Entscheidungsdatum
20.06.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W604 2289836-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert PLESCHBERGER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , syrischer Staatsangehöriger, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , GZ. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 11.06.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert PLESCHBERGER über die Beschwerde des römisch 40 , geboren am römisch 40 , syrischer Staatsangehöriger, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , GZ. römisch 40 , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 11.06.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG und § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG und Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes seine niederschriftliche Erstbefragung statt, in welcher er sich antragsbegründend auf den Krieg in Syrien berief, zudem habe man ihm gesagt, dass man in Österreich Asyl bekommen könne. 1. Der Beschwerdeführer stellte am römisch 40 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes seine niederschriftliche Erstbefragung statt, in welcher er sich antragsbegründend auf den Krieg in Syrien berief, zudem habe man ihm gesagt, dass man in Österreich Asyl bekommen könne.
2. Aus Anlass des Antrages auf internationalen Schutz erfolgte am 12.12.2023die Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Der Beschwerdeführer hielt sein Fluchtvorbringen hinsichtlich des Krieges aufrecht und ergänzte eine fluchtbedingende Rekrutierungsgefahr zum syrischen oder kurdischen Militärdienst, er wolle keine Waffen tragen und niemanden töten. Er werde in seiner Heimat aufgrund des Militärdienstes gesucht und sei von seinem Vater zur Ausreise angehalten worden.
3. Mit Stellungnahme vom 19.12.2023, bei der belangten Behörde eingelangt am 20.12.2023, verwies der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertretung wiederholend auf die militärdienstspezifischen Verfolgungsbefürchtungen, im Falle der Rückkehr würde er inhaftiert und als Verräter behandelt. Im Zuge einer über einen vom Regime gehaltenen Grenzübergang erfolgenden Einreise werde er kontrolliert und aufgrund der Ausreise und der Militärdienstverweigerung überprüft, eine sichere Rückkehr könne nicht garantiert werden. Es drohe die Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung aufgrund der illegalen Ausreise, als Rückkehrer und aufgrund der Militärdienstverweigerung, darüber hinaus Folter im Rahmen von Anhaltungen.
4. Mit Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I), erkannte den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu (Spruchpunkt II) und erteilte dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine mit einem Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III). Die mit Spruchpunkt I erfolgte Abweisung der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft machen habe können, eine politische Ideologie oder eine gegen den syrischen Staat gerichtete Überzeugung fand die belangte Behörde nicht vor, .Auf Ebene der Beweiswürdigung verwies sie neben der Möglichkeit des Freikaufes von der Militärdienstverpflichtung auf nicht erfolgte Einberufungsversuche, weshalb „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ davon ausgegangen werden könne, dass dem Beschwerdeführer in dessen Heimatland keine Gefängnisstrafe, Folter oder unmenschliche Behandlung aufgrund einer Wehrdienstverweigerung drohe. Eine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen das syrische Regime oder die Kurden liege nicht vor und habe der Beschwerdeführer auch keine entsprechenden Handlungen gesetzt. 4. Mit Bescheid vom römisch 40 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins), erkannte den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 zu (Spruchpunkt römisch II) und erteilte dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine mit einem Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt römisch III). Die mit Spruchpunkt römisch eins erfolgte Abweisung der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft machen habe können, eine politische Ideologie oder eine gegen den syrischen Staat gerichtete Überzeugung fand die belangte Behörde nicht vor, .Auf Ebene der Beweiswürdigung verwies sie neben der Möglichkeit des Freikaufes von der Militärdienstverpflichtung auf nicht erfolgte Einberufungsversuche, weshalb „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ davon ausgegangen werden könne, dass dem Beschwerdeführer in dessen Heimatland keine Gefängnisstrafe, Folter oder unmenschliche Behandlung aufgrund einer Wehrdienstverweigerung drohe. Eine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen das syrische Regime oder die Kurden liege nicht vor und habe der Beschwerdeführer auch keine entsprechenden Handlungen gesetzt.
5. Gegen die Abweisung der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten in Spruchpunkt I richtet sich die vorliegende und mit Einlangen bei der belangten Behörde am 02.04.2024 erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers. Das Begehren auf Beschwerdestattgebung stützt sich unter gleichzeitiger Darlegung der allgemeinen Länderberichtslage auf inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mangelhafte Beweiswürdigung sowie eine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften, unter einem wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Beschwerdeführer sei von seinem Dorfvorsteher zum Eintritt in den kurdischen Militärdienst aufgefordert worden, in der Folge habe er das Haus nicht mehr verlassen und sei aus Syrien ausgereist. Im Rückkehrfall werde er zum kurdischen „Selbstverteidigungsdienst“ eingezogen oder wegen dessen Verweigerung samt Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung verfolgt, auch drohe Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime. Ein Freikauf von der Militärdienstverpflichtung biete keine Garantie, im Aufgriffsfall stünden Inhaftierung und Folter zu befürchten. Er wolle für keine Partei im syrischen Bürgerkrieg kämpfen, niemanden töten und keine Waffe tragen. Der Beschwerdeführer werde gesucht und drohe aufgrund seiner Militärdienstverweigerung Verfolgung sowohl durch kurdische Kräfte als auch das syrische Regime, auch wegen der illegalen Ausreise, der Asylantragstellung im Ausland und seiner Herkunft gelte er als Oppositioneller und werde ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers sei ohne Kontakt mit dem syrischen Regime nicht sicher und legal erreichbar, der Beschwerdeführer gehöre nicht den begünstigten Personenkreis zum Übertritt über den Grenzübergang Ssemalka an und sei eine Einreise damit nur unter Kontakt zum syrischen Regime möglich. Die belangte Behörde habe ungenügend ermittelt und sich überhaupt mit Länderberichten unzureichend auseinandergesetzt, der Beschwerdeführer erfülle Risikoprofile als tatsächlicher oder vermeintlicher Gegner der syrischen Regierung sowie als Wehrdienstverweigerer.5. Gegen die Abweisung der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten in Spruchpunkt römisch eins richtet sich die vorliegende und mit Einlangen bei der belangten Behörde am 02.04.2024 erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers. Das Begehren auf Beschwerdestattgebung stützt sich unter gleichzeitiger Darlegung der allgemeinen Länderberichtslage auf inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mangelhafte Beweiswürdigung sowie eine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften, unter einem wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Beschwerdeführer sei von seinem Dorfvorsteher zum Eintritt in den kurdischen Militärdienst aufgefordert worden, in der Folge habe er das Haus nicht mehr verlassen und sei aus Syrien ausgereist. Im Rückkehrfall werde er zum kurdischen „Selbstverteidigungsdienst“ eingezogen oder wegen dessen Verweigerung samt Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung verfolgt, auch drohe Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime. Ein Freikauf von der Militärdienstverpflichtung biete keine Garantie, im Aufgriffsfall stünden Inhaftierung und Folter zu befürchten. Er wolle für keine Partei im syrischen Bürgerkrieg kämpfen, niemanden töten und keine Waffe tragen. Der Beschwerdeführer werde gesucht und drohe aufgrund seiner Militärdienstverweigerung Verfolgung sowohl durch kurdische Kräfte als auch das syrische Regime, auch wegen der illegalen Ausreise, der Asylantragstellung im Ausland und seiner Herkunft gelte er als Oppositioneller und werde ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers sei ohne Kontakt mit dem syrischen Regime nicht sicher und legal erreichbar, der Beschwerdeführer gehöre nicht den begünstigten Personenkreis zum Übertritt über den Grenzübergang Ssemalka an und sei eine Einreise damit nur unter Kontakt zum syrischen Regime möglich. Die belangte Behörde habe ungenügend ermittelt und sich überhaupt mit Länderberichten unzureichend auseinandergesetzt, der Beschwerdeführer erfülle Risikoprofile als tatsächlicher oder vermeintlicher Gegner der syrischen Regierung sowie als Wehrdienstverweigerer.
6. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt mit Einlangen im Bundesverwaltungsgericht am 08.04.2024 vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 11.06.2024 unter Anwesenheit sowohl der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers als auch einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, von Seiten der belangten Behörde wurde von einer Teilnahme Abstand genommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer, XXXX , geboren am XXXX , ist syrischer Staatsbürger sunnitisch islamischen Glaubens, arabischer Muttersprache und Volksgruppenzugehörigkeit. Er hat fünf Brüder und vier Schwestern, ist verheiratet und Vater zweier im Jahr 2021 bzw. 2023 geborener Töchter. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht berufstätig. Er hat keine physischen oder psychischen Beschwerden, strafrechtliche Verurteilungen liegen gegen ihn in Österreich nicht vor.1.1.1. Der Beschwerdeführer, römisch 40 , geboren am römisch 40 , ist syrischer Staatsbürger sunnitisch islamischen Glaubens, arabischer Muttersprache und Volksgruppenzugehörigkeit. Er hat fünf Brüder und vier Schwestern, ist verheiratet und Vater zweier im Jahr 2021 bzw. 2023 geborener Töchter. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht berufstätig. Er hat keine physischen oder psychischen Beschwerden, strafrechtliche Verurteilungen liegen gegen ihn in Österreich nicht vor.
1.1.2. Der Beschwerdeführer stammt aus dem Gouvernement Deir Ez-Zor, wo er im östlich des Euphrat am Flussufer gelegenen Dorf XXXX (auch XXXX ) geboren und aufgewachsen ist. Hier hat er den größten Teil seiner über insgesamt acht Jahre verlaufenden Schulbildung absolviert, danach im Alter von etwa vierzehn Jahren in der zunächst von seinem Onkel und ab dem Jahr 2020 von ihm selbst betriebenen Tankstelle gearbeitet und im Kreise seiner Familie gelebt, bis er das Dorf im Jahr 2022 verlassen hat. Mit Ausnahme eines im Libanon aufhältigen Bruders befinden sich seine Eltern und Geschwister wie auch seine Ehefrau und Töchter nach wie vor am Familienwohnsitz in XXXX , die Familie führt an diesem Ort ihre eigene Landwirtschaft samt einer Viehzucht. Die finanzielle Lage der Familie in Syrien war sehr gut, sowohl Eltern und Geschwister als auch Ehefrau und Kinder des Beschwerdeführers werden über die landwirtschaftliche Arbeit versorgt. Zu keinem Zeitpunkt hatte der Beschwerdeführer abgesehen von vorübergehenden Ortswechseln einen ständigen syrischen Wohnsitz außerhalb des Dorfes XXXX .1.1.2. Der Beschwerdeführer stammt aus dem Gouvernement Deir Ez-Zor, wo er im östlich des Euphrat am Flussufer gelegenen Dorf römisch 40 (auch römisch 40 ) geboren und aufgewachsen ist. Hier hat er den größten Teil seiner über insgesamt acht Jahre verlaufenden Schulbildung absolviert, danach im Alter von etwa vierzehn Jahren in der zunächst von seinem Onkel und ab dem Jahr 2020 von ihm selbst betriebenen Tankstelle gearbeitet und im Kreise seiner Familie gelebt, bis er das Dorf im Jahr 2022 verlassen hat. Mit Ausnahme eines im Libanon aufhältigen Bruders befinden sich seine Eltern und Geschwister wie auch seine Ehefrau und Töchter nach wie vor am Familienwohnsitz in römisch 40 , die Familie führt an diesem Ort ihre eigene Landwirtschaft samt einer Viehzucht. Die finanzielle Lage der Familie in Syrien war sehr gut, sowohl Eltern und Geschwister als auch Ehefrau und Kinder des Beschwerdeführers werden über die landwirtschaftliche Arbeit versorgt. Zu keinem Zeitpunkt hatte der Beschwerdeführer abgesehen von vorübergehenden Ortswechseln einen ständigen syrischen Wohnsitz außerhalb des Dorfes römisch 40 .
1.1.3. In der Zeit von Ende September bis Mitte Oktober 2022 reiste der Beschwerdeführer aufgrund des Krieges und zur Vermeidung des Militärdienstes illegal aus Syrien in die Türkei aus, von wo aus er in Richtung Europa aufbrach, um am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich zu stellen.1.1.3. In der Zeit von Ende September bis Mitte Oktober 2022 reiste der Beschwerdeführer aufgrund des Krieges und zur Vermeidung des Militärdienstes illegal aus Syrien in die Türkei aus, von wo aus er in Richtung Europa aufbrach, um am römisch 40 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich zu stellen.
1.1.4. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich als subsidiär Schutzberechtigter.
1.2. Zu den weiteren Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Der Ort XXXX befindet sich unter kurdischer Kontrolle, ebenso die angrenzenden Gebiete in der näheren und großräumigen Umgebung am östlichen Flussufer des Euphrat.1.2.1. Der Ort römisch 40 befindet sich unter kurdischer Kontrolle, ebenso die angrenzenden Gebiete in der näheren und großräumigen Umgebung am östlichen Flussufer des Euphrat.
1.2.2. Der Beschwerdeführer hat in Syrien keinen Militärdienst abgeleistet.
1.2.3. Der Beschwerdeführer hat keine Einberufung zur syrischen Armee erhalten und besitzt kein Militärbuch der syrischen Armee. Er hat keinen Aufschub des Militärdienstes in der syrischen Armee erwirkt und verfügt über keine Befreiung von der Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes in der syrischen Armee.
1.2.4. Ein konkreter Versuch zur Einziehung des Beschwerdeführers zur Ableistung des Militärdienstes von Seiten kurdischer Kräfte hat nicht stattgefunden. Er lehnt die Ableistung des Militärdienstes im Rahmen der kurdischen „Selbstverteidigungspflicht“ aufgrund des Krieges und der damit einhergehenden Gefahren und Handlungen ab. Der Beschwerdeführer hat keine eigene, gegen die kurdische Autonomie in Nordost-Syrien gerichtete politische Überzeugung und ist wie auch seine Familienmitglieder zu keinem Zeitpunkt mit einer solchen sichtbar in Erscheinung getreten. Im Jahr 2011 hat sich der Beschwerdeführer an Blockaden der Straße in der Nähe des Hauses eines Onkels beteiligt, womit in einem Fall ein Protest gegen das syrische Regime und in einem zweiten Fall ein solcher gegen die Anhaltung bestimmter Personen durch kurdische Kräfte verbunden war. Der Beschwerdeführer war aufgrund dieser Protestaktionen in der Folge mit keinen nachteiligen Konsequenzen konfrontiert.
1.2.5. Mehrere Mitglieder des Verwandtschaftsverbandes des Beschwerdeführers sind bei Anschlägen getötet worden, die Verantwortung des IS wird als wahr unterstellt. Im Jahr 2017 kam es zu einer vorübergehenden Schließung der nunmehr im Besitz des Beschwerdeführers stehenden Tankstelle durch den IS und zu einer Anhaltung des Vaters des Beschwerdeführers durch eben diesen, gegen Bezahlung eines Geldbetrages wurde er wieder freigelassen. Zu keinem Zeitpunkt wurde der Beschwerdeführer von Anhängern des IS bedroht, bis zu seiner Ausreise gab es nach diesen Vorfällen keine persönlichen, nachteiligen Berührungspunkte.
1.2.6. Das am Weg vom kurdisch-irakischen und nordost-syrischen Grenzübergang Semalka-Faysh Khabour bis zum Ort XXXX zu durchquerende Gebiet steht unter kurdischer Kontrolle.1.2.6. Das am Weg vom kurdisch-irakischen und nordost-syrischen Grenzübergang Semalka-Faysh Khabour bis zum Ort römisch 40 zu durchquerende Gebiet steht unter kurdischer Kontrolle.
1.3. Zur Situation im Herkunftsland Syrien:
1.3.1. Allgemeine Situation und politische Lage (zuletzt aktualisiert am 08.03.2024):
1.3.1.1. Allgemeines:
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Als die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen.
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden. Das Assad-Regime kontrolliert rund 70% des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen. Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten. Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen.
Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen. Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung. Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen.
Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt. In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten. Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar.
1.3.1.2. Zum Selbstverwaltungsgebiet Nord- und OstSyrien (zuletzt geändert am 08.03.2024):
2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre.
Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für "Westen" (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF). Die von den USA unterstützten SDF sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen, in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist. Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des "Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien" (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben. Im März 2018 übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe. Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa sowie Manbidsch, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES.
Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet 'belohnt' zu werden, ist bisher ausgeblieben. Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an. Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen. Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren. Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung. Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen. Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet. Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei.
Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden. Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht. Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in Kurdisch besiedelten Gebieten, und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen. Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest.
Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen. Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor.
Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP [Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak] nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der PYD, welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht.
Seitdem der Islamische Staat (IS) 2019 die Kontrolle über sein letztes Bevölkerungszentrum verloren hat, greift er mit Guerilla- und Terrortaktiken Sicherheitskräfte und lokale zivile Führungskräfte an. Hauptziele sind Einrichtungen und Kader der SDF sowie der syrischen Armee.
Die Regierung ist in kleinen Teilen der Stadt al-Qamischli und in zahlreichen Dörfern südlich der Stadt sowie in kleinen Teilen der Stadt al-Hasaka stark vertreten. Außerhalb dieser Gebiete ist die Kontrolle der Regierung locker und umstritten. Die Regierung ist daher nicht in der Lage, die Wehrpflicht durchzusetzen oder Oppositionelle zu verhaften. Die Gebiete in und um Manbidsch, Ain Al-Arab, Tal Rifaat und an der türkischen Grenze zeichnen sich zwar durch Präsenz einiger Regierungstruppen aus, die SDF (Syrian Democratic Forces) sind jedoch nach wie vor der Hauptakteur in der Region. Die SDF haben der Regierung lediglich erlaubt, Truppen einzusetzen, um eine mögliche türkische Militäroperation in Nordsyrien zu verhindern. Daher sind die Regierungstruppen zwar präsent, allerdings beschränkt sich diese Präsenz auf die Durchführung von Patrouillen, meist zusammen mit der russischen Militärpolizei. Zurzeit sind die SDF der wichtigste Kontrollakteur, der die Möglichkeit habe, die Lokalbevölkerung zu rekrutieren und zu verhaften.
1.3.1.3. Das Gouvernement Deir Ez-Zor (zuletzt geändert am 08.03.2024):
Dem sogenannten Islamischen Staat (IS) war es nach Kämpfen mit der Nusra-Front und gegnerischen arabischen Stämmen im Juli 2014 gelungen, die Provinz Deir ez-Zor fast vollständig einzunehmen. 2017 führte die syrische Armee mit Unterstützung Russlands und Irans größere Militäroperationen durch, die zur Rückeroberung der Stadt Deir ez-Zor führten. Bis Ende 2017 verlor der IS den größten Teil seines Territoriums auf der Westseite des Euphrat. Auf der östlichen Seite des Flusses waren die Syrian Democratic Forces (SDF) bis Anfang 2019 in heftige Kämpfe mit dem IS verwickelt. Der IS kontrollierte damals noch ein kleines Stück Land nahe der syrisch-irakischen Grenze. Im März 2019 wurde das letzte vom IS gehaltene Gebiet, das Dorf Baghouz, von den SDF eingenommen.
Das Gouvernement Deir ez-Zor ist grob in zwei Kontrollbereiche unterteilt. Der westliche Teil des Gouvernements - d.h. vor allem die Gebiete westlich des Euphrat - wird von der syrischen Regierung und ihren iranischen und russischen Verbündeten kontrolliert. Dieses Gebiet umfasst die wichtigsten Städte (Deir Ez-Zor, Mayadin und Al-Bukamal) und die logistische Route, die die von der Regierung kontrollierten Gebiete mit der syrisch-irakischen Grenze verbindet. Der östliche Teil des Gouvernements - die meisten Gebiete östlich des Euphrat - wird von den kurdisch dominierten SDF und ihren Verbündeten in der US-geführten Koalition kontrolliert. Da die SDF ihre Einflusssphären in der Region von der östlichen Seite her bis zum Euphrat ausdehnten, ist das al-Omar-Feld nun als die größte US-Militärbasis in Syrien bekannt. Das Feld im Osten von Deir ez-Zor ist das größte Ölfeld in Syrien.
Der Euphrat markierte bisher die Grenze zwischen dem russischen und dem US-Einflussgebiet im Bürgerkriegsland Syrien. Westlich des Flusses besitzt Russland die Lufthoheit und unterstützt mit seinen Kampfjets die eigenen Truppen in Syrien und die Armee von Machthaber Bashar al-Assad. Östlich des Stroms herrschten bisher die USA und ihre kurdischen Partner. Doch diese Abmachung bröckelt, weil Russland den militärischen Druck auf die USA in Syrien erhöht, um die Amerikaner aus dem Land zu drängen. Washington schickte aus diesem Grund Mitte 2023 zusätzliche Kampfflugzeuge.
Im August 2023 brachen gewaltsame Konflikte zwischen den kurdisch geführten SDF und arabischen Stämmen in Deir ez-Zor aus. Auslöser war die Verhaftung eines arabischen Stammesführers durch die SDF und sind Ausdruck von jahrelangem Unmut gegenüber dem System der SDF. Nicht alle Stämme beteiligten sich an den Kampfhandlungen, einige stellten sich auf die Seite der SDF. Berichte über willkürliche Gewalt der SDF und steigende zivile Opferzahlen führten zur erhöhten Mobilisierung von Stammeskämpfern. Zeitweise war es den Aufständischen gelungen, die Kontrolle über Ortschaften entlang des Euphrat zu erlangen. Mittte September 2023 wurden die Todesopfer mit 96 Toten und 106 Verletzten sowie ca. 6.500 vertriebenen Familien beziffert. Ende September erreichten die gewaltsamen Zusammenstöße erneut einen Höhepunkt durch mehrere Angriffe durch die arabischen Stämme. Den SDF gelang es, alle Räume zurückzuerobern, die von den arabischen Stämmen erobert worden waren. Letztere führten im Oktober weiterhin Angriffe auf Stellungen der SDF aus. Diese Angriffe dauerten auch im November 2023 weiter an. Mit Dezember 2023 flauten die Auseinandersetzungen zunehmend ab, die Stämme führten aber weiterhin kleinere Angriffe durch. Im Jänner 2024 führten die Stammeskämpfer weiterhin Angriffe gegen die SDF durch, es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, Ausgangssperren und Verhaftungswellen. Die Kampfhandlungen in Deir ez-Zor veranlassten auch Stämme, die der von der Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) nahe stehen, in Manbij in der Provinz Aleppo gegen die SDF zu kämpfen und es gelang ihnen, mehrere militärische Stellungen unter ihre Kontrolle zu bringen. Russische Luftangriffe und Artilleriebeschuss durch die syrische Armee und die SDF zwangen diese Stammeskämpfer allerdings wieder zum Rückzug.
Das Gebiet von Deir ez-Zor galt im Jahr 2019 als Kerngebiet der IS-Aktivität in Syrien, vor allem die Gebiete im Süden von Bosaira in Richtung Diban. Der IS konnte im Jahr 2020 seinen Aufstand und seine klandestinen Operationen geringer Intensität in Zentralsyrien ausweiten und hat im ganzen Land Hochburgen und Zufluchtsorte errichtet, auch in der ostsyrischen Wüste und im von den SDF kontrollierten Teil von Deir ez-Zor. Die IS-Bewegung hat vor allem in der Wüstenregion Badia entlang der syrisch-irakischen Grenze im Jahr 2022 wieder zugenommen, was Experten zu Folge zu weiteren IS-Angriffen im Nordosten Syriens führen könnte. Der IS bedroht nach wie vor fast alle Parteien in Syrien. Die Spannungen zwischen den verschiedenen Fraktionen im syrischen Konflikt und das fragile Sicherheitsumfeld haben es dem IS ermöglicht, zu wachsen und sich durch die verschiedenen Kontrollgebiete zu bewegen. Die Wüste ist gebirgig und dünn besiedelt, und es hat keine systematische, anhaltende Militär- und Sicherheitskampagne gegeben, um die Kämpfer aufzuspüren und aus diesen unmöglich zu kontrollierenden Gebieten zu vertreiben. Das Tal des mittleren Euphrat und die Wüstengebiete im Gouvernement Deir ez-Zor werden als IS-Unterstützungsgebiet beschrieben, das seine Mitglieder nutzen können, um Sicherheitsoperationen zu umgehen und Waffen, Ausrüstung und Personal über die syrisch-irakische Grenze zu bringen. Für den Zeitraum Juli bis September 2022 sind z. B. eine Reihe von sicherheitsrelevanten Vorfällen mit dem IS im Gouvernement Deir ez-Zor verzeichnet. Der IS nutzt die Gebiete in der syrischen Wüste im Gouvernement Deir ez-Zor als sicheren Zufluchtsort und als Basis für Angriffe auf die Streitkräfte der Regierung und die SDF sowie auf iranische Milizen und russische Streitkräfte. Auch wurde von Angriffen auf Arbeiter der Ölfelder in Deir ez-Zor berichtet. Die Sicherheitslage in Deir ez-Zor wird demnach durch Angriffe des IS gegen Regierungstruppen beeinträchtigt sowie auch durch Angriffe des IS auf die SDF bzw. durch Operationen der SDF gegen den IS, z.T. unter Beteiligung von US-Streitkräften. Im April und Mai 2021 kam es in Deir ez-Zor zu zahlreichen Tötungen, die häufig auf IS-Aktivitäten zurückgeführt wurden. Auch 2023 wurde von Angriffen auf Zivilisten, Trüffelsuchende und Schafhirten in der syrischen Wüste, insbesondere in den Provinzen Deir ez-Zor und Homs berichtet. Die SDF führten mehrere Razzien gegen den IS durch, die sich sowohl auf das nördliche und nordöstliche als auch auf das östliche und nordwestliche Umland von Deir ez-Zor konzentrierten. Der Osten des Gouvernements gilt als das Gebiet, in dem die Autorität der SDF am schwächsten ist. Trotz der laufenden Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung hat der IS im Nordosten Syriens an Stärke gewonnen und seine Aktivitäten im Gebiet der SDF intensiviert. Im Jahr 2023 haben die Aktivitäten von Schläferzellen des IS vor allem in der östlichen Wüste zugenommen. Insgesamt nahmen die Aktivitäten des IS im Jahr 2023 im Vergleich zu den Vorjahren aber ab.
Der IS hat großteils darauf verzichtet, die Verantwortung für seine Angriffe zu übernehmen und widersprüchliche Berichte erschweren die Verifizierung von IS-Aktivitäten. Dass der IS nach wie vor eine Bedrohung darstellt und darüber hinaus auch die Gefahr besteht, dass er nun besser in der Lage sein könnte, größere Operationen durchzuführen oder die Dynamik seiner Angriffe zu erhöhen, zeigt sich auch in Zusammenhang mit dem Sina'a-Anschlag vom Januar 2022. Als Reaktion auf einen Angriff durch eine Drohne iranischer Machart mit einem Toten auf einen US-Stützpunkt in Hassakah führten US-Streitkräfte im März 2023 mehrere Gegenschläge auf Stellungen pro-iranischer Gruppen in den Städten Deir ez-Zor, Abu Kamal und Majadin in der Provinz Deir ez-Zor durch.
1.3.2. Zur allgemeinen Sicherheitslage in Syrien (zuletzt aktualisiert am 08.03.2024):
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen. Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden. Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60% des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens.
Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen. Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden. Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind. Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte, Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen. Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen. Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA, mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden. Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen. Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen.
Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus. Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben. Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind im Land in den bewaffneten Konflikt involviert. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Irans unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah. Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“. Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. Auch in Landesteilen, in denen Kampfhandlungen mittlerweile abgenommen haben, besteht nach Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts weiterhin ein hohes Risiko, Opfer von Gewalt und Übergriffen zu werden.
Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen:
1.3.2.1. Sicherheitslage in Nordsyrien und Kooperation der kurdischen Autonomie mit dem syrischen Regime (zuletzt aktualisiert am 08.03.2024):
Die syrische Armee von Präsident Bashar al-Assad ist nach einer Einigung mit den SDF am 14.10.2019 in mehrere Grenzstädte eingerückt, um sich der "türkischen Aggression" entgegenzustellen, wie Staatsmedien berichteten. Laut der Vereinbarung übernahmen die Einheiten der syrischen Regierung in einigen Grenzstädten die Sicherheitsfunktionen, die Administration soll aber weiterhin in kurdischer Hand sein. Seitdem verblieben die Machtverhältnisse [mit Stand April 2023] weitgehend unverändert. Die syrischen Regierungstruppen üben im Gebiet punktuell Macht aus, etwa mit Übergängen zwischen einzelnen Stadtvierteln (z. B. Stadt Qamischli im Gouvernement Al-Hassakah). Nach Vereinbarungen zwischen der Türkei, den USA und Russland richtete die Türkei eine "Sicherheitszone" in dem Gebiet zwischen Tall Abyad und Ra's al-?Ayn ein, die 120 Kilometer lang und bis zu 14 Kilometer breit ist.
Die sehr komplexe Gemengelage an (bewaffneten) Akteuren, u. a. YPG und Türkei-nahe Rebellengruppen, die sich auch untereinander bekämpfen, führt zu einer sehr konfliktgeladenen Situation in der Provinz Aleppo und vor allem in deren nördlichem Teil. Erdo?an hat wiederholt angekündigt, einen 30 Kilometer breiten Streifen an der syrischen Grenze vollständig einzunehmen, um eine sogenannte Sicherheitszone auf der syrischen Seite der Grenze zu errichten, unter anderem, um dort syrische Flüchtlinge und Vertriebene, sowohl sunnitische Araber als auch Turkmenen, anzusiedeln. Dieser Prozess ist in Afrîn, al-Bab und Ra's al-'Ayn bereits im Gange. Zuletzt konzentrierte die türkische Regierung ihre Drohungen auf die Region um Kobanê und Manbidsch - also die westlichen Selbstverwaltungsgebiete. Damit kann eine Verbindung zwischen