TE Bvwg Erkenntnis 2024/6/6 W114 2264933-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.06.2024
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Entscheidungsdatum

06.06.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W114 2264933-2/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX Staatsangehörigkeit Arabische Republik Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol vom 31.01.2024, Zl. 1288104607/211626234, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.04.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 Staatsangehörigkeit Arabische Republik Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol vom 31.01.2024, Zl. 1288104607/211626234, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.04.2024 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

1.        XXXX , geboren am XXXX , im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF, ein Staatsbürger der Arabischen Republik Syrien, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet in Österreich am 29.10.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.1.        römisch 40 , geboren am römisch 40 , im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF, ein Staatsbürger der Arabischen Republik Syrien, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet in Österreich am 29.10.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       In der Erstbefragung am 30.10.2021 gab er an, syrischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und Moslem zu sein. Er sei am XXXX im nordostsyrischen Distrikt Al Malakiya in Syrien geboren. Er habe elf Jahre lang eine Schule besucht. Er habe in Syrien in Kenana gewohnt und sei zuletzt Hilfsarbeiter gewesen. Er sei ledig und kinderlos. Seine Eltern, zwei Brüder und zwei Schwestern seien in Syrien, weitere drei Brüder und eine Schwester im Irak. Ein Bruder befinde sich in Deutschland.2.       In der Erstbefragung am 30.10.2021 gab er an, syrischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und Moslem zu sein. Er sei am römisch 40 im nordostsyrischen Distrikt Al Malakiya in Syrien geboren. Er habe elf Jahre lang eine Schule besucht. Er habe in Syrien in Kenana gewohnt und sei zuletzt Hilfsarbeiter gewesen. Er sei ledig und kinderlos. Seine Eltern, zwei Brüder und zwei Schwestern seien in Syrien, weitere drei Brüder und eine Schwester im Irak. Ein Bruder befinde sich in Deutschland.

Er habe Syrien im Jahr 2013 verlassen und acht Jahre im Irak gelebt. Im Jahr 2021 habe er den Irak verlassen, und sich zwei Tage im Iran und drei Monate in der Türkei aufgehalten. Er habe Bulgarien, Rumänien und Ungarn durchquert und schließlich schlepperunterstützt Österreich erreicht.

Zu seinen Gründen, warum er Syrien verlassen habe, führte er aus, dass er in Syrien nicht zum Militär eingezogen werden wollte.

3.       Am 06.10.2022 erhob der BF eine Säumnisbeschwerde, die er mit Schreiben vom 19.06.2023 zurückzog. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) stellte mit Beschluss vom 20.06.2023, GZ W139 2264933-1/12E dieses Verfahren ein.

4.       Noch vor seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) übermittelte der Beschwerdeführer auch eine Ablichtung seines syrischen Personalausweises.

5.       In der Einvernahme vor dem BFA am 30.08.2023 bestätigte er seine Angaben aus der Erstbefragung, führte jedoch – abweichend von seinen Angaben in der Erstbefragung – aus, dass sich seine Mutter nunmehr im Irak befinde, und dass er zwölf Jahre lang in Syrien eine Schule besucht habe.

Im Jahr 2011 habe er die syrische Staatsbürgerschaft erhalten. Das syrische Regime habe bis ins Jahr 2012 die Kontrolle über seinen syrischen Herkunftsort Kenana ausgeübt. Er sei vom syrischen Regime gesucht worden, weil er sich kein Wehrbuch habe ausstellen lassen. Er sei auch von den Kurden belästigt worden. Er habe sich damals bei einem Onkel versteckt, um weder als Soldat für das syrische Militär eingezogen zu werden oder für kurdische Milizen kämpfen zu müssen. Er habe in Syrien wie in einem Gefängnis gelebt, sodass er schließlich im Jahr 2013 Syrien über die offene Grenze in den Irak verlassen habe.

6.       Mit Bescheid des BFA vom 31.01.2024, Zl. 1288104607/211626234, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.); gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Arabische Republik Syrien zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).6.       Mit Bescheid des BFA vom 31.01.2024, Zl. 1288104607/211626234, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.); gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Arabische Republik Syrien zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend wurde hinsichtlich der Nichtgewährung des Status eines Asylberechtigten im Wesentlichsten zusammenfassend in dieser Entscheidung ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien keinen Militärdienst antreten müsse und damit auch nicht verfolgt werden würde. Sein syrisches Herkunftsgebiet stünde unter kurdischer Kontrolle. Es bestünde keine maßgebliche Gefahr, in seiner Heimatregion durch die syrische Regierung zwangsrekrutiert oder wegen unterstellter oppositioneller Gesinnung verfolgt zu werden. Es bestehe für den BF als Mann, der vor dem Jahr 1998 geboren sei, auch keine Gefahr, in Syrien von den Kurden zur verpflichtenden kurdischen Selbstverteidigungspflicht eingezogen zu werden. Eine Verfolgung, insbesondere eine Verfolgung aufgrund eines sich aus der Genfer Flüchtlingskonvention ergebenden Konventionsgrundes habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen können.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 05.02.2024 durch persönliche Übernahme zugestellt.

7.       Gegen die abweisende Entscheidung hinsichtlich der Gewährung des Status eines Asylberechtigten erhob der BF, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, im Weiteren: BBU, mit Schriftsatz vom 28.02.2024 fristgerecht Beschwerde an das BVwG.

8.       Die gegenständliche Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem BVwG am 08.03.2024, mit Schreiben des BFA vom 05.03.2024, zur Entscheidung vorgelegt.

9.       Mit der Ladung zur mündlichen Beschwerdeverhandlung am 25.04.2024 zur GZ W114 2264933-2/3Z, wurde eine umfangreiche Liste von aktuellen Dokumenten, die damit in das verfahrensgegenständliche Beschwerdeverfahren eingebracht wurden, zum Parteiengehör übermittelt. In der Ladung wurde auch darauf hingewiesen, dass erforderlichenfalls diese Dokumente auch beim BVwG bezogen werden könnten. Das BFA und der vertretene BF verzichteten auf eine Zurverfügungstellung von einzelnen Dokumenten.

10.      Am 14.03.2024 veröffentlichte die Staatendokumentation – noch vor Durchführung der anberaumten mündlichen Verhandlung – mit seiner Version 10 ein neues Länderinformationsblatt (LIB) zu Syrien.

Da nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte das BVwG bereits ab dem Tag der Veröffentlichung eines neuen Länderberichtes der Staatendokumentation bei einer Entscheidung darauf Bezug zu nehmen habe, wurde dieses am 15.03.2924 zu GZ. W114 2264933-1/5Z an die Parteien des Beschwerdeverfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG zum Parteiengehör übermittelt und ersucht, allenfalls binnen einer Frist von 14 Tagen auch zu diesem Länderbericht ein allfälliges ergänzendes Vorbringen zu erstatten.Da nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte das BVwG bereits ab dem Tag der Veröffentlichung eines neuen Länderberichtes der Staatendokumentation bei einer Entscheidung darauf Bezug zu nehmen habe, wurde dieses am 15.03.2924 zu GZ. W114 2264933-1/5Z an die Parteien des Beschwerdeverfahrens gemäß Paragraph 45, Absatz 3, AVG zum Parteiengehör übermittelt und ersucht, allenfalls binnen einer Frist von 14 Tagen auch zu diesem Länderbericht ein allfälliges ergänzendes Vorbringen zu erstatten.

Innerhalb der offenen Frist langte im BVwG jedoch keine ergänzende Stellungnahme ein.

11.      Am 27.03.2024 erschien eine Version 11 des LIB zur Arabischen Republik Syrien, die sich von der Version 10 nur in einem einzigen Kapitel unterscheidet, wobei die Unterschiede nur zwei Sätze betreffen, worauf in der mündlichen Verhandlung am 25.04.2024 hingewiesen wurde.

12.      Weder das BFA noch der BF oder seine Rechtsvertretung haben vor der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 25.04.2024 zum vom BVwG ins Beschwerdeverfahren eingebrachten Länderinformationsmaterial eine Stellungnahme abgegeben.

13.      Am 25.04.2024 fand in Abwesenheit eines Vertreters des BFA im BVwG eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, bei der der Beschwerdeführer hinsichtlich der Plausibilität und Nachvollziehbarkeit seiner von ihm behaupteten Fluchtgründe und einer allenfalls daraus sich ergebenden Verfolgungsgefahr befragt wurde.

In dieser Verhandlung gestand der Beschwerdeführer ein, in Kenana nicht aktuell vom syrischen Regime verfolgt zu werden, da in seinem Herkunftsort die Kurden die Kontrolle ausüben würden. Das könnte sich jedoch künftig ändern, wovor er sich fürchten würde, weil er dann bei einem Aufenthalt in seinem Herkunftsgebiet gefährdet wäre, seinen Militärdienst beim syrischen Militär absolvieren zu müssen. Dabei wurde mit dem BF auch erörtert, dass das syrische Assad-Regime in bzw. bei Quamischli mehrere Gebiete kontrolliere.

Hinsichtlich der Verfolgungsgefahr infolge einer allfälligen Zwangsrekrutierung zur kurdischen Selbstverteidigungspflicht wurde auch - wie bereits vom BFA - vom erkennenden Gericht auf das auch in der Beschwerde angeführte kurdische Dekret Nr. 3 hingewiesen, wonach Männer, die vor dem Jahr 1998 geboren seien, keinen Wehrdienst im Rahmen der kurdischen Selbstverteidigungspflicht abzuleisten hätten und damit auch eine damit in Zusammenhang stehende Verfolgungsgefahr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bestehe. Ohne auch nur den geringsten Nachweis dafür vorzulegen bzw. darauf hinzuweisen, behauptete der BF jedoch, dass er bei einer Rückkehr in sein Heimatgebiet von den Kurden zur kurdischen Selbstverteidigungspflicht gezwungen werden würde und bei einer Weigerung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer asylrelevanten Verfolgung zu rechnen habe.

Von einer mündlichen Verkündung des Erkenntnisses wurde Abstand genommen, jedoch die mündliche Verhandlung als auch das Ermittlungsverfahren für geschlossen erklärt.

II. Daraus ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht:römisch II. Daraus ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des verfahrensgegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz des BF vom 29.10.2021, der diesbezüglichen Erstbefragung am 30.10.2021 und der Einvernahme des BF vor dem BFA am 30.08.2023, dem vom BF im Asylverfahren vorgelegten eigenen syrischen Personalausweis, der seine Identität bestätigt, des angefochtenen Bescheides des BFA vom 31.01.2024, Zl. 1288104607/211626234, der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde vom 28.02.2024, der Einsichtnahme in die Bezug habenden Verfahrensunterlagen des BFA, einer Berücksichtigung folgender Dokumente, Berichte und Anfragenbeantwortungen:

?        UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der arabischen Republik Syrien fliehen vom März 2021;

?        Accord-Anfragebeantwortung zu Syrien: Voraussetzungen für Einreise syrischer Staatsangehöriger in Gebiete unter Kontrolle der SDF/YPG in Nordostsyrien; Legale Einreise aus dem Irak bzw. der Türkei; Informationen zum Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur; Kontrolle der Grenzübergänge zwischen Nordostsyrien und der Türkei/dem Irak vom 23.05.2022;

?        Bericht des Danish Immigration Service – Country of origin information – Syria – Military recruitment in Hasakah Governorate vom Juni 2022;

?        Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien „Fragen des BVwG zur Wehrpflicht in Gebieten außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung“ vom 14.10.2022;

?        Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien „Fragen des BVwG zu Rückkehrern nach Syrien“ vom 14.10.2022;

?        Accord-Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritikerinnen ermöglichen vom 24.08.2023;

?        Anfragebeantwortung der Staatendokumentation hinsichtlich Fragen des BVwG zu Ein- und Durchreisebestimmungen für Syrer, Passieren von Grenzübergängen zu Syrien vom 24.10.2023;

?        Themenbericht der BFA-Staatendokumentation - Syrien - Situation bei Grenzübertritten nach Syrien vom 25.10.2023;

?        derzeit aktuellstes Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 27.03.2024 (aus dem COI-CMS – Version 11) (LIB);

und einer Einsichtnahme in das Strafregister des Beschwerdeführers und das Grundversorgungsregister und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der am 25.04.2024 im BVwG durchgeführten Beschwerdeverhandlung bzw. des persönlichen Eindruckes, den sich das erkennende Gericht in dieser mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer verschaffen konnte, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in Al Malakiya, einem aktuell unter kurdischer Kontrolle stehenden Distrikt im Gouvernement Al Hasaka im Nordosten Syriens im Dreiländereck Türkei – Syrien - Irak geboren. Er ist syrischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Kurdisch (Kurmandschi). Er ist ledig. Seine Mutter, drei wehrfähige bzw. wehrpflichtige Brüder und eine Schwester befinden sich aktuell im Irak, zwei weitere wehrfähige bzw. wehrpflichtige Brüder und zwei weitere Schwestern befinden sich immer noch in Syrien, ein weiterer Bruder in der Bundesrepublik Deutschland.Der Beschwerdeführer wurde am römisch 40 in Al Malakiya, einem aktuell unter kurdischer Kontrolle stehenden Distrikt im Gouvernement Al Hasaka im Nordosten Syriens im Dreiländereck Türkei – Syrien - Irak geboren. Er ist syrischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Kurdisch (Kurmandschi). Er ist ledig. Seine Mutter, drei wehrfähige bzw. wehrpflichtige Brüder und eine Schwester befinden sich aktuell im Irak, zwei weitere wehrfähige bzw. wehrpflichtige Brüder und zwei weitere Schwestern befinden sich immer noch in Syrien, ein weiterer Bruder in der Bundesrepublik Deutschland.

Der Beschwerdeführer hat in Syrien im Ort Kenana (kurdisch: Taqel Baqel) gewohnt. Dieser Ort befindet sich etwa einen Kilometer südlich des syrischen Ortes Ali Gamesh bzw. ca. 25 km südöstlich der Distriktshauptstadt Al Malakiya. Der syrische Grenzort Qamishli, in welchem das syrische Assad-Regime auch drei sogenannte Sicherheitsenklaven kontrolliert, befinden sich in einer Entfernung von ca. 100 km oder einer Wegstrecke, für die ein Pkw unter Berücksichtigung der Straßenverhältnisse in Nordostsyrien ungefähr eine Fahrtzeit von einer Stunde und 50 Minuten benötigt.

Die Sicherheitsenklaven in bzw. bei Al Hasaka, die ebenfalls vom syrischen Assad-Regime kontrolliert werden, befinden sich in einer Entfernung von ca. 180 km von Kenana. Die Fahrtzeit in einem Pkw von Kenana nach Al Hasaka beträgt ca. 2 Stunden und 45 Minuten.

In Al Malakiya befindet sich mit der Al Malakiya Clinic ein international anerkanntes Krankenhaus, welches an allen sieben Tagen in einer Woche rund um die Uhr geöffnet ist.

Für das BVwG ist kein Grund ersichtlich, warum der BF bei einer allfälligen Rückkehr nach Kenana unbedingt die in und bei Qamishli bzw. bei Al Hasaka befindlichen Sicherheitsquadrate, die vom syrischen Assad-Regime kontrolliert werden, betreten müsste. Der BF wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG auch darauf hingewiesen, dass diese Sicherheitsquadrate existieren und dass es dort möglich sein könnte, dass er als wehrpflichtiger syrischer Staatsbürger im Hinblick auf eine mögliche Rekrutierung zur syrischen Assad-Armee Schwierigkeiten bekommen könnte.

Der Grenzübergang zwischen dem Irak und Syrien Semalka/Fishkabour befindet sich in einer Entfernung von ca. 10 km von Kenana. Dieser Grenzübergang ist auch für den Personenverkehr geöffnet, wenngleich dieser Übergang zeitlich auch immer wieder geschlossen wird. Beidseits dieses Grenzüberganges befinden sich kurdische Einheiten; auf irakischer Seite kurdisch-irakische Einheiten, auf syrischer Seite kurdisch-syrische Einheiten. Der Weg vom Grenzübergang Semalka/Fishkabour nach Kenana befindet sich wie auch die Herkunftsregion des BF sowie der Ort Kenana und die Stadt Al Malakiya unter kurdischer Kontrolle.

Der Beschwerdeführer hat seinen Heimatort Kenana im Jahr 2013 verlassen und hielt sich ca. acht Jahre lang im Irak auf, ehe er im Jahr 2021 über die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Ungarn schlepperunterstützt bis nach Österreich weiterreiste, wo er am 29.10.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Ausgehend von einer Vereinbarung zwischen dem syrischen Assad-Regime und den Kurden können sich auch Soldaten des syrischen Assad-Regimes auf kurdisch kontrolliertem Gebiet in Syrien aufhalten, ohne jedoch in der Regel dort Verhaftungen von Personen, Rekrutierungen oder Zwangsrekrutierungen vorzunehmen.

Der Beschwerdeführer ist gesund, arbeitsfähig und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.2.1. Der zwischenzeitig 31jährige Beschwerdeführer hat in Syrien weder beim syrischen Assad-Militär noch bei kurdischen Milizen einen Wehrdienst abgeleistet. Er hat auch bislang keinen Einberufungsbefehl erhalten.

1.2.2. In Syrien gilt für alle Männer im Alter von 18 bis 42 Jahren eine allgemeine Wehrpflicht beim syrischen Assad-Regime.

1.2.3. Das syrische Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers mit seinem syrischen Herkunftsort Kenana befindet sich unter kurdischer Kontrolle. In einer Entfernung von ca. 100 km bzw. ca. 180 befinden sich in bzw. bei Qamischli bzw. Al Hasaka Sicherheitsquadrate, die vom syrischen Assad-Regime kontrolliert werden, und auf deren Existenz der BF in der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG hingewiesen wurde. Diese sind somit dem BF bekannt.

Das syrische Assad-Regime bzw. das syrische Assad-Militär sind in der Regel im von kurdischen Milizen kontrolliertem Gebiet nicht in der Lage, dort wehrpflichtige Syrer zwangsweise zu rekrutieren. Das syrische Assad-Regime bzw. das syrische Assad-Militär würden daher aktuell, bzw. auch im Rahmen einer anzustellenden Prognoseentscheidung, den Beschwerdeführer dort auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgen, um ihn in seinem syrischen Herkunftsgebiet zwangsweise zu rekrutieren. Der Beschwerdeführer selbst hat auch dargelegt, dass er aktuell in seinem Herkunftsgebiet nicht vom syrischen Regime bedroht oder verfolgt werden würde.

1.2.4. Im von kurdischen Milizen kontrollierten Gebiet Nord- bzw. Nordostsyriens, in dem sich auch das Herkunftsgebiet mit dem Herkunftsort Kenana des Beschwerdeführers befindet, unterliegen aktuell alle Männer im Alter von 18 bis 24 einer kurdischen Wehrpflicht, die von den Kurden selbst als Selbstverteidigungspflicht bezeichnet wird. Angesichts seines Alters unterliegt der 31jährige Beschwerdeführer damit nicht der im kurdisch kontrollierten Teil Syriens geltenden kurdischen Selbstverteidigungspflicht. Auch die Kurden würden den BF bei einer allfälligen Rückkehr in sein syrisches Herkunftsgebiet damit nicht im Zusammenhang mit der geltenden Selbstverteidigungspflicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgen. Auch in der eigenen Beschwerde weist der Beschwerdeführer auf Seite 9 unter Hinweis auf das kurdische Dekret Nr. 3 auf diesen Umstand hin und schließt damit selbst eine Verfolgung aufgrund der nicht bestehenden Verpflichtung die kurdische Selbstverteidigungspflicht ableisten zu müssen, aus.

1.2.5. Dem BF droht in Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung auf Grund seiner ethnischen der religiösen Zugehörigkeit, wegen seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung.

1.2.6. Der Beschwerdeführer kann seinen syrischen Herkunftsort erreichen, ohne ein Gebiet durchqueren zu müssen, welches unter Kontrolle des syrischen Regimes steht. Er könnte entweder gänzlich über den Landweg von Österreich aus oder auch auf dem Luftweg und dann weiter auf dem Landweg seinen syrischen Herkunftsort Kenana erreichen, ohne dabei der Gefahr ausgesetzt zu sein, vom syrischen Assad-Regime oder dem syrischen Assad-Militär zwangsweise rekrutiert zu werden. Eine Einreise nach Syrien ist für den Beschwerdeführer sowohl über immer wieder auch für Personenübertritte geöffnete Grenzübergänge zwischen der Türkei und Syrien als auch über den geöffneten Grenzübergang Semalka/Fishkabour zwischen Kurdisch-Irak und Syrien, die nicht vom syrischen Assad-Regime kontrolliert werden, möglich. Eine Weiterreise in sein syrisches Herkunftsgebiet würde auf dem Straßennetz auf syrischem Gebiet erfolgen, das nicht vom syrischen Assad-Regime kontrolliert wird, und wo nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass das syrische Regime bzw. das syrische Militär dort Zwangsrekrutierungen vornehmen.

1.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 27.03.2024:

„[…]

Politische Lage:

Letzte Änderung 2024-03-08 10:59

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba’ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018).

Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.08.2016).

Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.05.2022).

Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.03.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 02.02.2024).

Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.08.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 02.02.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 09.03.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 02.02.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.03.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.01.2023).

Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 02.02.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.03.2023; vgl. AA 29.03.2023).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 02.02.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.03.2023; vergleiche AA 29.03.2023).

Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 02.02.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.05.2023; vgl. IPS 20.05.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.01.2024).Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 02.02.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.05.2023; vergleiche IPS 20.05.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.01.2024).

Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 02.02.2024). Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.03.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 06.06.2023; vgl. SOHR 07.05.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.05.2023; vgl. Wilson 06.06.2023, SOHR 07.05.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.05.2023). Am 03.07.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 02.02.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 02.02.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 02.02.2024). Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.03.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 06.06.2023; vergleiche SOHR 07.05.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.05.2023; vergleiche Wilson 06.06.2023, SOHR 07.05.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.05.2023). Am 03.07.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 02.02.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 02.02.2024).

Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 07.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 02.02.2024).

Syrische Arabische Republik:

Letzte Änderung 2024-03-08 11:06

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.01.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 02.05.2023).

Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba’athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 04.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 09.03.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.05.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten.

Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 09.03.2023).

Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba’ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba’ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.03.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 09.03.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.03.2023).

[…]

Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 02.02.2024).

Institutionen und Wahlen:

Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba’ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn „absolute Notwendigkeit“ dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.03.2023).Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba’ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn „absolute Notwendigkeit“ dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.03.2023).

Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein „ehrenrühriges“ Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.03.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.05.2021; vgl. Reuters 28.05.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als „weder frei noch fair“ und als „betrügerisch“, und die Opposition nannte sie eine „Farce“ (Standard 28.05.2021).Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Artikel 85, vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein „ehrenrühriges“ Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.03.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.05.2021; vergleiche Reuters 28.05.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als „weder frei noch fair“ und als „betrügerisch“, und die Opposition nannte sie eine „Farce“ (Standard 28.05.2021).

Das Parlament hat nicht viel Macht. Dekrete werden meist von Ministern und Ministerinnen vorgelegt, um ohne Änderungen vom Parlament genehmigt zu werden. Sitze im Parlament oder im Kabinett dienen nicht dazu, einzelne Machtgruppen in die Entscheidungsfindung einzubinden, sondern dazu, sie durch die Vorteile, die ihnen ihre Positionen verschaffen, zu kooptieren (BS 23.02.2022). Im Juli 2020 fanden die Wahlen für das „Volksrat“ genannte syrische Parlament mit 250 Sitzen statt, allerdings nur in Gebieten, in denen das Regime präsent ist. Auch diese Wahlen wurden durch die weitverbreitete Vertreibung der Bevölkerung beeinträchtigt. Bei den Wahlen gab es keinen nennenswerten Wettbewerb, da die im Exil lebenden Oppositionsgruppen nicht teilnahmen und die Behörden keine unabhängigen politischen Aktivitäten in dem von Ihnen kontrollierten Gebiet dulden. Die regierende Ba’ath-Partei und ihre Koalition der Nationalen Progressiven Front erhielten 183 Sitze. Die restlichen 67 Sitze gingen an unabhängige Kandidaten, die jedoch alle als regierungstreu galten (FH 09.03.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 33,7 Prozent (BS 23.02.2022). Es gab Vorwürfe des Betrugs, der Wahlfälschung und der politischen Einflussnahme. Kandidaten wurden in letzter Minute von den Wahllisten gestrichen und durch vom Regime bevorzugte Kandidaten ersetzt, darunter Kriegsprofiteure, Warlords und Schmuggler, welche das Regime im Zuge des Konflikts unterstützten (WP 22.07.2020).

Der Wahlprozess soll so strukturiert sein, dass eine Manipulation des Regimes möglich ist. Syrische Bürger können überall innerhalb der vom Regime kontrollierten Gebiete wählen, und es gibt keine Liste der registrierten Wähler in den Wahllokalen und somit keinen Mechanismus zur Überprüfung, ob Personen an verschiedenen Wahllokalen mehrfach gewählt haben. Aufgrund der Vorschriften bei Reihungen auf Wahllisten sind alternative Kandidaten standardmäßig nur ein Zusatz zu den Kandidaten der Ba’ath-Partei (MEI 24.07.2020). Die vom Regime und den Nachrichtendiensten vorgenommene Reihung auf der Liste ist damit wichtiger als die Unterstützung durch die Bevölkerung oder Stimmen. Wahlen in Syr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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