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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der L KG in E, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 2. September 1994, Zl. 60.630-6/93, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, die eine Getränkeerzeugung sowie einen Getränkehandel betreibt, schloß am 11. März 1993 mit einem Hotelier eine als "Lieferungs- und Leistungsübereinkommen" bezeichnete, von beiden Vertragsteilen unterfertigte Vereinbarung, die auszugsweise folgenden Inhalt hat:
"1. L gewährt dem Kunden einen einmaligen Betrag von öS 300.000,-- zuzüglich 20 % Mehrwertsteuer von öS 60.000,-- insgesamt öS 360.000,-- (in Worten: dreihundertsechzigtausend), der bei Einhaltung der Vertragsbedingungen nicht zurückbezahlt werden muß.
Die ausgewiesene Mehrwertsteuer ist vom Kunden an das zuständige Finanzamt abzuführen.
Die Zuzählung des Betrages erfolgt auf das Konto Nr. 0 500-001045 bei der SPARKASSA X.
Der Kunde erklärt, daß die von L erbrachte Leistung eine volle Gegenleistung für die gegenständliche Bezugsverpflichtung darstellt. Diese kann weder durch eine Rückzahlung noch durch eine sonstige im Übereinkommen nicht vorgesehene Tilgung aufgehoben werden.
2. Als Gegenleistung für diesen einmaligen Betrag verpflichtet sich der Kunde, ausschließlich die nachstehend näher bezeichneten Produkte von L zu beziehen:
sämtliche Getränke mit Ausnahme von Bier.
Diese Vereinbarung beginnt mit 1. Jänner 1993 und gilt für die Dauer von 10 Jahren. Die Leistung von L wird unter der Voraussetzung erbracht, daß sich der Kunde zu einem Mindestbezug im nachstehenden Ausmaß verpflichtet:
Jährlicher Warenbezug von netto (ohne Mehrwertsteuer) öS 300.000,-- (in Worten: dreihunderttausend) zuzüglich Verbraucherpreisindex.
...
4. L kann den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen,
a) wenn der Kunde drei Monate hindurch keine Waren bezogen hat,
b) wenn der Kunde die jährliche Mindestbezugsmenge gemäß Punkt 3. dieses Übereinkommens um wenigstens die Hälfte unterschreitet,
c) wenn gegen den Kunden das Ausgleichs- oder Konkursverfahren eingeleitet worden ist,
d) wenn das Rechtsverhältnis, auf Grund dessen der Kunde seine Geschäftsräume benützt, aufgelöst ist oder wenn der Kunde den Geschäftsbetrieb einstellt.
In den Fällen von lit. c) und d) ist der Kunde zur unverzüglichen Mitteilung an L verpflichtet.
L ist in diesen Fällen berechtigt, unter Vorbehalt seiner sonstigen Ansprüche aus diesem Übereinkommen den nicht amortisierten Teil des von ihm geleisteten Betrages zuzüglich bankübliche Zinsen ab Zuzählung plus Mehrwertsteuer zurückzuverlangen. Die Berechnung des nicht amortisierten Teiles erfolgt nach Punkt 2. dieses Übereinkommens.
5. Hält der Kunde wesentliche Bestimmungen dieses Übereinkommens nicht ein, insbesondere gemäß Punkt 2. dieses Übereinkommens, kann L unter anderem eine oder mehrere der nachstehend angeführten Maßnahmen ergreifen:
a)
L kann die Zuhaltung des Übereinkommens begehren.
b)
L kann den nicht amortisierten Betrag fällig stellen, wobei die unter Punkt 2. angeführten Berechnungskriterien heranzuziehen sind.
6. Gegenständliches Lieferungs- und Leistungsübereinkommen ist von beiden Vertragspartnern auf Rechts- und/oder Geschäftsnachfolger oder Rechtsnehmer unter Fortdauer ihrer Haftung für die erbrachten Leistungen von L nachweislich zu überbinden, daß dieselben das Lieferungs- und Leistungsübereinkommen als ihre eigene Verpflichtung anerkennen. Sämtliche dem Kunden zustehende Ansprüche auf Übernahme der Erfüllung des Übereinkommens durch seinen Rechtsund/oder Geschäftsnachfolger sowie Rechtsnehmer, tritt er vorweg an L ab. Gegebenenfalls zwischen L und dem Kunden abgeschlossene Vereinbarung behalten, wenn nichts anderes vereinbart wurde, volle Rechtsgültigkeit.
Wenn dieses Übereinkommen vom Kunden nicht vollinahtlich an Rechts- und/oder Geschäftsnachfolger überbunden worden ist, gilt insbesondere Punkt 5. dieses Übereinkommens.
7. Allfällige mit diesem Übereinkommen in Zusammenhang stehenden Kosten und Gebühren trägt der Kunde. L ist berechtigt, allfällige Gebühren vom Kunden einzubehalten. ..."
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Innsbruck forderte dafür ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 300.000,-- Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 Z. 1 GebG an, wogegen die Beschwerdeführerin mit der Begründung berief, es liege kein Rechtsgeschäft iSd zitierten Gesetzesstelle vor. Es sei vielmehr ein Recht auf Getränkelieferung entgeltlich gewährt bzw. erworben worden.
Gegen die abweisliche Berufungsvorentscheidung begehrte die Beschwerdeführerin rechtzeitig die Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und setzte die Kreditgebühr ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 360.000,-- fest. Sie qualifizierte die in Rede stehende Vereinbarung, zivilrechtlicher Doktrin (Aicher in Rummel, ABGB I2 Rz 50 zu § 1053 ABGB) folgend, als Kreditvertrag.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Gebührenfreiheit verletzt, hilfsweise in ihrem Recht auf auf Begründung der Ermessensentscheidung und auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Recht, gegen den Urkundeninhalt den Gegenbeweis zu führen.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 Z. 1 GebG unterliegen Kreditverträge, mit welchen den Kreditnehmern die Verfügung über einen bestimmten Geldbetrag eingeräumt wird, von der vereinbarten Kreditsumme einer Gebühr von 0,8 v.H., wenn der Kreditnehmer über die Kreditsumme nur einmal oder während einer bis zu fünf Jahren vereinbarten Dauer des Kreditvertrages mehrmals verfügen kann.
Gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit. gelten für die Bewertung der gebührenpflichtigen Gegenstände, insoweit nicht in den Tarifbestimmungen abweichende Bestimmungen getroffen sind, die Vorschriften des Bewertungsgesetzes 1955, BGBl. Nr. 148, mit der Maßgabe, daß bedingte Leistungen und Lasten als unbedingte, betagte Leistungen und Lasten als sofort fällige zu behandeln sind und daß bei wiederkehrenden Leistungen die Anwendung der Bestimmungen des § 15 Abs. 1 über den Abzug der Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen und des § 16 Abs. 3 des vorerwähnten Gesetzes ausgeschlossen ist.
Nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a GebG sind bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, wenn die Urkunde von beiden Vertragsteilen unterfertigt ist, die Unterzeichner der Urkunde verpflichtet.
Auf Grund Abs. 6 der letztzitierten Gesetzesstelle sind dann, wenn die Verpflichtung zur Gebührenentrichtung zwei oder mehrere Personen trifft, diese zur ungeteilten Hand verpflichtet.
In der Hauptsache strebt die Beschwerdeführerin Gebührenfreiheit mit der Begründung an, im gegenständlichen Vertrag sei ohne vorangegangene Darlehensgewährung ein Bezugsrecht gekauft worden. Bei der im Vertrag vorgesehenen allfälligen Rückzahlung der Geldmittel handle es sich nicht um die Rückzahlungspflicht auf Grund eines Kreditvertrages, sondern vielmehr um die Rückabwicklung zufolge Leistungsstörung.
Der Beschwerde ist in diesem Zusammenhang folgendes entgegenzuhalten:
Nach dem insoweit durchaus deutlichen Urkundeninhalt räumte die Beschwerdeführerin ihrem Kunden im Wege der Bereitstellung eines Gesamtbetrages von S 360.000,-- auf dem Konto einer Sparkasse über die genannte Summe die Dispositionsbefugnis ein. Damit hat sie sich ihrem Kunden gegenüber aber verpflichtet, ihm Zahlungsmittel zur Verfügung zu stellen, worin ein Essentiale eines Kreditvertrages iS des Gebührenrechtes gelegen ist (vgl. Fellner, Gebühren- und Verkehrsteuern, Band I,
2. Teil, Stempel- und Rechtsgebühren, ErgY 9 Y letzter Absatz zu § 33 TP 19 GebG mwN). Dazu kommt, daß (unter Berücksichtigung der gemäß § 26 Abs. 1 GebG gebotenen Behandlung bedingter Leistungen als unbedingt) den Kunden der Beschwerdeführerin in bestimmten, vertraglich vorgesehenen Fällen die Pflicht trifft, den nicht durch Warenbezug amortisierten Teil des zur Verfügung gestellten Betrages zuzüglich banküblicher Zinsen und Umsatzsteuer zurückzuzahlen. Daraus folgt für den Streitfall auch das Vorliegen des weiteren wesentlichen Essentiale eines Kreditvertrages, nämlich der Begründung einer verzinslichen Rückzahlungsverpflichtung (Fellner, a.a.O. ErgY 11 Y Abs. 1 und 2 mwN). An dieser rechtlichen Qualifikation vermag jener Umstand, den die Beschwerdeführerin in den Vordergrund zu stellen sucht, nämlich der "Kauf eines Bezugsrechtes", nichts mehr zu ändern, weil es für die Qualifikation einer Vereinbarung als Kreditvertrag einerseits unmaßgeblich ist, von welchen Absichten sich der Kreditgeber dabei leiten läßt und weil andererseits auch in jenen Fällen, in denen die gebührenrechtlich unmaßgebliche Bedingung für eine verzinste Rückzahlung des empfangenen Betrages gar nicht schlagend wird, in wirtschaftlicher Hinsicht eine Rückzahlung der kreditierten Summe im Rahmen der vertragsmäßigen Warenbezüge (sog. Amortisation) erfolgt. Der Vertrag enthält nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die Summe von S 360.000,-- dem Kunden der Beschwerdeführerin unentgeltlich zugewendet worden wäre.
Zu all dem kommt noch, daß auch in der zivilrechtlichen Judikatur wiederholt betont wurde, daß die Vorteile einer Vertragsgestaltung wie der vorliegenden für den Gastwirt (= Warenbezieher) unter anderem darin liegen, entsprechenden Kredit eingeräumt zu bekommen (vgl. z.B. OGH SZ 66/138; 56/144; JBl 1983, 321; 5 Ob 653/82 sowie EvBl 1960/126).
Zum Argument der Beschwerdeführerin, ihr allfälliger Rückforderungsanspruch sei lediglich eine Konsequenz der Rückabwicklung des Vertrages wegen Leistungsstörung, ist darauf hinzuweisen, daß selbst die Qualifikation des Rückforderungsrechtes betreffend den nicht amortisierten Teil der eingeräumten Geldsumme als bereicherungsrechtliche Rückforderung (vgl. z.B. OGH SZ 62/201) nichts daran zu ändern vermag, daß der Rückforderungsanspruch im Rahmen einer sogenannten Anspruchskonkurrenz auch auf die ursprüngliche vertragliche Vereinbarung (im Beschwerdefall somit auf den Kreditvertrag) gestützt werden kann, auf welche Möglichkeit auch der OGH (in der letztzitierten E SZ 62/201) am Ende ausdrücklich verwiesen hat.
Schließlich versagt auch das Beschwerdeargument, es liege ein im Tarif nicht erfaßter und damit gebührenfreier gemischter Vertrag vor, weil im vorliegenden Fall nicht gesagt werden kann, das beurkundete Rechtsgeschäft wäre ein aus verschiedenen gesetzlich geregelten Vertragstypen zusammengesetzter Vertrag (vgl. Koziol-Welser, Bürgerliches Recht I10, 202). Es handelt sich vielmehr - wie oben schon dargelegt - um einen Kreditvertrag mit zwei verschiedenen Rückzahlungsvarianten.
In der Hauptsache ist sohin dem angefochtenen Bescheid keine Rechtswidrigkeit vorzuwerfen, zumal er ungeachtet der Umsatzsteuerproblematik auch berechtigt war, den gesamten Betrag von S 360.000,-- als Bemessungsgrundlage heranzuziehen, weil § 33 TP 19 Abs. 1 GebG an die vereinbarte Kreditsumme anknüpft, die im vorliegenden Fall den gesamten genannten Betrag ausmacht. In welcher Weise der in der Kreditsumme enthaltene, ausdrücklich als solcher ausgewiesene Umsatzsteuerbetrag vom Kreditnehmer in der Folge zu verwenden war bzw. verwendet wurde ist gebührenrechtlich unmaßgeblich. Dazu kommt, daß z.B. im Zusammenhang mit dem Gebührentatbestand des § 33 TP 5 GebG bereits wiederholt ausgesprochen wurde, daß auch die Umsatzsteuer in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist (vgl. dazu Fellner, a.a.O. 32 B vorletzter Abs. zu § 33 TP 5 GebG). Der Verwaltungsgerichtshof vermag kein Argument zu finden, wieso dies im Falle der Kreditgebühr anders sein sollte. Dem auf den Umsatzsteuer-Befreiungstatbestand gemäß § 6 Z. 8 lit. a UStG gestützten Argument der Beschwerdeführerin ist im vorliegenden Fall mit dem Hinweis auf § 11 Abs. 12 UStG zu begegnen.
Nicht zu folgen ist weiters der Rüge der Beschwerdeführerin, ihr sei keine Gelegenheit geboten worden, gegen die Vertragsurkunde einen Gegenbeweis zu führen. Zu einem solchen Vorgehen bestand im vorliegenden Fall von vornherein kein Anlaß, weil die Vertragsurkunde - wie im übrigen die Beschwerde selbst betont - keinesfalls undeutlich ist.
Hingegen ist die Beschwerde mit ihrer Verfahrensrüge im Recht, wenn sie das Fehlen einer Begründung der getroffenen Ermessensentscheidung, gerade die Beschwerdeführerin als Solidarschuldnerin heranzuziehen, aufzeigt.
Wie auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift selbst ausdrücklich einräumt, darf sich die Behörde im Rahmen der Ermessensübung nicht ohne sachlich gebotene Gründe an jenen von mehreren Solidarschuldnern halten, der gerade nach dem vertraglichen Innenverhältnis die Steuerlast nicht tragen soll (vgl. Fellner a.a.O. 10 W Abs. 4 zu § 28 GebG). Indem die belangte Behörde jegliche Begründung dazu vermissen läßt, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weil jede Ermessensentscheidung soweit zu begründen ist, daß ihre Nachprüfbarkeit sichergestellt ist (vgl. z.B. Stoll, BAO-Kommentar I 212 Abs. 2). Der in der Gegenschrift nachgetragene Versuch einer Begründung des angefochtenen Bescheides vermag diesen nicht mehr zu retten. Nicht unerwähnt soll bleiben, daß der dazu in der Gegenschrift von der belangten Behörde eingenommene Standpunkt nicht geteilt werden kann, weil sich im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben haben, daß die Beschwerdeführerin den für die Gebührenentrichtung erforderlichen Betrag einbehalten hätte.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994160278.X00Im RIS seit
28.01.2002