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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. Oktober 1992, Zl. Wa-128/92, betreffend Verweigerung der Ausstellung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 5. Mai 1992 wies die Bezirkshauptmannschaft Mödling den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 17 Abs. 2 des Waffengesetzes 1986, BGBl. Nr. 443 (WaffG), ab.
Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 19. Oktober 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe keine Folge, daß "die bezogene Gesetzesstelle § 17 Abs. 2 in Verbindung mit § 18 des Waffengesetzes 1986 zu lauten hat".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 17 Abs. 2 erster Satz WaffG bzw. auf Erlassung einer richtigen Ermessensentscheidung gemäß § 17 Abs. 2 zweiter Satz WaffG sowie "im Übergehen" der Möglichkeit nach § 17 Abs. 3 WaffG verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt. Der Beschwerdeführer hat zur Gegenschrift der belangte Behörde eine Gegenäußerung eingebracht, zu der die belangte Behörde eine weitere "Gegenschrift" ausgeführt hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hat seinen Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses damit begründet, für ihn bestehe ein Bedarf zum Führen einer Faustfeuerwaffe, weil er als selbständiger Kaufmann in W sehr oft allein im Verkauf tätig und mit größeren Geldbeträgen unterwegs sei. Als Einkäufer der Firma sei er mit seinem bzw. dem Firmen-Pkw monatlich bis etwa 4.000 km auch auf wenig befahrenen Autobahnen mit erheblichen Geldbeträgen unterwegs. Die hohe Kriminalität - insbesondere ständig steigende Diebstähle in seinem optischen Betrieb - und die "immer weiter fortschreitende Brutalität verbrecherischer Elemente", verbunden mit der örtlichen Lage seines Betriebes seien ausschlaggebend für seinen Antrag. Er fühle sich in vielen Situationen nicht mehr sicher genug, um seinen Beruf ohne Angst ausüben zu können, und wolle sich nicht ohne entsprechende Gegenwehr "abschlachten" lassen. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz legte der Beschwerdeführer Auszüge aus seinem Kassabuch betreffend die erzielten Tageslosungen und Kriminalberichterstattung beinhaltende Zeitungsausschnitte vor. Gleichzeitig erwiderte er den Vorhalt der Behörde, die Anwendung bargeldlosen Zahlungsverkehrs sei möglich und im Umkreis seines Betriebes befänden sich vier Bankinstitute, dahingehend, daß er fast täglich mit erheblichen Bargeldlosungen zu seiner Bank unterwegs sei, weshalb bargeldlose Überweisungen nicht möglich seien. Die Sicherheit seiner Person lasse sich nicht an ihn umgebenden Bankfilialen messen. Durch enorme Diebstähle in seinem Geschäft stehe er direkt kriminellen Elementen gegenüber, deren Reaktionen nicht vorauszuberechnen seien. Der letzte gewaltsame Einbruch habe sich im Sommer 1990 ereignet. In seiner Berufung bekräftigte der Beschwerdeführer sein bisheriges Vorbringen und betonte, daß Geldboten besonders bei Nachtfahrten bald einem extremen Risiko ausgesetzt sein würden.
Die belangte Behörde hat das Vorliegen eines Bedarfes des Beschwerdeführers zum Führen von Faustfeuerwaffen unter Hinweis auf die hg. Judikatur deswegen verneint, weil den nach Auffassung des Beschwerdeführers in Österreich herrschenden schlechten Sicherheitsverhältnissen auch jeder andere ausgesetzt sei. Was die allfällige Konfrontation mit kriminellen Elementen während des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in seinen Geschäftsräumlichkeiten anbelange, liege ein Bedarf am Führen einer Faustfeuerwaffe nicht vor, weil für deren Beisichhaben innerhalb solcher Räume mit einer Waffenbesitzkarte - der Beschwerdeführer besitze eine solche - das Auslangen gefunden werden könne. Außerhalb des Betriebsbereiches habe der Beschwerdeführer eine besondere Gefahrenlage nicht glaubhaft machen können, weil den von ihm selbst vorgelegten Unterlagen zufolge die von ihm zu Banken zu transportierenden Geldbeträge in der Regel unter S 30.000,-- gelegen seien, wobei lediglich einmal ein Betrag von S 46.984,-- aufgeschienen sei. Im Umkreis von 500 bis 1.000 m vom Geschäftsbetrieb des Beschwerdeführers befänden sich vier Bankinstitute, sodaß das mit der Einzahlung verbundene, behauptete Risiko durch Inanspruchnahme des nächstgelegenen Bankinstitutes bzw. dessen Nachttresors wesentlich verringert werden könne. Der Transport von Bargeldbeträgen in der angeführten Höhe zur Tageszeit zwecks Einzahlung bei einer Bank stelle angesichts der Häufigkeit solcher Transaktionen auch im sonstigen Privat- sowie Geschäftsverkehr kein besonderes Sicherheitsrisiko dar. Auch eine Ermessensentscheidung zugunsten des Beschwerdeführers habe nicht gefällt werden können, weil die vorgebrachten Gründe nicht "nahe an einen Bedarf" herankämen und dem öffentliche Interesse an einer möglichst weitgehenden Geringhaltung von Berechtigungen zum Führen von Faustfeuerwaffen gegenüber den Interessen des Beschwerdeführers erhöhtes Gewicht zukomme.
Gemäß § 17 Abs. 2 WaffG hat die Behörde einer verläßlichen Person, die das 21. Lebensjahr vollendet hat, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und einen Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen nachweist, einen Waffenpaß auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verläßliche Personen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde; ebenso die Ausstellung an Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, soweit diese den Nachweis des beruflichen Bedarfes erbringen. Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen kann die Behörde, wenn ein Waffenpaß nur im Hinblick auf die besonderen Gefahren, die bei der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit auftreten, ausgestellt wird, die Befugnis zum Führen durch einen entsprechenden Vermerk im Waffenpaß auf die Dauer dieser Tätigkeit beschränken. Gemäß § 18 leg. cit. ist ein Bedarf in diesem Sinn insbesondere dann als gegeben anzunehmen, wenn eine Person glaubhaft macht, daß sie außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder ihrer eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann. Dieser Umschreibung des Bedarfsbegriffes ist - worauf der Verwaltungsgerichtshof schon in einer Vielzahl von Erkenntnissen hingewiesen hat - zu entnehmen, daß vom Vorliegen besonderer Gefahren nur dann die Rede sein kann, wenn die Gefahren das Ausmaß der für jedermann bestehenden Gefahren erheblich übersteigen. Wenngleich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Beurteilung der Erheblichkeit in diesem Zusammenhang kein übertrieben strenger Maßstab anzulegen ist, so muß für die Annahme des Bedarfes zum Führen von Faustfeuerwaffen als Voraussetzung für den Anspruch auf Ausstellung eines Waffenpasses immerhin das Vorhandensein einer Gefahrenlage gefordert werden, die sich vom Sicherheitsrisiko, dem jedermann namentlich außerhalb seines Wohn- oder Betriebsbereiches oder seiner eingefriedeten Liegenschaften ausgesetzt ist, deutlich erkennbar abhebt. Zudem setzt die Bejahung der Bedarfsfrage auch voraus, daß die Gefahr eine solche ist, daß ihr unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände am zweckmäßigsten mit Waffengewalt, d. h. mit dem Einsatz von Faustfeuerwaffen wirksam begegnet werden kann (vgl. u. a. die Verwaltungsgerichtshoferkenntnisse vom 7. Juni 1977, Zl. 398/77, vom 22. Oktober 1986, Zl. 85/01/0197, und vom 16. September 1993, Zl. 92/01/0797).
Ausgehend von dieser Rechtslage ist es unbeschadet des ansonsten im Bereich des Verwaltungsrechtes allgemein geltenden Grundsatzes der Amtswegigkeit allein Sache des Waffenpaßwerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen von Faustfeuerwaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 18 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage glaubhaft zu machen. Somit wäre es Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, schon im Verwaltungsverfahren konkret und in substantieller Weise im einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableitet. Diesem Erfordernis ist der Beschwerdeführer indes im Verwaltungsverfahren lediglich dadurch nachgekommen, daß er behauptet hat, sehr oft in seinem Gewerbebetrieb allein anwesend und täglich mit größeren Geldbeträgen unterwegs zu sein.
Mit diesem Vorbringen hat aber der Beschwerdeführer nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes weder in hinreichender Weise konkret aufgezeigt, inwieweit der Transport von Geldbeträgen im aufgezeigten Umfang und über eine Entfernung von lediglich 500 bis 1.000 m im Bereich einer stark frequentierten, großstädtischen Einkaufsstraße für ihn bei den gegebenen Sicherheitsverhältnissen eine akute, über das für jedermann bestehende Zufallsrisiko hinausgehende Gefahr bedeuten soll; noch hat er dargetan, daß diese Gefahr eine solche ist, daß ihr am zweckmäßigsten nur durch den Gebrauch einer Faustfeuerwaffe wirksam begegnet werden könnte. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof in einer Vielzahl von Erkenntnissen in ähnlich gelagerten Fällen klargelegt, daß die Durchführung von Geldtransporten auch in den Abendstunden (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 19. Oktober 1983, Zl. 81/01/0312, und vom 6. Mai 1992, Zl. 92/01/0405) und selbst das Mitsichführen von wesentlich höheren Beträgen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl. 91/01/0042) keine solche Gefahr darstellt. Ebensowenig kann aus dem Hinweis des Beschwerdeführers auf die seiner Ansicht nach allgemein steigende Kriminalität eine solche, ihn akut betreffende und das allgemeine Sicherheitsrisiko übersteigende Gefahrenlage abgeleitet werden. Im übrigen ist das Risiko einer Bedrohung in den eigenen Räumen des Beschwerdeführers bereits durch seine Waffenbesitzkarte abgedeckt.
Bei dieser Sach- und Rechtslage erweist sich aber auch der im Rahmen der Verfahrensrüge erhoben Vorwurf, die belangte Behörde hätte ergänzende Ermittlungen über vom Beschwerdeführer andeutungsweise erwähnte Eigentumsdelikte im Bereich seines Geschäftslokals sowie über die Lage der nächsten Bankinstitute bzw. über die Sicherheitsverhältnisse auf dem Weg dorthin anstellen müssen, als unberechtigt. Auch aus dem vom Beschwerdeführer im Rahmen der Zitierung waffenrechtlicher Literatur ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom 21. April 1982, Zl. 01/3879/80, kann für ihn nichts gewonnen werden, weil der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis - entgegen der offenbar vom Beschwerdeführer vertretenen Meinung - zu der Auffassung gelangt ist, daß selbst der Inhaber eines Kiosks, in dessen Nähe sich ein überwiegend von Gastarbeitern frequentierter Gasthausbetrieb befand, außerhalb dieses Kiosks nicht Gefahren ausgesetzt sei, die signifikant das Sicherheitsrisiko überstiegen hätten, dem jedermann ausgesetzt ist, der als Kraftfahrer oder Fußgänger genötigt ist, des Nachts abgelegene Bereiche des Stadtgebietes zu durchqueren.
Die Verneinung des Bedarfes des Beschwerdeführers zum Führen von Faustfeuerwaffen erfolgte sohin zu Recht.
Bei der Ausübung des gemäß § 17 Abs. 2 WaffG eingeräumten Ermessens sind gemäß § 7 WaffG private Rechte und Interessen insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahren besteht, möglich ist. Die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung, deren Ergebnis keine positive Erledigung des Antrages des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Waffenpasses ermöglicht hat, läßt insbesondere auf Grund der dem Beschwerdeführer zu Recht entgegengehaltenen Erhöhung der mit dem Gebrauch von Faustfeuerwaffen verbundenen Gefahren durch die vermehrte Ausstellung von Waffenpässen - die vom Beschwerdeführer dargelegte Situation gleicht weitgehend derjenigen, in der sich ein Großteil von Gewerbetreibenden befindet, sodaß im Fall der Ausstellung eines Waffenpasses an den Beschwerdeführer ein analoges Vorgehen in vergleichbaren Fällen ein wesentliches Ansteigen von Bewilligungen zum Führen von Faustfeuerwaffe zur Folge hätte - und des somit bestehenden öffentlichen Interesses an einer möglichsten Geringhaltung derartiger Berechtigungen keinen dem Gesetz widersprechenden Gebrauch des Ermessens der Behörde erkennen.
Soweit der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde geltend macht, es wäre auch möglich gewesen, die erbetene Befugnis zeitlich einzuschränken, war die belangte Behörde mangels eines nachgewiesenen Bedarfes des Beschwerdeführers auch gehindert, mit der Ausstellung eines im Sinne des § 17 Abs. 3 WaffG auf die Dauer einer bestimmten Tätigkeit beschränkten Waffenpasses vorzugehen. Die Ausstellung eines solcherart beschränkten Waffenpasses ist daher zu Recht unterblieben.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992011022.X00Im RIS seit
25.04.2001Zuletzt aktualisiert am
24.09.2012