TE Bvwg Erkenntnis 2024/6/7 W147 2280683-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.06.2024
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Entscheidungsdatum

07.06.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W147 2280683-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, alias XXXX , geb. XXXX , vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02. Oktober 2023, Zl. 1355205010/231069402, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21. Februar 2024 zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, alias römisch 40 , geb. römisch 40 , vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02. Oktober 2023, Zl. 1355205010/231069402, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21. Februar 2024 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, iVm § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016, als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 33 aus 2013, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 138 aus 2017,, in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 24 aus 2016,, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG, Bundesgesetzblatt Nr. 1 aus 1930, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 22 aus 2018,, nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

?        I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 02. Juni 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Zuge der am 03. Juni 2023 stattgefundenen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer als Grund für das Verlassen seines Herkunftsstaates an, es herrsche in Syrien Krieg, er wolle in Österreich arbeiten und nicht kämpfen oder töten. Bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat befürchte er Armut und Krieg.

2. Am 18. September 2023 wurde der Beschwerdeführer im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die arabische Sprache vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und gab eingangs an, sowohl physisch als auch psychisch zu einer Einvernahme in der Lage zu sein. Der Beschwerdeführer legte einen syrischen Personalausweis im Original sowie eine deutsche Übersetzungskopie dessen vor und gab an, dass sein Name und Geburtsdatum im Rahmen der Erstbefragung falsch transkribiert worden seien.

Befragt nannte der Beschwerdeführer seine Personaldaten, er sei in XXXX geboren, sei syrischer Staatsangehöriger und gehöre der arabischen Volksgruppe sowie der sunnitischen Glaubensrichtung an. Befragt nannte der Beschwerdeführer seine Personaldaten, er sei in römisch 40 geboren, sei syrischer Staatsangehöriger und gehöre der arabischen Volksgruppe sowie der sunnitischen Glaubensrichtung an.

Auf die Frage, weshalb der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung unterschiedliche Angaben zu seiner Identität getätigt habe, die ihm auch rückübersetzt worden seien und die er mit seiner Unterschrift bestätigt habe, gab er an, versucht zu haben, seinen Namen zu verbessern, dies sei jedoch nicht gegangen. Er habe keine plausible Erklärung dafür, dass er ein falsches Geburtsdatum angegeben habe.

Der Beschwerdeführer habe keinen Pflichtschulabschluss, könne jedoch arabisch lesen und schreiben. Ab dem Alter von 13 Jahren habe er ungefähr eineinhalb Jahre in der Landwirtschaft als Schäfer gearbeitet. Im Jahr 2020 habe er Syrien verlassen und sei in die Türkei eingereist. Dort sei er aufenthaltsberechtigt gewesen und habe in einer Firma gearbeitet.

Der Beschwerdeführer sei noch nicht verheiratet, aber verlobt. Seine Verlobte lebe nach wie vor in XXXX . Der Beschwerdeführer sei noch nicht verheiratet, aber verlobt. Seine Verlobte lebe nach wie vor in römisch 40 .

Befragt gab der Beschwerdeführer an, seine Familie habe keine Probleme mit den syrischen Behörden oder anderen politischen bzw. militärischen Akteuren in Syrien. Er sei in XXXX in der Region XXXX aufgewachsen, seine Heimatregion werde derzeit vom Assad-Regime kontrolliert.Befragt gab der Beschwerdeführer an, seine Familie habe keine Probleme mit den syrischen Behörden oder anderen politischen bzw. militärischen Akteuren in Syrien. Er sei in römisch 40 in der Region römisch 40 aufgewachsen, seine Heimatregion werde derzeit vom Assad-Regime kontrolliert.

Befragt führte der Beschwerdeführer aus, er habe XXXX mit 15 Jahren verlassen und sei nach XXXX gereist und dort für ein Jahr bei Verwandten untergekommen, um anschließend in die Türkei weiterzureisen. Der Beschwerdeführer habe XXXX verlassen, da es dort zu Kämpfen zwischen unterschiedlichen Milizen gekommen sei, diese hätten auch Männer rekrutiert. Befragt führte der Beschwerdeführer aus, er habe römisch 40 mit 15 Jahren verlassen und sei nach römisch 40 gereist und dort für ein Jahr bei Verwandten untergekommen, um anschließend in die Türkei weiterzureisen. Der Beschwerdeführer habe römisch 40 verlassen, da es dort zu Kämpfen zwischen unterschiedlichen Milizen gekommen sei, diese hätten auch Männer rekrutiert.

Befragt gab der Beschwerdeführer an, nie persönlich rekrutiert worden zu sein. Auf dem Weg zur Grenze zur Türkei habe er Checkpoints, die von türkischen Kräften kontrolliert gewesen seien, wahrgenommen, sei selbst jedoch nicht kontrolliert oder aufgehalten worden.

Aufgefordert, die Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates zu schildern, gab der Beschwerdeführer an, Syrien wegen des Krieges und der allgemeinen Lage verlassen zu haben. Die Lage sei zu gefährlich, er wolle nicht kämpfen und fürchte, vom Assad-Regime oder den Milizen in XXXX oder XXXX rekrutiert zu werden. Aufgefordert, die Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates zu schildern, gab der Beschwerdeführer an, Syrien wegen des Krieges und der allgemeinen Lage verlassen zu haben. Die Lage sei zu gefährlich, er wolle nicht kämpfen und fürchte, vom Assad-Regime oder den Milizen in römisch 40 oder römisch 40 rekrutiert zu werden.

Der Beschwerdeführer besitze kein Militärdienstbuch, seine Familie habe auch keinen Einberufungsbefehl erhalten.

Auf die Frage, weshalb der Beschwerdeführer von der Möglichkeit eines Freikaufs vom Militärdienst keinen Gebrauch gemacht habe, gab dieser an, dafür kein Geld gehabt zu haben. Nachgefragt, ob er einen Freikauf erwägen würde, wenn er das Geld dafür hätte, führte der Beschwerdeführer aus, dass er dies trotzdem nicht getan hätte, da das Leben in Syrien schwer sei. Das Geld für die Reise nach Österreich habe er sich von Verwandten geborgt und in der Türkei dafür gearbeitet.

Auf die Frage, ob er noch weitere Fluchtgründe hätte, nannte der Beschwerdeführer Armut und Bildung, das Leben in Syrien sei allgemein schwer.

Befragt, ob der Beschwerdeführer jemals persönlich seitens syrischer Behörden oder nicht staatlicher Akteure bedroht oder verfolgt worden sei, erklärte er, dass ihn nichtstaatliche Akteure aufgefordert hätten zu kämpfen, dies habe er jedoch verweigert. Dies habe keine Konsequenzen nach sich gezogen.

Der Beschwerdeführer habe sich in Syrien nie politisch betätigt, werde weder vom syrischen Militär, noch von anderen Akteuren gesucht, er habe keine Kontakte zur politischen Opposition gepflegt, es bestehe auch kein Haftbefehl gegen ihn.

Im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat drohe dem Beschwerdeführer entweder vom Assad-Regime oder von anderen Kriegsparteien rekrutiert zu werden, es herrsche Krieg und gebe nach wie vor Konflikte.

3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). 3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (AsylG 2005) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer drohe keine asylrelevante Verfolgung als Wehrdienstverweigerer oder aufgrund seiner Ausreise und dem Asylantrag.

Der Beschwerdeführer habe den Militärdienst für die Streitkräfte des syrischen Staates bislang nicht abgeleistet und habe kein Militärbuch und keinen Einberufungsbefehl erhalten. Dem Beschwerdeführer werde aufgrund der Wehrdienstverweigerung vonseiten des Assad-Regimes keine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Auch sei der Beschwerdeführer nie vonseiten der Opposition oder den kurdischen Streitkräften aufgefordert worden, einen Wehrdienst abzuleisten.

Dass der Beschwerdeführer nicht kämpfen und keine Menschen töten möchte, sei eine Selbstverständlichkeit, die auf die meisten Menschen zutreffe, ohne dass dem eine religiöse oder politische Überzeugung zugrunde liegen muss. Ein Zusammenhang mit einem der Verfolgungsgründe der Genfer Flüchtlingskonvention lasse sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht entnehmen.

Für die Annahme, dass das syrische Regime den Fall einer einfachen Wehrdienstentziehung nicht als oppositionellen Akt ansehe, spreche die bestehende Möglichkeit, sich vom Wehrdienst freizukaufen sowie die erlassenen Amnestien.

4. Mit Verfahrensanordnung vom 02. Oktober 2023 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH – BBU – als Rechtsberaterin amtswegig zur Seite gestellt.

5. Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2023 wurde fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch genannten Bescheides erhoben und dieser wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen und mangelhafter Beweiswürdigung angefochten. 5. Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2023 wurde fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des im Spruch genannten Bescheides erhoben und dieser wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen und mangelhafter Beweiswürdigung angefochten.

Der Beschwerdeführer befinde sich im wehrfähigen Alter, habe den Militärdienst noch nicht abgeleistet und sei gesund. Er befürchte die Einberufung zum Wehrdienst durch die syrische Armee und befürchte darüber hinaus eine Rekrutierung durch oppositionelle Gruppierungen und der damit in Zusammenhang stehenden Gefahr, an schweren Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit teilnehmen zu müssen. Der Beschwerde sei vonseiten der Behörde nicht näher zu seiner politischen Einstellung und seinen Gründen für die Wehrdienstverweigerung befragt worden.

Er verweigere die Ableistung des Wehrdienstes und die Teilnahme an sonstigen Kampfhandlungen aus politischen sowie aus Gewissensgründen. Müsste der Beschwerdeführer in seine Heimat zurückkehren, wäre er der gegenwärtigen Gefahr der Verfolgung vor allem durch das syrische Regime wegen seiner Weigerung, den Militärdienst zu leisten, ausgesetzt. Daneben fürchte der Beschwerdeführer auch die Rekrutierung durch iranische Milizen im seinem Herkunftsort XXXX . Auch sei er in XXXX in einen SDF Checkpoint geraten und habe in der Folge befürchtet, durch die SDF zwangsrekrutiert zu werden.Er verweigere die Ableistung des Wehrdienstes und die Teilnahme an sonstigen Kampfhandlungen aus politischen sowie aus Gewissensgründen. Müsste der Beschwerdeführer in seine Heimat zurückkehren, wäre er der gegenwärtigen Gefahr der Verfolgung vor allem durch das syrische Regime wegen seiner Weigerung, den Militärdienst zu leisten, ausgesetzt. Daneben fürchte der Beschwerdeführer auch die Rekrutierung durch iranische Milizen im seinem Herkunftsort römisch 40 . Auch sei er in römisch 40 in einen SDF Checkpoint geraten und habe in der Folge befürchtet, durch die SDF zwangsrekrutiert zu werden.

Darüber hinaus sei dem Bruder des Beschwerdeführers aufgrund einer drohenden Zwangsrekrutierung die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei, zwei weitere Brüder seien nach Ras al-Ain geflohen, um einer Rekrutierung durch das Regime zu entgehen. In Zusammenschau mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer illegal aus Syrien ausgereist sei und im Ausland einen Asylantrag gestellt habe, sei davon auszugehen, dass ihm vonseiten des Regimes eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde.

6. Die Beschwerdevorlage der belangten Behörde langte am 30. Oktober 2023 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Am 21. Februar 2024 fand im Beisein einer Dolmetscherin für die arabische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschwerdeführer neuerlich zu seinen maßgeblichen Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde war in Vorfeld ordnungsgemäß geladen worden, hatte jedoch schriftlich mitgeteilt, dass aus terminlichen Gründen kein Vertreter entsandt werde.

8. Am 05. März 2024 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, in welcher er sich den Umständen des syrischen Militärdienstes äußerte und welcher ein syrisches Familienbuch mitsamt einer deutschen Übersetzung beigeschlossen war.

?        II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

?        1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, der arabischen Volksgruppe und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig und spricht Arabisch auf muttersprachlichem Niveau.

Der Beschwerdeführer ist in XXXX im syrischen Gouvernement XXXX geboren und aufgewachsen. Dort besuchte er die Schule, die er ohne einen Pflichtschulabschluss beendete und arbeitete ab dem Alter von dreizehn Jahren etwa eineinhalb Jahre als Schäfer. Im Alter von 15 Jahren verließ der Beschwerdeführer XXXX und lebte bis zu seiner Ausreise aus Syrien in die Türkei im Jahr 2020 drei Monate bei Verwandten in XXXX . Der Beschwerdeführer ist in römisch 40 im syrischen Gouvernement römisch 40 geboren und aufgewachsen. Dort besuchte er die Schule, die er ohne einen Pflichtschulabschluss beendete und arbeitete ab dem Alter von dreizehn Jahren etwa eineinhalb Jahre als Schäfer. Im Alter von 15 Jahren verließ der Beschwerdeführer römisch 40 und lebte bis zu seiner Ausreise aus Syrien in die Türkei im Jahr 2020 drei Monate bei Verwandten in römisch 40 .

XXXX steht zum Entscheidungszeitpunkt unter der Kontrolle des syrischen Regimes. römisch 40 steht zum Entscheidungszeitpunkt unter der Kontrolle des syrischen Regimes.

Der Beschwerdeführer ist ledig. Die Eltern und einige Geschwister des Beschwerdeführers leben nach wie vor in XXXX . Ein Bruder des Beschwerdeführers befindet sich in Österreich, diesem wurde der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Der Beschwerdeführer ist ledig. Die Eltern und einige Geschwister des Beschwerdeführers leben nach wie vor in römisch 40 . Ein Bruder des Beschwerdeführers befindet sich in Österreich, diesem wurde der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Der Beschwerdeführer ist zum Entscheidungszeitpunkt XXXX Jahre alt und hat seinen regulären Wehrdienst in Syrien noch nicht abgeleistet.Der Beschwerdeführer ist zum Entscheidungszeitpunkt römisch 40 Jahre alt und hat seinen regulären Wehrdienst in Syrien noch nicht abgeleistet.

Der Beschwerdeführer hat vonseiten des syrischen Militärs keinen Einberufungsbefehl erhalten und war keinen persönlichen Zwangsrekrutierungsversuchen anderer militärischer Akteure ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer bringt vor, den Wehrdienst abzulehnen, weil er nicht zum Wehrdienst gezwungen werden will. Darüber hinaus will er keine Waffen tragen und keine Landsleute oder sonstige Personen töten. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer eine verinnerlichte oppositionelle, gegnerische Haltung der syrischen Regierung gegenüber einnimmt oder den Wehrdienst aus einer tief empfundenen Überzeugung gegen Dienst an der Waffe ablehnt.

Der Beschwerdeführer wird in Syrien aktuell nicht wegen der Teilnahme an Demonstrationen gegen das syrische Regime gesucht.

1.2. Im Verfahren wurden folgende Quellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers herangezogen:

•        Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11 vom 27.03.2024 (LIB)

•        UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Fassung, März 2021

•        EUAA Country Guidance Syria, April 2024

1.2.1. Auszüge aus den Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11 vom 27.03.2024:

Sicherheitsbehörden und regierungstreue Milizen

Letzte Änderung 2024-03-08 19:55

Der Präsident stützt seine Herrschaft auf die Loyalität der Streitkräfte sowie die militärischen und zivilen Geheimdienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen (AA 29.3.2023). Die Regierung hat die effektive Kontrolle über die uniformierten Polizei-, Militär- und Staatssicherheitskräfte, und setzt diese zur Ausübung von Menschenrechtsverletzungen ein. Sie hat jedoch nur beschränkten Einfluss auf ausländische militärische oder paramilitärische Einheiten, z. B. russische Streitkräfte, die mit dem Iran verbündete Hizbollah und die iranischen Islamischen Revolutionsgarden, deren Mitglieder ebenfalls zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begingen (USDOS 20.3.2023).

Straflosigkeit unter den Sicherheitsbehörden bleibt ein weitverbreitetes Problem bei Sicherheitskräften, NachrichtendienstmitarbeiterInnen und auch sonst innerhalb des Regimes. In der Praxis sind keine Fälle von Strafverfolgung oder Verurteilung von Polizei- und Sicherheitskräften hinsichtlich Misshandlungen bekannt. Es gibt auch keine Berichte von Maßnahmen der Regierung, um die Einhaltung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu verbessern (USDOS 20.3.2023), wenngleich im März 2022 ein neues Gesetz gegen Folter verabschiedet wurde (HRW 11.1.2024). Verschiedene Teile des Sicherheitsapparats wie die Streitkräfte sind de facto weiterhin von Strafverfolgung ausgenommen - ebenso wie Gefängnisse, wo Zehntausende gefoltert wurden und werden (OSS 18.1.2023), was durch Dekrete gedeckt ist, (OSS 1.10.2017), während die Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen kriminalisiert wird (USDOS 20.3.2023). Die Nachrichtendienste haben ihre traditionell starke Rolle verteidigt oder sogar weiter ausgebaut (AA 29.3.2023) und greifen in die Unabhängigkeit des Justizwesens ein, indem sie RichterInnen und AnwältInnen einschüchtern (USDOS 20.3.2023). Durch die Entwicklungen der letzten Jahre sind die Schutzmöglichkeiten des Individuums vor staatlicher Gewalt und Willkür – welche immer schon begrenzt waren – weiterhin deutlich verringert worden (AA 29.3.2023).

Es ist schwierig, Informationen über die Aktivitäten von spezifischen Regierungs- oder regierungstreuen Einheiten zu spezifischen Zeiten oder an spezifischen Orten zu finden, weil die Einheiten seit dem Beginn des Bürgerkrieges oft zu Einsätzen organisiert („task-organized“), bzw. aufgeteilt oder für spezielle Einsätze mit anderen Einheiten zusammengelegt werden. Berichte sprechen oft von einer speziellen Militäreinheit an einem bestimmten Einsatzort (z. B. einer Brigade), wobei die genannte Einheit aus Teilen mehrerer verschiedener Einheiten nur für diesen speziellen Einsatz oder eine gewisse Zeit zusammengestellt wurde (Kozak 28.12.2017).

Trotz grob abgesteckter Einflussgebiete überschneiden sich die Gebiete der Sicherheitsorgane und ihrer Milizen, und es herrscht Konkurrenz um Checkpoints und Handelsrouten, wo sie von passierenden ZivilistInnen und Geschäftsleuten Geld einnehmen, sowie um Gebiete, welche Rekrutierungspools von ehemaligen Oppositionskämpfern darstellen. Die Spannungen zwischen Offizieren, Soldaten, Milizionären und lokaler Polizei eskalieren in Verhaftungen niederrangiger Personen, Angriffen und Zusammenstößen sowie Anschuldigungen zufolge in Ermordungen der von der Konkurrenz angeworbenen "versöhnten" ehemaligen Oppositionskämpfer (TWP 30.7.2019). So ist z. B. Aleppo Stadt Schauplatz fallweiser Zusammenstöße zwischen Regierungsmilizen untereinander und mit Regierungssoldaten (ICG 9.5.2022).

Quellen

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2089904/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_%28Stand_M%C3%A4rz_2023%29%2C_29.03.2023.pdf, Zugriff 9.5.2023 [Login erforderlich];

?        HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103131.html, Zugriff 22.1.2024;

?        ICG - International Crisis Group (9.5.2022): Syria: Ruling over Aleppo’s Ruins, Middle East Report N°234, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/east-mediterranean-mena/syria/syria-ruling-over-aleppos-ruins, Zugriff 14.2.2023;

?        Kozak - Kozak, Christopher (28.12.2017): Auskunft, per E-Mail, Zugriff 14.2.2023;

?        OSS - Omran Center for Strategic Studies (18.1.2023): The Syrian Regime Signals Legal and Military Shifts to the World, https://omranstudies.org/index.php/publications/papers/the-syrian-regime-signals-legal-and-military-shifts-to-the-world.html, Zugriff 13.2.2023;

?        OSS - Omran Center for Strategic Studies (1.10.2017): Changing the Security Sector in Syria, https://omranstudies.org/publications/papers/book-changing-the-security-sector-in-syria.html, Zugriff 13.2.2023;

?        USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089061.html, Zugriff 9.5.2023;

?        The Washington Post (30.7.2019): Assad’s control over Syria’s security apparatus is limited, https://www.washingtonpost.com/politics/2019/07/30/assads-control-over-syrias-security-apparatus-is-limited/, Zugriff 14.2.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich];

Streitkräfte

Letzte Änderung 2023-07-17 16:14

Die syrischen Streitkräfte bestehen aus dem Heer, der Marine, der Luftwaffe, den Luftabwehrkräften und den National Defense Forces (NDF, regierungstreue Milizen und Hilfstruppen). Aktuelle Daten zur Anzahl der Soldaten in der syrischen Armee existieren nicht. Vor dem Konflikt soll die aktive Truppenstärke geschätzt 300.000 Personen umfasst haben (CIA 7.2.2023). Zu Jahresbeginn 2013 war etwa ein Viertel bis ein Drittel aller Soldaten, Reservisten und Wehrpflichtigen desertiert, bzw. zur Opposition übergelaufen (zwischen 60.000-100.000 Mann). Weitere rund 50.000 Soldaten fielen durch Verwundung, Invalidität, Haft oder Tod aus. Letztlich konnte das Regime 2014 nur mehr auf rd. 70.000 bis 100.000 loyale und mittlerweile auch kampferprobte Soldaten zurückgreifen (BMLV 12.10.2022). 2014 begann die syrische Armee mit Reorganisationsmaßnahmen (MEI 18.7.2019), und seit 2016 werden irreguläre Milizen in die regulären Streitkräfte integriert, in einem Ausmaß, das je nach Quelle unterschiedlich eingeschätzt wird (CMEC 12.12.2018; Üngör 15.12.2021; Voller 9.5.2022). Mit Stand Dezember 2022 werden die regulären syrischen Streitkräfte immer noch von regierungsfreundlichen, proiranischen Milizen unterstützt, deren Truppenstärke in die Zehntausende gehen dürfte (CIA 7.2.2023). Das Offizierskorps gilt in den Worten von Kheder Khaddour als kleptokratisch, die die Armee als Institution ausgehöhlt. Den Offizieren bleibt nichts übrig, als sich an den Regimenetzwerken zu beteiligen und mit Korruption ihre niedrigen Gehälter aufzubessern. Die Praxis der Bestechung der Offiziere durch Rekruten gegen ein Decken ihrer Abwesenheit vom Dienst durch Offiziere ist so verbreitet, dass sie im Sprachgebrauch als tafyeesh oder feesh (Bezeichnung für den Personalakt, der bei einem Offizier aufliegt) bezeichnet wird. Auch der Einsatz von Rekruten für private Arbeiten für die Offiziere und deren Familien kommt vor - ebenso wie die Annahme von Geschenken oder lokalen Lebensmittelspezialitäten (CMEC 14.3.2016). Die Höhe der Geldsummen für Tafyeesh [Anm.: im Artikel auf eingezogene Reservisten und Soldaten bezogen] variieren zwar nach Einheit und Offizier, aber aufgrund der Verschlechterung der Lebensbedingungen und der zunehmenden geheimdienstlichen Kontrolle über die Militäreinheiten stiegen die verlangten Preise für Tafyeesh seit Anfang 2023, was diejenigen, welche sich dies nicht mehr leisten konnte, dazu veranlasste, zu ihren Einheiten zurückzukehren. Der Hintergrund für die monetäre Abgeltung für das Decken der abwesenden Soldaten durch ihre Offiziere ist, dass die Militärs mindestens zweimal so viel Geld benötigen, als die Löhne im öffentlichen Dienst ausmachen, um den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien abzudecken. Das führt dazu, dass Männer im Reserve- oder Militärdienst (retention service) mit unbestimmter Dauer auf Tafyeesh zurückgreifen. Einem Präsidialdekret von Ende Dezember 2022 zufolge verdient z.B. ein Oberleutnant regulär umgerechnet 17 US-Dollar monatlich und ein Brigadegeneral 43,5 US-Dollar pro Monat, während SoldatInnen entsprechend weniger verdienen als die Offiziersränge (Enab 7.2.2023). Aufgrund der Stationierung (Hauptquartier u.a.) von Divisionen in bestimmten Gebieten im Rahmen des Quta'a-Systems [arab. Sektor, Landstück] verfügen die Divisionskommandanten über viel Freiraum in ihrer Befehlsgewalt wie auch für persönliche Vorteile. Diese Strukturierung kann von Bashar als-Assad auch genutzt werden, den Einfluss einzelner Divisionskommandeure einzuschränken, indem er sie gegeneinander ausspielt, um so das System auch zur Prävention von Militärputschen zu nutzen (CMEC 14.3.2016).

Die syrische Armee war der zentrale Faktor für das Überleben des Regimes während des Bürgerkriegs. Im Laufe des Krieges hat ihre Kampffähigkeit jedoch deutlich abgenommen (CMEC 26.3.2020a) und mit Stand September 2022 war die syrische Armee in jeglicher Hinsicht grundsätzlich auf die Unterstützung Russlands, Irans bzw. sympathisierender, vornehmlich schiitischer Milizen angewiesen – d. h. ein eigenständiges Handeln, Durchführung von Militäroperationen usw. durch Syrien sind nicht oder nur in äußerst eingeschränktem Rahmen möglich (BMLV 12.10.2022).

Das syrische Regime und damit auch die militärische Führung unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und 'rein militärischen Zielen' (BMLV 12.10.2022). Nach Experteneinschätzung trägt jeder, der in der syrischen Armee oder Luftwaffe dient, per defintionem zu Kriegsverbrechen bei, denn das Regime hat in keiner Weise gezeigt, dass es das Kriegsrecht oder das humanitäre Recht achtet. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass eine Person in eine Einheit eingezogen wird, auch wenn sie das nicht will, und somit in einen Krieg, in dem die Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kämpfern nicht wirklich ernst genommen wird (Üngör 15.12.2021). Soldaten können in Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen verwickelt sein, weil das Militär in Syrien auf persönlichen Vertrauensbeziehungen, manchmal auch auf familiären Netzwerken innerhalb des Militärs beruht. Diejenigen, die Verbrechen begehen, handeln innerhalb eines vertrauten Netzwerks von Soldaten, Offizieren, Personen mit Verträgen mit der Armee und Zivilisten, die mit ihnen als nationale Verteidigungskräfte oder lokale Gruppen zusammenarbeiten (Khaddour, Kheder 24.12.2021).

Quellen

?        BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (12.10.2022): Antwortschreiben Version 2 (Stand 16.9.2022) [im Archiv aufliegend], Zugriff 10.2.2023;

?        CIA - Central Intelligence Agency [USA] (7.2.2023): The World Factbook: Syria – Military and Security, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/syria/#military-and-security, Zugriff 10.2.2023;

?        CMEC - Carnegie Middle East Center (26.3.2020a): Russia and Syrian Military Reform: Challenges and Opportunities, https://carnegie-mec.org/2020/03/26/russia-and-syrian-military-reform-challenges-and-opportunities-pub-81154, Zugriff 13.2.2023;

?        CMEC - Carnegie Middle East Center (12.12.2018): Reintegrating Syrian Militias: Mechanisms, Actors, and Shortfalls, https://carnegie-mec.org/2018/12/12/reintegrating-syrian-militias-mechanisms-actors-and-shortfalls-pub-77932, Zugriff 10.2.2023;

?        CMEC - Carnegie Middle East Center (14.3.2016): Strength in Weakness: The Syrian Army’s Accidental Resilience, http://carnegie-mec.org/2016/03/14/strength-in-weakness-syrian-army-s-accidental-resilience-pub-62968, Zugriff 9.2.2023;

?        Enab - Enab Baladi (7.2.2023): Army soldiers pay to evade service; Officers demand skyrocket “tariff”, https://english.enabbaladi.net/archives/2023/02/army-soldiers-pay-to-evade-service-officers-demand-skyrocket-tariff/, Zugriff 10.2.2023;?        Enab - Enab Baladi (7.2.2023): Army soldiers pay to evade service; Officers demand skyrocket “tariff”, https://english.enabbaladi.net/archives/2023/02/army-soldiers-pay-to-evade-service-officers-demand-skyrocket-tariff/, Zugriff 10.2.2023;

?        Khaddour, Kheder - Khaddour, Kheder - Gastwissenschaftler beim Malcolm H. Kerr Carnegie Middle East Center (24.12.2021): Interview, per Videotelefonie [liegt im Archiv der Staatendokumentation auf];

?        MEI - Middle East Institute (18.7.2019): The Lion and The Eagle: The Syrian Arab Army’s Destruction and Rebirth, https://www.mei.edu/publications/lion-and-eagle-syrian-arab-armys-destruction-and-rebirth#pt5, Zugriff 17.2.2023;

?        Voller - Voller, Yaniv (9.5.2022): Rethinking armed groups and order: Syria and the rise of militiatocracies, International Affairs, Volume 98, Issue 3, May 2022, Pages 853–871, https://doi.org/10.1093/ia/iiac047, Zugriff 10.2.2023;

?        Üngör - Üngör, U?ur Ümit - Professor f. Geschichte, Universität Amsterdam/NIOD Institute (15.12.2021): Interview, per Videocall, Zugriff 10.2.2023;

Zivile und militärische Sicherheits- und Nachrichtendienste, Polizei

Letzte Änderung 2023-07-17 16:14

Die vier wichtigsten Sicherheits- und Nachrichtendienste sind der Militärische Nachrichtendienst, der Nachrichtendienst der Luftwaffe, das Direktorat für Politische Sicherheit und das Allgemeine Nachrichtendienstdirektorat. Dazu kommen noch die Abteilung für Kriminalsicherheit und der Zoll, der über mehr Einfluss verfügt, als gemeinhin erwartet (EIP 7.2019). Die zahlreichen syrischen Sicherheitsbehörden arbeiten autonom und ohne klar definierte Grenzen zwischen ihren Aufgabenbereichen (USDOS 20.3.2023). Jeder Geheimdienst unterhält eigene Gefängnisse und Verhöreinrichtungen, bei denen es sich de facto um weitgehend rechtsfreie Räume handelt. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle im Zuge des Konfliktes verteidigt oder sogar weiter ausgebaut (AA 29.3.2023). Vor 2011 war die vorrangige Aufgabe der Nachrichtendienste die syrische Bevölkerung zu überwachen. Seit dem Beginn des Konfliktes nutzt Assad den Sicherheitssektor, um die Kontrolle zu behalten. Diese Einheiten überwachten, verhafteten, folterten und exekutierten politische Gegner sowie friedliche Demonstranten. Um seine Kontrolle über die Sicherheitsdienste zu stärken, sorgte Assad für Feindschaft und Konkurrenz zwischen den Diensten. Dies fördert Nepotismus und Patronage wie auch böswilliges Melden wahrgenommener Opponenten sowie Erpressung bzw. Ausbeutung von Geschäftsleuten und BürgerInnen, welche für viele Genehmigungen und Lizenzen auf die Genehmigung der Sicherheitsdienste angewiesen sind. Auch werden hohe Summen für die Freilassung von Inhaftierten oder für Informationen über das Schicksal von Gefangenen erpresst (EIP 7.2019). Auch in der Polizei ist Korruption allgegenwärtig (USDOS 20.3.2023).

Die Sicherheitskräfte nutzen eine Reihe an Praktiken, um Bürger einzuschüchtern oder zur Kooperation zu bringen. Diese Techniken beinhalten im besten Fall Belohnungen, jedoch auch Zwangsmaßnahmen wie Reiseverbote, Überwachung, Schikanen von Individuen und/oder deren Familienmitgliedern, Verhaftungen, Verhöre oder die Androhung von Inhaftierung. Die Zivilgesellschaft und die Opposition in Syrien sind Ziel spezieller Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte, aber auch ganz im Allgemeinen müssen Gruppen und Individuen mit dem Druck der Sicherheitsbehörden umgehen (GS 11.2.2017) wobei Gebiete, in denen es in der Vergangenheit viele Demonstrationen oder Rebellenaktivitäten gab, wie z. B. Ost-Ghouta, Damaskus oder Homs, nun unter verstärkter Beobachtung der Geheimdienste stehen. Dort ist der Druck auf RückkehrerInnen auch nach bestandener Sicherheitsüberprüfung umfassend als InformantInnen zu fungieren (Üngör 15.12.2021).

In den letzten Jahren baute das syrische Regime seine Sicherheitsdienste um, indem es neue "Loyalisten" in leitende Sicherheitspositionen berufen hat. Es handelt sich um Personen, die sich durch ihre Rolle bei der Eskalation der Gewalt nach 2011 einen Namen machten, und gegen die das Regime in Form von Akten über Korruption erhebliche Druckmittel besitzt. Dies wurde als gewisse Stärkung der syrischen Position gegenüber der russisch-iranischen Konkurrenz bei der Gestaltung der syrischen Sicherheitsstrukturen gewertet (Clingendael 5.2020). Im Jahr 2022 erfolgten weitere Personalrochaden in den Führungsbereichen der Nachrichtendienste. Die Neu- und Umbesetzungen sollen eine Nichtbeteiligung der beförderten Offiziere an der Gewalt seit 2011 suggerieren (OSS 18.1.2023). Die Führung der Sicherheitsdienste hat oft enge familiäre und persönliche Beziehungen zum Präsidenten, der Alawit ist. Im Allgemeinen sind diese Behörden weitgehend mit Personen aus Gemeinschaften besetzt, die historisch der herrschenden Familie gegenüber loyal sind. Das klarste Beispiel hierfür ist die unverhältnismäßig große Anzahl an Alawiten, die im Sicherheitssektor arbeiten (SJAC 1.4.2019).

Quellen

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2089904/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_%28Stand_M%C3%A4rz_2023%29%2C_29.03.2023.pdf, Zugriff 9.5.2023 [Login erforderlich];

?        Clingendael - Clingendael - The Netherlands Institute of International Relations (5.2020): The nature of the Syrian regime, Chapter 1, CRU Report, https://www.clingendael.org/pub/2020/pandoras-box-in-syria/1-the-nature-of-the-syrian-regime/, Zugriff 15.2.2023;

?        EIP - European Institute of Peace (7.2019): Refugee return in Syria: Dangers, security risks and information scarcity, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018602/EIP+Report+-+Security+and+Refugee+Return+in+Syria+-+July.pdf, Zugriff 14.2.2023;

?        GS - Global Security (11.2.2017): Syria Intelligence & Security Agencies, http://www.globalsecurity.org/intell/world/syria/intro.htm, Zugriff 15.2.2023;

?        OSS - Omran Center for Strategic Studies (18.1.2023): The Syrian Regime Signals Legal and Military Shifts to the World, https://omranstudies.org/index.php/publications/papers/the-syrian-regime-signals-legal-and-military-shifts-to-the-world.html, Zugriff 13.2.2023;

?        SJAC - Syria Justice and Accountibility Centre (1.4.2019): Walls Have Ears: An Analysis of Classified Syrian Security Sector Documents, https://syriaaccountability.org/walls-have-ears/, Zugriff 15.2.2023;

?        USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089061.html, Zugriff 9.5.2023;

?        Üngör - Üngör, U?ur Ümit - Professor f. Geschichte, Universität Amsterdam/NIOD Institute (15.12.2021): Interview, per Videocall, Zugriff 10.2.2023;

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung 2024-03-11 06:47

Im März 2022 wurde ein neues Gesetz gegen Folter verabschiedet (HRW 11.1.2024). Das Gesetz Nr. 16 von 2022 sieht Strafen von drei Jahren Haft bis hin zur Todesstrafe vor (OSS 18.1.2023b). Die Todesstrafe gilt für Folter mit Todesfolge oder in Verbindung mit einer Vergewaltigung (HRW 12.1.2023). Eine lebenslange Strafe ist für Fälle vorgesehen, in welchen Kinder oder Menschen mit Beeinträchtigungen gefoltert wurden oder das Opfer einen permanenten Schaden davonträgt (OSS 18.1.2023b). Das Gesetz verbietet auch das Anordnen von Folter durch Behörden (HRW 12.1.2023). Es weist jedoch wichtige Lücken auf, und die Anwendung bleibt unklar. So werden keine Organisationen genannt, auf welche das Gesetz angewendet werden soll. Verschiedene Teile des Sicherheitsapparats einschließlich der Zollbehörden sowie die Streitkräfte sind de facto weiterhin von Strafverfolgung ausgenommen (OSS 18.1.2023), was durch Dekrete gedeckt ist (OSS 1.10.2017b, STJ 12.7.2022) - ebenso wie Gefängnisse (OSS 18.1.2023b). Dort wurden und werden Zehntausende gefoltert (OSS 18.1.2023b, FH 9.3.2023), und zahlreiche Menschen starben in der Haft oder man ließ sie "verschwinden" (FH 9.3.2023). SNHR kritisiert unter anderem, dass das Gesetz keine Folterstraftaten, die vor seinem Erlass begangen wurden, umfasst, keinen Bezug auf grausame Haftbedingungen nimmt und andere Gesetze, welche Angehörigen der vier Geheimdienste Straffreiheit gewähren, weiterhin in Kraft bleiben (SNHR 26.6.2022). Weitere NGOs kritisieren außerdem, dass das Gesetz keine konkreten Schutzmaßnahmen für Zeugen oder Überlebende von Folter sowie keine Wiedergutmachungen vorsieht, und zwar weder für frühere Folteropfer noch für die Angehörigen im Falle des Todes. Auch beinhaltet das Gesetz keine Präventionsmaßnahmen, die ergriffen werden könnten, um Folter in Haftanstalten und Gefängnissen zukünftig zu verhindern (AI 31.3.2022).

Der Einsatz von Folter, des Verschwindenlassens und schlechter Bedingungen in den Gefängnissen ist keine Neuheit seit Ausbruch des Konflikts, sondern war bereits seit der Ära von Hafez al-Assad Routinepraxis verschiedener Geheimdienst- und Sicherheitsapparate in Syrien (SHRC 24.1.2019). Folter bleibt eine der meisten schweren Menschenrechtsverletzungen durch die syrische Regierung und ist breit dokumentiert (STJ 12.7.2022). Die Gefängnisse sind stark überfüllt, es mangelt an Nahrung, Trinkwasser, Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung u. a., sodass die Zustände insgesamt lebensbedrohlich sind. Die Regierung hält weiterhin Tausende Personen ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt („incommunicado“) fest (USDOS 20.3.2023).

Medien und Menschenrechtsgruppen gehen von der systematischen Anwendung von Folter in insgesamt 27 Einrichtungen aus, die sich alle in der Nähe der bevölkerungsreichen Städte im westlichen Syrien befinden: Zehn nahe Damaskus, jeweils vier nahe Homs, Latakia und Idlib, drei nahe Dara‘a und zwei nahe Aleppo. Es muss davon ausgegangen werden, dass Folter auch in weiteren Einrichtungen in bevölkerungsärmeren Landesteilen verübt wird (AA 2.2.2024). In jedem Dorf und jeder Stadt gibt es Haft- bzw. Verhörzentren für die ersten Befragungen und Untersuchungen nach einer Verhaftung. Diese werden von den Sicherheits- und Nachrichtendiensten oder auch regierungstreuen Milizen kontrolliert. Meist werden Festgenommene in ein größeres Untersuchungszentrum in der Provinz oder nach Damaskus und schließlich in ein Militär- oder ziviles Gefängnis gebracht, wo sie verschiedenen Formen von Folter unterworfen werden (SHRC 24.1.2019). Auch in den Krankenhäusern Harasta Military Hospital, Mezzeh Military Hospital 601 und Tishreen Military Hospital werden Gefangene gefoltert. Laut Berichten von NGOs gibt es zudem zahlreiche informelle Hafteinrichtungen in umgebauten Militärbasen, Schulen, Stadien und anderen unbekannten Lokalitäten. So sollen inhaftierte Demonstranten in leer stehenden Fabriken und Lagerhäusern ohne angemessene sanitäre Einrichtungen festgehalten werden (USDOS 20.3.2023).

Laut Einschätzung des Auswärtigen Amtes unterliegen Personen, die unter dem Verdacht stehen, sich oppositionell zu engagieren oder als regimekritisch wahrgenommen werden, einem besonders hohen Folterrisiko (AA 2.2.2024). Menschenrechtsaktivisten, die Commission of Inquiry für Syrien der UN (COI) und lokale NGOs berichten von Tausenden glaubwürdigen Fällen, in denen die Behörden des Regimes Folter, Missbrauch und Misshandlungen zur Bestrafung wahrgenommener Oppositioneller einsetzen, auch bei Verhören - eine systematische Praxis des Regimes, die während des gesamten Konflikts und bereits vor 2011 dokumentiert wurde (USDOS 12.4.2022). Die willkürlichen Festnahmen, Misshandlungen, Folter und Verschwindenlassen durch syrische Sicherheitskräfte und regierungsfreundliche Milizen betreffen auch Kinder, Menschen mit Beeinträchtigungen, RückkehrerInnen und Personen aus wiedereroberten Gebieten, die "Versöhnungsabkommen" unterzeichnet haben (HRW 12.1.2023). Auch sexueller Missbrauch einschließlich Vergewaltigungen von Frauen, Männern und Kindern wird verübt (USDOS 20.3.2023). Daneben sind zahllose Fälle dokumentiert, in denen Familienmitglieder, nicht selten Frauen oder Kinder, oder auch Nachbarn für vom Regime als vermeintliche Mitwisser oder für vermeintliche Verbrechen anderer inhaftiert und gefoltert werden. Solche Kollektivhaft wird Berichten zufolge in einigen Fällen auch angewendet, wenn vom Regime als feindlich angesehene Personen Zuflucht im Ausland gesucht haben (AA 2.2.2024; vgl. bzgl. eines konkreten Falls Üngör 15.12.2021). Das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte kam zu dem Schluss, dass Einzelpersonen zwar häufig gefoltert wurden, um Informationen zu erhalten, der Hauptzweck der Anwendun

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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