Entscheidungsdatum
20.06.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W605 2273892-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Julia LUDWIG über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. XXXX 2009, StA. Syrien, gesetzlich vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Baden, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX 2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Julia LUDWIG über die Beschwerde des minderjährigen römisch 40 , geb. römisch 40 2009, StA. Syrien, gesetzlich vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Baden, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am römisch 40 2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein minderjähriger unbegleiteter syrischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Am XXXX 2022 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz.Der Beschwerdeführer, ein minderjähriger unbegleiteter syrischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Am römisch 40 2022 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.1. Bei seiner Erstbefragung am XXXX 2022 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch und eines Rechtsberaters an, dass er syrischer Staatsangehöriger und Moslem sei. Er gehöre der Volksgruppe der Araber an und seine Muttersprache sei Arabisch. Es sei in Raqqa (=Al Raqqa=Ar Raqqa; im Folgenden : „Raqqa“ genannt) geboren und sei 13 Jahre alt.1.1. Bei seiner Erstbefragung am römisch 40 2022 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch und eines Rechtsberaters an, dass er syrischer Staatsangehöriger und Moslem sei. Er gehöre der Volksgruppe der Araber an und seine Muttersprache sei Arabisch. Es sei in Raqqa (=Al Raqqa=Ar Raqqa; im Folgenden : „Raqqa“ genannt) geboren und sei 13 Jahre alt.
Mitte August 2022 habe seine Mutter den Entschluss gefasst, dass er Syrien verlassen solle. Sein Onkel mütterlicherseits hätte mitgeteilt, dass einer seiner Freunde Syrien verlassen würde, und dieser habe ihn mitnehmen können. Das Zielland sei Österreich gewesen. Seine Mutter und seine Zwillingsschwester würden nach wie vor in Syrien leben.
Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass viele Kinder entführt würden. Man habe auch versucht ihn zu entführen. Ein Mann hätte ihm etwas Schwarzes über den Kopf gezogen. Die Bewohner der Gegend hätten angefangen zu schreien, worauf die Entführer ihn frei gelassen hätten und davongelaufen wären. Außerdem würden in Raqqa viele Menschen umgebracht werden und es würden viele Autobomben explodieren. Es gäbe viele Diebstähle und Raub. Er würde gerne seine Mutter und Schwester nach Österreich bringen, weil sie in Syrien alleine wären.
1.2. Am XXXX 2023 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „BFA“ oder „belangte Behörde“), Regionaldirektion XXXX , im Beisein einer Vertrauensperson, einer rechtlichen Vertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch einvernommen. Befragt, gab der Beschwerdeführer an, seine Mutter und seine Zwillingsschwester würden in seinem Heimatort leben. Sein Vater, dessen zweite Frau und vier seiner Halbgeschwister würden in Norwegen leben. Zwei weitere Halbgeschwister seien verheiratet und würden in Syrien leben. Er habe vier Onkel und vier Tanten väterlicherseits (eine sei schon verstorben), mit denen er kaum Kontakt habe und vier Onkel und fünf Tanten mütterlicherseits, ein Onkel lebe in Österreich, ein anderer Onkel in Deutschland.1.2. Am römisch 40 2023 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „BFA“ oder „belangte Behörde“), Regionaldirektion römisch 40 , im Beisein einer Vertrauensperson, einer rechtlichen Vertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch einvernommen. Befragt, gab der Beschwerdeführer an, seine Mutter und seine Zwillingsschwester würden in seinem Heimatort leben. Sein Vater, dessen zweite Frau und vier seiner Halbgeschwister würden in Norwegen leben. Zwei weitere Halbgeschwister seien verheiratet und würden in Syrien leben. Er habe vier Onkel und vier Tanten väterlicherseits (eine sei schon verstorben), mit denen er kaum Kontakt habe und vier Onkel und fünf Tanten mütterlicherseits, ein Onkel lebe in Österreich, ein anderer Onkel in Deutschland.
Er habe zwei Jahre mit einer Privatlehrerin zu Hause gelernt, danach seien seine Mutter, seine Halbschwester und er nach Hamah (=Hama) umgezogen, wo er die dritte bis zur sechsten Klasse in einer Schule besucht habe.
Zu seinen Lebensumständen befragt, sagt der Beschwerdeführer, dass sich seine Familie genug zu essen und Kleidung leisten hätte können. Sie seien wegen dem Krieg und wegen der Schule von Raqqa nach Hamah gezogen. Nach zwei bis drei Jahren seien sie nach Raqqa zurückgekehrt.
Zu seinen Fluchtgründen befragt warum er Syrien verlassen habe, sagte der Beschwerdeführer aus, dass eine kurdische Partei namens „Demokratisches Syrien“ (YPG) die Kontrolle über Raqqa habe und dass es Zwangsrekrutierungen von sehr jungen Menschen gäbe, wenn es zu Kämpfen komme. Der fluchtauslösende Moment sei gewesen, dass er beinahe entführt worden. Man hätte ihm einen schwarzen Sack über den Kopf gestülpt und hätte ihn in ein Auto zerren wollen. Passanten seien aufmerksam geworden und hätten geschrien. Die Entführer hätten Angst bekommen, hätten die Flucht ergriffen, bevor sie ihn in das Auto hineingezerrt hätten können. Er hätte außerdem Angst irgendwann zwangsrekrutiert zu werden.
Seine Mutter hätte ihm vorgeschlagen, nach Europa zu gehen, damit er eine Zukunft habe und er sei mit einem Geschäftspartner seines Onkels nach Europa gekommen.
Im Zuge der Einvernahme vor dem BFA legte der Beschwerdeführer eine Kopie eines Auszuges aus dem syrischen Familienbuch, Reisepässe der Mutter, des Vaters, der Schwester und des Beschwerdeführers selbst sowie eine Schulbesuchsbestätigung vor.
Dem Beschwerdeführer wurde ein Bild von XXXX gezeigt und der Beschwerdeführer hat bestätigt, dass es sich um seinen Onkel handle. Dem Beschwerdeführer wurde ein Bild von römisch 40 gezeigt und der Beschwerdeführer hat bestätigt, dass es sich um seinen Onkel handle.
1.3. Mit dem nunmehr vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheid vom XXXX 2023 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Mit den weiteren (nicht bekämpften) Spruchpunkten II. und III. dieses Bescheides wurde des Beschwerdeführer der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt.1.3. Mit dem nunmehr vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheid vom römisch 40 2023 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.). Mit den weiteren (nicht bekämpften) Spruchpunkten römisch II. und römisch III. dieses Bescheides wurde des Beschwerdeführer der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG erteilt.
Die belangte Behörde führte begründend insbesondere aus, dass nicht festgestellt hätte werden können, dass der Beschwerdeführer in Syrien einer begründeten Furcht vor asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. einer solchen dort gegenwärtig ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer hätte Syrien wegen der damals vorherrschenden Bürgerkriegssituation sowie der schlechten Sicherheitslage, deren der er beinahe Opfer geworden wäre, verlassen. Individuelle Verfolgungsgründe zu seiner Person, hätte er nicht glaubhaft gemacht. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Syrien keinen konkreten seine Person betreffenden Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei und in Zukunft keine solche zu befürchten sei.
Der Beschwerdeführer sei 14 Jahre alt, demnach noch nicht im wehrpflichtigen Alter und sei in Syrien keiner individuellen Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt.
Dem Beschwerdeführer drohe aufgrund seiner Ausreise, seiner Asylantragsstellung in Österreich oder anderen Umständen, die sich außerhalb seines Herkunftsstaates ereignet haben, keine Verfolgung.
1.4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer mit am XXXX 2023 eingelangtem Schreiben fristgerecht Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG. In der Beschwerde wurde soweit verfahrensrelevant vorgebracht, dass der Beschwerdeführer einer aktuellen, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vorliegenden massiven Bedrohung in Syrien, insbesondere seitens radikaler Gruppierungen oder der kurdischen Miliz, ausgesetzt sei. Es würden Minderjährige entführt und zwangsrekrutriert werden. Der Beschwerdeführer sei, bei einer Rückkehr nach Syrien, einem erheblichen Risiko ausgesetzt ins Visier der YPG oder anderer vor Ort aktiven Gruppierungen zu geraten und Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sein. Er sei selbst einer versuchten Entführung seiner Person ausgesetzt gewesen. Der Beschwerdeführer sei daher, bei einer Rückkehr, besonders der Gefahr ausgesetzt ins Visier der YPG, die aktuell seine Heimat kontrolliert, zu geraten.1.4. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer mit am römisch 40 2023 eingelangtem Schreiben fristgerecht Beschwerde gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG. In der Beschwerde wurde soweit verfahrensrelevant vorgebracht, dass der Beschwerdeführer einer aktuellen, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vorliegenden massiven Bedrohung in Syrien, insbesondere seitens radikaler Gruppierungen oder der kurdischen Miliz, ausgesetzt sei. Es würden Minderjährige entführt und zwangsrekrutriert werden. Der Beschwerdeführer sei, bei einer Rückkehr nach Syrien, einem erheblichen Risiko ausgesetzt ins Visier der YPG oder anderer vor Ort aktiven Gruppierungen zu geraten und Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sein. Er sei selbst einer versuchten Entführung seiner Person ausgesetzt gewesen. Der Beschwerdeführer sei daher, bei einer Rückkehr, besonders der Gefahr ausgesetzt ins Visier der YPG, die aktuell seine Heimat kontrolliert, zu geraten.
Weiters wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer, aufgrund seiner Ausreise und seiner Asylantragsstellung und der damit verbundenen unterstellten oppositionellen Haltung, im Heimatland einer großen Gefahr ausgesetzt sei verfolgt und inhaftiert zu werden.
1.5. Am XXXX 2024 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer, im Beisein seiner Rechtsvertretung, einer Vertreterin der BH Baden-Fachgebiet Rechtsvertretung Minderjähriger, sowie im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch teilnahm. Der Beschwerdeführer wurde von der erkennenden Richterin zu seinem Antrag und seiner Beschwerde einvernommen und hatte Gelegenheit den Sachverhalt umfassend darzulegen. Er sei in Raqqa geboren und habe mit seiner Mutter und Zwillingsschwester dort in einer Wohnung gewohnt. Als der Krieg in Raqqa begonnen habe, sei er mit seiner Mutter und seiner Zwillingsschwester nach Hamah gezogen, wo er die dritte bis zur sechsten Schulklasse in einer Schule besucht habe. Nachdem sich die Situation beruhigt habe, seien sie zurück nach Raqqa gezogen, weil sie in Hamah kein Einkommen gehabt hätten. In Raqqa hätte er keine Schule besuchen können, weil es dort keine Schule gäbe. Der Halbbruder des Beschwerdeführers hätte sie finanziell unterstützt. Nachdem der Beschwerdeführer beinahe entführt worden wäre, hätte der Onkel den Entschluss gefasst ihn nach Österreich zu schicken. Der Freund des Onkels hätte ihn in die Türkei mitgenommen und ihn bis nach Serbien begleitet, danach sei er in einer Gruppe weitergereist.1.5. Am römisch 40 2024 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer, im Beisein seiner Rechtsvertretung, einer Vertreterin der BH Baden-Fachgebiet Rechtsvertretung Minderjähriger, sowie im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch teilnahm. Der Beschwerdeführer wurde von der erkennenden Richterin zu seinem Antrag und seiner Beschwerde einvernommen und hatte Gelegenheit den Sachverhalt umfassend darzulegen. Er sei in Raqqa geboren und habe mit seiner Mutter und Zwillingsschwester dort in einer Wohnung gewohnt. Als der Krieg in Raqqa begonnen habe, sei er mit seiner Mutter und seiner Zwillingsschwester nach Hamah gezogen, wo er die dritte bis zur sechsten Schulklasse in einer Schule besucht habe. Nachdem sich die Situation beruhigt habe, seien sie zurück nach Raqqa gezogen, weil sie in Hamah kein Einkommen gehabt hätten. In Raqqa hätte er keine Schule besuchen können, weil es dort keine Schule gäbe. Der Halbbruder des Beschwerdeführers hätte sie finanziell unterstützt. Nachdem der Beschwerdeführer beinahe entführt worden wäre, hätte der Onkel den Entschluss gefasst ihn nach Österreich zu schicken. Der Freund des Onkels hätte ihn in die Türkei mitgenommen und ihn bis nach Serbien begleitet, danach sei er in einer Gruppe weitergereist.
Raqqa sei noch immer unter kurdische Kontrolle und es würden sehr junge Kinder zwangsrekrutiert. Es würden junge Männer ab dem Alter von 15 Jahren rekrutiert werden. Sie würden nicht an die Front geschickt, aber an Kontrollposten aufgestellt werden. Er habe auch Angst bei einer Rückreise in das Gefängnis Seddnaya eingesperrt zu werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.2. Zum Beschwerdeführer:
Der minderjährige Beschwerdeführer trägt den im Spruch genannten Namen, ist syrischer Staatsangehöriger.. Zum Zeitpunkt der Entscheidung ist der Beschwerdeführer 15 Jahre alt. Er gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islams. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt Raqqa, aus der gleichnamigen Provinz in Syrien und ist dort aufgewachsen und die meiste Zeit dort gelebt. Er hat die stärksten familiären, sozialen und emotionalen Bindungen in Raqqa. Raqqa ist seine Heimatregion. Der Beschwerdeführer wurde in Raqqa privat unterrichtet, in Hamah besuchte er die drei Jahre Grundschule.
Die Provinz Raqqa bzw. der gleichnamige Herkunftsort des Beschwerdeführers befindet sich unter kurdischer Kontrolle.
Auf Anraten seines Onkels mütterlicherseits und mit Einwilligung seiner Mutter, verließ der Beschwerdeführer Syrien mit einen Freund seines Onkels über die Türkei bis nach Österreich, wo er einen asylberechtigten Onkel hat.
Zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Syrien war der Beschwerdeführer 13 Jahre.
Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2022 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.Der Beschwerdeführer stellte am römisch 40 2022 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des BFA vom XXXX 2023 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Mit Bescheid des BFA vom römisch 40 2023 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Der Beschwerdeführer ist gesund und es bestehen keine lebensbedrohlichen Erkrankungen.
Die Provinz Raqqa bzw. der gleichnamige Herkunftsort des Beschwerdeführers befindet sich unter kurdischer Kontrolle.
Der unbescholtene Beschwerdeführer lebt in Österreich in einer Minderjährigenunterkunft des Landes Niederösterreich, besucht eine Schule und ist unbescholten. Er hat aufgrund von Problemen in der ersten Schule, Schule gewechselt, wodurch er auch seinen Bekanntenkreis geändert hat.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der zum Zeitpunkt seines Verlassens seines Herkunftsortes 13-Jährige BF hat in Syrien vor seinem Verlassen keinen Einberufungsbefehl erhalten, er brachte kein Militärbuch in Vorlage und ist keiner, bzw. jedenfalls keiner glaubhaften (Zwangs-) Rekrutierung weder durch das syrische Regime, noch durch kurdische Milzen ausgesetzt gewesen.
Der Beschwerdeführer hat keine konkreten Rekrutierungsversuche oder sonstige ihn unmittelbar konkret asylrelevant betreffende Bedrohungen oder sonstige asylrelevanten Vorfälle (glaubhaft) darlegen können.
Der gegenwärtige 15-jährige Beschwerdeführer befindet sich auch aktuell weiterhin nicht im wehrpflichtigen Alter. Das Bestehen einer ihn unmittelbar konkret aus asylrelevanten Gründen persönlich betreffenden Gefährdung einer Zwangsrekrutierung als Minderjähriger weder durch die kurdischen Milizen, noch durch das syrische Regimemilitär hat der Beschwerdeführer zum gegenwärtigen Zeitpunkt an seinem Herkunftsort insgesamt nicht ausreichend glaubhaft aufzeigen und darlegen können. Im Falle seiner Rückkehr müsste der – zum Zeitpunkt der Entscheidung 15 Jahre alte – Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht damit rechnen vom kurdischen Militär oder anderen Kriegsparteien zwangsrekrutiert zu werden. Für den Beschwerdeführer besteht auch aktuell auch keine Gefahr zum Wehrdienst des syrischen Regimes einberufen zu werden.
Weder war der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat einer individuellen gegen ihn gerichteten Verfolgung durch eine der Kriegsparteien ausgesetzt, noch wäre er im Falle seiner Rückkehr nach Syrien einer solchen ausgesetzt.
Hinsichtlich der Ableistung eines Wehrdienstes bei den kurdischen Milizen, dies aus nach einer allfälligen Zwangsrekrutierung durch die kurdische SDF, liegt aktuell als auch zukünftig als Volljähriger insgesamt keine Asylrelevanz vor. Der BF hat nicht glaubhaft machen können, dass dieser die Ableistung eines Wehrdienstes bei den kurdischen Milizen tatsächlich verweigern würde, im Zuge der Ableistung eines Militärdienstes bei den kurdischen Milizen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit völkerrechtswidrige Handlungen vornehmen müsste, als auch der BF es nicht glaubhaft machen konnte, dass dieser im Falle einer Verweigerung des Militärdienstes bei den kurdischen Milizen einer asylrelevanten Bestrafung ausgesetzt wäre.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer wegen einer (ihm unterstellten) oppositionellen politischen Gesinnung eine Gefahr seitens des syrischen Regimes drohen würde, insbesondere auch nicht wegen seiner illegalen Ausreise, seiner Asylantragstellung in Österreich oder seiner Herkunft aus einem oppositionell kontrolliertem Gebiet.
Im Falle einer Rückkehr droht dem Beschwerdeführer auch keine Verfolgung aufgrund seiner Eigenschaft als Familienangehöriger.
Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung auf Grund der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation aus Syrien, Version 11, vom 27.03.2024:
„POLITISCHE LAGE
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).
Institutionen und Wahlen
Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).
Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vgl. Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Artikel 85, vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vergleiche Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).
Das Parlament hat nicht viel Macht. Dekrete werden meist von Ministern und Ministerinnen vorgelegt, um ohne Änderungen vom Parlament genehmigt zu werden. Sitze im Parlament oder im Kabinett dienen nicht dazu, einzelne Machtgruppen in die Entscheidungsfindung einzubinden, sondern dazu, sie durch die Vorteile, die ihnen ihre Positionen verschaffen, zu kooptieren (BS 23.2.2022). Im Juli 2020 fanden die Wahlen für das "Volksrat" genannte syrische Parlament mit 250 Sitzen statt, allerdings nur in Gebieten, in denen das Regime präsent ist. Auch diese Wahlen wurden durch die weitverbreitete Vertreibung der Bevölkerung beeinträchtigt. Bei den Wahlen gab es keinen nennenswerten Wettbewerb, da die im Exil lebenden Oppositionsgruppen nicht teilnahmen und die Behörden keine unabhängigen politischen Aktivitäten in dem von ihnen kontrollierten Gebiet dulden. Die regierende Ba'ath-Partei und ihre Koalition der Nationalen Progressiven Front erhielten 183 Sitze. Die restlichen 67 Sitze gingen an unabhängige Kandidaten, die jedoch alle als regierungstreu galten (FH 9.3.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 33,7 Prozent (BS 23.2.2022). Es gab Vorwürfe des Betrugs, der Wahlfälschung und der politischen Einflussnahme. Kandidaten wurden in letzter Minute von den Wahllisten gestrichen und durch vom Regime bevorzugte Kandidaten ersetzt, darunter Kriegsprofiteure, Warlords und Schmuggler, welche das Regime im Zuge des Konflikts unterstützten (WP 22.7.2020).
Der Wahlprozess soll so strukturiert sein, dass eine Manipulation des Regimes möglich ist. Syrische Bürger können überall innerhalb der vom Regime kontrollierten Gebiete wählen, und es gibt keine Liste der registrierten Wähler in den Wahllokalen und somit keinen Mechanismus zur Überprüfung, ob Personen an verschiedenen Wahllokalen mehrfach gewählt haben. Aufgrund der Vorschriften bei Reihungen auf Wahllisten sind alternative Kandidaten standardmäßig nur ein Zusatz zu den Kandidaten der Ba'ath-Partei (MEI 24.7.2020). Die vom Regime und den Nachrichtendiensten vorgenommene Reihung auf der Liste ist damit wichtiger als die Unterstützung durch die Bevölkerung oder Stimmen. Wahlen in Syrien dienen nicht dem Finden von Entscheidungsträgern, sondern der Aufrechterhaltung der Fassade von demokratischen Prozessen durch den Staat nach Außen. Sie fungieren als Möglichkeit, relevante Personen in Syrien quasi zu managen und Loyalisten dazu zu zwingen, ihre Hingabe zum Regime zu demonstrieren (BS 23.2.2022). Zudem gilt der Verkauf öffentlicher Ämter an reiche Personen, im Verbund mit entsprechend gefälschten Wahlergebnissen, als zunehmend wichtige Devisenquelle für das syrische Regime (AA 29.3.2023). Entscheidungen werden von den Sicherheitsdiensten oder dem Präsidenten auf Basis ihrer Notwendigkeiten getroffen - nicht durch gewählte Personen (BS 23.2.2022).
Im September 2022 fanden in allen [unter Kontrolle des syrischen Regimes stehenden] Provinzen Wahlen für die Lokalräte statt. Nichtregierungsorganisationen bezeichneten sie ebenfalls als weder frei noch fair (USDOS 20.3.2023).
Syrische Interimsregierung und syrische Heilsregierung
Im März 2013 gab die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte als höchste offizielle Oppositionsbehörde die Bildung der syrischen Interimsregierung (Syrian Interim Government, SIG) bekannt, welche die Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes im ganzen Land verwalten soll. Im Laufe der Zeit schrumpften die der Opposition angehörenden Gebiete jedoch, insbesondere nach den Vereinbarungen von 2018, die dazu führten, dass Damaskus die Kontrolle über den Süden Syriens und die Oppositionsgebiete im Süden von Damaskus und im Umland übernahm. Der Einfluss der SIG ist nun auf die von der Türkei unterstützten Gebiete im Norden Aleppos beschränkt (SD 18.3.2023). Formell erstreckt sich ihr Zuständigkeitsbereich auch auf die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrollierte Zone. Dort wurde sie von der HTS jedoch an den Rand gedrängt (Brookings 27.1.2023). Die von der HTS kontrollierten Gebiete in Idlib und Teile der Provinzen Aleppo und Latakia werden inzwischen von der syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government, SSG), dem zivilen Flügel der HTS, regiert (SD 18.3.2023).
Nicht-staatliche Akteure in Nordsyrien haben systematisch daran gearbeitet, sich selbst mit Attributen der Staatlichkeit auszustatten. Sie haben sich von aufständischen bewaffneten Gruppen in Regierungsbehörden verwandelt. In Gebieten, die von der HTS, einer sunnitischen islamistischen politischen und militärischen Organisation, kontrolliert werden, und in Gebieten, die nominell unter der Kontrolle der SIG stehen, haben bewaffnete Gruppen und die ihnen angeschlossenen politischen Flügel den institutionellen Rahmen eines vollwertigen Staates mit ausgefeilten Regierungsstrukturen wie Präsidenten, Kabinetten, Ministerien, Regulierungsbehörden, Exekutivorganen usw. übernommen (Brookings 27.1.2023).
Die nordwestliche Ecke der Provinz Idlib, an der Grenze zur Türkei, ist die letzte Enklave der traditionellen Opposition gegen Assads Herrschaft. Sie beherbergt Dutzende von hauptsächlich islamischen bewaffneten Gruppen, von denen die HTS die dominanteste ist (MEI 26.4.2022). Mit der im November 2017 gegründeten (NPA 4.5.2023) syrischen Heilsregierung hat die HTS ihre Möglichkeiten zur Regulierung, Besteuerung und Bereitstellung begrenzter Dienstleistungen für die Zivilbevölkerung erweitert. Doch wie jüngste Studien gezeigt haben, sind diese Institutionen Mechanismen, die hochrangige Persönlichkeiten innerhalb der herrschenden Koalitionen ermächtigen und bereichern (Brookings 27.1.2023). In dem Gebiet werden keine organisierten Wahlen abgehalten und die dortigen Lokalräte werden von bewaffneten Gruppen beherrscht oder von diesen umgangen. Die HTS versucht in Idlib, eine autoritäre Ordnung mit einer islamistischen Agenda durchzusetzen. Obwohl die Mehrheit der Menschen in Idlib sunnitische Muslime sind, ist HTS nicht beliebt. Die von der HTS propagierten religiösen Dogmen sind nur ein Aspekt, der den Bürgerinnen und Bürgern missfällt. Zu den anderen Aspekten gehören der Mangel an grundlegenden Dienstleistungen, willkürliche Verhaftungen, Gewalt und Missbrauch (BS 23.2.2022).
In den von der Türkei besetzten und kontrollierten Gebieten in Nordwest- und Nordzentral-Syrien ist die SIG die nominelle Regierungsbehörde. Innerhalb der von der Türkei kontrollierten Zone ist eine von der Türkei unterstützte Koalition bewaffneter Gruppen, die Syrische Nationale Armee (SNA) - nicht zu verwechseln mit Assads Syrischen Streitkräften -, mächtiger als die SIG, die sie routinemäßig ignoriert oder außer Kraft setzt (Brookings 27.1.2023). Beide wiederum operieren de facto unter der Autorität der Türkei (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 18.3.2023). Die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte bildeten nach ihrer Machtübernahme 2016 bzw. 2018 in diesem Gebiet Lokalräte, die administrativ mit den angrenzenden Provinzen der Türkei verbunden sind. Laut einem Forscher des Omran Center for Strategic Studies können die Lokalräte keine strategischen Entscheidungen treffen, ohne nicht die entsprechenden türkischen Gouverneure einzubinden. Gemäß anderen Quellen variiert der Abhängigkeitsgrad der Lokalräte von den türkischen Behörden von einem Rat zum nächsten (SD 18.3.2023). Die Anwesenheit der Türkei bringt ein gewisses Maß an Stabilität, aber ihre Abhängigkeit von undisziplinierten lokalen Vertretern, ihre Unfähigkeit, die Fraktionsbildung unter den Dutzenden bewaffneter Gruppen, die mit der SNA verbunden sind, zu überwinden, und ihre Toleranz gegenüber deren Missbrauch und Ausbeutung der Zivilbevölkerung haben dazu geführt, dass ihre Kontrollzone die am wenigsten sichere und am brutalsten regierte im Norden Syriens ist (Brookings 27.1.2023).In den von der Türkei besetzten und kontrollierten Gebieten in Nordwest- und Nordzentral-Syrien ist die SIG die nominelle Regierungsbehörde. Innerhalb der von der Türkei kontrollierten Zone ist eine von der Türkei unterstützte Koalition bewaffneter Gruppen, die Syrische Nationale Armee (SNA) - nicht zu verwechseln mit Assads Syrischen Streitkräften -, mächtiger als die SIG, die sie routinemäßig ignoriert oder außer Kraft setzt (Brookings 27.1.2023). Beide wiederum operieren de facto unter der Autorität der Türkei (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 18.3.2023). Die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte bildeten nach ihrer Machtübernahme 2016 bzw. 2018 in diesem Gebiet Lokalräte, die administrativ mit den angrenzenden Provinzen der Türkei verbunden sind. Laut einem Forscher des Omran Center for Strategic Studies können die Lokalräte keine strategischen Entscheidungen treffen, ohne nicht die entsprechenden türkischen Gouverneure einzubinden. Gemäß anderen Quellen variiert der Abhängigkeitsgrad der Lokalräte von den türkischen Behörden von einem Rat zum nächsten (SD 18.3.2023). Die Anwesenheit der Türkei bringt ein gewisses Maß an Stabilität, aber ihre Abhängigkeit von undisziplinierten lokalen Vertretern, ihre Unfähigkeit, die Fraktionsbildung unter den Dutzenden bewaffneter Gruppen, die mit der SNA verbunden sind, zu überwinden, und ihre Toleranz gegenüber deren Missbrauch und Ausbeutung der Zivilbevölkerung haben dazu geführt, dass ihre Kontrollzone die am wenigsten sichere und am brutalsten regierte im Norden Syriens ist (Brookings 27.1.2023).
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-03-08 11:17
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):
UNGeo 1.7.2023 (Stand: 6.2023)
Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen [Anm.: zu den Gebieten mit IS-Präsenz siehe Unterkapitel zu den Regionen]:
CC 13.12.2023 (Stand: 30.9.2023)
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derz