Entscheidungsdatum
12.06.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W104 2287529-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian BAUMGARTNER über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Arabische Republik Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, vom 29.1.2024, Zl. 1327642903-223151299, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 3.6.2024 zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian BAUMGARTNER über die Beschwerde von römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA. Arabische Republik Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, vom 29.1.2024, Zl. 1327642903-223151299, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 3.6.2024 zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 5.10.2022 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 6.10.2022 gab der Beschwerdeführer an, er sei am XXXX in „Qamielo“, das ist die Stadt Qamischli im syrischen Gouvernement al-Hasaka, geboren, syrischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden, Muslim und ledig. Seine Eltern lebten noch in Syrien, ein älterer Bruder und eine ältere Schwester seien mit ihm nach Österreich gereist. Der Beschwerdeführer habe Syrien vor ungefähr zehn Jahren in die Türkei verlassen und habe seitdem dort gelebt. Über Bulgarien, Serbien und Ungarn sei er nach Österreich gekommen. Als Beweggrund für seine Ausreise gab der Beschwerdeführer den Krieg in Syrien und fehlende Bildungsmöglichkeiten an. Im Fall seiner Rückkehr habe er Angst vor der Zukunft. 2. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 6.10.2022 gab der Beschwerdeführer an, er sei am römisch 40 in „Qamielo“, das ist die Stadt Qamischli im syrischen Gouvernement al-Hasaka, geboren, syrischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden, Muslim und ledig. Seine Eltern lebten noch in Syrien, ein älterer Bruder und eine ältere Schwester seien mit ihm nach Österreich gereist. Der Beschwerdeführer habe Syrien vor ungefähr zehn Jahren in die Türkei verlassen und habe seitdem dort gelebt. Über Bulgarien, Serbien und Ungarn sei er nach Österreich gekommen. Als Beweggrund für seine Ausreise gab der Beschwerdeführer den Krieg in Syrien und fehlende Bildungsmöglichkeiten an. Im Fall seiner Rückkehr habe er Angst vor der Zukunft.
3. Am 5.12.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit einem per Videokonferenz zugeschalteten Dolmetscher für die Sprache Kurdisch-Kurmandschi und im Beisein seines älteren Bruders XXXX als gesetzliche Vertretung zu seinem Antrag auf internationalen Schutz niederschriftlich einvernommen. Eingangs legte der Beschwerdeführer eine Kopie seines Auszugs aus dem Personenregister zusammen mit der entsprechenden Übersetzung in das Deutsche vor. Daraufhin wiederholte der Beschwerdeführer zunächst seine Angaben von der Erstbefragung und führte ergänzend aus, in der Türkei in Edirne gelebt und neun Jahre lang die Schule besucht zu haben. Da in der Türkei ein neues Gesetz Syrer zur Rückkehr in ihr Heimatland zwinge, habe sein Vater entschieden, dass er zusammen mit seinem Bruder und seiner Schwester die Türkei verlassen solle. 3. Am 5.12.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit einem per Videokonferenz zugeschalteten Dolmetscher für die Sprache Kurdisch-Kurmandschi und im Beisein seines älteren Bruders römisch 40 als gesetzliche Vertretung zu seinem Antrag auf internationalen Schutz niederschriftlich einvernommen. Eingangs legte der Beschwerdeführer eine Kopie seines Auszugs aus dem Personenregister zusammen mit der entsprechenden Übersetzung in das Deutsche vor. Daraufhin wiederholte der Beschwerdeführer zunächst seine Angaben von der Erstbefragung und führte ergänzend aus, in der Türkei in Edirne gelebt und neun Jahre lang die Schule besucht zu haben. Da in der Türkei ein neues Gesetz Syrer zur Rückkehr in ihr Heimatland zwinge, habe sein Vater entschieden, dass er zusammen mit seinem Bruder und seiner Schwester die Türkei verlassen solle.
4. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 29.1.2024, Zl. 1327642903-223151299, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 5.10.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). 4. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 29.1.2024, Zl. 1327642903-223151299, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 5.10.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde ihm jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das syrische Regime habe keinen direkten Zugriff auf den noch nicht wehrpflichtigen Beschwerdeführer in seinem Herkunftsort, sodass er im Falle einer Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt sei, zum Wehrdienst in der syrischen Armee eingezogen zu werden. Im Falle einer Weigerung, der kurdischen Selbstverteidigungspflicht nachzukommen, sei er nicht der Gefahr ausgesetzt, von den kurdischen Autonomiebehörden als Oppositioneller wahrgenommen zu werden. Es sei auch nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Nichtableistung der kurdischen Selbstverteidigungspflicht von einer unverhältnismäßigen Strafe bedroht wäre. Es könne somit weder eine konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete asylrelevante Verfolgung festgestellt werden, noch seien im Verfahren sonstige Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers für wahrscheinlich erscheinen ließen.
5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die Beschwerde vom 26.2.2024 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, wgen mangelhafter Beweiswürdigung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den Beschwerdeführer günstigerer Bescheid erzielt worden wäre. Nach einer Darlegung des Verfahrensganges und des Sachverhaltes führt die Beschwerde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer lehne den Dienst an der Waffe für die kurdischen Kräfte wie auch für das syrische Regime sowohl aus persönlichen Gewissensgründen als auch aus politischen Gründen ab. Als Kurde aus einem oppositionellen Gebiet werde wegen seiner illegalen Ausreise und der Asylantragstellung in Österreich die Gefahr, durch das syrischen Regime verfolgt zu werden, weiter erhöht. Der Beschwerdeführer wäre auch nicht in der Lage, sich vom Militärdienst für das syrische Regime freizukaufen, weil er über keine ausreichenden finanziellen Mittel verfügen würde. Zudem sei die Heimatregion des Beschwerdeführers, die Stadt Qamischli, nicht sicher und legal zu erreichen. Etwaige Grenzübergänge könnten vom Beschwerdeführer aufgrund fehlender syrischer Reisedokumente nicht benutzt werden. Qamischli könne nur über Regimegebiet erreicht werden, es bestehe somit eine Verfolgungsgefahr beim Grenzübertritt. 5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides richtet sich die Beschwerde vom 26.2.2024 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, wgen mangelhafter Beweiswürdigung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den Beschwerdeführer günstigerer Bescheid erzielt worden wäre. Nach einer Darlegung des Verfahrensganges und des Sachverhaltes führt die Beschwerde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer lehne den Dienst an der Waffe für die kurdischen Kräfte wie auch für das syrische Regime sowohl aus persönlichen Gewissensgründen als auch aus politischen Gründen ab. Als Kurde aus einem oppositionellen Gebiet werde wegen seiner illegalen Ausreise und der Asylantragstellung in Österreich die Gefahr, durch das syrischen Regime verfolgt zu werden, weiter erhöht. Der Beschwerdeführer wäre auch nicht in der Lage, sich vom Militärdienst für das syrische Regime freizukaufen, weil er über keine ausreichenden finanziellen Mittel verfügen würde. Zudem sei die Heimatregion des Beschwerdeführers, die Stadt Qamischli, nicht sicher und legal zu erreichen. Etwaige Grenzübergänge könnten vom Beschwerdeführer aufgrund fehlender syrischer Reisedokumente nicht benutzt werden. Qamischli könne nur über Regimegebiet erreicht werden, es bestehe somit eine Verfolgungsgefahr beim Grenzübertritt.
7. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt.
8. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte zunächst mit Schreiben vom 15.4.2024 eine mündliche Beschwerdeverhandlung für den 29.4.2024 an, brachte Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 29.4.2024 wurde die mündliche Beschwerdeverhandlung auf den 3.6.2024 verlegt.
9. In der mündlichen Verhandlung wurde der ältere Bruder und gesetzliche Vertreter des Beschwerdeführers zu deren Leben in Syrien und zu deren Fluchtgründen befragt. Hier wiederholte der ältere Bruder, sie würden sowohl von den Kurden als auch vom syrischen Regime zum Militärdienst eingezogen werden, was sie aber nicht wollten. Sie hätten auch kein Geld, um sich freizukaufen.
In der Folge führte der ältere Bruder ergänzend aus, dass sie von ihrer noch in Qamischli lebenden Großmutter erfahren hätten, dass die Nachbarssöhne zwangsrekrutiert und in den Krieg geschickt worden seien. Sie hätten nun Angst, dass ihnen im Falle einer Rückkehr das gleiche Schicksal drohe. Es würden aber nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Mädchen zwangsweise rekrutiert werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
? Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den Beschwerdeführer;
? Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht;
? Einsichtnahme in folgende vom Bundesverwaltungsgericht eingebrachten aktuellen Länderberichte:
- Länderinformationen der Staatendokumentation aus dem COI-CMS zu Syrien, Version 11 vom 27.3.2024;
- UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, aus März 2021;
- European Union Agency for Asylum (EUAA): Country Guidance Syria, aus April 2024;
- Danish Immigration Service: Syria Military service, aus Jänner 2024;
- Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD)-Themendossier zu Syrien: Wehrdienst vom 16.1.2024
- Themenbericht der Staatendokumentation „Syrien-Grenzübergänge Version 1“, vom 25.10.2023;
- Bericht des Danish Immigration Service (DIS) – Country of origin information – Syria – Military recruitment in Hasakah Governorate vom Juni 2022
? Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente.
2. Feststellungen:
2.1. Zur Person und den Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX in der Stadt Qamischli im syrischen Gouvernement al-Hasakah geboren. Er ist Staatsbürger der Arabischen Republik Syrien, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und Muslim. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Kurdisch-Kurmandschi, welche er sowohl lesen als auch schreiben kann, er spricht auch Türkisch. Er ist ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am römisch 40 in der Stadt Qamischli im syrischen Gouvernement al-Hasakah geboren. Er ist Staatsbürger der Arabischen Republik Syrien, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und Muslim. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Kurdisch-Kurmandschi, welche er sowohl lesen als auch schreiben kann, er spricht auch Türkisch. Er ist ledig und kinderlos.
Im Jahr 2013 verließ der Beschwerdeführer mit seiner Familie Qamischli und ließ sich in der Türkei in der Stadt Edirne nieder, wo er neun Jahre lang die Schule besuchte. Im Oktober 2022 verließ der Beschwerdeführer die Türkei und reiste über Bulgarien, Serbien und Ungarn illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.
Der Herkunftsort des Beschwerdeführers, die Stadt Qamischli im syrischen Gouvernement al-Hasakah, steht derzeit abgesehen von drei Sicherheitsquadraten, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, unter der Kontrolle der kurdisch geführten Syrian Democratic Forces (SDF).
Der Beschwerdeführer ist im Wesentlichen gesund und arbeitsfähig. Er ist strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer reiste im Oktober 2022 unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 5.10.2022 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Seither hält sich der Beschwerdeführer durchgehend in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer lebt in Österreich in XXXX , ist derzeit nicht erwerbstätig und bezieht keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich in römisch 40 , ist derzeit nicht erwerbstätig und bezieht keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
Ein älterer Bruder, der für den Beschwerdeführer obsorgeberechtigt ist, und eine weitere ältere Schwester sind zusammen mit dem Beschwerdeführer nach Österreich gekommen und stellten ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
In Syrien besteht die gesetzliche Verpflichtung zur Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Militärdienst einberufen werden. Der Beschwerdeführer ist XXXX Jahre alt und befindet sich damit noch nicht im wehrdienstpflichtigen Alter, wird dieses aber sehr bald erreichen. Daher hat Beschwerdeführer den Wehrdienst noch nicht abgeleistet und auch keinen Einberufungsbefehl zum syrischen Militär erhalten. Der Beschwerdeführer hat sich daher durch seine Ausreise Richtung Europa keiner konkret an ihn persönlich gerichteten Einberufung entzogen oder einer solchen nicht Folge geleistet. In Syrien besteht die gesetzliche Verpflichtung zur Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Militärdienst einberufen werden. Der Beschwerdeführer ist römisch 40 Jahre alt und befindet sich damit noch nicht im wehrdienstpflichtigen Alter, wird dieses aber sehr bald erreichen. Daher hat Beschwerdeführer den Wehrdienst noch nicht abgeleistet und auch keinen Einberufungsbefehl zum syrischen Militär erhalten. Der Beschwerdeführer hat sich daher durch seine Ausreise Richtung Europa keiner konkret an ihn persönlich gerichteten Einberufung entzogen oder einer solchen nicht Folge geleistet.
Der Herkunftsort des Beschwerdeführers, Qamischli im syrischen Gouvernement al-Hasakah, steht derzeit abgesehen von drei Sicherheitsquadraten, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, unter der Kontrolle der kurdisch geführten Syrian Democratic Forces (SDF). Der syrische Staat verfügt in Gebieten unter der Kontrolle der SDF über keinen Zugriff auf Wehrpflichtige. Es ist dem syrischen Regime zwar möglich, den Beschwerdeführer, sobald er 18 Jahre alt ist, in den vom Regime kontrollierten Sicherheitsquadraten zu rekrutieren oder festzunehmen. Es besteht aber für den Beschwerdeführer keine Notwendigkeit, diese Sicherheitsquadrate betreten zu müssen bzw. kann er das Betreten der Sicherheitsquadrate mühelos vermeiden. Dem Beschwerdeführer droht daher in seinem Herkunftsort keine reale Gefahr, zwangsweise zum Militärdienst eingezogen bzw. wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes von der syrischen Regierung wegen unterstellter oppositioneller Gesinnung verfolgt zu werden.
In Gebieten, welche – wie der Herkunftsort des Beschwerdeführers, die Stadt Qamischli im syrischen Gouvernement al-Hasakah, – unter der Kontrolle der kurdisch geführten SDF stehen, besteht die Verpflichtung zur Ableistung eines „Wehrdienstes“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ für Männer zwischen 18 und 24 Jahren, die von den Kurden als Selbstverteidigungspflicht bezeichnet wird. Der Beschwerdeführer ist XXXX Jahre alt und unterliegt damit noch nicht der Selbstverteidigungspflicht, welche in den Selbstverteidigungseinheiten HXP, einer Hilfseinheit der SDF, abgeleistet wird. Dabei werden die Rekruten normalerweise im Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz eingesetzt und sind deshalb nicht gefährdet, Kriegsverbrechen zu begehen. Zudem kann der Beschwerdeführer durch wiederholte Zahlung einer Gebühr von USD 400,- einen wiederholten einjährigen Aufschub von der kurdischen Selbstverteidigungspflicht erwirken. Die Autonomiebehörden sehen eine Weigerung, die Selbstverteidigungspflicht zu absolvieren, auch nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung an. Dem Beschwerdeführer droht daher im Fall seiner Rückkehr nach Vollendung des 18. Lebensjahres in seinen Herkunftsort Qamischli im syrischen Gouvernement al-Hasakah auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, wegen eines in der Genfer Flüchlingskonvention enthaltenen Konventionsgrundes von den SDF oder sonstigen kurdischen Milizen verfolgt zu werden. In Gebieten, welche – wie der Herkunftsort des Beschwerdeführers, die Stadt Qamischli im syrischen Gouvernement al-Hasakah, – unter der Kontrolle der kurdisch geführten SDF stehen, besteht die Verpflichtung zur Ableistung eines „Wehrdienstes“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ für Männer zwischen 18 und 24 Jahren, die von den Kurden als Selbstverteidigungspflicht bezeichnet wird. Der Beschwerdeführer ist römisch 40 Jahre alt und unterliegt damit noch nicht der Selbstverteidigungspflicht, welche in den Selbstverteidigungseinheiten HXP, einer Hilfseinheit der SDF, abgeleistet wird. Dabei werden die Rekruten normalerweise im Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz eingesetzt und sind deshalb nicht gefährdet, Kriegsverbrechen zu begehen. Zudem kann der Beschwerdeführer durch wiederholte Zahlung einer Gebühr von USD 400,- einen wiederholten einjährigen Aufschub von der kurdischen Selbstverteidigungspflicht erwirken. Die Autonomiebehörden sehen eine Weigerung, die Selbstverteidigungspflicht zu absolvieren, auch nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung an. Dem Beschwerdeführer droht daher im Fall seiner Rückkehr nach Vollendung des 18. Lebensjahres in seinen Herkunftsort Qamischli im syrischen Gouvernement al-Hasakah auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, wegen eines in der Genfer Flüchlingskonvention enthaltenen Konventionsgrundes von den SDF oder sonstigen kurdischen Milizen verfolgt zu werden.
Der Beschwerdeführer ist und war politisch nicht aktiv und hat sich nicht oppositionell gegen die SDF oder sonstige kurdische Milizen betätigt. Der Beschwerdeführer hatte keine Probleme mit den SDF oder sonstigen kurdischen Milizen. Er ist daher auch nicht bedroht, von den SDF oder sonstigen kurdischen Milizen als politischer (oppositioneller) Gegner angesehen zu werden. Der Beschwerdeführer ist im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsort Qamischli im syrischen Gouvernement al-Hasakah, keinen Übergriffen bzw. Verfolgung durch die SDF oder sonstige kurdische Milizen aufgrund unterstellter politischer (oppositioneller) Gesinnung ausgesetzt.
Dem Beschwerdeführer drohen im Fall seiner Rückkehr auch keine Übergriffe durch Privatpersonen, staatliche Stellen oder sonstige Akteure wegen seiner Ausreise ins Ausland bzw. seiner Asylantragstellung in Österreich.
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine asylrelevante Verfolgung aus den vom ihm geltend gemachten oder aus anderen Gründen.
Der Beschwerdeführer kann seine Heimatregion sicher erreichen, ohne der Gefahr ausgesetzt zu sein, vom syrischen Regime aufgegriffen zu werden.
2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers
2.3.1. Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation aus dem COI-CMS zu Syrien, Version 11 (Stand 27.3.2024, im Folgenden: Länderinformationsblatt):
Politische Lage
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Selbstverwaltungsgebiet Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien
2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).
Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für "Westen" (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) (SWP 7.2018). Die von den USA unterstützten SDF (TWI 18.7.2022) sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen (USDOS 20.3.2023), in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist (KAS 4.12.2018). Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des "Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien" (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben (SWP 7.2018). Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).
Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet 'belohnt' zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 20.3.2023). Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen (ICG 18.11.2021). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren (ÖB Damaskus 1.10.2021). Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung (Alaraby 31.5.2023). Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen (K24 22.1.2023). Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet (AAA 24.6.2023). Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 2.2.2024).
Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).
Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP [Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak] nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der PYD, welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht (ÖB 1.10.2021).
Seitdem der Islamische Staat (IS) 2019 die Kontrolle über sein letztes Bevölkerungszentrum verloren hat, greift er mit Guerilla- und Terrortaktiken Sicherheitskräfte und lokale zivile Führungskräfte an (FH 9.3.2023). Hauptziele sind Einrichtungen und Kader der SDF sowie der syrischen Armee (ÖB 1.10.2021).
Sicherheitslage
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):
Quelle: UNGe 1.7.2023 (Stand: 6.