Entscheidungsdatum
30.07.2024Norm
AsylG 2005 §12aSpruch
L519 2213011-4/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Irak, vertreten durch RA. Mag. SEIFRIEDSBERGER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 22.6.2024, Zl. 1116221904-232635210, wegen Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , StA. Irak, vertreten durch RA. Mag. SEIFRIEDSBERGER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 22.6.2024, Zl. 1116221904-232635210, wegen Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und sunnitischer Moslem. Er reiste illegal und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet ein und brachte am 27.5.2016 seinen 1. Antrag auf internationalen Schutz ein. Im Zuge der Erstbefragung brachte er zum Ausreisegrund im Wesentlichen vor, dass der IS sein Dorf angegriffen habe und dass er deswegen ausreisen musste.
2. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA gab der BF zum Ausreisegrund zusammengefasst an, dass es in seiner Herkunftsregion im Nordirak seit seiner Kindheit Krieg gegeben habe. Es habe immer wieder Krieg und Angriffe auf die Kurden gegeben, ausgehend vom irakischen Regime, der Türkei und dem IS.
3. Mit Bescheid des BFA vom 17.12.2018 wurde der Asylantrag des BF gem. §§ 3, 8 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gem. § 57 AsylG nicht erteilt. Gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG in den Irak zulässig ist. Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. 3. Mit Bescheid des BFA vom 17.12.2018 wurde der Asylantrag des BF gem. Paragraphen 3,, 8 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gem. Paragraph 57, AsylG nicht erteilt. Gem. Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und gem. Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung gem. Paragraph 46, FPG in den Irak zulässig ist. Gem. Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der BF im Irak keiner asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung durch ihm unbekannte Dritte ausgesetzt gewesen sei. Er sei im Irak nicht vorbestraft und nicht politisch tätig gewesen und habe auch an keiner bewaffneten Auseinandersetzung teilgenommen. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass der BF aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
oder wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt würde bzw. Probleme hätte. Der BF habe insgesamt keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können.
4. Die gegen diese Entscheidung vom BF innerhalb offener Frist erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.05.2019, Zahl: L526 22130111/9E, als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs mit 13.05.2019 in Rechtskraft.
Beweiswürdigend wurde wie folgt ausgeführt:
„Der bB ist zunächst darin beizutreten, dass es der BF mit seinem Vorbringen nicht vermochte, eine gegen ihn persönlich gerichtete aktuelle und konkrete Verfolgung darzulegen. Der BF hat dem Protokoll der Erstbefragung nach dem Asylgesetz zufolge angegeben, dass sein Dorf vom IS angegriffen worden sei und er von dort hätte fliehen müssen. Anlässlich der Einvernahme durch die belangte Behörde am 4.4.2018 korrigierte der BF dies dahingehend, dass der IS im Oktober 2015 in die Nähe von Akre gekommen wäre – bis zu einer Distanz von einer etwa fünfundzwanzig minütigen Autofahrt. Auf Vorhalt der belangten Behörde gab der BF an, dass er bei der Ersteinvernahme nicht gesagt habe, der IS sei in ihr Dorf gekommen, nur dass dieser nahe gekommen sei. Als Grund für das Verlassen seines Heimatlandes gab er an, dass es seit seiner Kindheit immer wieder Kriege und Angriffe gegen die Kurden gegeben habe. Das sei unter Saddam Hussein so gewesen und auch unter dem IS. Auch jetzt seien die Kurden vom irakischen Regime bedroht; zudem schieße die Türkei im Kurdengebiet (auf die behauptete Verfolgung des BF wegen seiner Zugehörigkeit zu Volksgruppe der Kurden wird unten unter 2.5. noch näher einzugehen sein). Die Tatsache, dass der BF, wie er ebenfalls vor der bB angab, erst im Jänner 2016 aus Erbil ausreiste, wo er sich bis dahin zusammen mit seiner Familie in einem Flüchtlingslager aufgehalten hat, weist ebenfalls darauf hin, dass der BF selbst keiner persönlichen Bedrohung seitens des IS ausgesetzt war. Wiewohl der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, dass man zu der Zeit, in welcher er sich an seinem Zufluchtsort in Erbil aufhielt, damit gerechnet habe, dass der IS auch das gesamte Kurdengebiet einnimmt, deutet die im Rahmen der Einvernahme der bB erteilte Antwort auf die Frage, warum er nicht in Erbil geblieben sei, wie beispielsweise sein Bruder –„Seit meiner Kindheit wollte ich nach Europa. Die Araber und die Türken mögen uns Kurden nicht. …“ – ebenfalls darauf hin, dass der BF seinen Zufluchtsort nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat. Zudem tritt, dass die Familie des BF nach dessen Ausreise noch geraume Zeit in Erbil lebte – die Eltern des BF sind dessen Aussage zufolge ein Jahr nach seiner Abreise, nämlich Ende 2017/Anfang 2018 von dort weggegangen (Niederschrift der Verhandlung am 28.3.2019, S. 8); ein Bruder des BF lebte und arbeitete dort bis vor Kurzem und reiste dann ebenfalls in die Türkei, da er nicht weit von der Familie entfernt leben wollte (Niederschrift der Verhandlung am 28.3.2019, S. 5). „Der bB ist zunächst darin beizutreten, dass es der BF mit seinem Vorbringen nicht vermochte, eine gegen ihn persönlich gerichtete aktuelle und konkrete Verfolgung darzulegen. Der BF hat dem Protokoll der Erstbefragung nach dem Asylgesetz zufolge angegeben, dass sein Dorf vom IS angegriffen worden sei und er von dort hätte fliehen müssen. Anlässlich der Einvernahme durch die belangte Behörde am 4.4.2018 korrigierte der BF dies dahingehend, dass der IS im Oktober 2015 in die Nähe von Akre gekommen wäre – bis zu einer Distanz von einer etwa fünfundzwanzig minütigen Autofahrt. Auf Vorhalt der belangten Behörde gab der BF an, dass er bei der Ersteinvernahme nicht gesagt habe, der IS sei in ihr Dorf gekommen, nur dass dieser nahe gekommen sei. Als Grund für das Verlassen seines Heimatlandes gab er an, dass es seit seiner Kindheit immer wieder Kriege und Angriffe gegen die Kurden gegeben habe. Das sei unter Saddam Hussein so gewesen und auch unter dem IS. Auch jetzt seien die Kurden vom irakischen Regime bedroht; zudem schieße die Türkei im Kurdengebiet (auf die behauptete Verfolgung des BF wegen seiner Zugehörigkeit zu Volksgruppe der Kurden wird unten unter 2.5. noch näher einzugehen sein). Die Tatsache, dass der BF, wie er ebenfalls vor der bB angab, erst im Jänner 2016 aus Erbil ausreiste, wo er sich bis dahin zusammen mit seiner Familie in einem Flüchtlingslager aufgehalten hat, weist ebenfalls darauf hin, dass der BF selbst keiner persönlichen Bedrohung seitens des IS ausgesetzt war. Wiewohl der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, dass man zu der Zeit, in welcher er sich an seinem Zufluchtsort in Erbil aufhielt, damit gerechnet habe, dass der IS auch das gesamte Kurdengebiet einnimmt, deutet die im Rahmen der Einvernahme der bB erteilte Antwort auf die Frage, warum er nicht in Erbil geblieben sei, wie beispielsweise sein Bruder –„Seit meiner Kindheit wollte ich nach Europa. Die Araber und die Türken mögen uns Kurden nicht. …“ – ebenfalls darauf hin, dass der BF seinen Zufluchtsort nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat. Zudem tritt, dass die Familie des BF nach dessen Ausreise noch geraume Zeit in Erbil lebte – die Eltern des BF sind dessen Aussage zufolge ein Jahr nach seiner Abreise, nämlich Ende 2017/Anfang 2018 von dort weggegangen (Niederschrift der Verhandlung am 28.3.2019, Sitzung 8); ein Bruder des BF lebte und arbeitete dort bis vor Kurzem und reiste dann ebenfalls in die Türkei, da er nicht weit von der Familie entfernt leben wollte (Niederschrift der Verhandlung am 28.3.2019, Sitzung 5).
Auch der Verweis darauf, dass das irakische Regime sechs Monate vor der Befragung durch die bB gegen kurdische Peschmerga gekämpft habe, lässt nicht erkennen, inwiefern der BF davon persönlich betroffen war bzw. künftig sein könnte (siehe dazu auch unter 2.5.).
Sofern in der Beschwerdeschrift ausgeführt wird, der BF habe bei der bB nicht alles vorbringen können und hätte die Behörde auch vertiefende Fragen stellen müssen, um den Sachverhalt zu erörtern, so kann dem nicht gefolgt werden. Den Angaben des BF vor der belangten Behörde ist, wie bereits erwähnt, kein Hinweis auf eine asylrelevante Bedrohung bzw. eine Gefährdung im Rückkehrfall zu entnehmen und warfen die vom BF erteilten Antworten auch keine weitere Fragen oder Unklarheiten auf, derentwegen die belangte Behörde gehalten gewesen wäre, eine tiefergehende Befragung vorzunehmen. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung dazu befragt, gab der BF auch lediglich an, dass er gefragt worden sei und auf alles geantwortet habe. Nachgefragt, was konkret er der bB noch hätte erzählen wollen bzw. was diese mit ihm noch genauer hätte erörtern sollen, gab der BF gleichermaßen einsilbig an: „Ich habe auf alle Fragen geantwortet.“ (Niederschrift der mündlichen Verhandlung, S.7).
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Verpflichtung der Behörde bzw. eines Gerichtes zur amtswegigen Ermittlungspflicht nicht so weit geht, dass sie in jeder denkbaren Richtung Ermittlungen, z.B. im Heimatland des BF, durchzuführen hätte, sondern sie besteht nur insoweit, als konkrete Anhaltspunkte aus Akten (etwa das Vorbringen der Partei (VwSlg 13.227 A/199)) dazu Veranlassung geben (VwGH 04.04.2002, 2002/08/022).
Schließlich ist der bB beizupflichten, dass es noch einen weiteren Aspekt gibt, der gegen eine wohlbegründete Furcht des BF vor Verfolgung spricht:
Der BF gab vor der bB an, er habe ursprünglich nach Großbritannien reisen wollen, weil er dort Freunde habe (AS 181) und er habe sich vor seiner Einreise in Österreich auch längere Zeit in Griechenland und in der Türkei aufgehalten. In Österreich sei er geblieben, da er hier angehalten und auch gut behandelt worden sei. Wenn der BF tatsächlich eine asylrelevante Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen befürchtet hätte, wäre wohl anzunehmen, dass er in der Türkei geblieben wäre – wo sich auch seine Familie bis jetzt aufhält – oder dass er bei seinem Aufenthalt in Griechenland oder in den anderen Ländern, welche er bei seiner Weiterreise nach Österreich durchquerte und in welchen er auch jeweils ein paar Tage blieb, wie sich dem Protokoll der Erstbefragung entnehmen lässt (AS 69), einen Asylantrag gestellt hätte.
In diesem Zusammenhang ist auf die Richtlinie 2011/95/EG des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes zu verweisen, welche in ihrem Art. 4 Abs. 5 lit. d vorsieht, dass dann, wenn für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise fehlen, diese Aussagen keines Nachweises bedürfen, wenn der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war. Wendet man diese sekundärrechtliche Norm im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung auf das gegenständliche Verfahren an, so ergibt sich um Umkehrschluss, dass gegenständlich jedenfalls – glaubwürdige bzw. fundierte – Nachweise erforderlich gewesen wären. In diesem Zusammenhang ist auf die Richtlinie 2011/95/EG des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes zu verweisen, welche in ihrem Artikel 4, Absatz 5, Litera d, vorsieht, dass dann, wenn für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise fehlen, diese Aussagen keines Nachweises bedürfen, wenn der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war. Wendet man diese sekundärrechtliche Norm im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung auf das gegenständliche Verfahren an, so ergibt sich um Umkehrschluss, dass gegenständlich jedenfalls – glaubwürdige bzw. fundierte – Nachweise erforderlich gewesen wären.
Weiters ist auf Art. 31 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32/EU des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes zu verweisen, wonach die Mitgliedstaaten festlegen können, dass das Prüfungsverfahren im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II beschleunigt und/oder an der Grenze oder in Transitzonen nach Maßgabe von Artikel 43 durchgeführt wird, wenn nach dessen lit. h der Antragsteller unrechtmäßig in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats eingereist ist oder seinen Aufenthalt unrechtmäßig verlängert hat und es ohne stichhaltigen Grund versäumt hat, zum angesichts der Umstände seiner Einreise frühestmöglichen Zeitpunkt bei den Behörden vorstellig zu werden oder einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Weiters ist auf Artikel 31, Absatz 8, der Richtlinie 2013/32/EU des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes zu verweisen, wonach die Mitgliedstaaten festlegen können, dass das Prüfungsverfahren im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel römisch II beschleunigt und/oder an der Grenze oder in Transitzonen nach Maßgabe von Artikel 43 durchgeführt wird, wenn nach dessen Litera h, der Antragsteller unrechtmäßig in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats eingereist ist oder seinen Aufenthalt unrechtmäßig verlängert hat und es ohne stichhaltigen Grund versäumt hat, zum angesichts der Umstände seiner Einreise frühestmöglichen Zeitpunkt bei den Behörden vorstellig zu werden oder einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.
In der mündlichen Beschwerdeverhandlung hat der BF seine Gründe für die Ausreise aus dem Irak im Wesentlichen gleichlautend wie vor der bB dargestellt und vermochte es auch nicht, der Beweiswürdigung der belangten Behörde überzeugend entgegenzutreten.
Insgesamt ergibt sich nach Einsicht in den Verfahrensakt der bB sowie nach Anhörung des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht das Bild, dass der BF den Irak aufgrund der schlechten Lage im Jahr 2015 verlassen hat, zumal dies mit dem aus länderkundlichen Berichten gewonnenen Eindruck von der Sicherheitslage im Irak im Jahr 2015 übereinstimmt. Im damaligen Zeitpunkt der Ausreise war infolge der Aktivitäten der Milizen des IS eine gesteigerte – vorwiegend von Anhängern des IS ausgehende – Anschlagskriminalität zu verzeichnen. Andererseits wurden die konfessionellen Konflikte durch das Erstarken des IS befeuert, zumal die sunnitische Minderheit im Irak für das Erstarken des IS und die damit verbundenen zahlreichen vornehmlich schiitischen Opfer unter den Sicherheitskräften und Zivilisten verantwortlich gemacht und der Anhängerschaft für den IS pauschal bezichtigt wurde.
Wie in der Beschwerdeverhandlung erörtert, ist die Stadt Akre eine kurdische Stadt und gleichzeitig der Name eines Bezirkes im irakischen Gouvernement Ninewa. Obzwar Akre de jure ein Teil von Ninewa ist, steht die Stadt bzw. der Bezirk jedoch unter de facto Kontrolle der kurdischen Regionalregierung und wird wie ein Teil der kurdischen Provinz Dohuk behandelt.
Die Sicherheitslage in der Kurdischen Autonomieregion, vor allem östlich von Ninewa entlang der Grenzen der Provinz Erbil, wurde unter anderem durch vermehrte IS-Angriffe entlang der Grenzen von den unter kurdischer Kontrolle stehenden Gebieten bedroht. Im Jänner 2015 wurden Städte (beispielsweise Gwer und Makhmour), die seit 2014 ebenfalls de facto, nicht aber de jure unter kurdischer Verwaltung stehen, ohne Erfolg angegriffen. In der Kurdischen Autonomieregion haben zu dieser Zeit keine Kämpfe stattgefunden.
Dass die seinerzeitige instabile Situation und die Ungewissheit hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Sicherheitslage Grundlage für die Flucht aus der Heimatregion des BF war, ist plausibel.
Dem steht jedoch gegenüber, dass eine individuelle Bedrohungssituation vor der Ausreise vom BF, wie oben dargelegt, nicht aufgezeigt wurde. Der BF selbst führte vor der bB aus, dass es keine konkreten Vorkommnisse mit dem IS gegeben habe und er persönlich auch keine Kontakt mit IS-Kämpfern gehabt habe (AS 182). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte der BF, dass der IS nicht bis in sein Dorf gekommen ist, wie er dies auch schon vor der bB angegeben hat.
Zudem ist dem BF entgegenzuhalten, dass er in einem anderen Teil des Irak Zuflucht nehmen und unbehelligt leben konnte. Wie bereits angemerkt, hat die Familie des BF dort noch ein Jahr nach der Ausreise des BF gewohnt; einer seiner Brüder ist erst vor Kurzem von dort weggegangen.
2.4. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen befragt, gab der BF im Rahmen der Einvernahme der bB an, dass seine Familie nicht mehr im Irak sei und er dort keine Studienmöglichkeit habe. Vor dem Bundesverwaltungsgericht führte er aus, dass es in seinem Herkunftsstaat keine Sicherheit gebe; er wisse nicht, was im Irak passiert; die Lage sei dort instabil.
Dem Vorbringen des BF, er habe niemandem mehr im Irak, ist zunächst zu entgegnen, dass er vor der bB angegeben hat, er habe mehrere Verwandte in Erbil (siehe dazu auch unten unter 2.11.). Im Hinblick auf die angesprochene Sicherheitslage ist festzuhalten, dass in Anbetracht der getroffenen Feststellungen zu den militärischen Bemühungen der Niederschlagung des IS im Irak feststeht, dass unter den zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Vorzeichen nicht mehr von der Ausübung pseudostaatlicher Gewalt durch die Milizen des IS im Gouvernement Ninewa ausgegangen werden kann. Zwar verfügt der IS, wie der Medienberichterstattung entnommen werden kann, über Rückzugsgebiete und ist auch nicht auszuschließen, dass die Milizen des IS – etwa durch verbliebene Anhänger oder Schläfer – immer wieder Anschläge verüben. Der IS vermag zwar keine Territorien, aber Straßen zu kontrollieren und hier Anschläge zu verüben. Dessen ungeachtet können die Milizen des IS in jenen Gebieten nicht mehr offen operieren, die von irakischen bzw. kurdischen Streitkräften zurückerlangt wurden, sodass dort aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nur mehr mit Untergrundaktivitäten von Anhängern des Islamischen Staates und damit einhergehender Anschlagskriminalität zu rechnen ist.
Damit konfrontiert, gab der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, dass es zwar stimme, dass der IS nicht mehr da sei, jedoch wisse man nicht, wer der nächste sei, der in dieses Gebiet kommen wird; niemand würde die Kurden mögen und jeder der umliegenden Staaten habe ein Stück vom Land genommen. Wer konkret ihn im Falle einer Rückkehr bedrängen oder bedrohen würde, könne er nicht sagen.
Befragt, ob bei seiner Person von einem höheren Risiko für eine Verfolgung bzw. Bedrängung auszugehen sei, als allgemein das Risiko für die irakische bzw. kurdische Zivilbevölkerung bestehe bzw. weshalb er sich als besonders gefährdet erachte, gab der BF an: „Es leben vier oder fünf Millionen Menschen dort. Einige müssen dort leben, andere können ihre Heimat nicht verlassen. Ich bin ein normaler Mensch, kein Politiker. Ich habe keinen Besitz mehr im Irak; ich möchte nur ein ruhiges Leben führen.“ (Niederschrift der mündlichen Verhandlung, S.8). Von einem besonderen Risikoprofil im Fall des BF ist somit nicht auszugehen.
Die die Gewährung von internationalem Schutz voraussetzende Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in seinem Heimatstaat Verfolgung zu befürchten habe (VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459). In Anbetracht der seit der Ausreise des BF eingetretenen Lageänderung in Gestalt der militärischen Niederlage des IS im Gouvernement Ninewa, die eine Wiedererlangung der Kontrolle durch die Milizen des IS in diesem Gouvernement, vor allem in den Kurdengebieten, als eher ausgeschlossen erscheinen lässt, hat der BF im Rückkehrfall nicht mit der Ausübung pseudostaatlicher Gewalt durch die Milizen des IS in seiner Heimatstadt oder dem Bezirk Akre zu rechnen und wird dieser damit im Rückkehrfall nicht mit der Gefahr von Übergriffen durch Kämpfer des IS konfrontiert sein.
Die vom Bundesverwaltungsgericht eingesehenen und mit dem BF erörterten Statistiken stützen diese Annahme. Aus der „EASO Country of Origin Information, Iraq Security situation (supplement) – Iraq Body Count – civilian deaths 2012, 2017-2018” beispielsweise geht hervor, dass es im Gouvernenment Ninewa bis Ende 2018 insgesamt 1596 Tote bei 217 Vorfällen gab, wobei im Bezirk Akre, woher der BF stammt, im Jahr 2018 keine Personen getötet wurden und es auch keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gab. Die vom Bundesverwaltungsgericht eingesehenen und mit dem BF erörterten Statistiken stützen diese Annahme. Aus der „EASO Country of Origin Information, Iraq Security situation (supplement) – Iraq Body Count – civilian deaths 2012, 2017-2018” beispielsweise geht hervor, dass es im Gouvernenment Ninewa bis Ende 2018 insgesamt 1596 Tote bei 217 Vorfällen gab, wobei im Bezirk Akre, woher der BF stammt, im Jahr 2018 keine Personen getötet wurden und es auch keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gab.
Es steht außer Zweifel, dass auch weiterhin vom IS und anderen Gruppierungen ausgehende terroristische Aktivitäten im Irak zu erwarten sind und ist auch nicht auszuschließen, dass es zu Vorfällen in der Herkunftsregion bzw. dem Bezirk des BF kommen kann. Das Bundesverwaltungsgericht vertritt jedoch die Ansicht, dass es bei den nach wie vor stattfindenden vereinzelten Auseinandersetzungen zwischen verbliebenen Anhängern des IS und den irakischen bzw. kurdischen Sicherheitskräften um einen asymmetrischen Konflikt handelt und es ist davon auszugehen, dass sich Angriffe von Anhängern des IS oder sogenannten Schläfern entweder gegen militärisch relevante Ziele richten oder mittels terroristischer Anschläge mit möglichst intensiver Verbreitung in den Medien eine Verunsicherung in der Bevölkerung erzielt und der politischen Rückhalt der irakischen Regierung und der Sicherheitskräfte erschüttert werden soll. Eine gezielte Verfolgung von Einzelpersonen ohne herausragendes Profil durch Schläfer des Islamischen Staates oder sonstige dort verbliebene Anhänger ist dennoch angesichts der Sicherheitslage im Gouvernement Ninewa, insbesondere dem Heimatbezirk des BF, wenig wahrscheinlich und ist auch kein Grund erkennbar, weshalb sich allenfalls verbliebene Anhänger des IS gerade für den BF im Fall einer Rückkehr in seine Heimatstadt Akre interessieren sollten und eine gezielte Verfolgung gerade des BF für allenfalls verbliebene Anhänger des IS attraktiver sein sollte, als terroristische Aktivitäten mit großer Breitenwirkung oder Anschläge auf Sicherheitskräfte zu begehen.
Persönliche Konfrontationen mit Kämpfern des IS vor der Ausreise wurden – wie bereits erörtert – nicht vorgebracht, sodass nicht davon auszugehen ist, dass der BF allenfalls verbliebenen Anhängern des Islamischen Staates überhaupt persönlich bekannt wäre. Ferner gehört der BF keiner durch Anhänger des IS besonders gefährdeten Religionsgemeinschaft oder Personengruppe an. Eine Gefährdung des BF durch verbliebene Anhänger des IS mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Fall einer Rückkehr nach Akre kann zusammenfassend nicht erkannt werden.
Insgesamt ist aufgrund der Aussage des BF auch unter Berücksichtigung des sich aus den länderkundlichen Feststellungen ergebenden Kontextes nicht zu befürchten, dass der BF im Falle seiner Rückkehr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein wird.
2.5. Der BF brachte darüber hinaus sowohl in seiner Beschwerde als auch (implizit) im Rahmen der Einvernahme durch die bB und der mündlichen Beschwerdeverhandlung eine Verfolgung in Zusammenhang mit seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe ins Treffen.
Hierzu bleibt festzuhalten, dass die politischen Spannungen zwischen der irakischen
Regierung in Bagdad und der kurdischen Regionalregierung betreffend eine Reihe zwischen Bagdad und Erbil umstrittener Gebiete, die während des Kampfes gegen den IS von kurdischen Peshmerga übernommen wurden, nach wie vor nicht beigelegt sind und sich im Oktober 2017 sogar in einer kurzen Phase von Kampfhandlungen manifestiert haben.
Dafür, dass die irakischen Streitkräfte zum Zeitpunkt der Ausreise des BF oder zum gegenwärtigen Zeitpunkt kurdische Zivilpersonen willkürlich festnehmen und ermorden würden, fehlt jedoch jeglicher Anhaltspunkt in den bezughabenden Quellen. Vielmehr kann angesichts der zu den jüngsten Ereignissen getroffenen Feststellungen davon ausgegangen werden, dass sich die Kampfhandlungen auf militärische Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Streitkräften und einzelnen Einheiten der Peschmerga beschränkten.
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass gegenwärtig kurdische Zivilpersonen tatsächlich Opfer von gravierenden Übergriffen, wie einer Festnahme und Ermordung, durch die irakische Polizei oder andere Sicherheitskräfte würden, können dem Vorbringen des BF sowie auch der Quellenlage nicht entnommen werden, was ebenfalls gegen eine tatsächliche Gefährdung des BF durch die irakische Polizei oder andere Sicherheitskräfte aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit spricht.
Sofern der BF in der mündlichen Verhandlung vorbringt, das Kurdengebiet würde auch unter Beschuss von Seiten der Türkei stehen („ … Auch jetzt schießt die Türkei in den kurdischen Gebieten …“, AS 182), so deckt sich dies auch mit den Länderberichten, aus welchen hervorgeht, dass die türkische Armee Luftangriffe auf PKK-Ziele in der kurdischen Autonomieregion im Irak durchführt. Wiewohl es sich bei den Opfern in Einzelfällen auch um Zivilisten handelt, ist jedoch – so bedauerlich das selbstverständlich ist – auch in diesem Zusammenhang davon auszugehen, dass sich die Kampfhandlungen vorwiegend auf militärische Auseinandersetzungen zwischen der türkischen Armee und PKK Einheiten beschränken und ist auch in diesem Zusammenhang auf die oben erwähnten bzw. dargestellten Daten in Bezug auf sicherheitsrelevante Vorfälle und damit in Zusammenhang stehende Todesfälle im Herkunftsbezirk des BF zu verweisen.
Dem BF wurde auch die Gelegenheit gegeben, ein von ihm genanntes Video, welches den Beschuss eines Dorfes im Kurdengebiet zeigen solle, sowie allenfalls sonst vorhandene, aktuelle Berichte vorzulegen. Bis dato hat der BF davon keinen Gebrauch gemacht.
Angesichts des zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkennbaren realen Hintergrund des Vorbringens des BF betreffend eine Gefährdung durch irakische Sicherheitskräfte oder die türkische Armee auf die Volksgruppe der Kurden kann das Vorbringen des BF in Bezug auf seine Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch nicht zu entsprechenden positiven Feststellungen führen.
2.6. Gegen eine Gefährdung aus konfessionellen Gründen spricht, dass die Bevölkerung im Nordirak überwiegend sunnitisch ist. Im Fall einer Rückkehr in seine Heimatprovinz Ninewa oder auch nach Erbil, wo der BF über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte verfügt (siehe dazu unten unter 2.9.) würde der BF demnach der dort überwiegend vertretenen Richtung des Islam angehören. Der BF brachte auch dahingehend keine Rückkehrbefürchtungen substantiiert vor.
Dass die sunnitische Bevölkerung im Gouvernement Ninewa bzw. Erbil systematisch von schiitischen Milizen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt würde, kann den Feststellungen zur Lage im Irak nicht entnommen werden. Insbesondere bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die zahlreich in die Kurdenregionen zurückkehrenden (sunnitischen) Binnenvertriebenen einer gezielten und systematischen Verfolgung durch staatliche Organe und Angehörige des schiitischen Glaubens unterliegen oder bei einer Rückkehr von Bagdad in den Nordirak auf dem Landweg systematisch an einer Einreise in ihre Heimatstadt bzw. ihr Heimatdorf gehindert würden.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die irakische Gesellschaft bereits seit dem Sturz des (sunnitisch geprägten) Regimes von Saddam Hussein in zunehmendem Maße religiös gespalten ist und sich etwa in den Jahren 2006 bis 2008 massive konfessionelle Konflikte ereigneten. Seit dem Vorrücken der (ebenfalls sunnitischen) Milizen des IS wird die sunnitische Minderheit im Irak darüber hinaus oftmals einerseits für das Erstarken des Islamischen Staates und die damit verbundenen zahlreichen vornehmlich schiitischen Opfer unter den Sicherheitskräften (wie etwa beim Massaker von Tikrit) und Zivilisten verantwortlich gemacht und andererseits selbst fallweise mit einer unterstellten Sympathie gegenüber dem Islamischen Staat konfrontiert. Dabei kommt es – wie in den Feststellungen zur Lage im Irak ersichtlich – zu Vergeltungsmaßnahmen, Misshandlungen, willkürlichen Inhaftierungen, Entführungen und außergerichtlichen Hinrichtungen. So ist in diesem Zusammenhang auch festzuhalten, dass den getroffenen Feststellungen zufolge zur allgemeinen Lage im Irak Übergriffe von schiitischen Milizen und auch anderen Angehörigen der Sicherheitskräfte auf sunnitische Männer in jenen Gebieten dokumentiert sind, die vom IS zurückerlangt wurden. Auch im Zuge der Mossul-Offensive sind willkürliche Festnahmen und Racheakte schiitischer Milizen dokumentiert. Den getroffenen Feststellungen zur Sicherheitslage zufolge werden Angehörige der irakischen Streitkräfte und verbündeten Gruppen Vergehen an der flüchtenden Zivilbevölkerung, an Binnenvertriebenen und Rückkehrern vorgeworfen.
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes liegt in Ansehung des BF keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit solcher Übergriffe vor. Da sich der BF schon im Verlauf des Jahres 2015 nach Erbil und dann Anfang des Jahres 2016 weiter ins Ausland begab, ist auch nicht ersichtlich, weshalb ihm unterstellt werden sollte, sich den Milizen des IS angeschlossen zu haben oder mit diesen sympathisiert zu haben, was im Übrigen für die gesamte Familie des BF gilt – die übrigen Familienmitglieder begaben sich zunächst ebenfalls nach Erbil und sind nach Angaben des BF von dort ein Jahr nach ihm – sohin Anfang des Jahres 2017 – aus dem Irak ausgereist.
Dass andere Personen als Binnenvertriebene und diejenigen sunnitischen Männer, die in vom IS zurückeroberten Gebieten vorgefunden werden (und sohin dort während der Machtausübung durch den Islamischen Staat gelebt und sich nicht wie der BF durch Flucht entzogen haben), von schiitischen Milizen oder Sicherheitskräften systematisch bedrängt würden, kann den länderkundlichen Informationen nicht entnommen werden.
Auch wenn derartige Vorfälle wiederkehrend stattfinden, kann in Anbetracht der Anzahl der dokumentierten Vorfälle noch nicht auf eine derartige Intensität solcher Übergriffe geschlossen werden, dass von einer systematischen und zielgerichteten asylrelevanten Verfolgung sämtlicher Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung im Irak – immerhin mehrere Millionen Menschen – gesprochen werden kann.
Der BF gab, befragt, ob er Grund zur Annahme hätte, dass er im Fall der Rückkehr von jemanden als IS Anhänger oder Kollaborateur bezeichnet werden oder ihm dies unterstellt werden könnte, auch an, dass es dazu keinen Grund gäbe; er sei ein ruhiger, normaler Mensch und habe auch keine Probleme mit den Behörden. Er habe den Irak nur wegen der Kriegsumstände verlassen. Auch im Hinblick auf die Frage, ob er sich vor schiitischen Milizen fürchte, gab der BF an, dass er ein friedlicher Mensch sei und sich nicht auskenne, wer gegen wen im Irak kämpfe; er habe nur die Schule besucht und sei ein ruhiger Mensch (Niederschrift der Verhandlung, S. 8). Der BF gab, befragt, ob er Grund zur Annahme hätte, dass er im Fall der Rückkehr von jemanden als IS Anhänger oder Kollaborateur bezeichnet werden oder ihm dies unterstellt werden könnte, auch an, dass es dazu keinen Grund gäbe; er sei ein ruhiger, normaler Mensch und habe auch keine Probleme mit den Behörden. Er habe den Irak nur wegen der Kriegsumstände verlassen. Auch im Hinblick auf die Frage, ob er sich vor schiitischen Milizen fürchte, gab der BF an, dass er ein friedlicher Mensch sei und sich nicht auskenne, wer gegen wen im Irak kämpfe; er habe nur die Schule besucht und sei ein ruhiger Mensch (Niederschrift der Verhandlung, Sitzung 8).
An dieser Stelle ist eine Auseinandersetzung mit der - in der Beschwerde zitierten - Position von UNHCR zur Rückkehr in den Irak vom 14.11.2016 erforderlich, zumal Empfehlungen internationaler Organisationen nach der Rechtsprechung Indizwirkung zukommt (VwGH 06.07.2011, Zl. 2008/19/0994). Diese Indizwirkung bedeutet jedoch nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht in Bindung an entsprechende Empfehlungen etwa des UNHCR Asyl zu gewähren haben. Vielmehr ist, wenn in den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat der Einschätzung des UNHCR nicht gefolgt wird, beweiswürdigend darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte von einer anderen
Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat ausgegangen wird (VwGH 13.12.2010, Zl. 2008/23/0976; 06.02.2017, Ra 2017/20/0016, zur Lage im Irak).
Demnach bleibt festzuhalten, dass die Einschätzung von UNHCR zur Lage im Irak vom 14.11.2016 auf Quellen und Ereignissen beruht, die vornehmlich in den Jahren 2014 und 2015 angesiedelt sind, sodass sich insoweit die Faktenlage mittlerweile anders darstellt. Sachverhaltsbezogen ist der BF keine Person, die aus Mosul und anderen Gebieten unter der Kontrolle des IS flieht, während die irakischen Streitkräfte und die mit ihnen verbündeten Gruppen vorrücken und Gebiete zurückerobern, sodass das diesbezügliche Kapitel (Seiten 8 ff der Position von UNHCR zur Lage im Irak vom 14.11.2016) in Ansehung des BF nicht einschlägig ist. Hinsichtlich der berichteten Übergriffe in den Gebieten, die vom IS zurückerobert wurden, ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes maßgeblich, dass es sich bei den von UNHCR als Beleg angeführten Einzelfällen von Vergeltungsmaßnahmen vornehmlich um Ereignisse des Jahres 2015 handelt und sämtliche dieser Aktionen gegen vermeintliche Unterstützer des IS – insbesondere Personen, die unter der Herrschaft des Islamischen Staates gelebt haben – gerichtet waren. Inhaftierungen betreffen ebenfalls Personen, die in ihren Häusern verhaftet wurden, als ihre Heimatorte von den irakischen Streitkräften zurückerobert und sie verdächtigt wurden, mit dem IS kollaboriert zu haben, wobei sich der Verdacht oft allein auf den Umstand stützte, dass die Betroffenen in Städten und Dörfern geblieben waren, die von den Milizen des Islamischen Staates kontrolliert wurden. Alle diese Aspekte treffen auf den BF – wie bereits erörtert – nicht zu. Eine Gruppenverfolgung sämtlicher Sunniten im Irak kann aus der Position von UNHCR zur Lage im Irak vom 14.11.2016 unter Berücksichtigung der darin genannten Quellen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht abgeleitet werden und betreffen die darin angeführten Fälle von Verbrechen gegen die Menschlichkeit in überwiegender Zahl Vorfälle, die sich im Gefolge der Kampfhandlungen zwischen den Milizen des IS und den irakischen Streitkräften und verbündeten Gruppierungen wie etwa schiitische Milizen ereigneten oder in direkten Zusammenhang mit vorangehenden Kriegsverbrechen oder Anschlägen des IS stehen. Wiewohl es sich dabei klar um Verbrechen gegen die Menschlichkeit teilweise gravierenden Ausmaßes handelt und die davon unmittelbar betroffenen Personen von UNHCR zutreffend als schutzbedürftig angesehen werden, kann aus den geschilderten Ereignissen in Zusammenhang mit den bis Ende des Jahres 2017 vorherrschenden bürgerkriegsähnlichen Zuständen in Teilen des Nordirak nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes keine generalisierende Betrachtungsweise dahingehend angelegt werden, dass auch Personen, die sich bereits vor dem Vordringen des IS in Sicherheit brachten, jedenfalls von Übergriffen aufgrund einer ihnen unterstellten Kollaboration mit dem IS betroffen wären. Zwar wird in der Position von UNHCR zur Lage im Irak vom 14.11.2016 auch von Übergriffen auf Binnenvertriebene berichtet (insbesondere Vertreibungen), jedoch nicht in der Intensität, dass von einer asylrelevanten Verfolgung gesprochen werden könne. Gravierende Übergriffe betreffen – wie vorstehend erörtert – im wesentlichen Personen, die in das Blickfeld der Streitkräfte bzw. verbündeter Gruppierungen gerieten, als ihre Heimatorte von den irakischen Streitkräften zurückerobert wurden und sie verdächtigt wurden, mit dem IS kollaboriert zu haben.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Gewalt gegen Sunniten im gesamten Irak seit den militärischen Erfolgen der Milizen des Islamischen Staates im Jahr 2014 zugenommen hat und ausweislich der getroffenen Feststellungen von Todesdrohungen angefangen bis hin zu außergerichtlichen Hinrichtungen mannigfach Fälle von Gewalt gegenüber Sunniten im Irak seit dem Jahr 2014 festgestellt werden können. In Anbetracht der Anzahl sunnitischer Binnenvertriebener bzw. sunnitischer Männer und Jugendlicher im Irak überhaupt kann das Bundesverwaltungsgericht jedoch angesichts der Häufigkeit und Intensität der bereits dokumentierten Übergriffe auf Mitglieder dieser Gruppe noch keine solche Vorfallsdichte erblicken, dass von einer über die allgemeinen Gefahren des innerstaatlichen Konflikts hinausgehenden Gruppenverfolgung sämtlicher männlicher Sunniten im Irak bzw. im Gouvernement Ninewa ausgegangen werden müsste. Ins Gewicht fällt diesbezüglich im Besonderen, dass die Position von UNHCR zur Rückkehr in den Irak vom 14.11.2016 zwar eine diesbezügliche Gefährdung von Männern sunnitischen Glaubens aus vormals vom Islamischen Staat beherrschten Gebieten hervorkehrt, bei einer näheren Analyse der angegebenen Quellen jedoch offenkundig wird, dass sich UNHCR einerseits selbst auf Darstellung von Einzelfällen bezieht und andererseits die angegeben Quellen (etwa der in Fußnote 93 zitierte Bericht von Amnesty International) wiederum – ebenso wie die Position von UNHCR zur Rückkehr in den Irak vom 14.11.2016 – ergänzend zu den vorstehenden Erwägungen zur Aktualität der herangezogenen Quellen in Ermangelung von aussagekräftigen Statistiken keine verlässlichen Rückschlüsse auf die Häufigkeit und Intensität der in den Raum gestellten Übergriffe zulassen. Eine Verfolgungsgefahr ist jedenfalls nach der Rechtsprechung nur dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069 mwN). Eine solche maßgebliche Wahrscheinlichkeit kann das Bundesverwaltungsgericht angesichts der Quellenlage, insbesondere der Position von UNHCR zur Rückkehr in den Irak vom 14.11.2016 und der darin genannten weiteren Quellen und Berichte, noch nicht erkennen. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Gewalt gegen Sunniten im gesamten Irak seit den militärischen Erfolgen der Milizen des Islamischen Staates im Jahr 2014 zugenommen hat und ausweislich der getroffenen Feststellungen von Todesdrohungen angefangen bis hin zu außergerichtlichen Hinrichtungen mannigfach Fälle von Gewalt gegenüber Sunniten im Irak seit dem Jahr 2014 festgestellt werden können. In Anbetracht der Anzahl sunnitischer Binnenvertriebener bzw. sunnitischer Männer und Jugendlicher im Irak überhaupt kann das Bundesverwaltungsgericht jedoch angesichts der Häufigkeit und Intensität der bereits dokumentierten Übergriffe auf Mitglieder dieser Gruppe noch keine solche Vorfallsdichte erblicken, dass von einer über die allgemeinen Gefahren des innerstaatlichen Konflikts hinausgehenden Gruppenverfolgung sämtl