvernahme vor dem BFA am 14.12.2017 legte der BFA seine Tazkira im Original vor und wies darauf hin, dass bei der Erstbefragung der Dolmetsch aus dem Iran gewesen sei und es deswegen diverse Unstimmigkeiten gebe. Er sei XXXX und nicht XXXX geboren, seine Muttersprache sei Paschtu und er habe als LKW-Fahrer gearbeitet, dies sei infolge der sprachlichen Probleme nicht richtig dokumentiert worden. Weiters legte er unter anderem ein Sprachzertifikat ÖSD A1, Teilnahmebestätigungen diverser Kurse und Schreiben als Beleg dafür vor, dass er die Amerikaner mit Treibstoff beliefert habe. In Afghanistan habe er ein Haus, einen LKW und 30 Hektar Grundstücke. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, er habe von 2010 bis 2015 für die Amerikaner gearbeitet, weswegen ihn die Taliban töten hätten wollen, er habe die Arbeit schließlich aufgegeben, sei aber trotzdem von den Taliban nicht in Ruhe gelassen worden. Er habe auch für die KBS-Kompanie und einen amerikanischen Pizza Betrieb als Fahrer gearbeitet, Treibstoff habe er auch geliefert. Sein Bruder sei geschlagen worden und sein Vater sei für zehn Tage auf den Bergen festgehalten worden. Sein PKW sei von den Taliban verbrannt worden. Zwischen 2010 und 2015 sei er mehr als zwanzig oder dreißig Mal bedroht worden, indem seine Familie angerufen worden wäre, und auch diese wäre dabei wegen ihm bedroht worden. Ab 2015 sei er mit dem Tod bedroht worden.1.1.10. In seiner Einvernahme vor dem BFA am 14.12.2017 legte der BFA seine Tazkira im Original vor und wies darauf hin, dass bei der Erstbefragung der Dolmetsch aus dem Iran gewesen sei und es deswegen diverse Unstimmigkeiten gebe. Er sei römisch 40 und nicht römisch 40 geboren, seine Muttersprache sei Paschtu und er habe als LKW-Fahrer gearbeitet, dies sei infolge der sprachlichen Probleme nicht richtig dokumentiert worden. Weiters legte er unter anderem ein Sprachzertifikat ÖSD A1, Teilnahmebestätigungen diverser Kurse und Schreiben als Beleg dafür vor, dass er die Amerikaner mit Treibstoff beliefert habe. In Afghanistan habe er ein Haus, einen LKW und 30 Hektar Grundstücke. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, er habe von 2010 bis 2015 für die Amerikaner gearbeitet, weswegen ihn die Taliban töten hätten wollen, er habe die Arbeit schließlich aufgegeben, sei aber trotzdem von den Taliban nicht in Ruhe gelassen worden. Er habe auch für die KBS-Kompanie und einen amerikanischen Pizza Betrieb als Fahrer gearbeitet, Treibstoff habe er auch geliefert. Sein Bruder sei geschlagen worden und sein Vater sei für zehn Tage auf den Bergen festgehalten worden. Sein PKW sei von den Taliban verbrannt worden. Zwischen 2010 und 2015 sei er mehr als zwanzig oder dreißig Mal bedroht worden, indem seine Familie angerufen worden wäre, und auch diese wäre dabei wegen ihm bedroht worden. Ab 2015 sei er mit dem Tod bedroht worden.
Nach der Einvernahme legte der BF weitere Schreiben vor, die belegen sollten, dass er für die Amerikaner als LKW-Fahrer gearbeitet habe.
1.1.11. Mit Bescheid vom 31.01.2018 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 21.06.2016 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen des BF hinsichtlich seines Fluchtgrundes nicht glaubhaft sei. Es bestehe kein Hindernis für eine Rückkehr nach Afghanistan und diese sei dem BF zumutbar.1.1.11. Mit Bescheid vom 31.01.2018 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 21.06.2016 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.) und erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.) und gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.). Es wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch VI.). Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen des BF hinsichtlich seines Fluchtgrundes nicht glaubhaft sei. Es bestehe kein Hindernis für eine Rückkehr nach Afghanistan und diese sei dem BF zumutbar.
1.1.12. Der BF erhob gegen diesen Bescheid mit Schreiben seines Vertreters vom 16.02.2018 das Rechtsmittel der Beschwerde an das BVwG. Zusammengefasst wurde vorgebracht, dass unrichtige Feststellungen sowie eine unrichtige Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung vorliegen würden. Beantragt wurde unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
1.1.13. Mit Schreiben vom 05.10.2018 teilte die Staatsanwaltschaft Eisenstadt dem BFA mit, dass ein Ermittlungsverfahren gegen den BF wegen § 83 Abs. 1 Strafgesetzbuch (in der Folge StGB) nach der Erbringung von gemeinnützigen Leistungen gemäß § 201 Abs. 5 Strafprozessordnung (in der Folge StPO) eingestellt wurde. 1.1.13. Mit Schreiben vom 05.10.2018 teilte die Staatsanwaltschaft Eisenstadt dem BFA mit, dass ein Ermittlungsverfahren gegen den BF wegen Paragraph 83, Absatz eins, Strafgesetzbuch (in der Folge StGB) nach der Erbringung von gemeinnützigen Leistungen gemäß Paragraph 201, Absatz 5, Strafprozessordnung (in der Folge StPO) eingestellt wurde.
1.1.14. Mit Schreiben vom 15.06.2020 teilte die Staatsanwaltschaft Eisenstadt dem BFA mit, dass ein Ermittlungsverfahren gegen den BF wegen § 241e StGB (Entfremdung unbarer Zahlungsmittel) eingestellt wurde.1.1.14. Mit Schreiben vom 15.06.2020 teilte die Staatsanwaltschaft Eisenstadt dem BFA mit, dass ein Ermittlungsverfahren gegen den BF wegen Paragraph 241 e, StGB (Entfremdung unbarer Zahlungsmittel) eingestellt wurde.
1.1.15. In der am 21.10.2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem BVwG bestätigte der BF im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Sein Vater und sein Bruder seien aber mittlerweile von den Taliban ermordet worden und er nehme Medikamente wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Dazu brachte er medizinische Unterlagen und Integrationsunterlagen bei. Zu seinem Fluchtvorbringen führte er aus, er habe Benzin und Pizzazutaten für die Amerikaner von Sherhan nach Kandahar und für die Privatfirma KBS Pizzazutaten von Kandahar nach Baghram geliefert.
1.1.16. Mit Erkenntnis des BVwG vom 16.11.2020, W151 2187514-1/34E, wurde die Beschwerde des BF abgewiesen. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass das Vorbringen des BF nicht glaubhaft sei. Seine Angaben seien mehrfach geändert worden und widersprüchlich.
1.2. Erstes Folgeverfahren:
1.2.1. Am 29.03.2021 stellte der BF einen Folgeantrag und gab in seiner Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Paschtu an, dass er zum Christentum konvertieren möchte. Er habe diese Entscheidung bereits während seiner Flucht getroffen. Seit 2020 habe er intensiv die Kirche besucht. Seine Freundin, die im Iran lebe, sei ebenfalls Christin. Ansonsten wiederholte der BF im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und betonte seine sozialen Kontakte in Österreich.
1.2.2. Mit Verfahrensanordnung vom 01.04.2021 wurde dem BF gemäß § 29 Abs. 3 AsylG und § 15a AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da entschiedene Sache vorliege, und dass beabsichtigt sei, seinen faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG durch mündlich verkündeten Bescheid aufzuheben.1.2.2. Mit Verfahrensanordnung vom 01.04.2021 wurde dem BF gemäß Paragraph 29, Absatz 3, AsylG und Paragraph 15 a, AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da entschiedene Sache vorliege, und dass beabsichtigt sei, seinen faktischen Abschiebeschutz gemäß Paragraph 12 a, Absatz 2, AsylG durch mündlich verkündeten Bescheid aufzuheben.
1.2.3. Am 19.04.2021 erfolgte eine gutachterliche psychologische Untersuchung des BF. Dabei wurde bei ihm eine Anpassungsstörung, ICD-F 43.2, diagnostiziert. Zur Zeit der Befundaufnahme würden sich keine Kriterien einer PTSD (Posttraumatische Belastungsstörung) finden.
1.2.4. Am 06.05.2021 wurde der BF erneut vor dem BFA einvernommen und legte Verträge vor, die belegen sollten, dass er die Amerikaner mit Öl beliefert habe. Sein Grundstück in Afghanistan sei von den Taliban beschlagnahmt worden, er habe dort nichts mehr. Er würde sich gerade auf seine Taufe vorbereiten und möchte der katholischen Kirche beitreten.
Anschließend wurde durch mündlich verkündeten Bescheid gemäß § 12a Abs. 2 in Verbindung mit § 22 Abs. 10 AsylG der faktische Abschiebeschutz des BF aufgehoben. Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass das neue Vorbringen des BF nicht glaubhaft sei und sein Antrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein werde.Anschließend wurde durch mündlich verkündeten Bescheid gemäß Paragraph 12 a, Absatz 2, in Verbindung mit Paragraph 22, Absatz 10, AsylG der faktische Abschiebeschutz des BF aufgehoben. Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass das neue Vorbringen des BF nicht glaubhaft sei und sein Antrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein werde.
1.2.5. Dieser mündlich verkündete Bescheid wurde mit Beschluss des BVwG vom 10.05.2021, W204 2187514-2/4E, für rechtmäßig erklärt und im Wesentlichen mit Widersprüchen bezüglich seines Vorbringens der Konversion und mangelndem Wissen zum Christentum begründet.
1.2.6. Während des Verfahrens über den Folgeantrag verfügte der BF ab dem 16.04.2021 über keine aufrechte Hauptwohnsitzmeldung und ab dem 21.05.2021 auch über keine aufrechte Nebenwohnsitzmeldung mehr.
1.2.7. Mit Bescheid vom 04.08.2021 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 29.03.2021 gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten, als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I. und II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass das neue Vorbringen der Konversion des BF nicht glaubhaft sei. Es liege keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes vor und es bestehe kein Hindernis für eine Rückkehr nach Afghanistan.1.2.7. Mit Bescheid vom 04.08.2021 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 29.03.2021 gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten, als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt römisch eins. und römisch II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.) und gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.). Es wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins a, FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt römisch VI.). Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass das neue Vorbringen der Konversion des BF nicht glaubhaft sei. Es liege keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes vor und es bestehe kein Hindernis für eine Rückkehr nach Afghanistan.
1.2.8. Da der BF an der angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig und eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten feststellbar war, wurde der Bescheid vom 04.08.2021 am selben Tag gemäß § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 Zustellgesetz (in der Folge ZustG) durch Hinterlegung im Akt zugestellt.1.2.8. Da der BF an der angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig und eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten feststellbar war, wurde der Bescheid vom 04.08.2021 am selben Tag gemäß Paragraph 8, Absatz 2, in Verbindung mit Paragraph 23, Zustellgesetz (in der Folge ZustG) durch Hinterlegung im Akt zugestellt.
1.3. Gegenständlicher (zweiter) Folgeantrag:
1.3.1. Am 13.04.2022 stellte der BF erneut einen Folgeantrag und gab in seiner Befragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, sich von März 2021 bis Juni 2021 in der Schweiz aufgehalten zu haben, von Juni 2021 bis 08.04.2022 in Frankreich, von 08.04.2022 bis 10.04.2022 wieder in der Schweiz, und seit 10.04.2022 wieder in Österreich aufhältig zu sein. Er halte die bereits vorgebrachten Fluchtgründe aufrecht, die Taliban hätten in Afghanistan die Macht übernommen und im Falle einer Rückkehr würde er umgebracht werden.
1.3.2. Seit dem 14.04.2022 ist der BF wieder aufrecht im Bundesgebiet gemeldet.
1.3.3. Am 29.03.2023 wurde der BF vor dem BFA im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Paschtu einvernommen und hielt dabei sein Vorbringen aufrecht. Er sei mit seiner afghanischen Freundin aus dem Iran mittlerweile verlobt. Er legte dabei ein Foto seiner Tazkira, ein Foto eines Führerscheins samt Übersetzung, eine Bestätigung zur Taufzulassung samt Fotos der Zulassungsfeier und ein Empfehlungsschreiben eines Pfarrers vor. Auf die Frage, warum er eine Woche nach der Einvernahme im zweiten Asylverfahren untergetaucht sei, gab er an, dass er extreme Angst gehabt habe abgeschoben zu werden und deshalb in die Schweiz und nach Frankreich gereist sei.
Im Falle einer Rückkehr würde er als nunmehriger Christ keine Kirche oder Bibel in Afghanistan finden, seinen Glauben nicht ausleben dürfen und von den Taliban sofort aufgehängt werden. Seit 2020 sei er regelmäßig in die Kirche gegangen. Den Entschluss zur Konversion habe er zwischen 2019 und 2020 gefasst. Er habe einen Taufvorbereitungskurs gemacht und seine Taufe sei für den 08.04.2023, Ostern, geplant. Er würde regelmäßig beten und am Sonntag nehme er an der heiligen Messe teil. Zum Islam habe er nie eine gute Beziehung gehabt, er habe schon in Afghanistan Alkohol getrunken und sich nicht an die islamischen Regeln gehalten. Er habe bereits in Afghanistan den Gedanken gehabt, eine andere Religion zu wählen, dies sei aber nicht möglich gewesen, da er sich nicht informieren habe können. Im ersten Asylverfahren habe er das Vorbringen der Konversion nicht erstattet, weil er damals keine Informationen über das Christentum gehabt habe und nicht sagen habe können, dass er Christ sei. Wissensfragen zum Christentum beantwortete der BF in wesentlichen Punkten richtig.
1.3.4. Mit Schreiben seines Vertreters vom 09.04.2023 legte der BF unter anderem einen Taufschein vom 08.04.2023 vor.
1.3.5. Mit Bescheid vom 02.05.2023 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 13.04.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für „1“ [ein] Jahr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG (Spruchpunkt III.). 1.3.5. Mit Bescheid vom 02.05.2023 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 13.04.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz 2, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für „1“ [ein] Jahr gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der BF in Afghanistan keiner Verfolgung seitens der Taliban, staatlicher Organe oder von Privatpersonen unterliege. Im Falle einer Rückkehr wäre er aufgrund seines Nachfluchtgrundes der Apostasie bzw. Konversion (der nicht Ausdruck oder Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sei) einer Verfolgung ausgesetzt und würde aufgrund der derzeitigen Versorgungslage keine ausreichende Lebenssicherheit bestehen.
1.3.6. Der BF erhob gegen diesen Bescheid mit Schreiben seines Vertreters vom 04.05.2023 das Rechtsmittel der Beschwerde an das BVwG ausschließlich gegen Spruchpunkt I. Zusammengefasst wurde vorgebracht, dass das BFA den Antrag des BF gemäß § 3 Abs. 2 zweiter Satz AsylG abgewiesen habe, da der subjektive Nachfluchtgrund der Konversion nicht Ausdruck oder Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sei. Gegen diese Regelung würden jedoch erhebliche Bedenken bestehen, da sie nicht den Vorgaben von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 entspreche. Genau zu dieser Rechtsfrage sei derzeit beim Europäischen Gerichtshof (in der Folge EuGH) ein vom Verwaltungsgerichtshof (in der Folge VwGH) anhängig gemachtes Vorabentscheidungsverfahren anhängig. Da dieses Verfahren präjudiziell sei, wurde beantragt, das Verfahren bis zur Vorabentscheidung auszusetzen und nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde stattzugeben.1.3.6. Der BF erhob gegen diesen Bescheid mit Schreiben seines Vertreters vom 04.05.2023 das Rechtsmittel der Beschwerde an das BVwG ausschließlich gegen Spruchpunkt römisch eins. Zusammengefasst wurde vorgebracht, dass das BFA den Antrag des BF gemäß Paragraph 3, Absatz 2, zweiter Satz AsylG abgewiesen habe, da der subjektive Nachfluchtgrund der Konversion nicht Ausdruck oder Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sei. Gegen diese Regelung würden jedoch erhebliche Bedenken bestehen, da sie nicht den Vorgaben von Artikel 5, Absatz 3, der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 entspreche. Genau zu dieser Rechtsfrage sei derzeit beim Europäischen Gerichtshof (in der Folge EuGH) ein vom Verwaltungsgerichtshof (in der Folge VwGH) anhängig gemachtes Vorabentscheidungsverfahren anhängig. Da dieses Verfahren präjudiziell sei, wurde beantragt, das Verfahren bis zur Vorabentscheidung auszusetzen und nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde stattzugeben.
1.3.7. Mit Beschluss des BVwG vom 15.06.2023 wurde das Verfahren gemäß § 38 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH in der Rechtssache C-222/22 über die mit Beschluss des VwGH vom 16.03.2021, EU 2022/0001-1, vorgelegten Fragen ausgesetzt. 1.3.7. Mit Beschluss des BVwG vom 15.06.2023 wurde das Verfahren gemäß Paragraph 38, AVG in Verbindung mit Paragraph 17, VwGVG bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH in der Rechtssache C-222/22 über die mit Beschluss des VwGH vom 16.03.2021, EU 2022/0001-1, vorgelegten Fragen ausgesetzt.
1.3.8. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 08.01.2024 wurde die gegenständliche Rechtssache der vormals zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und am 10.01.2024 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.
1.3.9. In der Rechtssache C-222/22 erkannte der EuGH mit Urteil vom 29.02.2024, dass Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund eines Folgeantrages, der auf eine Verfolgungsgefahr gestützt wird, die auf Umständen beruht, die der Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslandes selbst geschaffen hat, von der Voraussetzung abhängig macht, dass diese Umstände Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung des Antragstellers sind.1.3.9. In der Rechtssache C-222/22 erkannte der EuGH mit Urteil vom 29.02.2024, dass Artikel 5, Absatz 3, der Richtlinie 2011/95/EU dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund eines Folgeantrages, der auf eine Verfolgungsgefahr gestützt wird, die auf Umständen beruht, die der Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslandes selbst geschaffen hat, von der Voraussetzung abhängig macht, dass diese Umstände Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung des Antragstellers sind.
1.3.10. Das BVwG führte am 29.04.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Paschtu durch, zu der der BF persönlich und in Begleitung seines Vertreters erschien. Das BFA verzichtete im Vorhinein auf die Teilnahme an einer Beschwerdeverhandlung und beantrage die Abweisung der Beschwerde.
Der BF machte Angaben zu seinen Lebensumständen. Er arbeite tagsüber als Lieferant für einen Essenzustelldienst und in der Nacht für eine Reinigungsfirma. Diesbezüglich legte der BF eine Honorarnote von dem Essenzustelldienst vom März 2024 vor und zeigte auf seinem Handy einen Lohnzettel für die Reinigungsarbeiten für März 2024. Er habe den Pflichtschulabschlusskurs besucht, die Prüfung aber wegen seines negativen Bescheides nicht absolviert. Er habe in Österreich Freunde und Bekannte. Weiters gab der BF an, nunmehr katholischer Christ zu sein, sich vor etwa einem Jahr taufen haben zu lassen und seit zwei bis drei Jahren gläubig zu sein. Seine Freundin im Iran habe ihn mittlerweile verlassen.
Er sei in XXXX , Distrikt Seidabad, Provinz Maidan Wardak in Afghanistan geboren und aufgewachsen und im Jahr 2016 nach Europa aufgebrochen. Seine Familie lebe in Kabul, zwei weitere verheiratete Schwestern sowie ein Bruder würden in seinem Heimatdorf leben. Zu seiner Mutter habe er ca. einmal im Monat telefonischen Kontakt. In Afghanistan habe er keine Schule besucht, sondern stattdessen als Lenker gearbeitet und Benzin geliefert. Seinen Lebensunterhalt habe er durch die Arbeit in der Firma seines Vaters bestritten.Er sei in römisch 40 , Distrikt Seidabad, Provinz Maidan Wardak in Afghanistan geboren und aufgewachsen und im Jahr 2016 nach Europa aufgebrochen. Seine Familie lebe in Kabul, zwei weitere verheiratete Schwestern sowie ein Bruder würden in seinem Heimatdorf leben. Zu seiner Mutter habe er ca. einmal im Monat telefonischen Kontakt. In Afghanistan habe er keine Schule besucht, sondern stattdessen als Lenker gearbeitet und Benzin geliefert. Seinen Lebensunterhalt habe er durch die Arbeit in der Firma seines Vaters bestritten.
Zu seinem Fluchtgrund befragt führte der BF aus, dass er seine Fluchtgründe aus Afghanistan bereits erzählt habe. Er habe den Glauben gewechselt, weil sein Vater und sein Bruder umgebracht worden seien, deshalb habe ihm der Islam nicht mehr gefallen. Ihm gehe es nun besser, weil die Christen nette Menschen seien. Der BF beantwortete Wissensfragen zum Christentum. Er besuche seit einem Jahr regelmäßig eine Kirche in 1070 Wien und bete dort, dies tue ihm gut. Im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat habe er deshalb Angst, weil er etwa acht oder neun Jahre in Europa gelebt und auch seine Religion gewechselt habe. Außerdem habe er damals mit den Amerikanern zusammengearbeitet.
Das erkennende Gericht brachte aktuelle Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF in das Verfahren ein (aufgelistet unter Punkt 2.).
Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift samt Beilagen übermittelt. Es hat dazu keine Stellungnahme abgegeben.
1.3.11. Mit Schreiben vom 10.05.2024 legte der Vertreter des BF eine Bestätigung einer römisch-katholischen Pfarre in Niederösterreich vom 07.05.2024 vor und wies darauf hin, dass bereits das BFA festgestellt habe, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines Nachfluchtgrundes der Apostasie bzw. Konversion einer Verfolgung und Bedrohung seines Lebens ausgesetzt sei.
Auch diese Eingabe wurde dem BFA übermittelt.
2. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
? Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt und Vorakten des BFA, beinhaltend die Niederschrift der Befragung aufgrund eines Folgeantrages am 13.04.2022 und der Einvernahme vor dem BFA am 29.03.2023, die vorgelegten Bescheinigungsmittel des BF, den angefochtenen Bescheid sowie die gegenständliche Beschwerde
? Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA, Aktenseiten 131 bis 169)
? Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 29.04.2024 sowie Einsicht in die vom BF vorgelegten Unterlagen zur Integration
? Einsicht in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 29.04.2024 zusätzlich in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:
o Feststellungen und Berichte betreffend Afghanistan (Auszüge aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat sowie in Zentral-Afghanistan und zur Religionsfreiheit)
o UNHCR-Leitlinien zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus Afghanistan fliehen – Update I, von Februar 2023o UNHCR-Leitlinien zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus Afghanistan fliehen – Update römisch eins, von Februar 2023
? Einsicht in die vom BF vorgelegte Unterlage vom 10.05.2024 (angeführt unter Punkt 1.3.11.)
3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen, glaubhaft gemachten Sachverhalt aus:
3.1. Zur Person des BF:
3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, kommt aus einer sunnitisch-muslimischen Familie und bekennt sich nunmehr zum katholischen Christentum. Der BF ist ledig und kinderlos. Die Muttersprache des BF ist Paschtu, darüber hinaus spricht er Dari, etwas Englisch und Deutsch.3.1.1. Der BF führt den Namen römisch 40 , geboren am römisch 40 , ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, kommt aus einer sunnitisch-muslimischen Familie und bekennt sich nunmehr zum katholischen Christentum. Der BF ist ledig und kinderlos. Die Muttersprache des BF ist Paschtu, darüber hinaus spricht er Dari, etwas Englisch und Deutsch.
3.2. Zu den Lebensumständen des BF:
3.2.1. Der BF ist in XXXX , Distrikt Seidabad, Provinz Maidan Wardak in Afghanistan geboren und aufgewachsen. Er hat in Afghanistan keine Schul- bzw. Berufsausbildung absolviert. Seine Familie lebt in Kabul, zwei weitere verheiratete Schwestern sowie ein Bruder leben in seinem Heimatdorf. Der BF steht mit seiner Mutter ca. einmal im Monat telefonisch in Kontakt. 3.2.1. Der BF ist in römisch 40 , Distrikt Seidabad, Provinz Maidan Wardak in Afghanistan geboren und aufgewachsen. Er hat in Afghanistan keine Schul- bzw. Berufsausbildung absolviert. Seine Familie lebt in Kabul, zwei weitere verheiratete Schwestern sowie ein Bruder leben in seinem Heimatdorf. Der BF steht mit seiner Mutter ca. einmal im Monat telefonisch in Kontakt.
3.2.2. Der BF verließ im Jahr 2016 seinen Herkunftsstaat aus angegebenen Gründen und reiste nach Europa, wo er am 21.06.2016 in Österreich einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz stellte, der mit Erkenntnis des BVwG vom 16.11.2020, W151 2187514-1/34E, abgewiesen wurde. Ein Folgeantrag (zweiter Antrag) vom 29.03.2021 wurde mit Bescheid des BFA vom 04.08.2021 abgewiesen. Am 13.04.2022 stellte der BF gegenständlichen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz.
3.2.3. Der BF befindet sich seit 2016 mit Unterbrechungen von mehrmonatigen Aufenthalten in der Schweiz und in Frankreich in Österreich. Der BF bemüht sich um seine Integration in Österreich und verfügt über Deutschkenntnisse. Er arbeitet als Lieferant bei einem Essenzustelldienst und für eine Reinigungsfirma. Er hat einen Pflichtschulabschlusskurs besucht, betreibt gerne Sport und besucht regelmäßig eine römisch-katholische Kirche in Wien. Er weist einen Bekannten- und Freundeskreis in Österreich auf.
Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
3.3. Zu den Fluchtgründen des BF:
3.3.1. Der BF bekennt sich zum römisch-katholischen Christentum. Er hat sich aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen von seiner bisherigen Religion, dem Islam, abgewendet. Er ist nicht bereit, den Regeln des Islams zu folgen und die damit verbundenen religiösen Pflichten einzuhalten. Er scheut sich nicht, seinen Glaubensabfall vom Islam gegenüber anderen frei zu zeigen, und hat dies bereits wiederholt getan. Er hat auch entsprechende Schritte gesetzt, um sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren, und ist bemüht, sich innerhalb der Glaubensgemeinschaft gut zu vernetzen.
3.3.2. Der BF trägt seinen christlichen Glauben nach außen und lebt ihn aus. Der BF wurde in einer römisch-katholischen Stadtpfarrkirche in Oberösterreich getauft. Er besucht derzeit regelmäßig eine römisch-katholische Pfarrkirche in Wien und hat hinreichendes Wissen über die christliche Religion dargelegt.
Es ist davon auszugehen, dass der BF den nachhaltigen inneren Entschluss gefasst hat, nach dem christlichen Glauben zu leben. In Afghanistan müsste der BF aus diesem Grund mit erheblichen Sanktionen rechnen und wäre dort gezwungen, seinen Glauben zu unterdrücken bzw. zu verleugnen.
Der BF befürchtet, im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Konversion vom Islam zum Christentum verfolgt zu werden. Die Konversion zum Christentum von Muslimen wird in Afghanistan als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen und gilt als schwerer Verstoß gegen das Werteverständnis der afghanischen Gesellschaft. Dem BF droht in Afghanistan aufgrund seiner Hinwendung zum Christentum physische und/oder psychische Gewalt, dies umso mehr nach der Machtübernahme durch die Taliban.
Der BF konnte das Vorliegen seines Nachfluchtgrundes – der Konversion vom Islam zum Christentum – glaubhaft machen.
3.3.3. Es liegen keine Gründe vor, nach denen der BF von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen wäre.
3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:
3.4.1. Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan (Stand 10.04.2024, Schreibfehler teilweise korrigiert):
„[…] 3 Politische Lage
Letzte Änderung 2024-04-05 15:33
Die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan haben sich mit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundlegend verändert (AA 26.6.2023). Die Taliban sind zu der ausgrenzenden, auf die Paschtunen ausgerichteten, autokratischen Politik der Taliban-Regierung der späten 1990er-Jahre zurückgekehrt (UNSC 01.06.2023a). Sie bezeichnen ihre Regierung als das „Islamische Emirat Afghanistan“ (USIP 17.08.2022; vgl. VOA 01.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen. Seit ihrer Machtübernahme hat die Gruppe jedoch nur vage erklärt, dass sie im Einklang mit dem „islamischen Recht und den afghanischen Werten“ regieren wird, und hat nur selten die rechtlichen oder politischen Grundsätze dargelegt, die ihre Regeln und Verhaltensweise bestimmen (USIP 17.08.2022). Die Verfassung von 2004 ist de facto ausgehebelt. Ankündigungen über die Erarbeitung einer neuen Verfassung sind bislang ohne sichtbare Folgen geblieben. Die Taliban haben begonnen, staatliche und institutionelle Strukturen an ihre religiösen und politischen Vorstellungen anzupassen. Im September 2022 betonte der Justizminister der Taliban, dass eine Verfassung für Afghanistan nicht notwendig sei (AA 26.06.2023).Die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan haben sich mit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundlegend verändert (AA 26.6.2023). Die Taliban sind zu der ausgrenzenden, auf die Paschtunen ausgerichteten, autokratischen Politik der Taliban-Regierung der späten 1990er-Jahre zurückgekehrt (UNSC 01.06.2023a). Sie bezeichnen ihre Regierung als das „Islamische Emirat Afghanistan“ (USIP 17.08.2022; vergleiche VOA 01.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen. Seit ihrer Machtübernahme hat die Gruppe jedoch nur vage erklärt, dass sie im Einklang mit dem „islamischen Recht und den afghanischen Werten“ regieren wird, und hat nur selten die rechtlichen oder politischen Grundsätze dargelegt, die ihre Regeln und Verhaltensweise bestimmen (USIP 17.08.2022). Die Verfassung von 2004 ist de facto ausgehebelt. Ankündigungen über die Erarbeitung einer neuen Verfassung sind bislang ohne sichtbare Folgen geblieben. Die Taliban haben begonnen, staatliche und institutionelle Strukturen an ihre religiösen und politischen Vorstellungen anzupassen. Im September 2022 betonte der Justizminister der Taliban, dass eine Verfassung für Afghanistan nicht notwendig sei (AA 26.06.2023).
Nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan übernahmen die Taliban auch schnell staatliche Institutionen (USIP 17.08.2022) und erklärten Haibatullah Akhundzada zu ihrem obersten Führer (Afghan Bios 07.07.2022a; vgl. REU 07.09.2021a, VOA 19.08.2021). Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (ORF 08.09.2021; vgl. DIP 04.01.2023). Haibatullah hat sich dem Druck von außen, seine Politik zu mäßigen, widersetzt (UNSC 01.06.2023a) und baut seinen Einfluss auf Regierungsentscheidungen auf nationaler und subnationaler Ebene auch im Jahr 2023 weiter aus (UNGA 20.06.2023). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass andere in Kabul ansäßige Taliban-Führer die Politik wesentlich beeinflussen können. Kurz- bis mittelfristig bestehen kaum Aussichten auf eine Änderung (UNSC 01.06.2023a). Innerhalb weniger Wochen nach der Machtübernahme kündigten die Taliban „Interims“-Besetzungen für alle Ministerien bis auf ein einziges an, wobei die Organisationsstruktur der vorherigen Regierung beibehalten wurde (USIP 17.08.2022) - das Ministerium für Frauenangelegenheiten blieb unbesetzt und wurde später aufgelöst (USIP 17.08.2022; vgl. HRW 04.10.2021). Alle amtierenden Minister waren hochrangige Taliban-Führer; es wurden keine externen politischen Persönlichkeiten ernannt, die überwältigende Mehrheit war paschtunisch, und alle waren Männer. Seitdem haben die Taliban die interne Struktur verschiedener Ministerien mehrfach geändert und das Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters wiederbelebt, das in den 1990er-Jahren als strenge „Sittenpolizei“ berüchtigt war, die strenge Vorschriften für das soziale Verhalten durchsetzte