Entscheidungsdatum
08.06.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W242 2284948-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. SYRIEN, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.01.2024, Zl. 1324155802/ XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 , StA. SYRIEN, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.01.2024, Zl. 1324155802/ römisch 40 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein damals XXXX Staatsangehöriger von Syrien, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er zuvor am XXXX in Italien erkennungsdienstlich behandelt worden war.Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein damals römisch 40 Staatsangehöriger von Syrien, stellte am römisch 40 einen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er zuvor am römisch 40 in Italien erkennungsdienstlich behandelt worden war.
In seiner Erstbefragung am selben Tag begründete er diesen im Wesentlichen damit, dass er geflohen sei, weil es keine Sicherheit in Syrien gebe. Das Regime foltere die Menschen und der BF würde bald zum syrischen Militär einberufen. Außerdem würden die Frauen dort vergewaltigt. Bei einer Rückkehr fürchte er Hausdurchsuchungen, den Organhandel und Bomben.
Am XXXX erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF im Beisein seiner gesetzlichen Vertretung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ((im Folgenden: BFA oder belangte Behörde). Befragt zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass es in Syrien keine Sicherheit gebe und man sich dort keine Zukunft aufbauen könne. Ab dem Alter von 18 Jahren bestehe Militärdienstpflicht und beide Streitkräfte, also sowohl das Regime als auch die Kurden, würden den BF „obligatorisch“ rekrutieren, das heißt, er müsse an Kampfhandlungen teilnehmen. Er wolle aber keine Waffe tragen und weder töten noch getötet werden.Am römisch 40 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF im Beisein seiner gesetzlichen Vertretung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ((im Folgenden: BFA oder belangte Behörde). Befragt zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass es in Syrien keine Sicherheit gebe und man sich dort keine Zukunft aufbauen könne. Ab dem Alter von 18 Jahren bestehe Militärdienstpflicht und beide Streitkräfte, also sowohl das Regime als auch die Kurden, würden den BF „obligatorisch“ rekrutieren, das heißt, er müsse an Kampfhandlungen teilnehmen. Er wolle aber keine Waffe tragen und weder töten noch getötet werden.
In einer Stellungnahme vom XXXX führte der BF im Wesentlichen aus, dass er massive Menschenrechtsverletzungen befürchte, weil ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine oppositionelle politische Einstellung vom syrischen Regime unterstellt werden würde. In der Herkunftsregion des BF im Bezirk Manbidsch (Manbij auch Menbej) gebe es die meisten Fälle von Kinderrekrutierungen und im Falle einer Rückkehr drohe dem BF mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, entweder von der PYD oder vom Assad-Regime zum Wehrdienst eingezogen zu werden. Im Falle einer Weigerung würde er sowohl von Seiten der syrischen Regierung als auch von Seiten der kurdischen Volksverteidigungskräfte aufgrund seiner (unterstellten) politischen Gesinnung als Gegner beziehungsweise als IS-Anhänger angesehen werden. Insgesamt wäre der BF aufgrund seiner unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung und aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Jungen im wehrfähigen Alter asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt. Hinzu komme die Minderjährigkeit des BF, welche die genannten Gründe verschärfe und daher einer besonderen Berücksichtigung bedarf.In einer Stellungnahme vom römisch 40 führte der BF im Wesentlichen aus, dass er massive Menschenrechtsverletzungen befürchte, weil ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine oppositionelle politische Einstellung vom syrischen Regime unterstellt werden würde. In der Herkunftsregion des BF im Bezirk Manbidsch (Manbij auch Menbej) gebe es die meisten Fälle von Kinderrekrutierungen und im Falle einer Rückkehr drohe dem BF mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, entweder von der PYD oder vom Assad-Regime zum Wehrdienst eingezogen zu werden. Im Falle einer Weigerung würde er sowohl von Seiten der syrischen Regierung als auch von Seiten der kurdischen Volksverteidigungskräfte aufgrund seiner (unterstellten) politischen Gesinnung als Gegner beziehungsweise als IS-Anhänger angesehen werden. Insgesamt wäre der BF aufgrund seiner unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung und aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Jungen im wehrfähigen Alter asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt. Hinzu komme die Minderjährigkeit des BF, welche die genannten Gründe verschärfe und daher einer besonderen Berücksichtigung bedarf.
Mit Schreiben vom 31.10.2023 langte beim BFA ein Abschluss-Bericht der LPD Wien zur XXXX ein, dass Ermittlungen gegen den BF wegen des Verdachts auf versuchte Vergewaltigung zum Nachteil von XXXX geführt worden seien. Es wurde angeführt, dass das Opfer in Begleitung des Vaters eine Anzeige wegen versuchter Vergewaltigung erstattet habe, danach aber das Opfer in Begleitung des BF, beim Versuch nach Deutschland einzureisen, aufgehalten und den Eltern übergeben worden sei. Den diensthabenden Beamten gegenüber habe das Opfer angegeben, von ihrem Vater zur Anzeige gezwungen worden zu sein. Eine Vergewaltigung habe laut ihren Angaben niemals stattgefunden. Auch der BF gab an, dass er nicht versucht habe, das Opfer zu vergewaltigen oder sonstige sexuelle Handlungen gegen ihren Willen vorzunehmen. Er liebe sie und wolle sie heiraten.Mit Schreiben vom 31.10.2023 langte beim BFA ein Abschluss-Bericht der LPD Wien zur römisch 40 ein, dass Ermittlungen gegen den BF wegen des Verdachts auf versuchte Vergewaltigung zum Nachteil von römisch 40 geführt worden seien. Es wurde angeführt, dass das Opfer in Begleitung des Vaters eine Anzeige wegen versuchter Vergewaltigung erstattet habe, danach aber das Opfer in Begleitung des BF, beim Versuch nach Deutschland einzureisen, aufgehalten und den Eltern übergeben worden sei. Den diensthabenden Beamten gegenüber habe das Opfer angegeben, von ihrem Vater zur Anzeige gezwungen worden zu sein. Eine Vergewaltigung habe laut ihren Angaben niemals stattgefunden. Auch der BF gab an, dass er nicht versucht habe, das Opfer zu vergewaltigen oder sonstige sexuelle Handlungen gegen ihren Willen vorzunehmen. Er liebe sie und wolle sie heiraten.
Die Staatsanwaltschaft Wien übermittelte der belangten Behörde eine Benachrichtigung von der Abtretung des Strafverfahrens an die Staatsanwaltschaft Linz betreffend das Ermittlungsverfahren gegen den BF wegen des Verdachts gemäß §15 StGB iVm §§105 Abs. 1, 106 Abs. 1 und 205 Abs. 1 StGB zur Zahl XXXX .Die Staatsanwaltschaft Wien übermittelte der belangten Behörde eine Benachrichtigung von der Abtretung des Strafverfahrens an die Staatsanwaltschaft Linz betreffend das Ermittlungsverfahren gegen den BF wegen des Verdachts gemäß §15 StGB in Verbindung mit §§105 Absatz eins,, 106 Absatz eins und 205 Absatz eins, StGB zur Zahl römisch 40 .
Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit verfahrensgegenständlichem Bescheid, zugestellt am XXXX , den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.). Eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr wurde erteilt (Spruchpunkt III.).Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit verfahrensgegenständlichem Bescheid, zugestellt am römisch 40 , den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.) und erkannte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.). Eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr wurde erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Mit fristgerecht erhobener Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides, wiederholte der BF im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Mit fristgerecht erhobener Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides, wiederholte der BF im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.
Mit Schreiben vom XXXX gab das BFA seine Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung bekannt.Mit Schreiben vom römisch 40 gab das BFA seine Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung bekannt.
Mit Schreiben vom 12.04.2024 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Abschluss-Bericht der LPD Niederösterreich zur Zahl XXXX ein, dass Ermittlungen gegen den BF wegen des Verdachts auf Erschleichung einer Leistung zum Nachteil der ÖBB Personenverkehrs AG geführt worden seien.Mit Schreiben vom 12.04.2024 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Abschluss-Bericht der LPD Niederösterreich zur Zahl römisch 40 ein, dass Ermittlungen gegen den BF wegen des Verdachts auf Erschleichung einer Leistung zum Nachteil der ÖBB Personenverkehrs AG geführt worden seien.
Mit Schreiben vom 21.04.2024 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Abschluss-Bericht der LPD Salzburg zur Zahl XXXX ein, dass Ermittlungen gegen den BF wegen des Verdachts auf Sachbeschädigung zum Nachteil der BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH geführt worden seien.Mit Schreiben vom 21.04.2024 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Abschluss-Bericht der LPD Salzburg zur Zahl römisch 40 ein, dass Ermittlungen gegen den BF wegen des Verdachts auf Sachbeschädigung zum Nachteil der BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH geführt worden seien.
Mit Schreiben vom 11.05.2024 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Abschluss-Bericht der LPD Oberösterreich zur Zahl XXXX ein, dass Ermittlungen gegen den BF wegen des Verdachts auf Diebstahls zum Nachteil von Personen geführt worden seien.Mit Schreiben vom 11.05.2024 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Abschluss-Bericht der LPD Oberösterreich zur Zahl römisch 40 ein, dass Ermittlungen gegen den BF wegen des Verdachts auf Diebstahls zum Nachteil von Personen geführt worden seien.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch und im Beisein der Vertretung des BF eine öffentliche Verhandlung durch. Das Bundesverwaltungsgericht führte am römisch 40 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch und im Beisein der Vertretung des BF eine öffentliche Verhandlung durch.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde eine eidesstattliche Erklärung betreffend die traditionell geschlossene Ehe des BF dem erkennenden Richter vorgelegt. Im Zuge dessen wurde dem BF aufgetragen, nach erfolgter Eheschließung vor dem Standesamt Wien die Heiratsurkunde vorzulegen. Darüber hinaus wurde der BF aufgefordert, das Urteil des erkennenden Gerichts im Strafverfahren zur Zahl XXXX , nach der anberaumten Verhandlung am 19.06.2024 zu übermitteln.Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde eine eidesstattliche Erklärung betreffend die traditionell geschlossene Ehe des BF dem erkennenden Richter vorgelegt. Im Zuge dessen wurde dem BF aufgetragen, nach erfolgter Eheschließung vor dem Standesamt Wien die Heiratsurkunde vorzulegen. Darüber hinaus wurde der BF aufgefordert, das Urteil des erkennenden Gerichts im Strafverfahren zur Zahl römisch 40 , nach der anberaumten Verhandlung am 19.06.2024 zu übermitteln.
Die geforderten Dokumente sind zum Zeitpunkt der Entscheidung trotz richterlicher Anordnung nicht beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Im Rahmen eines Parteiengehörs vom 19.06.2024 wurde dem BF die Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11, vom 27.03.2024 übermittelt und eine Frist von einer Woche zur Stellungnahme eingeräumt.
Eine Stellungnahme wurde dem erkennenden Gericht nicht übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der BF führt den im Spruch angeführten Namen und das im Spruch angeführte Geburtsdatum. Er ist zum Entscheidungszeitpunkt 18 Jahre alt. Der BF ist Staatsangehöriger von Syrien, gehört der Volksgruppe der Araber an, bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und spricht Arabisch.
1.1.2. Der BF ist im Dorf XXXX im Bezirk Manbidsch (Manbij auch Menbej) im Gouvernement Aleppo geboren und aufgewachsen; gelebt hat der BF in den letzten Jahren einerseits im Libanon bei seinen älteren Brüdern und andererseits in der Herkunftsregion in Syrien gemeinsam mit seiner in Syrien verbliebenen Familie im Elternhaus. Er hat nie die Schule besucht und ist Analphabet. 1.1.2. Der BF ist im Dorf römisch 40 im Bezirk Manbidsch (Manbij auch Menbej) im Gouvernement Aleppo geboren und aufgewachsen; gelebt hat der BF in den letzten Jahren einerseits im Libanon bei seinen älteren Brüdern und andererseits in der Herkunftsregion in Syrien gemeinsam mit seiner in Syrien verbliebenen Familie im Elternhaus. Er hat nie die Schule besucht und ist Analphabet.
1.1.3. Der BF hat keine Kinder. Der BF brachte mit einer eidesstaatlichen Erklärung vor, am 22.01.2024 eine traditionelle Ehe mit der zum Zeitpunkt der Eheschließung 15jährigen Asylberechtigten, namens XXXX , geboren am XXXX in Wien geschlossen zu haben. 1.1.3. Der BF hat keine Kinder. Der BF brachte mit einer eidesstaatlichen Erklärung vor, am 22.01.2024 eine traditionelle Ehe mit der zum Zeitpunkt der Eheschließung 15jährigen Asylberechtigten, namens römisch 40 , geboren am römisch 40 in Wien geschlossen zu haben.
1.1.4. Die Eltern, die drei Schwestern und zwei Brüder des BF leben nach wie vor in der Herkunftsregion, es geht ihnen gut. Ein weiterer Bruder des BF lebt im Libanon. Der BF steht in Kontakt zu seinen Familienangehörigen in Syrien.
1.1.5. Ein Bruder des BF namens XXXX , lebt in Österreich und hat seit dem Jahr 2022 den Status eines Asylberechtigten inne. Eine Tante des BF, namens XXXX , und ein Cousin des BF, namens XXXX , leben ebenfalls in Österreich.1.1.5. Ein Bruder des BF namens römisch 40 , lebt in Österreich und hat seit dem Jahr 2022 den Status eines Asylberechtigten inne. Eine Tante des BF, namens römisch 40 , und ein Cousin des BF, namens römisch 40 , leben ebenfalls in Österreich.
1.1.6. Der BF ist gesund. Ihm kommt in Österreich der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu.
1.1.7. Der BF ist strafrechtlich unbescholten. Bei der Staatsanwaltschaft Linz ist aber noch ein Strafverfahren gegen den BF zur Zahl XXXX wegen des Verdachts gemäß §15 StGB iVm §§105 Abs. 1, 106 Abs. 1 und 205 Abs. 1 StGB anhängig. Das im Strafverfahren geführte Opfer ist mittlerweile mit dem BF nach islamischen Recht traditionell verheiratet.1.1.7. Der BF ist strafrechtlich unbescholten. Bei der Staatsanwaltschaft Linz ist aber noch ein Strafverfahren gegen den BF zur Zahl römisch 40 wegen des Verdachts gemäß §15 StGB in Verbindung mit §§105 Absatz eins,, 106 Absatz eins und 205 Absatz eins, StGB anhängig. Das im Strafverfahren geführte Opfer ist mittlerweile mit dem BF nach islamischen Recht traditionell verheiratet.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Der BF ist im Entscheidungszeitpunkt 18 Jahre alt, er hat Syrien im Jahr 2022 im Alter von 16 Jahren über den Libanon verlassen, um in weiterer Folge nach Europa zu reisen.
1.2.2. Die Herkunftsregion des BF, das Dorf XXXX ) im Bezirk Manbidsch (Manbij auch Menbej) im Gouvernement Aleppo, steht im Wesentlichen im Kontroll- Einflussgebiet der Kurden bzw. unter Kontrolle der kurdischen „Selbstverwaltung“ (auch „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ bzw. „Autonomous Administration of North and East Syria – AANES“ oder „Selbstverwaltungsgebiet“). Das syrische Regime führt in der Herkunftsregion des BF Rekrutierungen nicht mit maßgelblicher Wahrscheinlichkeit durch. Die Eltern des BF leben mit seinen drei Schwestern und zwei Brüdern nach wie vor in der Herkunftsregion.1.2.2. Die Herkunftsregion des BF, das Dorf römisch 40 ) im Bezirk Manbidsch (Manbij auch Menbej) im Gouvernement Aleppo, steht im Wesentlichen im Kontroll- Einflussgebiet der Kurden bzw. unter Kontrolle der kurdischen „Selbstverwaltung“ (auch „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ bzw. „Autonomous Administration of North and East Syria – AANES“ oder „Selbstverwaltungsgebiet“). Das syrische Regime führt in der Herkunftsregion des BF Rekrutierungen nicht mit maßgelblicher Wahrscheinlichkeit durch. Die Eltern des BF leben mit seinen drei Schwestern und zwei Brüdern nach wie vor in der Herkunftsregion.
1.2.3. Im Juni 2019 ratifizierte die AANES ein Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht“, das den verpflichtenden Militärdienst regelt, den Männern über 18 Jahren im Gebiet der AANES ableisten müssen. Am 4.9.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit. Der Altersrahmen für den Einzug zum Wehrdienst ist nun in allen betreffenden Gebieten derselbe, während er zuvor je nach Gebiet variierte. So kam es in der Vergangenheit zu Verwirrung, wer wehrpflichtig war. Mit Stand Juli 2024 war das Dekret noch immer in Kraft.
1.2.3.1. Artikel 2 des Gesetzes über die „Selbstverteidigungspflicht“ vom Juni 2019 sieht eine Dauer von zwölf Monaten vor. Aktuell beträgt die Dauer ein Jahr und im Allgemeinen werden die Männer nach einem Jahr aus dem Dienst entlassen. In Situationen höherer Gewalt kann die Dauer des Wehrdiensts verlängert werden. Wehrdienstverweigerer können zudem mit der Ableistung eines zusätzlichen Wehrdienstmonats bestraft werden.
Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der „Selbstverteidigungspflicht“ erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz (z.B. Bewachung von Gefängnissen wie auch jenes in al-Hassakah, wo es im Jänner 2022 zu dem Befreiungsversuch des sogenannten Islamischen Staats (IS) mit Kampfhandlungen kam). Eine Versetzung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch, ansonsten werden die Rekruten bei Konfliktbedarf an die Front verlegt, wie z. B. bei den Kämpfen gegen den IS 2016 und 2017 in Raqqa (DIS 6.2022).
1.2.3.2. Die Aufrufe für die „Selbstverteidigungspflicht“ erfolgen jährlich durch die Medien, wo verkündet wird, welche Altersgruppe von Männern eingezogen wird. Es gibt keine individuellen Verständigungen an die Wehrpflichtigen an ihrem Wohnsitz. Die Wehrpflichtigen erhalten dann beim „Büro für Selbstverteidigungspflicht“ ein Buch, in welchem ihr Status bezüglich Ableistung des Wehrdiensts dokumentiert wird - z.B. die erfolgte Ableistung oder Ausnahme von der Ableistung. Es ist das einzige Dokument, das im Zusammenhang mit der Selbstverteidigungspflicht ausgestellt wird.
1.2.3.3. Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen. Die Selbstverwaltung informiert einen sich dem Wehrdienst Entziehenden zweimal bezüglich der Einberufungspflicht durch ein Schreiben an seinen Wohnsitz, und wenn er sich nicht zur Ableistung einfindet, sucht ihn die „Militärpolizei“ unter seiner Adresse. Die meisten sich der „Wehrpflicht“ entziehenden Männer werden jedoch an Checkpoints ausfindig gemacht. Die Sanktionen für die Wehrdienstverweigerung ähneln denen im von der Regierung kontrollierten Teil. Laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird das „Selbstverteidigungspflichtgesetz“ auch mit Gewalt durchgesetzt, während der DIS nur davon berichtet, dass Wehrpflichtige, welche versuchen, dem Militärdienst zu entgehen, laut Gesetz durch die Verlängerung der „Wehrpflicht“ um einen Monat bestraft würden - zwei Quellen zufolge auch in Verbindung mit vorhergehender Haft „für eine Zeitspanne“. Dabei soll es sich oft um ein bis zwei Wochen handeln, um einen Einsatzort für die Betreffenden zu finden. Die ÖB Damaskus erwähnt auch Haftstrafen zusätzlich zur [Anm.: nicht näher spezifizierten] Verlängerung des Wehrdiensts. Hingegen dürften die Autonomiebehörden eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen (vgl. Punkt II., 1.3.).1.2.3.3. Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen. Die Selbstverwaltung informiert einen sich dem Wehrdienst Entziehenden zweimal bezüglich der Einberufungspflicht durch ein Schreiben an seinen Wohnsitz, und wenn er sich nicht zur Ableistung einfindet, sucht ihn die „Militärpolizei“ unter seiner Adresse. Die meisten sich der „Wehrpflicht“ entziehenden Männer werden jedoch an Checkpoints ausfindig gemacht. Die Sanktionen für die Wehrdienstverweigerung ähneln denen im von der Regierung kontrollierten Teil. Laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird das „Selbstverteidigungspflichtgesetz“ auch mit Gewalt durchgesetzt, während der DIS nur davon berichtet, dass Wehrpflichtige, welche versuchen, dem Militärdienst zu entgehen, laut Gesetz durch die Verlängerung der „Wehrpflicht“ um einen Monat bestraft würden - zwei Quellen zufolge auch in Verbindung mit vorhergehender Haft „für eine Zeitspanne“. Dabei soll es sich oft um ein bis zwei Wochen handeln, um einen Einsatzort für die Betreffenden zu finden. Die ÖB Damaskus erwähnt auch Haftstrafen zusätzlich zur [Anm.: nicht näher spezifizierten] Verlängerung des Wehrdiensts. Hingegen dürften die Autonomiebehörden eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen vergleiche Punkt römisch II., 1.3.).
1.2.4. Der Beschwerdeführer ist verpflichtet bis zum Erreichen seines 25. Lebensjahres die „Selbstverteidigungspflicht“ in der „Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ abzuleisten. Der BF hat diese „Selbstverteidigungspflicht“ bisher noch nicht erfüllt und möchte dies auch nicht, da er weder Menschen ermorden möchte noch ermordet werden will und vor allem nicht, wenn es sich um die eigenen Leute handelt. Der BF wurde bis zu seiner Ausreise aus Syrien niemals von den Kurden im Hinblick auf die „Selbstverteidigungspflicht“ kontaktiert.
1.2.4.1. Im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsort ist der 18jährige BF bis 24 Jahre im Alter der „Selbstverteidigungspflicht“. Wenn der BF bei seiner Rückkehr in seinen Herkunftsort versuchen würde im Falle seiner Zwangsrekrutierung der „Selbstverteidigungspflicht“ zu entgehen, könnte er mit der Ableistung eines zusätzlichen Wehrdienstmonats bestraft werden. Der Versuch dem Wehrdienst zu entgehen könnte auch mit einer vorhergehenden Haft im Ausmaß von bis zu zwei Wochen verbunden sein, wobei es während der Haft nicht zu Misshandlungen kommen würde. Die Möglichkeit zur Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen besteht nicht. Im Falle einer Verweigerung der „Selbstverteidigungspflicht“ wird dem BF keine politische (oppositionelle) Gesinnung unterstellt. Der BF wäre im Falle seiner Zwangsrekrutierung im Rahmen der „Selbstverteidigungspflicht“ normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz eingesetzt und wird als Rekrut normalerweise nicht an der Front eingesetzt. Der BF ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zur Beteiligung an Kampfhandlung verpflichtet. Er ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verlegung an die Front ausgesetzt und muss sich nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit an der Begehung von Menschenrechtsverletzungen beteiligen (vgl. Punkt II., 1.3.). 1.2.4.1. Im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsort ist der 18jährige BF bis 24 Jahre im Alter der „Selbstverteidigungspflicht“. Wenn der BF bei seiner Rückkehr in seinen Herkunftsort versuchen würde im Falle seiner Zwangsrekrutierung der „Selbstverteidigungspflicht“ zu entgehen, könnte er mit der Ableistung eines zusätzlichen Wehrdienstmonats bestraft werden. Der Versuch dem Wehrdienst zu entgehen könnte auch mit einer vorhergehenden Haft im Ausmaß von bis zu zwei Wochen verbunden sein, wobei es während der Haft nicht zu Misshandlungen kommen würde. Die Möglichkeit zur Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen besteht nicht. Im Falle einer Verweigerung der „Selbstverteidigungspflicht“ wird dem BF keine politische (oppositionelle) Gesinnung unterstellt. Der BF wäre im Falle seiner Zwangsrekrutierung im Rahmen der „Selbstverteidigungspflicht“ normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz eingesetzt und wird als Rekrut normalerweise nicht an der Front eingesetzt. Der BF ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zur Beteiligung an Kampfhandlung verpflichtet. Er ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verlegung an die Front ausgesetzt und muss sich nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit an der Begehung von Menschenrechtsverletzungen beteiligen vergleiche Punkt römisch II., 1.3.).
1.2.4.2. Im Falle seiner Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion, ist der BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr der Verfolgung durch die Kurden ausgesetzt. Die „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ ist ein de facto autonomes Gebiet im Nordosten von Syrien.
1.2.5. Der BF, welcher im Alter von 16 Jahren Syrien verlassen hat, hat kein Wehrdienstbuch erhalten, den Wehrdienst beim syrischen Regime bislang nicht abgeleistet und wurde auch nicht zum regulären Wehrdienst beim syrischen Regime einberufen. Er möchte seinen Militärdienst auch beim syrischen Regime auch nicht ableisten, da er weder Menschen ermorden möchte noch ermordet werden will und vor allem nicht, wenn es sich um die eigenen Leute handelt.
1.2.6. Im Falle seiner Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion ist der BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr der Verfolgung durch das syrische Regime ausgesetzt. Die Herkunftsregion des BF steht nicht im Einfluss- oder Kontrollgebiet des syrischen Regimes, sondern unter der Kontrolle der Kurden. Die syrische Regierung verfügt über mehrere kleine Gebiete im Selbstverwaltungsgebiet. In Qamishli und Al Hassakah tragen diese die Bezeichnung „Sicherheitsquadrate“ (Al-Morabat Al-Amniya). Der Herkunftsort des BF steht allerdings vollständig unter der Kontrolle der Kurden und bestehen dort keine „Sicherheitsquadrate“.
1.2.6.1. Die syrische Armee ist vor allem in Ain al-Arab, Manbidsch sowie Tell Abyad (im Norden von Raqqa) präsent, um eine mögliche türkische Militäroperation in Nordsyrien zu verhindern. Die SDF ist jedoch nach wie vor der Hauptakteur in der Region. Die Regierungstruppen sind zwar präsent, allerdings beschränkt sich diese Präsenz auf die Durchführung von Patrouillen. Die syrische Regierung hat keine Möglichkeit Wehrpflichtige für den Militärdienst in der Herkunftsregion des BF zu rekrutieren (vgl. Punkt II., 1.3.). 1.2.6.1. Die syrische Armee ist vor allem in Ain al-Arab, Manbidsch sowie Tell Abyad (im Norden von Raqqa) präsent, um eine mögliche türkische Militäroperation in Nordsyrien zu verhindern. Die SDF ist jedoch nach wie vor der Hauptakteur in der Region. Die Regierungstruppen sind zwar präsent, allerdings beschränkt sich diese Präsenz auf die Durchführung von Patrouillen. Die syrische Regierung hat keine Möglichkeit Wehrpflichtige für den Militärdienst in der Herkunftsregion des BF zu rekrutieren vergleiche Punkt römisch II., 1.3.).
1.2.6.2. Die Herkunftsregion des BF ist zudem ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichbar. Die Einreise in die Gebiete unter der Kontrolle der SDF/YPG in Nordost Syrien ist für den BF beispielsweise über den Grenzübergang Semalka – Faysh Khabur, ohne Kontakt zum syrischen Regime zu haben, möglich. Aufgrund der Kontrolle der Kurden über das Gebiet vom Grenzübergang Semalka – Faysh Khabur bis zum Herkunftsort des BF; ist ihm auch eine Weiterreise in seinen Herkunftsort ohne Kontakt zum syrischen Regime möglich (vgl. Punkt II., 1.3.).1.2.6.2. Die Herkunftsregion des BF ist zudem ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichbar. Die Einreise in die Gebiete unter der Kontrolle der SDF/YPG in Nordost Syrien ist für den BF beispielsweise über den Grenzübergang Semalka – Faysh Khabur, ohne Kontakt zum syrischen Regime zu haben, möglich. Aufgrund der Kontrolle der Kurden über das Gebiet vom Grenzübergang Semalka – Faysh Khabur bis zum Herkunftsort des BF; ist ihm auch eine Weiterreise in seinen Herkunftsort ohne Kontakt zum syrischen Regime möglich vergleiche Punkt römisch II., 1.3.).
1.2.7. Auch aufgrund seiner Ausreise aus Syrien im Jahr 2022 und seiner Asylantragstellung in Österreich droht dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verfolgung aufgrund der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung. Eine Verfolgung aufgrund der Ausreise des BF bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung ist unwahrscheinlich. Eine Verfolgung aufgrund der Ausreise des Bruders des BF beziehungsweise der Erlangung eines Schutzstatus durch diesen ist unwahrscheinlich. Nicht allen Rückkehrenden, die unrechtmäßig ausgereist sind und die im Ausland einen Asylantrag gestellt haben oder deren Familienmitgliedern, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
1.2.8. Auch hatte und hat der BF keine Probleme wegen seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit in Syrien. Auch sonst hatte und hat der BF keine asylrelevanten Probleme mit Privatpersonen in Syrien. Überdies war und ist der BF nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
1.2.9. Der BF ist in Syrien nie Mitglied einer bewaffneten Gruppierung gewesen und hat keine Strafrechtsdelikte begangen. Er war auch kein Mitglied von politischen Parteien und war auch sonst auf keine Art und Weise politisch aktiv.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
1.3.1. Auszug aus den aktuellen Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien vom 27.03.2024, Version 11:
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba’ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023).
Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 2024-03-08 11:06
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba’athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba’ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba’ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienstund Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig d